Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.07.2004

LSG NRW: leistungserbringer, vergütung, vorläufiger rechtsschutz, versorgung, wahlfreiheit, wirtschaftlichkeitsgebot, rahmenvertrag, hauptsache, eingriff, krankenpflege

Landessozialgericht NRW, L 16 B 34/04 KR ER
Datum:
12.07.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 34/04 KR ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 8 KR 32/04 ER
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 07.04.2004, mit dem die Antragstellerin
den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt hat, wird
zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des
Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 40.000 Euro festgesetzt
(L 16 B 34/04 KR ER) 2. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin
gegen den (Streitwert-) Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom
07.04.2004 wird der Streitwert auch für das erstinstanzliche Verfahren
auf 40.000 Euro festgesetzt (S 8 KR 32/04 ER = L 16 B 37/04 KR ER).
Gründe:
1
I. Die Antragstellerin B. (Ast) ist Inhaberin des ambulanten Pflegedienstes "Ambulante
Kinderkrankenpflege S" in M. Sie erbringt Leistungen der häuslichen Krankenpflege
gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie Pflegeleistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Sie versorgt u.a. die Versicherte der
Antragsgegnerin (Ag) T M (geb. 1999 - SL) aufgrund einer Verordnung des Dr. T aus J
mit ambulanter häuslicher Kinderkrankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich.
Weitere Versicherte der Ag versorgt sie zu Stundensätzen zwischen 36 und 44 Euro. Mit
Schreiben vom 03.09.2003 wandte sich die Ag an die Mutter der Versicherten SL und
wies darauf hin, dass der Pflegedienst der Ast kein Vertragspartner und eine
Leistungsgewährung daher prinzipiell nicht möglich sei. Die Versorgung könne aber
durch einen Vertragspartner, nämlich die Familien- und Krankenpflege C, zu einem
Stundensatz von 28,50 Euro sichergestellt werden. Dauerhaft könne nur dieser Betrag
statt des von der Ast angesetzten Stundensatzes von 38, 25 Euro erstattet werden, sollte
SL die Versorgung durch die Ast wählen.
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Mit Beitrittserklärung vom 12.09.2003 trat die Ast dem Rahmenvertrag zwischen dem
Landesverband freie ambulante Krankenpflege NRW (LFK) und dem VdAK/AEV vom
30.04.1999 bei. Die gemäß § 13 des Vertrages für die Vergütung maßgebliche Anlage 5
des Vertrages enthält keine besonderen Bestimmungen für Leistungen der
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Kinderkrankenpflege.
Am 18.02.2004 forderte die Ast die Ag auf, bis zum 26.02.2004 eine strafbewehrte
Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. Nach dieser Erklärung
sollte sich die Ag verpflichten,
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1. es künftig zu unterlassen, Patienten von Frau B. anzuschreiben und diesen
gegenüber zu behaupten, der Ambulante Kinderkrankenpflege- dienst S sei nicht
Vertragspartner,
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2. es künftig zu unterlassen, in das Wahlrecht der Versicherten einzugreifen, die von
Frau B. als Patienten versorgt werden und diese aufzufordern, die Leistungserbringung
von einem anderen vorgegebenen Leistungserbringer durchführen zu lassen,
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3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung eine Vertragsstrafe in
Höhe von 100.000,- Euro an Frau B. zu zahlen.
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Mit Schreiben vom 20.02.2004 teilte die Ag der Ast mit, sie habe nach Beitritt der Ag zu
den abgeschlossenen Rahmenverträgen keine Veranlassung zu behaupten, die Ast sei
keine Vertragspartnerin. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 03.09.2003 habe die
gegenteilige Aussage aber den Tatsachen entsprochen. Die Ag habe auch nicht
versucht, SL zu bewegen, die Leistungen durch einen günstigeren Leistungserbringer
durchführen zu lassen. Man habe lediglich vorsorglich einen Leistungserbringer
benannt, der die Leistungen zu einem Preis erbringe, den die Ag zu zahlen bereit sei.
