Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.01.2007

LSG NRW: fusion, belastung, subjektives recht, aufschiebende wirkung, jahresrechnung, anfechtbarkeit, sonderbeitrag, verwaltungsakt, geschäftsjahr, finanzausgleich

Landessozialgericht NRW, L 16 KR 214/04
Datum:
25.01.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 214/04
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 13 KR 20/03
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 12 KR 11/07 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Aachen vom 13. Juli 2004 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die
Kosten des Verfahrens trägt in beiden Rechtszügen die Klägerin. Die
Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren
wird auf 25.444,70 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von dem Beklagten aus Anlass
der Vereinigung dreier Betriebskrankenkassen (BKK n) gezahlten und auf seine
Mitgliedskassen umgelegten Fusionsbeihilfe, wobei der auf die Klägerin entfallende
Umlageanteil 25.445,70 EUR beträgt.
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Im November 1996 beschlossen die Verwaltungsräte der BKK RWK Kalk AG und der
BKK Fanal Elektrik, beide Mitglieder des beklagten Landesverbandes, zum Zweck der
Existenzsicherung ihre freiwillige Vereinigung zu der neuen BKK RWK + Fanal. Diese
stand allen Versicherungspflichtigen und -berechtigten offen. Die Fusion wurde zum
01.01.1997 wirksam. Entgegen den Erwartungen nahm aber auch die Verschuldung der
neu entstandenen Kasse in den folgenden Jahren aufgrund zu hoher personeller
Verwaltungskosten und zu hoher Kosten im stationären Krankenhausbereich stetig zu,
so dass schließlich im Jahr 2000 eine erneute Existenzgefährdung und
Leistungsunfähigkeit drohte.
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Zwar hatte der Beklagte das Risiko seiner Haftung im Falle der Auflösung oder
Schließung einer BKK durch einen bis zum 31.12.2001 bestehenden
Versicherungsvertrag mit der Allianz Versicherungs AG abgedeckt. Danach bestand pro
Versicherungsfall bzw. bei mehreren Versicherungsfällen in einem Versicherungsjahr
ein Versicherungsschutz bis zu 100 Mio DM. Doch sollten nach den vertraglichen
Vereinbarungen mit der Versicherung vor Eintritt eines solchen Haftungsfalles zunächst
alle Möglichkeiten zum Erhalt der existenzbedrohten Mitgliedskasse ausgeschöpft
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werden. Daher vereinbarte der Beklagte mit der BKK RWK + Fanal am 21.03.2000
Maßnahmen zur Beitragserhöhung sowie zur Senkung der Krankenhauspflege- und
Verwaltungskosten. Als auf diese Weise keine Sanierung der BKK RWK + Fanal
erreicht werden konnte, suchte der Beklagte in der Folgezeit einen geeigneten
Fusionspartner. Die BKK DEMAG Krauss-Maffei Duisburg war zwar zur Fusion bereit,
nicht aber zur Schuldenübernahme.
Daher trafen die BKK DEMAG Krauss-Maffei, die BKK RWK + Fanal und der Beklagte
am 13.9., 14.9. bzw. 30.10.2000 eine vertragliche Vereinbarung, nach der - soweit dies
erforderlich sein sollte - ein Fusionspartner der BKK RWK + Fanal eine Fusionsbeihilfe
erhalten sollte. Diese durfte das Passivvermögen der BKK RWK + Fanal zum
Fusionszeitpunkt nicht überschreiten. Im Fall der Vereinigung mit einer weiteren BKK
sollte deren Vermögen auf das ermittelte Passivvermögen angerechnet werden.
Letzteres sollte allerdings nur bis zum 31.12.2001 gelten und im Fall einer Fusion vor
dem 01.01.2002 und einer entsprechenden Vereinigung mit einer anderen BKK
gegenstandslos werden. In der der Vertragsunterzeichnung vorausgegangenen Sitzung
des Verwaltungsrates des Beklagten am 28.09.2000 hatte dieser einstimmig
beschlossen, der vertraglichen Vereinbarung sowie der Gewährung einer
Fusionsbeihilfe zuzustimmen. Des Weiteren sollte die Fusionsbeihilfe entsprechend
den Regelungen der auf der Grundlage des § 265 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB
V) erlassenen Ausgleichsordnung (AusglO) des Beklagten durch eine Umlage der
Mitgliedskassen finanziert werden. Diese AusglO galt bis zum 31.12.2001 und wurde
durch die unmittelbar anschließend geltende Interventionsordnung (IntervO) abgelöst.
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Die finanzielle Situation der BKK RWK + Fanal blieb aufgrund noch ausstehender
Krankenhausbehandlungskosten weiterhin so schwierig, dass der Beklagte schließlich
im Vorgriff auf die vertraglich vereinbarte Fusionsbeihilfe bereits im November 2000
eine Liquiditätsunterstützung in Höhe von 1 Mio DM (entsprechend 511.291,88 EUR)
und im März 2001 eine solche in Höhe von weiteren 1,8 Mio DM (entsprechend
920.325,39 EUR) an die BKK RWK + Fanal zahlte.
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Im März / April 2001 beschlossen die Verwaltungsräte der BKK Westfalia Separator AG
(12.03.2001), der BKK DEMAG Krauss-Maffei (28.03.2001) und der BKK RWK + Fanal
(05.04.2001) die Vereinigung zur neuen BKK DEMAG Krauss-Maffei. Das
Bundesversicherungsamt genehmigte die Vereinigung mit Wirkung zum 01.07.2001
(Bescheid vom 18.06.2001). Das Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG
betrug zu diesem Zeitpunkt 29.172,09 EUR.
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Nach der Vereinigung zahlte der Beklagte an die BKK DEMAG Krauss-Maffei im April
2002 86,83 EUR für Rechtsanwaltskosten aus einem Rechtsstreit gegen die BKK RWK
+ Fanal. Nach Vorlage des Berichtes des Landesversicherungsamtes (LVA) Nordrhein-
Westfalen (NRW) über die Prüfung der Jahresrechnung 2001 der BKK RWK + Fanal
vom 12.06.2002, die ein Passivvermögen in Höhe von 3.208.090,90 DM auswies, zahlte
der Beklagte an die BKK DEMAG Krauss-Maffei ohne Minderung um das
Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG im September 2002 den
entsprechenden Euro-Betrag (1.640.270,83 EUR). Im September 2002 erfolgte noch
eine Zahlung für die Kapitalisierung von Pensionsrückstellungen in Höhe von 16.886,00
EUR. Insgesamt betrug die so berechnete Gesamthilfe inklusive der geleisteten
Liquiditätshilfen 3.088.860,93 EUR. Das Aktivvermögen der Westfalia Separator AG
brachte der Beklagte nicht mehr zur Anrechnung, sondern legte die Hilfen in der Höhe
des erwähnten Betrages auf die Mitgliedskassen um.
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Mit Bescheiden vom 14.03.2003 forderte der Beklagte von der Klägerin einen Betrag in
Höhe von 22.958,01 EUR (Bereich West) und 2.487,69 EUR (Bereich Ost), insgesamt
25.445,70 EUR.
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Dagegen hat die Klägerin am 17.04.2003 Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben.
Der Schriftsatz trug den Briefkopf des damaligen Vorstands V L und war unterschrieben
von dem stellvertretenden Vorstand mit: "In Vertretung - I". Die am 25.06.2003
unterschriebene und dem Gericht vorgelegte Prozessvollmacht hatte Frau N, zur
damaligen Zeit Assistentin des Vorstands, später Vorstand, unterschrieben. Zur
Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Bescheide des Beklagten
enthielten bereits nicht die erforderliche Aufschlüsselung des Umlagebetrages der Höhe
nach. Auch fehle es an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die
Bescheide. Eine solche stelle die AusglO des Beklagten jedenfalls nicht dar. Der in §§ 7
- 14 AusglO geregelte Finanzausgleich sei der Sache nach eine finanzielle Hilfe in
besonderen Notlagen bzw. zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer Kasse im
Sinne von § 265a Abs. 1 SGB V. Solche Hilfen seien durch Spitzenverbände zu
erbringen und in deren Satzungen zu regeln, nicht aber durch einen einzelnen
Landesverband. Damit fehle es auch an einer Ermächtigungsgrundlage für die AusglO
des Beklagten. § 265a SGB V scheide insoweit aus; auch § 265 SGB V ermächtige den
Beklagten nicht zu einem Finanzausgleich wie in der AusglO vorgesehen. § 265 SGB V
enthalte lediglich eine Satzungsermächtigung für die Umlage von Kosten für sog.
aufwendige Leistungsfälle und andere aufwendige Belastungen. Dazu zählten
außergewöhnliche Aufwendungen für einzelne Versicherte (wie in § 3 AusglO
aufgezählt) oder von außen an die Kasse herantretende Ursachen und Ereignisse, wie
Epidemien oder Katastrophen, nicht aber Aufwendungen für Interventionsmaßnahmen,
um eine Haftung bei Schließung einer BKK zu vermeiden. Mit den Regelungen der §§ 7
- 14 AusglO habe der Beklagte seine ihm gesetzlich zugewiesene Satzungsautonomie
überschritten. Er habe den Begriff der anderen aufwendigen Belastungen im Sinne von
§ 265 SGB V entgegen dem Zweck und der Systematik der gesetzlichen Vorschriften
zum Finanz- und Risikostrukturausgleich ausgelegt. Auch § 155 Abs. 4 SGB V selbst
stelle keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Regelungen der §§ 7ff AusglO
dar. Die Vorschrift enthalte überhaupt keine Satzungsermächtigung. Dort sei nur die
Einstandspflicht des Beklagten für den Fall der Schließung einer BKK geregelt.
