Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.11.2002

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Landessozialgericht NRW, L 12 AL 4/02
Datum:
06.11.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 4/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 3 AL 23/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 7 AL 328/02 B
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klage vom 6. November 2002 wird abgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um eine Fördermaßnahme für die Klägerin. Vorab geht es aber
um die Frage, ob der Rechtsstreit durch eine Erledigungserklärung beendet worden ist.
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Die am ...1952 in der Ukraine geborene Klägerin lebt seit dem 02.07.1995 im
Bundesgebiet. Die Klägerin erlangte in der ehemaligen UdSSR den Abschluss einer
Diplom-Betriebswirtin und war zuletzt als solche in einem Handelsbetrieb in Moskau
tätig. In Deutschland besuchte sie zunächst mehrere Sprachkurse und einen
Computerkurs. Eine Vermittlung in Arbeit gelang der Beklagten nicht.
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Am 08.12.1999 beantragte die Klägerin die Teilnahme an der beruflichen
Bildungsmaßnahme "Rechnungswesen 2000: Das modularisierte Akademiker-Kolleg"
bei der ...-GmbH in Düsseldorf, die vom 31.01.2000 bis zum 26.01.2001 dauern sollte.
Mit Bescheid vom 28.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
01.02.2000 lehnte die Beklagte die Teilnahme der Klägerin an dieser Maßnahme
wegen fehlender Eignug ab. Hiergegen legte die Klägerin am 07.02.2000 Klage vor
dem Sozialgericht Düsseldorf ein, die unter dem Aktenzeichen S 3 (13) AL 42/00
eingetragen wurde.
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In einem Erörterungstermin am 16.08.2000 wies die Kammervorsitzende des
Sozialgerichts die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin nach dem Akteninhalt sehr
wohl für die beantragte Förderung als auch für eine beabsichtigte Ausbildung zur
Buchhalterin geeignet sei. Die Ausbildungsperspektiven seien positiv einzuschätzen.
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Die Beklagte wurde gebeten, unter Berücksichtigung dieser Ausführungen die
Geeignetheit der Klägerin für eine Fortbildungsmaß nahme zur Buchhalterin erneut zu
überprüfen und ihr eine entsprechende Fortbildungsmöglichkeit anzubieten. Daraufhin
findet sich im Protokoll des Erörterungstermins folgende Erklärung der Klägerin: "Ich
erkläre den Rechtsstreit für erledigt. Ich erwarte einen Bescheid der Beklagten, der sich
mit meinem Antrag auf eine Fortbildungsmaßnahme im Buchhalterbereich
auseinandersetzt."
In der Folgezeit entwickelte sich ein reger Schriftverkehr zwischen der Klägerin und dem
Sozialgericht. Im Oktober wurde der Klägerin von der Beklagten die Teilnahme am
Akademiker-Kolleg angeboten. Sie wurde gebeten, sich an die ...-GmbH zu wenden.
Unter der Voraussetzung, dass die ...-GmbH bereit sei, mit ihr einen privatrechtlichen
Vertrag abzuschließen, werde ihr die Förderung zugesichert. Den Widerspruch
hiergegen wies die Beklagte als unzulässig zurück, da die Klägerin nicht beschwert sei.
Der Klägerin sei die Förderung an der von ihr begehrten Teilnahme nunmehr
zugesichert worden. Diese Zusage werde ausdrücklich wiederholt.
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In einem mit der Überschrift "Klage" versehenen Schreiben vom 12.02.2001 hat die
Klägerin dann vorgetragen, dass sie ihre Klage gegen die Ablehnung der begehrten
Bildungsmaßnahme nie zurückgezogen habe. Sie bitte um Prüfung ihrer Klage über die
Annulierung der Entscheidung über ihre Ungeeignetheit und über die Weigerung des
Arbeitsamtes, eine berufliche Bildungsmaßnahme zu fördern. Die Ablehnung im Jahr
1999 sei rechtswidrig gewesen.
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In einem erneuten Erörterungstermin vom 30.10.2001 hat die Beklagte nochmals
ausdrücklich erklärt, sie sei bereit, die Weiterbildungsmaßnahme der Klägerin bei der
Fa ... in D ... zu fördern. Sie gehe sowohl von der gesundheitlichen als auch von der
fachlichen Eignung der Klägerin für diese Maßnahme aus. Die Klägerin müsse
allerdings die entsprechende Bildungsmaßnahme beim Arbeitsamt beantragen und mit
dem Maßnahmeträger einen entsprechenden Bildungsvertrag abschließen.
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Auf die Frage des Sozialgerichts, ob die Klägerin nunmehr ihre Klage zurücknehme im
Hinblick auf die erneute Zusicherung der Förderung, hat die Klägerin erklärt, dass sie
ein persönliches Entschuldigungsschreiben vom Direktor des Arbeitsamtes Düsseldorf
erwarte.
