Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.11.2008

LSG NRW: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, getrennt leben, krankenversicherung, auflage, versicherungspflicht, sozialhilfe, verfügung, beitragspflicht, krankheitsfall, eng

Landessozialgericht NRW, L 16 B 57/08 KR
Datum:
24.11.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 57/08 KR
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 5 KR 312/07
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts
Detmold vom 25. Juni 2008 geändert. Der Klägerin wird für das
Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin L, T, gewährt.
Gründe:
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I. Die Klägerin (d. Kl.) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem
Sozialgericht Detmold. Mit der Klage wendet sie sich gegen die Heranziehung zu
Pflichtbeiträgen ab April 2007 auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften
Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V).
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Die 1963 geborene Klägerin war bis 1994 überwiegend erwerbstätig und in der
gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert (im Bereich der Krankenversicherung -
KV- im Wesentlichen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Ab Oktober 1994 bezog sie
zunächst Leistungen der Arbeitslosenversicherung und war deshalb als
Pflichtversicherte bei der Beklagten (d. Bekl.) krankenversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB
V). In Unterbrechungszeiten war sie freiwillig krankenversichert (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGB V). Im Zusammenhang mit der Geburt ihres nichtehelichen Sohnes N (00.04.1997)
war sie bis April 1999 nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Fortbestehen der Versicherung
wegen Bezugs von Mutterschafts- oder Elternleistungen) pflicht- und danach bis Ende
2004 freiwillig krankenversichert. Vom 01.01. 2005 bis zum 07.08.2006 war sie als
arbeitsuchende Grundsicherungsempfängerin (§§ 7 ff. des Zweiten Buchs des
Sozialgesetzbuchs - SGB II) nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V pflichtversichert. Da sie im
Jahre 2006 zum Vater ihres gemeinsamen Kindes zog, erhielt sie ab August/Oktober
2006 nur eingeschränkte bzw. gar keine Leistungen nach dem SGB II mehr. Seitdem
wurde sie nicht mehr als Mitglied d. Bekl. geführt.
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Im April 2007 beantragte sie unter Hinweis auf die Neuregelungen des
Pflichtversicherungsrechts der Krankenversicherung durch das GKV-Wettbewerbs-
Stärkungsgesetz (GKV-WSG; Gesetz vom 26.03.2007, BGBl. I S. 378), insbesondere §
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5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei d. Bekl. die (Wieder-) Aufnahme als Pflichtversicherte. Dem
entsprach d. Bekl. mit den angefochtenen Bescheiden vom 02.05. (Festsetzung der
Mindest-Beitragshöhe in der Kranken- und Pflegeversicherung -KV/PV- ab 01.04.2007
(monatlich 113,52 EUR KV-; 13,88 EUR PV-Beitag)) und 04.07.2007 (KV-/PV-
Beitragsbescheide für April und Mai 2007 nebst Säumniszuschlägen und
Mahngebühren). Da d. Kl. nach ihren Angaben neben dem Natural-Unterhalt, den ihr der
Vater ihres Kindes gewährte, nur 154,00 Euro an Barleistungen erhielt (Kindergeld), sah
sie sich nicht in der Lage, die beantragte Pflichtversicherung zu finanzieren, erhob
Widerspruch gegen die Einbeziehung in die Pflichtversicherung und widerrief ihren
Antrag, in die Versicherung wieder aufgenommen zu werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 wies d. Bekl. die Widersprüche d. Kl. zurück
und führte aus, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 und § 186 Abs. 11 Satz 3 SGB V sei d. Kl. ab
dem 01.04.2007, unabhängig von einem Antrag, versicherungspflichtig. Denn d. Kl.
verfüge über keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Da sie zuletzt gesetzlich
krankenversichert gewesen sei, müsse sie bei d. Bekl. versichert sein.
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Dagegen hat sich d. Kl. mit der am 12.10.2007 erhobenen Klage gewandt und
vorgetragen, es gehe nicht an, diktatorisch in ein Zwangsversicherungssystem
einbezogen zu werden, dessen Beiträge sie nicht zahlen könne.
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Zwischenzeitlich hat d. Bekl. mit dem hier nicht streitbefangenen Bescheid vom
22.08.2007 das Ruhen der Regelleistungen aus der Krankenversicherung gemäß § 16
Abs. 3a SGB V festgestellt.