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Die Klägerin hat weiter der Auffassung vertreten, dass - die Rechtswirksamkeit der §§ 7
bis 14 AusglO unterstellt - § 14 AusglO nicht die Refinanzierung einer Fusionsbeihilfe
im Umlageverfahren zulasse; denn die Verweisungsvorschrift des § 13 AusglO beziehe
sich nur auf die davor stehenden §§ 8, 11, 12 AusglO. § 14 AusglO enthalte keinen
Verweis auf den die Umlage von finanziellen Hilfen regelnden § 5 AusglO. Die AusglO
sei im Übrigen auch deshalb keine Grundlage für die geforderte Umlage, da sie nur bis
zum 31.12.2001 gegolten habe und zum Zeitpunkt der Entstehung des mit den
Bescheiden geltend gemachten Anspruchs nicht mehr in Kraft gewesen sei. Der
Ausgleich des Passivvermögens der BKK RWK + Fanal sei erst 2002 erfolgt, danach
habe erst der Anspruch auf die Umlage entstehen können, zu einem Zeitpunkt also, als
die AusglO nicht mehr gegolten habe.
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Des Weiteren sei die zeitliche Begrenzung zur Abrechnung des Finanzausgleichs nach
§ 4 AusglO nicht eingehalten, da der die Fusionsbeihilfe begründende
Verwaltungsratsbeschluss des Beklagten im September 2000 ergangen, die Umlage
aber erst im März 2003 erhoben worden sei. Nach § 4 Abs. 2 AusglO habe ein
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Ausgleichsverfahren jeweils für ein Geschäftsjahr durchgeführt und im Folgejahr
abgerechnet werden müssen. Soweit ab dem 01.01.2002 die IntervO die AusglO
abgelöst habe, komme diese auch nicht als Rechtsgrundlage für die Umlage in Betracht,
denn sie lasse nur eine Umlage zur Finanzierung eines Interventionsfonds zu. Aufgrund
der entsprechenden Regelung der IntervO sei auch bereits ein Umlagebescheid an die
Klägerin ergangen. Eine fallbezogene Umlagefinanzierung außerhalb des Fonds sehe
die IntervO nicht vor.
Im Übrigen seien die Beträge, die über das Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt
hinausgingen, wie die zwei Liquiditätsunterstützungen, die Kapitalisierung von
Pensionsansprüchen und die übernommenen Kosten des Rechtsstreits, weder von
einem Beschluss des Verwaltungsrates des Beklagten noch von der vertraglichen
Vereinbarung gedeckt; auch insoweit sei die Umlage rechtswidrig.
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Am 22.10.2003 hat die Klägerin im Hinblick darauf, dass die Klage gegen die
Bescheide keine aufschiebende Wirkung hat, die streitigen Umlagebeträge an den
Beklagten gezahlt.
14
Die Klägerin hat beantragt,
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die beiden Umlagebescheide des Beklagten vom 14.03.2003 über 22.958,01 EUR und
2.487,69 EUR aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.445,70 EUR zu
erstatten.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.06.2002
(Sozialrecht -SozR- 3-2500 § 217 Nr. 1) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage
geäußert; zutreffende Klageart könne nur eine Unterlassungsklage sein.
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Der Beklagte hat weiter vorgetragen, dass das vom LVA NRW festgestellte
Passivvermögen der BKK RWK + FANAL die beiden Liquiditätshilfen berücksichtigt
habe. Die gezahlten Liquiditätshilfen hätten den Gesamtbetrag des letztendlich
festgestellten Passivvermögens reduziert. Aufgrund des Beschlusses seines
Verwaltungsrates aus September 2000 und der vertraglichen Vereinbarung habe er sich
für verpflichtet gehalten, den Gesamtbetrag von 3.088.860,93 EUR, den er als "das
tatsächliche Gesamtpassiva zum Fusionszeitpunkt 01.07.2001" bezeichnet, zu
übernehmen.
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§ 265 SGB V sei eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die §§ 7 bis 14
AusglO. Der Gesetzgeber habe den Begriff der "anderen aufwendigen Belastungen"
inhaltlich nicht konkretisiert und damit dem Satzungsgeber einen Definitionsspielraum
eröffnet. Es sei einem Landesverband nicht verwehrt, die teilweise immensen
Haftungsverbindlichkeiten im Fall der Schließung einer BKK als "andere aufwendige
Belastungen" zu klassifizieren. Wenn die Erfüllung der Haftungsverpflichtung nach §
155 Abs. 4 SGB V gesetzliche Aufgabe des Beklagten sei und die Mitgliedskassen
diese Belastung mittels Umlage zu tragen hätten, müsse es erst recht im Vorfeld einer
möglichen Haftung Instrumente geben, um diese Haftung im Sinne einer
Schadensminderung präventiv abzuwehren bzw. zu begrenzen. Diesem Zweck habe
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die AusglO gedient. Unabhängig davon eröffne § 155 Abs. 4 SGB V zwar nicht
unmittelbar, aber doch aus der Natur der Sache als sog. Annex-Kompetenz
Handlungsbefugnisse, eine drohende Haftung abzuwehren oder zu begrenzen. Ein
derart präventives Handeln sei im Interesse der übrigen Mitgliedskassen des
betroffenen Landesverbandes aus Gründen der Schadensminderungspflicht geboten
gewesen.
Zum Verhältnis der AusglO zur IntervO hat der Beklagte gemeint, dass die AusglO im
vorliegenden Fall auf die Fusion und den diesbezüglichen Finanzausgleich noch
Anwendung gefunden habe, da die anspruchsbegründenden Voraussetzungen durch
den Beschluss des Verwaltungsrates aus September 2000 und die vertragliche
Vereinbarung geschaffen worden seien, also unter Geltung der AusglO. Weil das
endgültige Passivvermögen erst nach Prüfung der Jahresrechnung im Jahre 2002 habe
ermittelt werden können, hätten auch die Umlageforderungen erst danach erhoben
werden können, so dass kein Verstoß gegen die zeitlichen Grenzen des § 4 Abs. 2
AusglO vorliege. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es übereinstimmender
Wille der Vertragsparteien gewesen sei, die neue BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI nicht
mit gegenüber der BKK RWK + FANAL bestehenden Forderungen zu belasten,
weshalb sämtliche vom Beklagten gezahlten Beiträge vom Verwaltungsratsbeschluss
und der vertraglichen Vereinbarung erfasst gewesen seien.
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Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine Verrechnung des Überschusses der
BKK Westfalia Separator AG mit den Passiva der BKK RWK + FANAL aufgrund der Ziff.
6 S. 2 der vertraglichen Vereinbarung nicht erfolgt sei.
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Das Sozialgericht Aachen hat mit Urteil vom 13.07.2004 die beiden gegen die Klägerin
gerichteten Umlagebescheide des Beklagten vom 14.03.2003 aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, der Klägerin 25.445,70 EUR zu erstatten.
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Es hat die Klage für zulässig erachtet. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die
Klage als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig. Eine Unterlassungsklage sei nicht einschlägig, da sich die Klägerin nicht
gegen die Höhe einer einmaligen Jahresumlage und eine Unrechtmäßigkeit einer
einzelnen Verbandstätigkeit des Beklagten wende, sondern gegen die Umlagefähigkeit
der Fusionshilfe und damit gegen den Grund des auf sie entfallenden Umlageanteils.
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Das Sozialgericht Aachen hat die Klage auch für begründet gehalten. Hierzu hat es
ausgeführt, eine Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen Umlage bestehe nicht.
