Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2005

LSG NRW: silikose, wahrscheinlichkeit, erwerbsfähigkeit, rente, ilo, psychotherapie, hütte, unfallversicherung, rechtskraft, schlepper

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 2 KN 137/04 U
24.02.2005
Landessozialgericht NRW
2. Senat
Urteil
L 2 KN 137/04 U
Sozialgericht Duisburg, S 2 KN 118/02 U
Unfallversicherung
nicht rechtskräftig
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg
vom 29.07.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander
auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Verletztenrente wegen anerkannter
Quarzstaublungenerkrankung (Silikose, BK Nr. 4101 der Anlage zur BKV).
Der im September 1929 geborene Kläger wurde 1950 im deutschen Steinkohlenbergbau
angelegt. Er war bis Mai 1957 als Schlepper und Hauer unter Tage tätig. Von Juni 1957 bis
Dezember 1968 arbeitete er auf der B-Hütte in E. Die Beklagte stellte fest, es bestehe eine
Quarzstaublungenerkrankung, lehnte aber eine Berentung ab (Bescheide vom 14.12.1995
und 30.04.1996). Klage und Berufung waren erfolglos (Sozialgericht Duisburg S 4 BU
24/96, Urteil vom 20.02.1997, LSG NW L 2 KN 41/97 U, Urteil vom 28.05.1998).
Die Beklagte veranlasste Röntgenaufnahmen der Lungen (29.03.2001) und holte eine
Stellungnahme von Dr. N/E1 ein (20.04.2001). Sie lehnte weiterhin die Zahlung von
Verletztenrente wegen einer Quarzstaublungenerkrankung ab (Bescheide vom 16.05.2001
und 30.04.2002).
Zur Begründung der Klage (Sozialgericht Duisburg) hat der Kläger behauptet, ständig
Luftnotanfälle zu haben.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Prof. Dr. T/C vorgelegt (16.02.2004).
Das Sozialgericht hat ein internistisch-lungenärztliches Gutachten von Dr. X/N (18.12.2002)
unter Einbeziehung einer Bodyplethysmographie von Dr. S/N (11.12.2002) eingeholt. Auf
Antrag des Klägers hat Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. Q/N ein
Gutachten erstattet (13.09.2003). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom
29.07.2004).
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Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.07.2004 zu ändern und die Beklagte unter
Aufhebung der Bescheide vom 16.05.2001 und 30.04.2002 zu verurteilen, ihm wegen der
Folgen der BK Nr. 4101 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einem Grad der MdE um
20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat ein pneumologisches Gutachten von Dr. A/J eingeholt (09.12.2004 und
ergänzende Stellungnahme vom 12.01.2005).
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Anspruch auf die Zahlung von Verletztenrente
wegen der Folgen der BK Nr. 4101 der Anlage zur BKV hat der Kläger nicht. Das gilt
unabhängig davon, ob sich der geltend gemachte Anspruch noch nach den Vorschriften
der Reichsversicherungsordnung (RVO) richtet oder nach den Vorschriften des
Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Zum anwendbaren Recht normiert § 212 SGB
VII den Grundsatz, dass die Vorschriften des ersten bis neunten Kapitels für
Versicherungsfälle gelten, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in
den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist. § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII
besagt, dass die Vorschriften über Renten [ ...] auch für Versicherungsfälle gelten, die vor
dem Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem
Inkraftteten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Wie diese Formulierung zu
verstehen ist, ist streitig (vgl. dazu z. B. BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 9/03 R, HVBG -
Info 2003, 2829 ff; Urteil vom 05.03.2002, B 2 U 4/01 R, HVBG - Info 2002 , 1065 ff; Urteil
vom 20.02.2001, B 2 U 1/00 R, HVBG - Info 2001, 839 ff, mwN). Sowohl nach den
Vorschriften der §§ 580, 581 RVO als auch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII setzt der
Anspruch auf eine Rente für Versicherte voraus, dass die Erwerbsfähigkeit infolge eines
Versicherungsfalles gemindert ist. Daran fehlt es. Es ist nach Ausschöpfen der gebotenen
Aufklärungsmöglichkeiten nicht erweislich, dass die Quarz- staublungenerkrankung
(Silikose) und ihre Folgen die Erwerbsfähigkeit mindern. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme ist nur von ganz geringfügigen silikotischen Veränderungen aus-
zugehen. Das folgt aus der überzeugenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. A. Seine
Röntgenaufnahmen der Lungen lassen in Kenntnis der Arbeitsanamnese die Einordnung
als eben leichtgradige silikotische Imprägnierung zu (ILO-Klassifizierung 1980: pq 1/1).
Dementsprechend waren zuvor Dr. X von einem Streuungsgrad qq 1/1 und Dr. N
(urkundsbeweislich verwertbar) von einem solchen von qq 1/1 pi co od ausgegangen. Dr. Q
hat diese Einstufung nicht angezweifelt. Hiermit harmonierend fanden sich
computertomographisch keine Hinweise auf eine eindeutige Quarzstaubeinlagerung in das
Lungenparenchym (Dr. A unter Hinweis auf die Aufnahmen vom 07.08.1998 und
September 2003; Einschätzung Ärztin für Radiologische Diagnostik Tophoven, 07.08.1998:
Diskrete fibröse Veränderungen ..., keine Veränderungen, die auf eine Silikose hindeuten
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könnten; Beurteilung Prof. Dr. T1 nach dem Bericht von Prof. Dr. L, 24.09.2003: Kein
Hinweis für eine Silikose). Die danach allenfalls ganz diskreten Strukturveränderungen des
Lungenparenchyms infolge der Inhalation quarzhaltiger Stäube sind nicht mit
Wahrscheinlichkeit zumindest wesentliche Teilursache der chronischen obstruktiven
Bronchitits, der Störungen der Herz- und Kreislauffunktion und der Stauungsleber, da sie
mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Funktionsbeeinträchtigungen des Herz-Lungen-
Kreislaufsystems bewirken (Dr. A). Der abweichenden Einschätzung von Dr. Q vermag der
Senat nicht zu folgen. Sie setzt sich nicht mit dem nur ganz geringfügigen Grad der
silikotischen Veränderungen auseinander.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.