Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.04.2008

LSG NRW: barauszahlung, ermessen, erlass, rechtsschutz, beendigung, offenkundig, unverzüglich, anschluss, hauptsache, anweisung

Landessozialgericht NRW, L 7 B 69/08 AS ER
Datum:
11.04.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 7 B 69/08 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 14 AS 6/08 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 28.01.2008 geändert. Die Antragsgegnerin trägt
die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Ausgangs- und
das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
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I.
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Streitig ist, ob die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für
das einstweilige Rechtsschutzverfahren S 14 AS 6/08 ER zu tragen hat.
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Die Antragstellerin beantragte am 11.01.2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung
gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr ab Januar 2008 weiter
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen. Nach dem
Vortrag der Antragstellerin hatte sie im November 2007 bei der für sie zuständigen
Sachbearbeiterin vorgesprochen, um die Antragsunterlagen abzugeben. Nachdem die
Sachbearbeiterin die Annahme verweigerte, verbunden mit der Aufforderung, den
Fortzahlungsantrag in den Briefkasten des Hauses zu werfen, kam die Antragstellerin
nach eigenem Vortrag dieser Aufforderung nach. Eine Dokumentation der Vorsprache
seitens der Antragsgegnerin ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Anlässlich
einer Sachstandsanfrage der Antragstellerin vom 02.01.2008 sicherte die
Antragsgegnerin einen Rückruf bis zum 04.01.2008 zu. Eine Klärung der
Nichtbescheidung des Fortzahlungsantrages erfolgte weder telefonisch noch im
Rahmen eines am selben Tag im Verfahren S 22 AS 224/07 ER durchgeführten
Erörterungstermins vor dem Sozialgericht (SG) Köln. Mit Telefax vom 04.01.2008
forderte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, ihrer
Leistungsverpflichtung unter Fristsetzung bis zum 08.01.2008, 12:00 Uhr,
nachzukommen. Am 08.01.2008 vereinbarte die Antragsgegnerin mit der Antragstellerin
fernmündlich eine persönliche Vorsprache für den 09.01.2008, bei der dann ein Antrag
aufgenommen und auf dem Formular vermerkt wurde, "ab 01.01.2008 weiter
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bewilligen". Eine Barauszahlung erfolgte nicht, da die Antragstellerin keinen
Personalausweis mit sich führte. Ihr wurde daraufhin mitgeteilt, dass der Betrag
überwiesen werde. Die Anweisung erfolgte am 10.01.2008.
Die Antragstellerin hat am 11.01.2008 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt. Nachdem am 15.01.2008 der Zahlungseingang zu verzeichnen war,
hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des
Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
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Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe zum einen bereits im November 2007
den Antrag abgegeben. Zum anderen hätte die Antragsgegnerin, in deren Sphäre das
Verschwinden der Antragsunterlagen falle, ihr ermöglichen müssen, durch Vorlage
eines anderen Dokumentes, wie z. B. den Führerschein, den sie am 09.01.2008 bei sich
geführt habe, eine Barauszahlung herbeizuführen. Auch habe man ihr keinesfalls die
Möglichkeit eröffnet, nachmittags am 09.01.2008 oder am 10.01.2008 nach Vorlage des
Personalausweises eine Barauszahlung zu erhalten. Nach dem Gesamtverhalten der
Antragsgegnerin sei es sachgerecht gewesen, am 11.01.2008 einstweiligen
Rechtsschutz zu beantragen.