Die auf der Grundlage des § 265 SGB V erlassene AusglO diene der Kostendeckung für
aufwendige Leistungsfälle und für andere aufwendige Belastungen. Bei der
Fusionsbeihilfe handele es sich aber weder um einen aufwendigen Leistungsfall eines
einzelnen Versicherten noch um eine andere aufwendige Belastung, sondern um eine
finanzielle Hilfe zur Vermeidung eines Haftungsfalls nach § 155 Abs. 4 SGB V. Diese
Art von finanziellen Hilfen sei aber gemäß § 265a SGB V den Spitzenverbänden der
Krankenkassen vorbehalten. Der Beklagte sei daher nicht berechtigt,
Ausgleichsregelungen für finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen im Rahmen des §
265 SGB V zu treffen. Wenngleich Strategien zur Vermeidung eines Haftungsfalls nach
§ 155 Abs. 4 SGB V sinnvoll und die Kosten hierfür grundsätzlich auch umlagefähig
seien, so berechtige dies den Beklagten nicht, im Einzelfall dem potentiellen
Fusionspartner einer Not leidenden Mitgliedskasse eine Fusionsbeihilfe in
unbestimmter Höhe durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu versprechen und die in
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diesem Zusammenhang getätigten Zahlungen auf die Mitgliedskassen umzulegen.
Der öffentlich-rechtliche Vertrag sei zudem mit einem nach der zugrunde liegenden
AusglO nicht vorgesehenen Vertragspartner geschlossen worden. Auch seien die
Regelungen des Vertrages unklar und missverständlich. Die Höhe der darin vom
Beklagten eingegangenen Verpflichtung "Fusionsbeihilfe" sei weder bestimmt noch
bestimmbar. Zahlungen des Beklagten seien nicht nur - wie vereinbart - an den
Fusionspartner, sondern auch an die Not leidende BKK geleistet worden.
Vereinbarungen des Vertrages zur Minderung der Aufwendungen des Beklagten seien
nicht eingehalten worden. Der Beklagte habe letztlich mehr gezahlt, als er hätte zahlen
müssen und dürfen.
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Auch aus der der AusglO nachfolgenden IntervO lasse sich keine Rechtsgrundlage für
die Bescheide herleiten. Zwar sei die Umlage erst nach dem In-Kraft-Treten der IntervO
erhoben worden, doch sei der öffentlich-rechtliche Vertrag vor diesem Zeitpunkt
geschlossen worden und die Vereinigung der drei BKK n vor diesem Zeitpunkt erfolgt.
Die IntervO sei daher nicht anwendbar, enthalte im Übrigen aber auch keine Regelung,
auf die sich eine einzelfallbezogene Umlageforderung stützen lasse.
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Auch § 155 Abs. 4 SGB V stelle keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Die
Vorschrift sei nicht auf Fälle der Vereinigung von BKK’n anwendbar, da gemäß § 150
Abs. 2 Satz 1 SGB V i. V. m. § 144 Abs. 3 und 4 SGB V hier die neue Kasse in die
Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkasse eintrete. Des Weiteren ermächtige §
210 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 SGB V den Landesverband zwar zum Erlass von
Satzungsbestimmungen über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, doch eben nur
in solchen Fällen, in denen es eine eindeutige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
gebe. Die Verwendung der Fondsmittel sei stets an eine bereits eingetretene
insolvenzbedingte Kassenschließung gebunden; ein vorbeugender Einsatz des
Fondsvermögens zur Vermeidung einer Kassenschließung sei nicht zulässig.
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Schließlich habe der Beklagte auch mehr an die BKK RWK + FANAL gezahlt, als dies
im Falle einer Schließung dieser Krankenkasse bis zum 31.12.2001 erforderlich
gewesen wäre. Der Haftungsschaden wäre in diesem Fall auf 300.000,- DM begrenzt
gewesen. Ein darüber hinaus gehendes Risiko sei durch die bei der Allianz
Versicherungs AG bestehende Haftungsrisikoversicherung abgedeckt gewesen. Im
Rahmen dieses Vertrages sei der Beklagte auch nicht zur Abwendung des
Versicherungsfalls durch Zahlung einer Fusionsbeihilfe verpflichtet gewesen. Die
finanzielle Belastung der Mitgliedskassen sei durch die Gewährung der Fusionsbeihilfe
höher gewesen als bei Eintritt des Haftungsfalles. Außerdem sei aufgrund der in dem
Versicherungsvertrag enthaltenen Mitwirkungsklausel allein der Versicherer zu
Zahlungen zugunsten einer BKK berechtigt gewesen, um die Schließung einer solchen
zu vermeiden oder die Vereinigung mit einer anderen zu gewährleisten.
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Gegen das dem Beklagten am 26.07.2004 zugestellte Urteil hat dieser am 24.08.2004
Berufung eingelegt.
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Der Beklagte beruft sich zur Begründung auf sein Vorbringen erster Instanz. Ergänzend
trägt er vor, die Anfechtungsklage sei - wie sich aus dem Beschluss des LSG NRW vom
02.09.2005, Az. L 16 B 65/05 ER, ergebe - auch dann unstatthaft, wenn es sich bei der
Umlage um einen Sonderbeitrag handele. Denn Umlagebescheide für Sonderbeiträge
seien nur anfechtbar, wenn sie eine voraussehbare, in der Zukunft liegende Leistung
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des Verbandes zum Gegenstand hätten. Die Fusionsbeihilfe sei jedoch bereits gezahlt
worden. Zudem seien auch die haushaltsrechtlichen Folgen einer Anfechtbarkeit der
Bescheide für den Beklagten zu beachten. Die Anfechtbarkeit der Bescheide führte zu
einer Rückzahlungsverpflichtung, die mangels eigener Mittel des Beklagten wiederum
nur durch Erhebung einer Sonderumlage erfüllt werden könne. Darüber hinaus
entstünden auch unüberschaubare Beteiligungs- und Anhörungsrechte der
Mitgliedskassen. Innerhalb einer Kassenart handelten die Einzelkassen als eine
Körperschaft, so dass in diesem Rahmen getroffene Entscheidungen hinzunehmen
seien. Für diese Auffassung spreche zudem, dass auch bei der Neuregelung
verfassungswidriger Steuergesetze keine Rückabwicklung vorgesehen sei.
Der Klägerin fehle darüber hinaus auch die Klagebefugnis, da ihr Vertreter, Herr T, dem
Beschluss des Verwaltungsrates des Beklagten vom 28.09.2000 zugestimmt habe. Die
dort getroffene Entscheidung entfalte für die jeweiligen Mitgliedskassen
Tatbestandswirkung, so dass der einzelnen Mitgliedskasse kein subjektives Recht mehr
zustehe, später gegen die Folgen der Entscheidung vorzugehen. Aufgrund der
Zustimmung zu dem erwähnten Verwaltungsratsbeschluss fehle der Klägerin außerdem
auch das Rechtsschutzbedürfnis. Über die damaligen Geschäftsführer der nordrhein-
westfälischen Arbeitsgemeinschaften sowie über die einzelnen Mitglieder des
Verwaltungsrates hätten die einzelnen Mitgliedskassen Kenntnis über die gefassten
Beschlüsse des Verwaltungsrates erhalten können. Selbst wenn Herr T die Klägerin
jedoch nicht informiert haben sollte, habe dies keinen Einfluss auf die Rechtslage. Der
Klägerin werde das Wissen und Handeln der in den Verwaltungsrat gewählten oder
berufenen Personen, der sog. Organwalter, unmittelbar als eigenes Wissen und
Handeln zugerechnet. Herr T aber sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung
alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der Klägerin gewesen. Zudem sei die
Klageeinreichung nicht wirksam, da sie von dem hierzu nicht bevollmächtigten
Beschäftigten I der Klägerin vorgenommen worden sei.
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Ebenso seien sämtliche erstinstanzliche Prozesshandlungen unwirksam, da die den
Prozessbevollmächtigen ausgestellte Vollmacht vom 25.06.2003 unwirksam sei. Die
unterzeichnende Beschäftigte der Klägerin - Frau N - sei erst ab dem 01.04.2004
Vorstand der Klägerin geworden. Dieser Mangel könne weder durch eine rückwirkende
Genehmigung der Prozesshandlungen seitens Frau N noch durch die vorgelegte
wirksame Vollmacht vom 19.06.2006 geheilt werden, da diese nicht bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung erster Instanz zu den Akten gereicht worden sei. Eine Heilung
sei auch nicht im Zusammenhang mit der Antragstellung im Rahmen der mündlichen
Verhandlung vom 13.07.2004 in Anwesenheit von Frau N geheilt worden. Es fehle
bereits an einer Genehmigungshandlung. Frau N sei lediglich anwesend gewesen,
habe aber weder Erklärungen abgegeben noch Anträge gestellt. Zumindest habe ihr der
Genehmigungswille gefehlt, denn sie sei zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, am
25.06.2003 eine wirksame Vollmacht erteilt zu haben. Eine Genehmigung durch
Vorlage einer korrekten Vollmacht im Berufungsverfahren komme nicht in Betracht; es
liege nicht einmal ein Verhinderungsgrund für den damals amtierenden Vorstand Herrn
L vor. Dass das Sozialgericht den Mangel nicht erkannt und keine Frist zur Vorlage
einer wirksamen Vollmacht gesetzt habe, führe schließlich auch nicht zur Wirksamkeit
der Prozesshandlungen der Klägerin. Der Mangel sei für das Sozialgericht nicht
offensichtlich gewesen. Vielmehr habe die Klägerin bei Vorlage einer unwirksamen
Prozessvollmacht ihre Mitwirkungspflicht aus § 73 Abs. 2 S. 1 SGG verletzt.