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Den am 25.04.2008 gestellten PKH-Antrag hat das SG mit Beschluss vom 25.06.2008
zurückgewiesen, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe: Die Mitgliedschaft
entstehe kraft Gesetzes. Daraus folge die Beitragspflicht. Diese sei in §§ 227 und 240
SGB V festgelegt. D. Kl. habe Beiträge zur KV und PV nach einem Mindest-
Beitragsbemessungswert (816,67 EUR monatlich) zu zahlen.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde d. Kl. vom 16.07.2008.
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II. Die Beschwerde ist begründet. Der Klägerin (d. Kl.) steht die begehrte PKH gemäß §
73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO)
entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) zu.
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Die erhobene Klage gegen die KV-Beitragsbescheide für April und Mai 2007 und die
darin enthaltene und zugrunde liegende Feststellung einer Versicherungspflicht d. Kl.
nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hat nämlich hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im Rahmen
der gebotenen summarischen Prüfung ist zwar letztlich noch offen, ob sich d. Kl. mit der
von ihr erhobenen Klage durchsetzen kann. Jedoch sind zur Beurteilung einer
Versicherungs- und Beitragspflicht d. Kl. noch weitere Tatbestandsfeststellungen
erforderlich, zum anderen wirft der zu beurteilende Sachverhalt eine Reihe von
schwierigen rechtlichen Fragen, insbesondere zur verfassungsrechtlichen
Ausgestaltung des Beitragseinzugs bei mittellosen Personen, die in einer eheähnlichen
Gemeinschaft mit einem leistungsfähigen Partner leben, auf. Dies rechtfertigt die
Gewährung von PKH (vgl. dazu nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar,
9. Auflage, 2008, § 73a, Randnummern -Rn- 7a und 7b).
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Nach § 5 Abs 1 Nr 13 sind Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf
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Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren, in
der Gesetzlichen KV pflichtversichert. Damit verbunden ist die Pflicht zur
Beitragszahlung gemäß §§ 227, 240 SGB V. Dies bedeutet, dass eine weitgehend
einkommenslose Person wie d. Kl. nach § 240 Abs 4 Satz 3 und 4 SGB V jedenfalls mit
dem in Satz 3 der Vorschrift genannten Mindestbeitrag heranzuziehen ist, auch wenn ihr
diese Mittel nicht zur Verfügung stehen. Bei alldem sieht das Gesetz in Satz 4 vor, dass
bei der Beitragsbemessung nicht nur die Einkommens- und Vermögenssituation des
Pflichtmitglieds selbst, sondern auch das Einkommen und das Vermögen von Personen,
die mit dem Mitglied in einer Bedarfsgemeinschaft leben, zu berücksichtigen sind.
In diesem Zusammenhang weist der Senat zunächst auf Folgendes hin: Der Umstand,
dass die Auffangversicherung in der KV nach § 5 Abs. 1 SGB V als Pflichtversicherung
ausgestaltet ist, bewirkt, dass die Äußerung d. Kl., sie widerrufe ihre Beitrittserklärung
vom 17.04.2007, ins Leere geht. Denn die Versicherungspflicht tritt unabhängig von
einem Antrag der Versicherten ein.
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Erheblich könnte hingegen sein, dass d. Kl. behauptet, ihr stünden keine ausreichenden
Barmittel zur Verfügung; sie erhalte von dem Vater ihres Kindes lediglich Leistungen in
Form der Wohnungsgewährung und von Sachleistungen wie Lebensmitteln. Zutreffend
ist, dass sie selbst gegenüber dem Vater ihres jetzt elfjährigen Kindes keinen Anspruch
auf Unterhalt hat, wenn sie mit dem Vater zusammen lebt, und lediglich auf das
angewiesen ist, was ihr dieser im Rahmen des bestehenden Lebensverhältnisses
tatsächlich zuwendet (vgl. dazu nur § 1615 l Abs. 2 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB), der einen Kinderbetreuungsunterhalt nur für die Dauer der ersten drei
Lebensjahre des Kindes vorsieht; siehe dazu auch etwa Göppinger/Wax/Strohal in
Unterhaltsrecht, 8. Auflage, 2003, Rn 1177 ff. m.w.N.; Wendl-Staudigl, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Auflage, 2008, § 7 Rn 1 ff., auch
Kalthoener-Büttner-Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl.,
2008, Rn 229; siehe dazu ebenso Palandt-Brudermüller, BGB, Kommentar, 67. Auflage,
2008, Einleitung vor § 1297, Rn 10 ff., insbes. Rn 19). Wenn d. Kl. also kein
Rechtsanspruch gegen den Vater ihres Kindes auf Unterhalt, insbesondere auf
Unterhaltsleistungen zur Absicherung des Krankheitsrisikos, zustehen (zum
Gesichtspunkt der Krankenversicherung als erweiterter Unterhaltsbedarf bei Eheleuten
vgl. etwa Göppinger/Wax/Strohal a.a.O., Rn 399 ff.), dann fragt sich unter
Berücksichtigung von Art 2 (allgemeine Handlungsfreiheit) und besonders Art 3
(Gleichbehandlungsgebot) des Grundgesetzes (GG), ob d. Kl. auf fiktives Einkommen
oder Vermögen aus einer Bedarfsgemeinschaft verwiesen werden darf, wie dies § 240
Abs 4 Satz 4 SGB V; (siehe auch Palandt-Brudermüller, BGB, Kommentar, 67. Auflage,
2008, Einleitung vor § 1297, Rn 10 ff.) vorsieht. Insbesondere kann aus
verfassungsrechtlicher Sicht kaum eine Pflichtmitgliedschaft begründet werden, ohne
dass gesichert ist, wie die Finanzierung durch die oder zugunsten der
Pflichtversicherten sichergestellt ist; andernfalls läge ein nicht zu rechtfertigender
Eingriff in die Handlungsfreiheit (Art 2 GG) vor.