Die Versicherte sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es ihr frei stehe,
etwa die Ag zu beauftragen, allerdings dann ggf. die Mehrkosten tragen zu müssen. Die
Wahlfreiheit des Versicherten sei nicht betroffen, da es seiner Entscheidung obliege,
welcher Leistungserbringer beauftragt werde. Ebenfalls mit Schreiben vom 20.02.2004
informierte die Ag die Versicherte SL, der von der Ast, die nunmehr Vertragspartner sei,
angesetzte Stundensatz entspreche nicht dem geschlossenen Rahmenvertrag,
überschreite zudem den Stundensatz für vergleichbare Pflege durch andere
Vertragspartner und entspreche damit nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da diese
aufgrund vertraglicher Absprache bereit seien, die Pflege zu einem Stundensatz von 28,
50 Euro zu erbringen. Eine entsprechende Versorgung sei ab 01.03.2004 möglich. Eine
darüber hinausgehende Kostenbeteiligung scheide aus. Der Anspruch auf freie Wahl
des Pflegedienstes werde dadurch nicht berührt.
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Am 01.03.2004 hat die Ast beim Sozialgericht (SG) Dortmund den Erlass einer
einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Ag sei nach
dem SGB V nicht berechtigt, eine "Umversorgung" ihrer Versicherten zu Lasten der Ast
vorzunehmen. Die schriftliche Aufforderung an Versicherte, den Leistungserbringer zu
wechseln, stelle einen auch nicht durch das Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigten
Eingriff in die durch Art. 3, 12, 14 Grundgesetz (GG) geschützten Rechte der Ast dar. Die
Ag weigere sich seit Jahren, mit der Ast Vergütungssätze abzuschließen; dies sei aber
erforderlich, da die Vergütungssätze der Altenkrankenpflege (im Bereich der
Kinderkrankenpflege) keine Anwendung fänden. Die Ag setze ihr Verhalten auch fort.
Die Eltern eines anderen Versicherten (T3) hätten sich durch die Ag gedrängt gesehen,
ihre ursprüngliche Absicht der Versorgung durch die Ast aufzugeben und stattdessen
den Familien- und Krankenpflegedienst Bochum zu beauftragen. Die Versorgung von
SL werde zwar weiter durchgeführt, aber nur weil die Ast die Differenzbeträge gestundet
habe.
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Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da die Ast fünf Versicherte der Ag mit einer
monatlichen Stundenzahl von 1240 Stunden betreue (gesamt: 13 Kinder bei 2207
Stunden) und durch die Praxis der Ag und aufgrund deren erheblichen Marktanteilen
schwere wirtschaftliche Nachteile bis hin zur Existenzgefährdung befürchten müsse.
Zumindest 50% der Mitarbeiter müssten mit allen nachteiligen wirtschaftlichen und
rechtlichen Folgen für die Ast entlassen werden, würden die Versicherten der Ag
wegfallen. Auch entstehe durch die Auseinandersetzung eine Rufschädigung, weil bei
potentiellen Neukunden der Eindruck erweckt werde, die Ast verlange eine überhöhte
Vergütung für ihre Leistungen.
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Die Ast hat beantragt:
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1. Der Ag wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig untersagt, bei den
durch die Ast als Leistungserbringerin versorgten Versicherten in das Wahlrecht der
Versicherten einzugreifen und diese aufzufordern, die Leistungserbringung von einem
von der Antragsgegnerin vorgegebenen Leistungserbringer durchführen zu lassen.
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2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis
zur Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu (?) Monaten - diese zu
vollziehen am Vorstand - angedroht.