34
Materiell-rechtlich stelle § 265 SGB V eine zulässige Ermächtigungsgrundlage für die
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AusglO dar; denn mit dem Begriff der "anderen aufwendigen Belastungen" seien
jegliche zu finanziellem Aufwand führende Belastungen gemeint. Insbesondere zählten
hierzu finanzielle Belastungen aufgrund schlechter Risiko- bzw. Mitgliederstrukturen,
aber auch Fälle des Missmanagements. Dies treffe auf den vorliegenden Fall zu, denn
die überdurchschnittlich hohen Krankenhauskosten der BKK RWK + Fanal seien auf
den deutlich überhöhten Rentneranteil von 70% zurückzuführen. Entgegen der
Auffassung des Sozialgerichts stünden die §§ 265 und 265a SGB V auch nicht in einem
Exklusivitäts-verhältnis, sondern sie stünden gleichberechtigt nebeneinander. § 265a
SGB V sei als weitere Alternative neben § 265 SGB V vorgesehen gewesen. Nur so
könne überhaupt eine sinnvolle Verbandsarbeit auf Landes- und Bundesebene
stattfinden. Im anderen Fall wäre außerdem der Landesverband von einer
Ermessensausübung des Spitzenverbandes abhängig. Das Selbstverwaltungsprinzip
werde durchbrochen, da die Landesverbände zwar nach wie vor für die Schließung und
Auflösung einer Kasse hafteten, dieser Haftung aber nicht eigenverantwortlich
vorbeugen könnten. Sinn und Zweck der Finanzausgleiche sei daher, sowohl den
Landes- als auch den Spitzenverbänden in diesem Zusammenhang
Handlungsmöglichkeiten einzuräumen.
Die angefochtenen Bescheide seien sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht
rechtmäßig. Einer Anhörung der Mitgliedskassen habe es gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht bedurft. Falls dies doch der Fall sein
sollte, so sei die fehlende Anhörung zumindest gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch
das erstinstanzliche Verfahren nachgeholt worden. § 13 AusglO sei auch auf § 14
AusglO anwendbar. Dies ergebe sich daraus, dass der Abschluss eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages eine Alternative zu den weiteren Interventionsinstrumenten in § 7
AusglO darstelle. Die Fusionspartnerin habe auch Vertragspartnerin sein können, da § 7
Abs. 2 AusglO nicht abschließend zu verstehen sei. Die Zahlung der Liquiditätshilfen an
die BKK RWK + Fanal sei im allseitigen Einverständnis zur Erfüllung der zukünftigen
Verbindlichkeiten der Beklagten gemäß §§ 362 Abs. 2 i. V. m. 185 Abs. 1 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB) erfolgt. § 14 AusglO stehe dem nicht entgegen. Nach der
vertraglichen Vereinbarung sei die Fusionsbeihilfe dem Fusionspartner zu Verfügung zu
stellen gewesen. Dies sei bereits erfüllt, wenn die geleistete Zahlung nur diesem zu
Gute komme.
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Die Höhe der Umlage sei korrekt berechnet worden. Die Liquiditätshilfen seien auf das
festgestellte Passivvermögen aufzuschlagen und nicht, wie das Sozialgericht meine,
davon abzuziehen; denn die vorzeitige Auszahlung der Hilfen habe nur der
Existenzsicherung der Kasse gedient. Ansonsten wäre das Passivvermögen
entsprechend höher zu Buche geschlagen, die Beihilfe wäre aber unverändert hoch
gewesen. Die Fusionsbeihilfe habe dazu führen sollen, dass die BKK RWK + Fanal frei
von Verbindlichkeiten in die Fusion gehen könne. Dies sei verwirklicht worden.
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Die vertraglichen Regelungen seien auch bestimmt genug, da das Passivvermögen
nach der Jahresrechnung genau bestimmbar gewesen sei. Einem Missbrauch, das
Passivvermögen bis zum Fusionszeitpunkt unkontrolliert zu erhöhen, habe die
Regelung § 5 Abs. 2 des Vertrages vorgebeugt. Zudem habe die BKK RWK + Fanal
auch eigene Sanierungsmaßnahmen getroffen.
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Die Liquiditätszahlungen im November 2000 in Höhe von 511.291,88 EUR und im März
2001 in Höhe von weiteren 920.325,39 EUR habe er, der Beklagte, aus dem laufenden
liquiden Haushalt finanziert und über entsprechende Umlagebescheide refinanziert. Da
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er sein Vermögen ausschließlich aus Verbandsumlagen gemäß § 210 Abs. 1 S. 3 Nr. 6
SGB V über seine Mitgliedskassen finanziere und über keine eigenen finanziellen Mittel
verfüge, werde er sich im Falle des endgültigen Unterliegens im vorliegenden Verfahren
über seine Mitglieder refinanzieren müssen. Die Höhe der allgemeinen Umlage lasse
sich derzeit nicht abschätzen. Einige seiner Mitglieder, insgesamt 24, hätten den
Klageweg beschritten. Im Streit seien insoweit insgesamt 542.830,44 EUR. Andere
Mitglieder hätten zwar keine Klage erhoben, die Umlage aber dennoch nicht gezahlt.
Eine zwangsweise Durchsetzung der Forderungen sei bislang nicht erfolgt. Schließlich
stehe denjenigen Mitgliedskassen, die die Umlageforderung akzeptiert und entrichtet
hätten, im Wege des § 44 SGB X ein Rückzahlungsanspruch zu. Die Fusionsbeihilfe sei
damals auf insgesamt 86 Mitgliedskassen umgelegt worden. Eine Refinanzierung der
kompletten Fusionsbeihilfe in Höhe von 3.088.860,93 Mio EUR über die Mitglieder hätte
zur Folge, dass - auf der Grundlage der Mitgliederzahlen im Haushaltsjahr 2006 - eine
Erhöhung der allgemeinen Umlage um 1,5329 EUR je Mitglied erfolgen müsste. Für die
Klägerin hätte die Refinanzierung auf der Grundlage dieser Zahlen nur geringe
wirtschaftliche Bedeutung. Die Umlage läge für diese bei 14.727 Versicherten bei
22.316,40 EUR (West) bzw. bei 1.788 Versicherten bei 2.740,89 EUR (Ost). Die Umlage
habe im Jahr 2001 für die Klägerin bei 24.216 Versicherten bei 22.958,01 EUR (West)
bzw. bei 2.624 Ver-sicherten bei 2.784,69 EUR (Ost) gelegen. Es ergäbe sich ein um
129,30 EUR geringerer Betrag im Verhältnis zu 2001.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei schließlich die Inanspruchnahme der
Haftpflicht-Vermögensschadensversicherung, die vom 01.11.1997 bis zum 31.12.2001
bei der Allianz Versicherungs AG bestanden habe, nicht möglich gewesen. Für diese
Versicherung seien pro Jahr 450.000 DM (entsprechend 230.081,35 EUR) netto an
Prämien zu zahlen gewesen. Ab dem zweiten Jahr der Vertragslaufzeit (01.11.1998 bis
31.10.1999) sei eine Kündigung möglich gewesen, wenn die Nettoschadensquote
(Zahlungen und Reserven) 60 % der Nettoprämieneinnahmen während der
Vertragslaufzeit überschritten. Die Schließung der BKK RWK + Fanal und
Inanspruchnahme der Haftpflichtschadensversicherung hätte der Allianz Versicherung
AG ein Kündigungsrecht eröffnet: Unter Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten
Selbstbeteiligung in Höhe von 300.000 DM (entsprechend 153.387,56 EUR) und einem
Passivvermögen der BKK RWK + Fanal von 1,2 Mio EUR, hätte bei der Allianz ein
Betrag in Höhe von mindestens 1,05 Mio EUR zur Deckung angemeldet werden
müssen, also deutlich mehr als 60 % der Nettoprämieneinnahmen. In Gesprächen habe
die Allianz deutlich gemacht, im Schadensfall von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch
machen zu wollen. Eine vorsorgliche Kündigung sei jedoch nicht erfolgt.
