Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2008

LSG NRW: belastung, prozesskostenvorschuss, billigkeit, krankenversicherung, krankenkasse, unterhalt, auflage, obsiegen, kostenbeteiligung, gefährdung

Landessozialgericht NRW, L 16 B 9/08 KR
Datum:
28.05.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 9/08 KR
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 5 KR 284/06
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Köln vom 14.01.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten
sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Die Klägerin (d. Kl.) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem
Sozialgericht (SG). Im Hauptsacheverfahren wendet sie sich gegen den Bescheid der
Beklagten (d. Bekl.) vom 21.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
30.01.2007, mit dem diese den Antrag d. Kl., ihr für Januar bis Mai 2006 eine
Haushaltshilfe zu gewähren, abgelehnt hat (offenbar nicht im Widerspruchsbescheid
beschieden wurden und dementsprechend auch von d. Kl. nicht weiter verfolgt werden
die Forderungen nach höheren Erstattungsleistungen für die Zeit vom 05.12.2005 bis
zum 04.01.2006).
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D. Kl. ist verheiratet und hat zwei (1999 und 2006 geborene) Kinder. Sie ist derzeit
offenbar noch im Erziehungsurlaub und bezieht mit Ausnahme von Erziehungsgeld kein
eigenes Einkommen. Ihr Ehemann betreibt als Selbständiger ein Reisebüro. Nach den
von d. Kl. im Beschwerdeverfahren vorgelegten Einkommens- und Umsatznachweisen
aus der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes hat dieser aus dem Unternehmen
durchschnittliche Brutto-Monatseinkünfte in Höhe von 4.479,00 Euro. Unterlagen zu den
geltend gemachten Kosten der Lebenshaltung hat d. Kl. trotz Aufforderung durch das SG
und den Senat nicht vorgelegt.
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Das SG hat den Antrag der Klägerin, ihr für das Klageverfahren PKH zu gewähren und
Rechtsanwalt (RA) C, L, beizuordnen, durch Beschluss vom 14.01.2008 abgewiesen,
weil d. Kl. den Antrag auf Gewährung einer Haushaltshilfe nicht vor deren
Inanspruchnahme gestellt bzw. vollständige Angaben zum Leistungsfall erst im Juli
2006 gemacht habe. Den Umstand, dass d.Kl. im PKH-Prüfungsverfahren trotz
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Erinnerung keine ausreichenden Unterlagen über ihre wirtschaftliche Lage eingereicht
hat, hat das SG (stillschweigend) dahinstehen lassen.
Der am 31.01.2008 eingelegten Beschwerde (vom 30.01.2008) hat es nicht abgeholfen
(Beschluss vom 01.02.2008). Der Senat hat d. Kl. aufgefordert, bis zum 25.03.2008 zur
Ermittlung der Bedürftigkeit Einkommensteuer-Bescheide für die Eheleute sowie
Nachweise über entstandene Kosten vorzulegen. Außerdem hat der Senat d. Kl. über
die Folgen einer mangelnden Vorlage von Nachweisen gemäß § 73a des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 118 der Zivilprozessordnung (ZPO) belehrt
(zugestellt an den Prozessbevollmächtigten d. Kl. am 07.03.2008). Eine Antwort ist dem
Senat nur hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugegangen, nicht jedoch
hinsichtlich Miet- und Versicherungskosten.
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II.
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Die Beschwerde ist nicht begründet.
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Der Antrag d. Kl., ihr PKH für das Klageverfahren zu gewähren und RA C beizuordnen,
ist nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 73a SGG und der §§ 114 ff. ZPO zur
Gewährung von PKH sind nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob der Antrag d. Kl., ihr
Haushaltshilfe zu gewähren, rechtzeitig gestellt worden bzw. ob der von der
Rechtsprechung entwickelte Grundsatz erfüllt ist, wonach Kostenerstattung nur gewährt
werden kann, wenn die Versicherte die Krankenkasse vorher eingeschaltet hat (vgl.
Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung -USK- 8036; hier: Reicht zur
Einschaltung der Krankenkasse der Leistungsantrag aus oder muss eine Versicherte
ihrerseits die Leistungsvoraussetzungen zusätzlich belegen?). Auch kann dahinstehen,
ob die geltend gemachten Abzugsbeträge ordnungsgemäß und ausreichend belegt
sind.