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Die Ag hat die Auffassung vertreten, sie greife nicht in die Wahlfreiheit der Versicherten
ein. Ihre den Versicherten gegenüber getätigten Aussagen seien im Übrigen durch das
zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigt. Im Übrigen stehe das Wahlrecht
nur den Versicherten persönlich zu, so dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des
Antrages bestünden. Die Ag müsse die von der Ast vorgegebenen Preise nicht
akzeptieren, da eine Vergütungsvereinbarung nicht bestehe. Im Übrigen sei kein
Anordnungsgrund ersichtlich. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stehe auch
das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
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Das SG hat den Antrag der Ast mit Beschluss vom 07.04.2004 abgewiesen und zur
Begründung u.a. ausgeführt, ein Anordnungsanspruch liege nicht vor, da die Vergütung
sich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot richten müsse. Dieses sichere die finanzielle
Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung und rechtfertige als
bedeutendes Gemeinwohlziel einen Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte
Berufsausübungsfreiheit. Das Sachleistungsprinzip erlaube den Krankenkassen, ihren
Versicherten mitzuteilen, welche Leistungserbringer Leistungen zuzahlungsfrei
erbringen und bei welchen Leistungserbringern Zuzahlungen durch den Versicherten zu
erwarten seien. Auch von der Dringlichkeit des Anordnungsgrundes sei das Gericht
nicht überzeugt, da nicht ersichtlich sei, dass die Ast Insolvenz anmelden müsse, wenn
hinsichtlich der bei der Ag versicherten Kinder lediglich eine Vergütung von 28,50 Euro
je Stunde (statt mindestens 36 Euro) erfolge.
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Mit weiterem Beschluss vom 07.04.2004 hat das SG den Streitwert mangels konkreter
Anhaltspunkte auf 4.000 Euro festgesetzt.
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Gegen die ihr am 13.04.2004 zugestellten Beschlüsse des SG Dortmund hat die Ast am
29.04.2004 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, ein weiterer Fall belege die
Wiederholungsgefahr. Der Versicherten I T4 sei zwar die Leistungserbringung durch die
Ag bewilligt worden, allerdings solle die Vergütung nach den Grundsätzen der
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Altenkrankenpflege erfolgen. Zu diesen Vergütungssätzen könne jedoch kein
Leistungserbringer die Kinderkrankenpflege erbringen. Die Ast habe die Versorgung
daher ablehnen müssen. Da aber offenbar keine alternative Versorgungsmöglichkeit
bestanden habe, sei es zu einer Verständigung zwischen Ast und Ag gekommen.
Zwischenzeitlich habe die Ag allerdings erneut lediglich eine Vergütung nach den
Grundsätzen der Altenkrankenpflege zugesagt. Im Übrigen ermächtige das
Wirtschaftlichkeitsgebot die Ag nicht, einseitig Vergütungssätze festzulegen. Die Ag
müsse die Vergütungssätze der Ast akzeptieren, solange diese nicht
rechtsmissbräuchlich überhöht seien. Der einzelne Leistungserbringer müsse vor einer
Übermacht der Krankenkassen geschützt werden. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes
sei zu beachten, dass die Ast etwa 60% ihres Umsatzes mit Versicherten der Ag mache.
Im Übrigen könne sich das Verhalten der Ag als vorbildhaft für andere Krankenkassen
erweisen. Zur Glaubhaftmachung hat die Ast eine eidesstattliche Versicherung vom
28.04.2004 überreicht und ein Schreiben der Ag vom 27.04.2004 vorgelegt, worin darauf
hingewiesen wird, dass eine Vereinbarung über spezielle Stundensatzvereinbarungen
bei Kinderkrankenpflege nicht bestehe, die Ast aber gebeten werde, sich hinsichtlich
einer zukünftigen, über die Vertragssätze hinaus gehenden Zusatzvereinbarung für
ambulante häusliche Kinderkrankenpflege mit ihrem zuständigen Landesverband in
Verbindung zu setzen. Der jährliche Gesamtumsatz betrage 987.000 Euro, wovon auf
Versicherte der Ag 595.000 Euro entfielen.
Im Hauptsacheverfahren sei bei der Streitwertfestsetzung hinsichtlich der Einnahmen
eines Leistungserbringers auf einen Zeitraum von 5 Jahren abzustellen. Vom jährlichen
Umsatz sei 1/3 als Gewinn zu schätzen. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei die
Hälfte des Streitwertes für ein etwaiges Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.