40
Zur Zeit des Beschlusses ihres, des Beklagten, Verwaltungsrates am 28.09.2000 habe
es 115 Mitgliedskassen gegeben. Von diesen seien – ausgehend von den
Auswertungen der Jahresrechnungsergebnisses 1999 – mehrere Mitgliedskassen höher
verschuldet gewesen als die BKK RWK + Fanal: Das Passivvermögen der Novitas
Vereinigte BKK habe bei 23,8 Mio EUR, der Bayer BKK bei 12,3 Mio EUR gelegen, der
Ford BKK bei 2,1 Mio EUR, der GBK bei 1,8 Mio EUR, der BKK Heilberufe bei 2,9 Mio
EUR. Die Möglichkeit einer Kündigung des Vertrages mit der Allianz Versicherungs AG
im Zusammenhang mit einer Schließung der BKK RWK + Fanal hätte aus damaliger
Sicht zur Folge gehabt, dass zukünftige Schließungsfälle nicht mehr über die
Versicherung hätten abgewickelt werden können. Er, der Beklagte, hätte im Falle der
Schließung der Novitas Vereinigte BKK oder der Bayer BKK gemäß § 155 Abs. 4 SGB
V für deren Verbindlichkeit gehaftet und sich in weitaus größerem Umfange als
tatsächlich geschehen über seine Mitgliedskassen refinanzieren müssen. Vor diesem
41
Hintergrund habe ihr, der Beklagten, Verwaltungsrat den aus ihrer Sicht wirtschaftlich
nachvollziehbaren Entschluss gefasst, durch eine Interventionsstrategie im Vorfeld die
Schließung der BKK RWK + Fanal zu vermeiden, um den Versicherungsschutz bei der
Allianz nicht zu gefährden. Bei Inanspruchnahme der Versicherung hätte ein
unverzinsliches Darlehn, das vom Versicherer zu gewähren gewesen wäre,
zurückgezahlt und über die Mitgliedskassen im Wege der Umlage refinanziert werden
müssen. Dies hätte zum selben Ergebnis geführt wie der gewählte Weg des
Umlageverfahrens. Hätte er, der Beklagte, die vertraglich mögliche Alternative
"Versicherungsleistung je nach Einzelfall" gewählt, hätte die Versicherungsleistung von
mind. 1,05 Mio EUR zwar nicht zurückgezahlt werden müssen, aber zu der bereits
erwähnten Eröffnung des Kündigungsrechts geführt.
Im Jahre 2001 sei deutlich geworden, dass die Schließung der BKK Düsseldorf nicht
mehr zu verhindern gewesen sei. Er, der Beklagte, habe sich damals entschlossen,
diesen Haftungsschaden über die Allianz abzuwickeln. Am 21.01.2002 habe er mit
dieser die Übernahme der Vermögensschäden der BKK Düsseldorf und zugleich die
Aufhebung der Haftpflicht-Vermögensschadensversicherung zum 31.12.2001
vereinbart. Die Abwicklung der Schließungskosten der BKK Düsseldorf, die derzeit bei
ca. 16 Mio EUR lägen, zeige, dass die Entscheidung des Verwaltungsrates vom
28.09.2000 richtig gewesen sei, die Haftpflichtversicherung zwecks dann zukünftig
möglich bleibender Abwicklung einer weitaus höher als die BKK RWK + Fanal
verschuldeten Mitgliedskasse zunächst nicht in Anspruch zu nehmen.
42
Der Beklagte beantragt,
43
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13. Juli 2004 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
44
Die Klägerin beantragt,
45
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen
zurückzuweisen.
46
Übereinstimmend beantragen die Beteiligten für den Fall des jeweiligen Unterliegens,
47
die Revision zuzulassen.
48
Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen trägt die Klägerin weiterhin vor,
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestünden ihrer Auffassung nach nicht. Die
Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, da es sich um einen über die allgemeine
Verbandsumlage hinausgehenden Sonderbeitrag handele. Auch der Beklagte habe im
Übrigen eine Anfechtbarkeit angenommen, wie sich aus der den Bescheiden
beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ergebe.
49
Die Zustimmung des Vertreters der Klägerin zu dem Verwaltungsratsbeschluss des
Beklagten stehe ihrer, der Klägerin, Klagebefugnis nicht entgegen, da die Mitglieder des
Verwaltungsrates nicht ihre Kassen, sondern den Landesverband als solchen
gegenüber dessen Vorstand verträten.
50
Herr I sei zudem aufgrund der wirksamen Benennung zum stellvertretenden Vorstand
gemäß § 35a Abs. 4 S. 4 SGB V vertretungsbefugt und damit zur Klageerhebung
51
berechtigt gewesen. Abgesehen davon, dass es keine Begrenzung der Stellvertretung
auf den Verhinderungsfall gebe, habe ein solcher tatsächlich vorgelegen. Die
Prozessvollmacht sei von dem Vorstand Frau N unterzeichnet worden. Diese habe auch
im Laufe des Berufungsverfahrens die Prozesshandlungen erster Instanz schriftlich
genehmigt, so dass Mängel der Prozesshandlungen zumindest rückwirkend geheilt
seien.
Das Sozialgericht habe der Klage zu Recht stattgegeben. Die Bescheide des Beklagten
seien formell und materiell rechtswidrig. Die erforderliche Anhörung habe nicht
stattgefunden und sei auch nicht nachgeholt worden. Außerdem habe der Vertrag
gemäß § 14 AusglO nicht mit einer wirtschaftlich "gesunden" BKK geschlossen werden
dürfen. Auch sei der Wortlaut des Vertrages missachtet worden, indem die
Liquiditätshilfen, die Vorleistung auf die Fusionsbeihilfe sein sollten, an die BKK RWK +
Fanal und nicht an die BKK DEMAG Krauss-Maffei gezahlt worden seien. Insofern seien
die Umlagebescheide rechtswidrig. Schließlich wäre bei einem Versicherungsrisiko bis
100 Mio DM durch die Allianz und einem Schadensfall durch die BKK Düsseldorf bis 20
Mio DM auch noch die Abwicklung einer Schließung der BKK RWK + Fanal über die
Haftpflichtversicherung möglich gewesen.
52
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vortrags der
Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.
53
Entscheidungsgründe:
54
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.07.2004 ist begründet. Zwar hat das
Sozialgericht zutreffend die Klage als zulässig erachtet, es hat jedoch zu Unrecht die
beiden gegen die Klägerin gerichteten Umlagebescheide des Beklagten vom
14.03.2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 25.445,70 EUR zu
erstatten. Die angefochtenen Umlagebescheide sind rechtmäßig.
55
Der Senat vermag die Auffassung des Beklagten, die Klage sei mangels
ordnungsgemäßer Klageerhebung, vgl. § 90 SGG, unzulässig gewesen, nicht zu teilen.
Da der Vorstand der Klägerin, wie sich aus deren entsprechender Satzung ergibt, im
Jahr 2003 aus nur einer Person bestanden hat, ist die Beauftragung des leitenden
Angestellten I zum Stellvertreter nach § 35a Abs. 4 S. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch
(SGB IV) zulässig gewesen. Wie die Klägerin weiter vorgetragen hat, hat zur Zeit der
Klageerhebung auch, soweit sich dies noch nachvollziehen lasse, ein Verhinderungsfall
vorgelegen. In einem solchen Fall ist der Bestellte mit allen Rechten und Pflichten des
Vorstands ausgestattet (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung / Pflegeversicherung
Bd.1, 55. Ergänzungslieferung, § 35a SGB IV RdNr. 28). Selbst wenn Herr I wegen
Fehlens eines Verhinderungsfalls nicht vertretungsbefugt gewesen sein sollte, ist die
Klageerhebung lediglich schwebend unwirksam gewesen. Die Heilung von
Prozesshandlungen vollmachtloser Vertreter ist jedoch rückwirkend möglich. Dies trifft
auch auf die Klageerhebung zu (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, §
90 RdNr. 9). Spätestens mit der Wahl von Frau N zum Vorstand der Klägerin - mit
Wirkung ab dem 01.04.2004 - kann von einer zumindest konkludenten Genehmigung
ausgegangen werden. Frau N hat auch die Vollmachten für die Prozessbevollmächtigen
der Klägerin ausgestellt, woraus sich ergibt, dass sie mit der Klageerhebung
56
einverstanden gewesen ist. Da zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung des
Sozialgerichts noch nicht ergangen war, ist eine Heilung nicht ausgeschlossen
gewesen.
Auch der Umstand, dass die den klägerischen Prozessbevollmächtigten erteilte
Vollmacht von Frau N zu einem Zeitpunkt unterzeichnet worden ist, als diese noch nicht
Vorstand war, führte nicht zu einer Unzulässigkeit der Klage. Die zunächst unwirksamen
Prozesshandlungen sind ebenfalls durch zumindest konkludente Erteilung der
rückwirkenden Genehmigung vor dem Sozialgericht geheilt worden. Auch wenn man
Frau N einen entsprechenden Erklärungswillen absprechen wollte, wäre jedoch
spätestens durch Vorlage der von dieser in ihrer nunmehr innegehabten Funktion als
Vorstand unterzeichneten Vollmacht vom 19.06.06 im Berufungsverfahren ein
möglicherweise noch bestehender Mangel einer fehlerhaften Vollmacht geheilt worden.