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Denn bei dem von dem Bevollmächtigten d. Kl. versicherten monatlichen Einkommen
des Ehemannes steht d. Kl. keine PKH zu, weil sie jedenfalls nicht bedürftig ist. Sie hat
nämlich gegen ihren Ehemann einen Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss
gemäß § 1360a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ist ein Ehegatte nicht in
der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit
betrifft (z.B. persönliche Leistungen der Sozialleistungsträger), so ist der andere
Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit
entspricht. Die Kl. könnte allerdings keinen Prozesskostenvorschuss verlangen, wenn
durch Gewährung des Vorschusses der eigene angemessene Unterhalt des
Vorschusspflichtigen gefährdet würde (vgl. dazu im Einzelnen Zöller-Philippi, ZPO,
Kommentar, 26. Auflage, 2007, § 115 ZPO, Randnummer (RNr.) 67 ff.). Dazu hat d. Kl.
auf Hinweis des Senats nichts vorgetragen. Eine Gefährdung des eigenen Unterhalts
des Ehegatten ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich.
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Der Billigkeit würde eine Belastung des Ehegatten mit einem Vorschuss indes nicht
entsprechen, wenn der Ehegatte, hier der Ehemann d. Kl., seinerseits Anspruch auf
PKH hätte, würde er den Prozess in gleicher Weise als eigenen führen. Auch davon
kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Bei einem monatlichen Einkommen von
derzeit 4.479,00 Euro und unter Berücksichtigung der von dem Bevollmächtigen d. Kl.
dargelegten, allerdings bislang nicht einmal belegten Abzugsbeträge
(Sozialversicherungsausgaben 365,00 Euro; Steuerabgaben 565,00 Euro, Mietkosten
920,00 Euro) sind von dem Einkommen des Ehegatten (4.479,00 Euro) insgesamt
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3.014,00 Euro abzuziehen (930,00 Euro für Sozial- und Steuerabgaben gemäß § 115
Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO plus 174,00 Euro für den Erwerbstätigenfreibetrag des § 115 Abs.
1 S. 3 Nr. 1 ZPO, zuzüglich die Grundfreibeträge für die Eheleute (2 x 382,00 Euro)
gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO, außerdem Freibeträge für die Kinder (abzüglich
Kindergeld = 226,00 Euro, ebenfalls gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO)). Bei einem
verbleibenden Einkommen von 1.465,00 Euro monatlich stünde dem Ehegatte kein
PKH-Anspruch zu; denn mit diesem Einkommen wäre ihm eine monatliche
Kostenbeteiligung von 1.065,00 Euro zumutbar, wie sich aus der Tabelle zu § 115 ZPO
ergibt. Davon lassen sich unschwer die im Sozialrechtsstreit allein anfallenden
Anwaltsgebühren (§§ 3, 14 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG)) begleichen,
die sich bei Ansatz der sog. Mittelgebühr (Umfang der Sache, Schwierigkeit des Falles,
Bedeutung für die Betroffenen, Höhe des Anspruchs jeweils in durchschnittlichem
Maße) auf ca. 630,00 Euro belaufen (Verfahrensgebühr nach dem
Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG, Nr. 3204: 310,00 Euro; Terminsgebühr: Nr. 3205
VV 200,00 Euro; Pauschale nach Nr. 7002 VV: 20,00 Euro, Umsatzsteuer gemäß Nr.
7008 VV 100,70 Euro). Selbst wenn dem Rechtsanwalt ein höherer
Vergütungsanspruch zugebilligt werden würde (Höchstsatz ca. 1.154 Euro), wäre die
Belastung des Ehegatten nicht unbillig. Denn auch dann könnte ihm nicht einmal PKH
unter Ratenbeteiligung gewährt werden; selbst bei bis zu vier Raten könnte dem
Ehegatten keine PKH bewilligt werden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es nicht
unbillig, d. Kl auf den Vorschussanspruch zu verweisen, zumal nicht ersichtlich ist, dass
ein solcher Anspruch nicht durchsetzbar wäre (vgl. dazu auch Kalthoener-Büttner, PKH
und Beratungshilfe, 4. Aufl., 2005, RNr. 355). Auch dazu ist weder etwas vorgetragen
noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Im Übrigen ist auf § 127 Abs. 4 ZPO hinzuweisen, wonach selbst bei einem Obsiegen d.
Kl. keine Kosten für das PKH-Beschwerdeverfahren erstattet würden.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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