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Die Ag hat vorgetragen, von einer "Umversorgung" könne keine Rede sein. Sie stelle
den Versicherten unter Zusage der Übernahme eines Stundensatzes in Höhe von 28,50
Euro lediglich anheim, die Dienste eines kostendeckend arbeitenden Pflegedienstes
oder der Ast in Anspruch zu nehmen. Die Eltern des Versicherten T3 seien nicht bereit
gewesen, einen Eigenanteil zu tragen und hätten daher eine Versorgung durch den
Familien- und Krankenpflegedienst Bochum GmbH gewählt. Im Übrigen sei die Ast in
Kenntnis der Tatsache, dass sie nur Kinder betreue, den maßgeblichen
Rahmenverträgen, die besondere Vergütungssätze für Kinder nicht vorsähen,
beigetreten. Schließlich würde bei einer Versorgung zu einem Stundensatz von 28,50
Euro der Gesamtumsatz lediglich um 17% zurückgehen, wodurch die Existenz des
Unternehmens der Ast kaum gefährdet sei. Es gehe nicht um den Verlust von zu
betreuenden Versicherten, sondern je nach Einzelfall um einen reduzierten
Stundensatz.
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Die Streitwertfestsetzung von 4.000 Euro sei nicht zu beanstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
beigezogenen Verwaltungsakte der Ag Bezug genommen, die Gegenstand der
Beratung gewesen sind.
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II.
22
zu L 16 B 34/04 KR ER (einstweilige Anordnung)
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Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist
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zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beschwerde ist aber
unbegründet. Das SG hat den Antrag der Ast zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das "Gericht der Hauptsache" auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt jeweils voraus,
dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vom Antragsteller glaubhaft (§
86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung) gemacht werden. Der
Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf das materielle Recht, für das vorläufiger
Rechtsschutz beantragt wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 86 b RdNr.
27 m.w.N.).
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Vorliegend fehlt es an einem Anordnungsanspruch, denn der von der Ast geltend
gemachte Unterlassungsanspruch steht ihr nach der im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung materiell- rechtlich nicht zu bzw. ist
nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
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Dem geltend gemachten Anspruch kann entgegen der Auffassung der Ag zwar nicht
entgegengehalten werden, die Ast berufe sich lediglich auf die alleine den Versicherten
zustehende Wahlfreiheit hinsichtlich des Leistungserbringers. Denn die Ag behauptet
eine sie zumindest mittelbar betreffende Beeinflussung der Versicherten. Eine
Einschränkung der Wahlfreiheit des Versicherten kann einen Leistungserbringer in der
Ausübung seiner (Berufs-) Tätigkeit behindern; gegen einen solchen Eingriff kann (auch
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes) auch vor den Sozialgerichten Rechtsschutz
gesucht werden.
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Seit der Neuregelung des § 69 SGB V kann ein von der Ast geltend gemachter
Unterlassungsanspruch insoweit statt auf (zivilrechtliches) Wettbewerbsrecht immer
noch auf eine Verletzung der Art 12 und 3 GG gestützt werden, wenn Krankenkassen
durch ihr hoheitliches Verhalten das Recht der freien Berufsausübung oder der
Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigen. Dabei kann - auch hier - offen
bleiben, ob die von der Zivilrechtsprechung entwickelten Grundsätze über die
Untersagung unlauteren Wettbewerbs von Seiten der Krankenkassen in vollem Umfang
auf die nunmehr ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen übertragen
werden können, da der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz sowohl
prozessual als auch materiell weiterhin zu gewährleisten ist (BSGE 89, 24-34). Das
Grundrecht der Berufsfreiheit - hier der Berufsausübungsfreiheit - garantiert auch der Ast
die freie Berufsausübung, von der auch die Freiheit zur staatlicherseits unbeeinflussten
Teilnahme am Wettbewerb erfasst wird (vgl. BVerfGE 46, 120ff.).
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Hinsichtlich der behaupteten Einschränkung der Wahlfreiheit der Versicherten ist
zunächst darauf hinzuweisen, dass auch die Ag nach den maßgeblichen Schreiben an
die Versicherte SL - zumindest seit Beitritt zu dem Rahmenvertrag vom 30.04.1999 -
ausdrücklich auf den fortdauernden Anspruch auf freie Wahl des Pflegedienstes
hingewiesen hat (Schreiben an SL vom 20.02.2004). Allein der Hinweis auf eine
billigere Bezugsmöglichkeit zwingt die Versicherten nicht, hiervon Gebrauch zu
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machen.