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Zunächst ist allerdings noch festzustellen, ob der nichteheliche Lebenspartner d. Kl.
überhaupt leistungsfähig ist. Sollte er selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen,
kommt es auf die von d. Kl. aufgezeigte Problematik nicht an. Zwar deutet sich aus den
bisherigen Äußerungen der Beteiligten an, dass der Vater des gemeinsamen Kindes
über ausreichendes Vermögen und Einkommen verfügt, so dass ihn eine Übernahme
der Krankenkassenbeiträge d. Kl. nicht selbst bedürftig macht oder jedenfalls seinen
angemessenen eigenen Unterhalt gefährdet; festgestellt ist dies bislang noch nicht.
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Insoweit wird das SG den Partner also bereits hören müssen.
Die Verweisung auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Partners in einer
Bedarfsgemeinschaft (also die faktische Gleichstellung mit Ehegatten, die nicht dauernd
getrennt leben) findet sich schon seit langen Jahren für Partner eheähnlicher
Lebensgemeinschaft, so etwa im Recht der früheren Sozialhilfe nach dem
Bundessozialhilfegesetz, im Recht der früheren Arbeitslosenhilfe (Alhi) und nunmehr
grundlegend im Recht der Grundsicherung bei Arbeitsuchenden nach dem SGB II (z.B.
§ 7 Abs. 3 SGB II) bzw. im neuen Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII (z.B. § 36
SGB XII).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) lässt sich eine
derartige Einkommens- und Vermögensanrechnung bei unverheirateten Personen aber
nur dann rechtfertigen, wenn die partnerschaftlichen Beziehungen der betroffenen
Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und
Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (grundlegend BVerfGE 87, 234 ff., Rn
94 ff.). Nur wenn sich die Partner in einer Gemeinschaft so sehr füreinander
verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher
stellen, bevor sie sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse
verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Eheleute
vergleichbar, wie dies auch sonst § 240 Abs. 1 SGB V mit dem Hinweis auf die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines verheirateten Versicherten (vgl. dazu Krauskopf,
Soziale Krankenversicherung, Kommentar, Stand Juni 2008, § 240 SGB V, Rn 12
m.w.N.) vorsieht. Grundlage für ein derartiges Verhalten der Partner ist dann zwar keine
gegenseitige gesetzliche Unterhaltspflicht, sondern eher eine sittliche Verpflichtung,
auch in Notzeiten zueinander stehen zu wollen.
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Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau (hier d. Kl. und des Vaters ihres Kindes)
diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, lässt sich - wie
das BVerfG a.a.O. (vgl. Rn 96) besonders betont hat - nur anhand von Indizien
feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen,
kommen etwa in Betracht: die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von
(gemeinsamen) Kindern in einem gemeinsamen Haushalt, aber auch die Befugnis, über
Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Gerade zu
diesen Gesichtspunkten wird sich das SG weitere Gewissheit verschaffen müssen, etwa
durch eine Vernehmung des Vaters des gemeinsamen Kindes. Sollten die Emittlungen
des SG kein klares Bild erbringen, wird das Gericht erforderlichenfalls nach der
Beweislast entscheiden müssen. Ein Prozesserfolg kann angesichts der nötigen
Ermittlungen jedenfalls nicht verneint werden.