Eine Heilung dieses Fehlers ist auch noch in der Rechtsmittelinstanz möglich (Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 73 RdNr. 18a). Dem entspricht auch die
ausdrückliche Erklärung von Frau N in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2007.
57
Ebenfalls bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der erhobenen
Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 SGG. Bei den streitgegenständlichen Bescheiden
handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 SGB X, denn die
Konkretisierung der Umlageforderung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft
gegenüber ihren Mitgliedern ist ein Akt mit Außenwirkung. Die Befugnis zur Festsetzung
der Umlage für die Fusionsbeihilfe per Verwaltungsakt ergibt sich aus dem insoweit
zwischen dem Beklagten und seinen Mitgliedern - also auch der Klägerin - bestehenden
Über- und Unterordnungsverhältnis (BSG, Urt. vom 25.06.2002, SozR 3-2500 § 217 Nr.
1). Allerdings ist zu beachten, dass die streitgegenständliche Umlage aufgrund einer die
Verbandstätigkeit regelnden Satzung erhoben worden ist. Bei der Satzungsgebung
kann es zu rechtswidrigen, gleichwohl die Mitglieder bindenden
Mehrheitsentscheidungen kommen. Diese können aber nicht im Wege der Anfechtung
der Umlagebescheide angegriffen werden, sondern nur im Rahmen einer
Unterlassungsklage. Anderenfalls wäre eine ordnungsgemäße Haushaltsführung des
Beklagten nicht möglich. Daher wäre eine Mitgliedskasse eines
Krankenkassenverbandes grundsätzlich nicht berechtigt, gegen die Höhe der
Verbandsumlage mit der Behauptung gerichtlich vorzugehen, der Verband habe den
Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben überschritten (BSG, Urt. vom
25.06.2002, a.a.O.; LSG NRW, Beschl.vom 02.09.2005, Az.: L 16 B 65/05 KR ER,
www.juris.de). Etwas anderes gilt nur, wenn die Umlage, wie hier, einen über die
"allgemeine" Verbandstätigkeit hinausgehenden Sonderbeitrag darstellt. In diesem Fall
sind Einwände gegen die Verbandstätigkeit im Streit über die Umlage zu
berücksichtigen, da der Sonderbeitrag allein zum Zweck der Finanzierung einer
bestimmten Aufgabe erhoben wird. Dann ergibt sich aus der Rechtswidrigkeit des
Zwecks auch die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung (BSG, Urt. vom 25.06.2002, a.
a. O.). Die streitgegenständliche Umlage ist einmalig erhoben worden und hat dem
Ausgleich der gezahlten Fusionsbeihilfe, mithin der Finanzierung der Fusion der BKK
RWK + Fanal mit der BKK DEMAG Krauss-Maffei, gedient. Dies gehört nicht zu den
allgemeinen Aufgaben eines Landesverbandes.
58
Auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Beklagten ergibt sich kein anderes
Ergebnis. Dieser ist der Auffassung, auch die Anfechtung eines Sonderbeitrags führe zu
nicht tragbaren haushaltsrechtlichen Folgen, denn entweder sei die Fusionsbeihilfe
dann von der unterstützten Kasse mit entsprechenden finanziellen Folgen und dem
59
damit verbundenen Prozessrisiko zurückzufordern oder die Rückzahlung der Umlage
sei ausschließlich über die Erhebung einer neuen Umlage, die ihrerseits wiederum als
Sonderbeitrag anfechtbar sei, zu bewerkstelligen. Außerdem gelte der
Ausnahmetatbestand nur für Sonderbeiträge, die eine voraussehbare, in der Zukunft
liegende Leistung eines Verbandes zum Gegenstand habe. Der Senat vertritt
demgegenüber mit der oben genannten Entscheidung des BSG die Auffassung, dass
die haushaltsrechtlichen Implikationen nur bei der Erhebung einer Umlage, die
Zwecken der "allgemeinen" Verbandstätigkeit dient, maßgeblich sein können; denn
tatsächlich könnte in diesem Fall eine Anfechtbarkeit der Umlage zur zumindest
vorübergehenden Handlungsunfähigkeit des Verbandes führen, wenn dieser wegen
einer zugestandenen Anfechtbarkeit der entsprechenden Umlagebescheide nicht sicher
sein könnte, ob er bereits vereinnahmte Mittel verwenden kann oder
Rückzahlungsverpflichtungen ausgesetzt ist. Solche gravierenden haushaltsrechtlichen
Folgen sind bei einer einmaligen, an einen bestimmten Zweck gebundenen Umlage,
wie hier, jedoch nicht zu erwarten. Zwar kann auch in diesem Fall die Rückzahlung nur
über die Rückforderung der an das notleidende Mitglied gezahlten Fusionsbeihilfe oder
aus eigenen Mitteln des Beklagten erfolgen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass
der Beklagten mit Abschluss des Vertrages über die Gewährung von Fusionsbeihilfen
selbst die Rechtsgrundlage für deren Auszahlung und die möglichen Folgewirkungen
setzt, das Handeln mithin seiner Risikosphäre zuzurechnen ist. Etwaige Fehler,
insbesondere Fehleinschätzungen bezüglich der vorgestellten Umlagefähigkeit der
Beihilfe, müssen dann aber in dem Sinne zu seinen Lasten gehen, dass eine
Anfechtbarkeit der Umlagebescheide eröffnet wird.
Gegen die Einstufung als Sonderbeitrag und damit gegen die Anfechtbarkeit spricht
schließlich auch nicht, dass Umlagen nach § 5 Abs. 1 der AusglO im Regelfall jährlich
sowie auf der Grundlage unveränderter Grundsätze erhoben werden und damit für die
Mitgliedskassen voraussehbare Ausgaben darstellen, die bei der Haushaltsaufstellung
berücksichtigt werden können. Davon unterscheidet sich jedoch der vorliegende Fall
der Erhebung eines Sonderbeitrages wegen der drohenden Schließung einer Mitglieds-
BKK, der gerade nicht voraussehbar und von vornherein zu berücksichtigen gewesen
ist. Die entsprechenden Hilfen an die notleidende Mitgliedskasse sind an einen
bestimmten Zweck gebunden und werden nicht jährlich, sondern nur dann geleistet,
wenn konkrete Umstände dies erfordern. Der Klägerin fehlt entgegen der Auffassung
des Beklagten auch nicht die Klagebefugnis. Diese liegt in der geltend gemachten
Rechtswidrigkeit der Umlagebescheide. Die Klägerin hat das Klagerecht auch nicht
dadurch verwirkt, dass sie nicht gegen den rund drei Jahre zuvor ergangenen Beschluss
des Verwaltungsrates des Beklagten vorgegangen ist. Zum einen hat der Beklagte nicht
darlegen können, dass der Beschluss aus September 2000 den Mitgliedskassen
überhaupt förmlich bekannt geworden ist; entsprechende Informationssysteme, auch
elektronischer Art, sind erst Jahre später realisiert worden. Zum anderen liegen die
Voraussetzungen für eine Verwirkung aber auch nicht vor. Davon ist auszugehen, wenn
zu der reinen Untätigkeit weitere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Beklagte
davon hätte ausgehen können, dass eine Klageerhebung nicht mehr erfolgen werde.
Dies wird angenommen, wenn der Anfechtungsberechtigte unter Umständen untätig
bleibt, unter denen jeder andere Beteiligte vernünftigerweise zur Rechtswahrung tätig
geworden wäre (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., vor § 60 RdNr. 14a). Einer
solchen Annahme steht bereits entgegen, dass der Beklagte die entsprechenden
Umlagebescheide mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und damit deutlich
gemacht hat, dass sie von der Möglichkeit einer Anfechtung ausging.
60
Der Senat ist ebenfalls davon überzeugt, dass die angefochtenen Umlagebescheide
rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.
61
Zwar geht der Senat mit dem Sozialgericht Aachen davon aus, dass weder § 210 Abs. 1
S. 3 Nr. 6 bzw. § 197 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 207, 209 SGB V noch § 155 Abs. 4 SGB V
bzw. die IntervO als Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Umlagebescheide
in Betracht kommen; diesbezüglich verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die
zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er sich nach
eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt.