Die Ag hat es nach dem Schreiben vom 03.09.2003 auch unterlassen, nur einen
konkreten Leistungserbringer als Alternativversorgung zu benennen (was nicht
unproblematisch sein dürfte). Auch der Fall der Versicherten Schl. zeigt, dass es der Ag
nicht darum geht, die Ast grundsätzlich auszuschließen. Außerdem versorgt die Ast
nach ihrem eigenen Vortrag insgesamt fünf Versicherte der Ag, so dass z.T. auch eine
hinsichtlich der Vergütung reibungslose Zusammenarbeit zu unterstellen ist.
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Der Hinweis der Ag auf die Vergütungs- und Kostenerstattungsproblematik, wie er etwa
in dem Schreiben an die Versicherte SL vom 20.02.2004 erfolgte, gegenüber
Versicherten bzw. die Ablehnung einer Bewilligung zu den von der Ast begehrten
Vergütungen (dies scheint das eigentliche Interesse der Ast zu sein) begegnet auch in
Hinblick auf die Konkretisierung des u.a. die Krankenkassen, aber auch die
Leistungserbringer (vgl. Insbesondere § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) bindenden
Wirtschaftlichkeitsgebotes in § 132 a Abs. 2 Satz 5 SGB V keinen durchgreifenden
Bedenken. Eine Fehlinformation der Versicherten und ein zu sanktionierender Eingriff in
die Wahlfreiheit der Versicherten liegt nicht vor. Insbesondere sind die maßgeblichen
Aussagen zur Vergütungshöhe nicht zu beanstanden.
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Dabei kann hier dahinstehen, ob der Beitritt zum Rahmenvertrag vom 30.04.1999 nicht
auch die gemäß dessen § 13 maßgeblichen Vergütungsregelungen der Anlage 5
dieses Vertrages erfasst und die Ast insoweit gezwungen ist, entsprechend den
vertraglichen Vorgaben abzurechnen (bzw. - wie offenbar andere Pflegeunternehmen -
eine individualvertragliche Vereinbarung mit der Ag zu treffen). Jedenfalls ergibt sich im
Rahmen der erforderlichen summarischen Prüfung kein Anspruch auf Vergütung zu den
von der Ast angesetzten Vergütungssätzen oder zum Abschluss einer entsprechenden
Vergütungsvereinbarung. Denn selbst soweit man unterstellt, dass der Rahmenvertrag
die Vergütung für Kinderkrankenpflege nicht regelt, ergibt sich aus dem Fehlen einer
Vergütungsvereinbarung ein solcher Anspruch nicht.
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An die von der Ast angesetzten Vergütungssätze wäre die Ag nämlich in diesem Falle
mangels entsprechender rahmen- oder individualvertraglicher Vereinbarung nicht
gebunden. Entgegen der Auffassung der Ast sind die Vergütungssätze nicht deswegen
verbindlich, weil sie sich nicht als rechtsmissbräuchlich erweisen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2001 -
B 3 KR 15/00 R - und zuletzt BSG, Urteil vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R - letzteres
ausweislich der unter www.bundessozialgericht.de abrufbaren Pressemitteilung) erfolgt
bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung die Vergütung des Leistungserbringers
nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Sämtliche Leistungen seien dann ohne
rechtlichen Grund erbracht worden. Da sie aus der Natur der Sache nicht
herausgegeben werden können, wäre die Ag der Ast nur zum Wertersatz verpflichtet (§§
812 Abs. 1, 818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Nach § 818 Abs. 2 BGB soll
der objektive Verkehrswert, nicht dagegen das Interesse des Entreicherten an seiner
Leistung, zu ersetzen sein (vgl. Palandt, BGB 61. Aufl. 2002, § 818 RdNr. 19 m.w.N.).
Auch bei Anwendung des § 612 Abs. 2 BGB (vgl. zu dessen Anwendbarkeit
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.04. 2004 Az: L 16 KR 270/02)
erfolgte lediglich eine Vergütung nach der (orts-) üblichen Vergütung. Jedenfalls steht
der Ag kein einseitiges Bestimmungsrecht gemäß §§ 315, 316 BGB zu; diese
Vorschriften finden im Recht der Leistungserbringer gemäß §§ 124 ff. SGB V keine
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Anwendung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 4).