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Das Sozialgericht ist von dem Antrag ausgegangen,
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das Klageverfahren fortzusetzen, den Bescheid der Beklagten vom 28.12.1999 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2000 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihre Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme im Bereich
Rechnungswesen zu fördern.
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Die Beklagte hat beantragt,
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festzustellen, dass der Rechtsstreit durch die Erledigungserklärung der Klägerin vom
16.08.2000 beendet worden sei.
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Mit Gerichtsbescheid vom 04.12.2001 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der
Rechtsstreit sei durch die Erledigungserklärung der Klägerin beendet. Zur Begründung
hat es ausgeführt: Die im Erörterungstermin vom 16.08.2000 abgegebene
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Erledigungserklärung sei als Klagerücknahme auszulegen. Diese Erklärung sei
wirksam. Ein Widerruf sei nur möglich, wenn die Voraussetzungen für eine
Wiederaufnahme des Verfahrens nach den §§ 179, 180 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
i.V.m. den §§ 578 ff Zivilprozessordnung (ZPO) vorlägen, wofür jedoch keine
Anhaltspunkte bestünden.
Gegen diesen ihr am 11.12.2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am
18.12.2001 eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor sie halte
die Ablehnung der beantragten Förderung im Jahre 1999 für rechtswidrig. Sie sei für die
Förderung gesundheitlich und fachlich geeignet.
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Im Verhandlungstermin vom 06.11.2000 war ein Rechtsgespräch mit der Klägerin trotz
Hinzuziehung einer Dolmetscherin nicht möglich. Die Beklagte hat erneut betont, dass
sie weiterhin bereit sei, die Maßnahme zu fördern, wenn die Klägerin einen
entsprechenden Vertrag abschließe. Die Klägerin hat hierzu erklärt, dass ihr diese
Zusage nicht ausreiche. Der Senatsvorsitzende hat ohne Erfolg versucht, gemäß § 106
SGG auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken.
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Die Klägerin beantragt ausdrücklich,
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"dass sie vom Direktor des Arbeitsamtes eine schriftliche Erklärung bekommt, dass sie
gesundheitlich geeignet ist und eine entsprechende Zusicherung der
Ausbildungsförderung."
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Die Beklagten erklärt:
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"Ich erkenne vorliegend keine Beschwer der Klägerin. Das, was die Klägerin möchte, ist
bisher geschehen."
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Die Beklagte ist der Meinung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein
Entschuldigungsschreiben des Direktors des Arbeitsamtes Düsseldorf. Im übrigen sei
nicht erkennbar, wo die Beschwer der Klägerin liege. Die Förderung der Klägerin sei
seit dem Jahre 2000 unstreitig. Es sei unergründlich, weshalb die Klägerin die
zugesagte Förderung nicht in Angriff nehme.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist zulässig. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin trotz der
gestellten Anträge auch ihr erstinstanzliches Begehren, nämlich die Fortführung des
ursprünglichen Prozesses S 3 (13) AL 42/00 weiter betreiben will. Eine Verständigung
hierüber war mit der Klägerin allerdings nicht möglich. Die Berufung ist jedoch nicht
begründet. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung des
Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 04.12.2001 an und
nimmt hierauf Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
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Die in 2. Instanz gestellten Klageanträge sind weder sachdienlich im Sinne von § 99
SGG noch sind sie begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein persönliches
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Entschuldigungsschreiben des Direktors des Arbeitsamtes Düsseldorf. Selbst wenn
man davon ausgehen kann, dass die ursprüngliche Ablehnung der Förderung der
Klägerin im Jahr 1999 nicht korrekt war, so folgt daraus nur der Anspruch, die fehlerhafte
Entscheidung aufzuheben und - soweit wie möglich - eine korrekte Entscheidung für die
Zukunft zu treffen. Dies ist hier inzwischen geschehen. Spätestens seit Oktober 2000
liegt die schriftliche Zusage der Beklagte vor, den von der Klägerin begehrten Lehrgang
nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu fördern, wenn sie - die Klägerin -
einen entsprechenden privatrechtichen Vertrag mit dem Bildungsträger schließt. Die
ursprünglich angenommene Ungeeignetheit der Klägerin steht seit mehr als 2 Jahren
nicht mehr zur Diskussion. Die Beklagte will die Klägerin nunmehr antragsgemäß
fördern, nur die Klägerin hindert sie daran durch ihr eigenes Handeln. Seit 2 Jahren
blockiert sie ihre eigene Förderung. Bei die ser Situation besteht kein Anlaß, die
Beklagte zu etwas zu verurteilen, zu dem sie sich bereits schriftlich mehrfach
bereiterklärt hat. Für diesen Klageantrag fehlt es am Rechtsschutzinteresse.
Der Klägerin ist dringend anzuraten, ihren Ärger über die falsche Entscheidung im Jahr
1999 zu überwinden und nunmehr aktiv mit der Beklagten ihre Fortbildung zu betreiben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 und
2 SGG aufgestellten Vorausstzungen nicht erfüllt sind.
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