62
Die Bescheide hat der Beklagte jedoch zu Recht auf § 13 i. V. m. §§ 5 und 6 der AusglO
gestützt, die ihrerseits auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhen und deren
Voraussetzungen gegeben sind. Danach ist der Finanzausgleich für sog. andere
aufwendige Belastungen durch eine von den Mitgliedern zu leistende Umlage
durchzuführen. Andere aufwendige Belastungen definiert die AusglO als finanzielle
Hilfen zur Verhinderung oder Auflösung einer BKK.
63
Das Sozialgericht ist der Auffassung, dass es sich bei den finanziellen Hilfen zur
Verhinderung der Auflösung oder Schließung einer BKK um finanzielle Hilfen in
besonderen Notlagen handele mit der Folge, dass allein § 265a SGB V eine
Ermächtigungsgrundlage bilden könne, jedoch von der AusglO des Beklagten zu Recht
wegen der gesetzlich festgelegten Zuständigkeit der Spitzenverbände, nicht eines
Landesverbandes, nicht in Bezug genommen worden sei. Dem vermag der Senat
jedoch nicht zu folgen. Vielmehr enthält § 265 SGB V eine Ermächtigung für den
Beklagten, Regelungen, wie sie in der AusglO enthalten sind, zu treffen; die §§ 265 und
265a SGB V stehen nicht in einem Exklusivverhältnis zu einander.
64
§ 265 SGB ermächtigt die Landesverbände per Satzung, eine Umlage der
Verbandsmitglieder vorzusehen, um die Kosten für sog. aufwendige Leistungsfälle und
für andere aufwendige Belastungen ganz oder teilweise zu decken. Bei den finanziellen
Hilfen zur Vermeidung des Eintritts eines Haftungsfalles nach § 155 Abs. 4 SGB V
handelt es sich um solche anderen aufwendigen Belastungen. Dies steht zur
Überzeugung des Senates als Ergebnis der Auslegung des Begriffs "andere
aufwendige Belastungen" nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und
Gesetzessystematik fest.
65
Bedenken, dass die hier der notleidenden Mitgliedskasse gewährten
Liquidationszuschüsse und Hilfen zur Verringerung des Passivvermögens nicht vom
Wortlaut des § 265 SGB V erfasst wären, hat der Senat nicht. Aus der
Gesetzesbegründung ergibt sich lediglich, dass die sog. aufwendigen Leistungsfälle nur
den wichtigsten Grund für einen finanziellen Ausgleich darstellen. Denkbar seien aber
auch Umlagen für aus anderen Gründen notleidend gewordene Krankenkassen (vgl.
Bundestagsdrucksache -BT-Drs- 11/2237 S. 228). Auch aus der Gesetzesbegründung
zu der Vorgängervorschrift des § 414b Abs. 2 S. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO)
lassen sich keine näheren Hinweise gewinnen, wie der Begriff der anderen
aufwendigen Belastungen auszulegen ist. Es sollte sich danach nur um
außergewöhnliche finanzielle Schwierigkeiten handeln, also weder um dauernde noch
um gewöhnliche, im steten Geschäftsablauf liegende finanzielle Schwierigkeiten. Die zu
deckenden Kosten müssten außergewöhnlich, unvorhergesehen und aus den
laufenden Einnahmen nicht zu decken sein (Peters, Handbuch der
Krankenversicherung, 84. Ergänzungslieferung -EL- vom 31.01.1988, § 414b S.
66
17/2120). Dementsprechend besteht Übereinstimmung darin, dass zu den aufwendigen
Belastungen außergewöhnliche Verbindlichkeiten aus Schadens- und
Erstattungsansprüchen sowie hohe Belastungen durch vorübergehende Ereignisse, wie
Katastrophen, Epidemien, Pilotprojekte zählen (Schulin, Handbuch der
Sozialversicherung Bd. 1, § 56 RdNr. 25 S. 1413; Maydell (Hrsg),
Gemeinschaftskommentar zum SGB -GK-SGB V-, Stand: Mai 1993, § 265 SGB V, RdNr.
16; Peters, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 51. EL, Stand:
September 2006, § 265 SGB V RdNr. 7). Darüber hinaus wird teilweise angenommen,
auch aufwendige Belastungen aufgrund schlechter Risikostrukturen sowie
kostenwirksamer regionaler Überkapazitäten fielen hierunter. Danach kann auch die
allgemeine Situation der Krankenkasse im Rahmen eines auf Grundlage des § 265
SGB V durchgeführten Finanzausgleiches Berücksichtigung finden (ebenso: GKV-
Kommentar zum SGB V, 69. EL, Stand: April 2001, § 265 SGB V, RdNr. 6; GK-SGB V, a.
a. O., § 265 SGB V, RdNr. 16; anderer Ansicht -a. A.-: Schulin, a. a. O., § 56 RdNr. 26 S.
1413; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung / Pflegeversicherung Bd. 2, 55. EL,
Stand: Mai 2006, § 265 RdNr. 5). Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der
Gesetzessystematik. Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, das System der
Finanzausgleiche spreche dafür, § 265 SGB V einschränkend auszulegen, denn
einnahmebezogene Ungleichheiten würden durch § 266 SGB V ausgeglichen, während
die verbleibenden Beitragssatzunterschiede, dies seien insbesondere solche, die
ausgabenbezogene Ursachen hätten, über § 265a SGB V beseitigt werden könnten. Es
sei nicht ersichtlich, dass der Umfang des Ausgleichs des § 265a SGB V auch für § 265
SGB V gelten solle (Schulin, a. a. O., § 56 RdNr. 27 S. 1413 f). Dies berücksichtigt aber
nicht, dass auch aufwendige Leistungsfälle zu ausgabebezogenen
Beitragssatzunterschieden führen können. Die Möglichkeit des
Risikostrukturausgleiches spricht auch nur dafür, dass einnahmebezogene
Ungleichheiten in geringerem Umfang vorhanden sein werden, so dass für die §§ 265
und 265a SGB V die ausgabebezogenen Ungleichheiten verbleiben.
Der Beklagte führt hierzu aus, auch die genannten Großrisiken seien als Summe
verschiedener einzelner aufwendiger Leistungsfälle unter § 265 S. 1 Alt. 1 SGB V zu
subsumieren. Dagegen seien von der 2. Alternative jegliche zu finanziellem Aufwand
führenden Belastungen umfasst. Dies ergebe sich daraus, dass § 265a SGB V als
Alternative zu § 265 SGB V auf Bundesebene gedacht sei. Diese Argumentation
erscheint jedoch nicht schlüssig. Zum einen muss im Beispielsfall einer Epidemie nicht
unbedingt eine Vielzahl aufwendiger Leistungsfälle vorliegen. Dies trifft z. B. auf eine
Grippeepidemie zu. In einem solchen Fall besteht eben die Belastung nicht darin, dass
der einzelne Leistungsfall aufwendig ist, sondern die Vielzahl der Fälle insgesamt
summiert sich zu einem besonderen Aufwand. Wenn § 265a SGB V lediglich eine
Alternative zu § 265 SGB V für die Spitzenverbände darstellen sollte, hätte eine
entsprechende Erweiterung des Wortlautes des § 265 SGB V ausgereicht. Tatsächlich
haben beide Vorschriften aber unterschiedliche Regelungsinhalte. Während § 265 SGB
V dazu dient, auf Landesverbandsebene aufwendige Leistungsfälle und Belastungen
auszugleichen, greift § 265a SGB V erst ein, wenn von einem solchen Ausgleich keine
Problemlösung zu erwarten und die besondere Notlage eingetreten oder die
Wettbewerbsfähigkeit der Kasse/n gefährdet ist, also die Kasse wirtschaftlich bereits in
eine dauerhafte Schieflage geraten ist. § 265 SGB V betrifft dagegen eine an sich
wirtschaftlich stabile Kasse, die durch den Eintritt eines aufwendigen Leistungsfalles
oder einer anderen aufwendigen Belastung gefährdet wird bzw. notleidend geworden
ist. Aus dem Wortlaut des § 265 SGB V ergibt sich auch, dass die anderen aufwendigen
Belastungen auf die aufwendigen Leistungsfälle zu beziehen sind. Eine andere
67
aufwendige Belastung muss zumindest mit einem aufwendigen Leistungsfall
vergleichbar sein. Ein aufwendiger Leistungsfall ist ein Einzelfall, der tatsächlich Kosten
über das übliche Maß hinaus in außergewöhnlichem Umfang für Leistungen verursacht
(GK-SGB V, Mai 1993, § 265 Rn 10). Eine andere aufwendige Belastung ist demnach
ein Fall, der aus einem anderen Grund tatsächlich Kosten über das übliche Maß hinaus
in außergewöhnlichem Umfang verursacht. Wenn der Ausgleich so entstandener
Kosten dazu dient, den Eintritt des Haftungsfalls gemäß § 155 Abs. 4 SGB V zu
vermeiden, dann handelt es sich auch um zulässigerweise ausgleichbare aufwendige
Belastungen. Allein die Tatsache, dass der Haftungsfall vermieden werden soll, führt
noch nicht zum Ausschluss der Anwendung des § 265 SGB V. Es handelt es sich bei
der Fusionsbeihilfe um eine aufwendige Belastung.