Dass andere Leistungserbringer (z.B. die Familien- und Krankenpflege Bochum GmbH)
häusliche Kinderkrankenpflege nicht zu den von der Ag angebotenen Vergütungssätzen
erbringen, hat die Ast nicht dargetan. Ebenso fehlen bisher Anhaltspunkte dafür, dass
die Ag häusliche Kinderkrankenpflege nicht zu der von ihr angebotenen Vergütung
gewähren kann. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes waren weitere
Ermittlungen hierzu, zumal ohne hinreichende Anhaltspunkte und Vortrag, nicht geboten
und gerechtfertigt. Es kann daher auch dahinstehen, wie die übliche Vergütung für die
Kinderkrankenpflege angesichts der geringeren Zahl zu versorgender Versicherter und
der geringen Zahl z.T. offenbar auch spezialisierter Leistungserbringer in einem
etwaigen Hauptsacheverfahren konkret und abschließend zu ermitteln wäre.
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Hinsichtlich der Vergütungsproblematik wird im Übrigen auf die seit 01.01.2004
geltenden Regelungen des § 132 a Satz 6-8 SGB V (Schiedsverfahren) verwiesen.
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Das Verhalten der Ag wäre nach alledem lediglich dann zu beanstanden, wenn es für
eine Information der Versicherten keinen sachlichen Grund gäbe, weil der Versicherte
keinem (höherem) Vergütungsanspruch ausgesetzt wäre. Grundsätzlich richtet sich der
Vergütungsanspruch des Heilmittelerbringers unmittelbar gegen die Krankenkasse (der
Versicherte tritt als Vermittler für die Krankenkasse auf und der Leistungserbringer
verpflichtet sich, die Leistung nach den maßgeblichen Rahmenverträgen zu erbringen -
vgl. BSG, Urteil vom 10.07.1996 SozR 3-2500 § 125 Nr. 5). Auch ein etwaiger
Bereicherungsanspruch bzw. ein Anspruch aus § 612 Abs. 2 BGB richtete sich
unmittelbar gegen die Ag.
37
Eine Information der Versicherten durch die Ag erfolgt aber u.a. in deren Interesse und
trägt den Beratungs- und Aufklärungsverpflichtungen gemäß §§ 14, 15 SGB I
Rechnung, da die Gefahr besteht, dass der Leistungserbringer eine vertragliche
Absicherung ihm gegenüber sucht und sich die Versicherten ihrerseits
Leistungsansprüchen ausgesetzt sehen.
38
Mangels Anordnungsanspruchs sind Ausführungen zum Anordnungsgrund entbehrlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §§ 197a SGG,
154 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben des
über § 197 a SGG anwendbaren § 13 Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 13 Abs.1
GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag für die Antragsteller
ergebenden Bedeutung der Streitsache. Eine exakte Bestimmung des wirtschaftlichen
Interesses der Ast an der erstrebten Entscheidung ist angesichts zahlreicher
Unbekannten nicht möglich. Es erscheint zwar nicht gerechtfertigt, für die
Streitwertfestsetzung den vollständigen Verlust sämtlicher Versicherter der Ag zu
Grunde zu legen. Die wirtschaftliche Bedeutung des behaupteten Rechtsverstoßes der
Ag für die Ast liegt jedenfalls erkennbar über dem vom SG angenommenen Streitwert
von 4.000,00 EUR. Der Senat schätzt die wirtschaftliche Bedeutung auch unter
Berücksichtigung der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache durch dieses
Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz auf 40.000,00 EUR.
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III. zu L 16 B 37/04 KR ER (Streitwertbeschwerde)
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Auf die zulässige Beschwerde der Ast war der Beschluss des SG Dortmund vom
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07.04.2004 abzuändern und der Streitwert auf 40.000 Euro festzusetzen. Zur
Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Streitwertfestsetzung im
Beschwerdeverfahren verwiesen.
Die Entscheidungen sind unanfechtbar (§ 177 SGG).
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