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Das SG hat es mit Beschluss vom 28.01.2008 abgelehnt, der Antragsgegnerin die
außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen. Das einstweilige
Rechtsschutzverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Es sei unzulässig
gewesen, da im Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz
am 11.01.2008 kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden habe. Das anscheinend verloren
gegangene Antragsformular habe von der Antragsgegnerin nicht bearbeitet werden
können, sodass erst durch das am 09.01.2008 neu ausgefüllte Formular alle
entscheidungserheblichen Tatsachen vorgelegen hätten. Die Antragsgegnerin sei sofort
bereit gewesen, am 09.01.2008 eine Barauszahlung vorzunehmen. Diese sei daran
gescheitert, dass die Antragstellerin keinen Personalausweis mit sich geführt habe. Da
die Antragstellerin dem Angebot der Antragsgegnerin, am Nachmittag bzw. am
10.01.2008 den Ausweis vorzulegen und die Barauszahlung vorzunehmen, nicht
nachgekommen sei, habe man die Leistung überwiesen.
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Mit ihrer Beschwerde vom 18.02.2008 macht die Antragstellerin geltend, die
Antragsgegnerin habe ihr keinesfalls ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt den
Personalausweis vorzulegen. Darüber hinaus wäre sie am 09.01.2008 in der Lage
gewesen, ihre Identität durch Vorlage des Führerscheins, der ebenfalls das Lichtbild
und die persönlichen Daten enthalte, vorzulegen. Vielmehr habe man ihr lediglich
lapidar erklärt, dass die Leistungen überwiesen werden würden. Darüber hinaus sei sie
der Sachbearbeiterin auch persönlich bekannt. Hätte die Antragsgegnerin ihr einen
solchen Weg aufgezeigt, wäre der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
vermieden worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin und die Prozessakte verwiesen.
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II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
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Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht nach
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Erledigung der Hauptsache über die außergerichtlichen Kosten auf Antrag der
Beteiligten durch Beschluss. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die
Beteiligten bei Beendigung des Rechtsstreits einander Kosten zu erstatten haben, ist
unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Erledigung nach
sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei den Erfolgsaussichten und den Gründen für
die Klageerhebung beziehungsweise die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes im
Sinne des Veranlassungsprinzips maßgebliche Bedeutung zukommt (BSG, Beschluss
vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005,
§ 193 Rn. 12b ff).
Der Senat hält es für billig, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der
Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.
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Denn die Antragsgegnerin hat aufgrund ihres Gesamtverhaltens im Zusammenhang mit
dem Fortzahlungsantrag Veranlassung für das einstweilige Rechtsschutzverfahren
gegeben. Der Senat lässt es dabei offen, welcher tatsächliche Ablauf, der im Detail
zwischen den Beteiligten umstritten ist, zugrunde zu legen ist. Jedenfalls war für die
Antragsgegnerin spätestens nach dem Anruf der Antragstellerin am 02.01.2008, der
Fristsetzung des Bevollmächtigten zum 08.01.2008 und der Bitte um Barauszahlung
nach der Vorsprache und der Antragsaufnahme mit der Antragstellerin am 09.01.2008
offenkundig, dass diese dringend die Leistungen benötigt. Da die Barauszahlung nur an
der Vorlage des Personalausweises scheiterte, musste die Antragsgegnerin dafür Sorge
tragen, dass die Überweisung im Anschluss an die Vorsprache der Antragstellerin am
09.01.2008 um 9.30 Uhr unverzüglich noch am selben Vormittag erfolgte. Dies ist nicht
geschehen. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Buchungsübersicht wurde
die Anordnung jedoch erst am 10.01.2008 vorgenommen. Die Gutschrift auf dem Konto
der Antragstellerin erfolgte am 15.01.2008. Somit war es nach billigen Ermessen
sachgerecht, der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin
aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus einer
entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG. Eine solche
Kostenentscheidung ist nach Überzeugung des Senats erforderlich (vgl. hierzu LSG
NRW, Beschluss vom 19.03.2008 - L 7 B 29/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom
05.08.2007 - L 20 B 132/07 AS; Beschluss vom 23.01.2008 - L 20 B 178/07 AS; a.A.
LSG NRW, Beschluss vom 14.08.2006 - L 19 B 20/06 AL). Die Kostenentscheidung
entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.
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Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
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