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Darüber hinaus ist zu fragen, ob der Gesetzgeber zur Milderung der
verfassungsrechtlichen Problematik nicht weitere Leistungspflichten dritter Stellen, etwa
der Grundsicherungsträger, vorgesehen hat, um damit auch dem Umstand Rechnung zu
tragen, dass eine rechtliche Verpflichtung des nichtehelichen Partners zum Unterhalt
eben nicht besteht. Bei der vorliegenden Sachlage erscheint es nicht ausgeschlossen,
dass d. Kl. zur Finanzierung der Pflichtmitgliedschaft auf einen gegen einen
Grundsicherungsträger gerichteten Anspruch nach § 26 Abs. 3 SGB II zurückgreifen
könnte. Diese Vorschrift ist erst zum 01.08.2006 in das SGB II eingefügt worden.
Danach übernimmt die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Antrag im erforderlichen
Umfang die Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung,
soweit (erwerbsfähige) Personen allein durch diese Aufwendungen hilfsbedürftig
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werden. Wenn davon auszugehen ist, dass der Bedarf d. Kl. (hier zur Absicherung ihrer
Krankenversicherung entsprechend ihren Angaben nicht durch (freiwillige) Leistungen
des Kindsvaters tatsächlich gedeckt sind, so könnte eine Bedarfslücke bestehen, die
erforderlichenfalls durch die BA zu decken wäre. Auch wäre zu erörtern, ob nicht
hilfsweise der Sozialhilfeträger zu einer ergänzenden Gewährung der neu eingeführten
Krankenversicherungs-Pflichtbeiträge verpflichtet sein könnte, wenn ein Anspruch
weder gegen den nichtehelichen Lebenspartner oder die Grundsicherungsbehörde
besteht (vgl. etwa zur Abdeckung von Sonderbedarfen durch den Sozialhilfeträger,
bspw. über § 5 Abs. 2 SGB II und § 73 des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs
(SGB XII), BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).
Darüber abschließend zu entscheiden, ist auch Sache des angerufenen
erstinstanzlichen Gerichts.
Darüber hinaus hat die Klage voraussichtlich ebenso Erfolg, soweit d. Bekl. auch die
Beiträge zur PV festgesetzt hat. Insoweit übersieht d. Bekl., dass sie außerhalb des
Einzugsstellenverfahrens (§ 28h SGB IV) nicht befugt ist, Beiträge für andere
Versicherungsträger festzusetzen und einzuziehen. Dies gilt auch, soweit d. Bekl. PV-
Beiträge zur Pflegekasse geltend macht. Denn es besteht keine Identität der KV- und
PV-Träger. Vielmehr handelt es sich um eigenständige Körperschaften, die ihre
Beitragsrechte auch eigenständig wahrzunehmen haben (vgl. dazu etwa BSGE 81, 177
ff, Rn 14, und modifizierend BSG SozR 4-3300 § 59 Nr 1, Rn 12), auch wenn § 60 Abs 3
SGB XI anordnet, dass die PV-Beiträge an die Krankenkasse zu zahlen sind, bei der die
zuständige Pflegekasse errichtet ist. Jedenfalls lässt sich den Bescheiden d. Bekl. auch
nicht etwa entnehmen, dass sie z.B. in Auftragsverwaltung für die Pflegekasse tätig
geworden ist. Insoweit jedenfalls spricht viel dafür, dass die PV-Beitragsbescheide
schon aus formellen Gründen rechtswidrig sind.
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Die Prozessführung erscheint nicht mutwillig.
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D. Kl. ist auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen, wie sich ihrer
Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entnehmen lässt.
Anlass, eine Zahlungsbeteiligung d. Kl. vorzusehen, besteht nicht. Zudem ist darauf
hinzuweisen, dass d. Kl. kein Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss gegen den
Vater des gemeinsamen Kindes zusteht (vgl. auch Kalthoener-Büttner-Niepmann,
a.a.O., Rn 439). Derartige Ansprüche sind nur unter Eheleuten (§§ 1360, 1360a Abs 4
BGB) und Verwandten (§ 1610 i.V.m. § 1360a analog BGB) vorgesehen.
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Dass eine Beiordnung einer Rechtsanwältin im Sinne von § 121 ZPO geboten
erscheint, bedarf angesichts der aufgezeigten rechtlichen Probleme keiner besonderen
Begründung.
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Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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