Nach Auffassung des Senates kommt es dabei nicht darauf an, wie sich die
Verbindlichkeiten (Passivvermögen) im Einzelnen zusammensetzen; denn diese stellen
insgesamt eine sog. andere aufwendige Belastung dar und sind an den richtigen
Adressaten geflossen. Zwar sollte die Fusionsbeihilfe aufgrund der Fusion an die BKK
DEMAG Krauss-Maffei gezahlt werden. Mit der Vereinigung zweier
Betriebskrankenkassen zu einer dritten neuen tritt diese gemäß §§ 150 Abs. 2, 144 Abs.
4 SGB V in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein. Da die BKK
RWK + Fanal ein hohes Passivvermögen aufwies, die BKK DEMAG Krauss-Maffei dem
gegenüber wirtschaftlich stabil war, hätte die geplante Fusion letztlich dazu geführt,
dass die BKK DEMAG Krauss-Maffei in die Verbindlichkeiten der BKK RWK + Fanal
hätte eintreten müssen. Damit handelte es sich letztlich um außergewöhnliche
Verbindlichkeiten der BKK DEMAG Krauss-Maffei.
68
Zu einem anderen Ergebnis käme man, wenn die Leistungen an die BKK RWK + Fanal
geflossen wären und es keine Fusion gegeben hätte. Denn dann wäre eine notleidende
Kasse aufgrund einer besonderen Notlage unterstützt worden. Dabei wäre zu beachten
gewesen, dass ein Großteil des Passivvermögens aus den viel zu hohen Verwaltungs-
und Personalkosten bestand, die zweifellos keine aufwendigen Belastungen sind. In
die- sem Fall hätten allein die aufgrund der ungünstigen Mitgliederstruktur hohen
Krankenhauskosten ausgeglichen werden können. Hierum geht es aber nicht.
69
Der Senat hat weiter keine Bedenken, dass das Umlageverfahren auf die
Fusionsbeihilfe angewendet werden konnte. Die Klägerin bestreitet dies. Sie trägt vor, §
14 der AusglO verweise nicht auf § 5 der AusglO. Darüber hinaus stehe § 13 AusglO,
der das Umlageverfahren für die Finanzierung anderer aufwendiger Belastungen
vorsehe, vor § 14 AusglO und könne sich daher nicht auf diesen beziehen. Diese
Argumentation überzeugt nicht. Es spricht mehr dafür, dass die Stellung des § 14
AusglO zur Verdeutlichung des Ausnahmecharakters dieser Maßnahme im Verhältnis
zu den allgemeinen Interventionsinstrumenten gewählt worden ist, so dass das
Ausgleichsverfahren trotzdem Anwendung findet. Außerdem ist in § 7 Abs. 1 AusglO
ausdrücklich auch § 14 AusglO genannt. Darüber hinaus spricht § 13 AusglO allgemein
von dem Finanzausgleich für andere aufwendige Belastungen.
70
Auch das Verfahren zur Erhebung der Umlage ist fehlerfrei durchgeführt worden. Eine
gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor Erlass eines
Verwaltungsaktes grundsätzlich erforderliche Anhörung beinhaltet lediglich die
Gelegenheit zur Stellungnahme. Wenn der Klägerin die auf der Verwaltungsratssitzung
des Beklagten im September 2000 beschlossene Fusionsbeihilfe und die beschlossene
Umlage derselben auf die Mitgliedskassen bekannt geworden sein sollte, so hatte die
71
Klägerin auch die Möglichkeit gehabt, zu der Fusionsbeihilfe und ihrer geplanten
Umlage Stellung zu nehmen. Der Senat hat diesen Punkt nicht abschließend klären
können. Darauf kommt es jedoch auch nicht an; denn jedenfalls ist eine Heilung des
möglichen Anhörungsfehlers gemäß § 40 Abs. 2 SGB X eingetreten.
Auch die zeitlichen Grenzen des § 6 Abs. 2 AusglO sind eingehalten worden. Danach
wird das Ausgleichsverfahren jeweils für ein Geschäftsjahr durchgeführt und im
Folgejahr abgerechnet. Dass das Verfahren jeweils für ein Geschäftsjahr durchgeführt
wird, heißt nicht zwangsläufig auch, dass es in diesem Geschäftsjahr durchgeführt wird.
Allerdings ergibt sich aus § 5 Abs. 2 AusglO, dass dies wohl der Regelfall sein soll. Eine
Berechnung des Passivvermögens zum Fusionszeitpunkt auf der Grundlage der
amtlichen Statistik war jedoch gar nicht möglich. Das Passivvermögen lässt sich der
Natur der Sache nach nur im Nachhinein berechnen. Daher ist der zeitliche Rahmen
auch nicht überschritten, wenn die Jahresrechnung erst im Jahr 2002 für das
Geschäftsjahr 2001 erfolgt und die Umlagebe- scheide im Folgejahr erhoben werden.
Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung kommt es insoweit jedenfalls nicht an.
72
Die Fusionsbeihilfe wurde gewährt, um die Schließung der BKK RWK + Fanal zu
verhindern. Hierzu wurde der BKK DEMAG Krauss-Maffei eine Hilfe zur Tilgung der
Verbindlichkeiten gewährt. Eine aufwendige Belastung im Sinne der AusglO lag vor.
Daher konnte auch der Vertrag mit Gewährung der Fusionsbeihilfe geschlossen
werden. Dass die BKK DEMAG Krauss-Maffei Vertragspartnerin war, steht der
Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen. Aus § 14 der AusglO ergibt sich nicht, dass
ein solcher Vertrag nur mit dem Mitglied im Sinne des § 7 Abs. 2 AusglO geschlossen
werden durfte. Über die Einbeziehung weiterer Vertragspartner ist keine Aussage
getroffen. Da § 14 AusglO ausdrücklich organisationsrechtliche Optionen in Bezug
nimmt, zu denen eine freiwillige Vereinigung gehört, ist es zudem sinnvoll, einen
zukünftigen Fusionspartner in die Regelung mit einzubeziehen.
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Die aufgrund des Vertrages gewährte und umgelegte Fusionsbeihilfe ist auch der Höhe
nach zutreffend berechnet worden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts waren
die Liquiditätshilfen nicht von dem noch verbliebenen Passivvermögen abzuziehen.
Dies wäre nur der Fall, wenn die Liquiditätshilfen noch nicht in der Jahresrechnung
berücksichtigt worden wären. Das Gegenteil ist jedoch der Fall gewesen, wie sich für
das Jahr 2000 aus Bl. 189, ansonsten aus Bl. 208 der Verwaltungsakte ergibt. Ohne die
Hilfe wäre das Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt höher gewesen. Denn die
Zahlung der 2,8 Mio DM ist nicht auf das in der Jahresrechnung 2001 ausgewiesene
Passivvermögen erfolgt, sondern das Passivvermögen konnte nur in der
niedergeschriebenen Höhe ausgewiesen werden, eben weil die Zahlung der Hilfen
erfolgt war. Da die Auszahlung der Liquiditätshilfen bereits im Vorgriff auf die spätere
Fusionshilfe geleistet worden waren, sind sie bei der Umlageerhebung bzw.
Berechnung des umzulegenden Gesamtbetrages auch zu berücksichtigen gewesen.
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Das Sozialgericht führt hierzu aus, maßgeblich sei das Passivvermögen zum
Fusionszeitpunkt. Da eine Vorleistung erfolgt sei, vermindere sich die Fusionsbeihilfe
um eben diese Vorleistung. Anderenfalls würde die Beihilfe das Passivvermögen zum
Fusionszeitpunkt überschreiten. Diese Betrachtungsweise hält sich zu eng am Wortlaut
der Vereinbarung auf und verkennt, dass die Zahlungen, wie bereits erwähnt, nicht auf
das ausgewiesene Passivvermögen erfolgt sind. Die Liquiditätshilfen wurden in der
Jahresrechnung das Pas- sivvermögen vermindernd berücksichtigt, denn es wurden mit
ihnen offene Krankenhausrechnungen beglichen.
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Die Anrechnung des Aktivvermögens der BKK Westfalia Separator war nicht notwendig.
Wenngleich der Beklagte die Höhe des Aktivvermögens der BKK Westfalia Separator
für zu gering hält, um es anzurechnen und dies auch kein zulässiger Grund wäre, die
Anrechnung zu unterlassen, so liegen dennoch die Voraussetzungen der Ziffer 6 des
Vertrages vor. Die Vereinbarung über die Anrechnung des Aktivvermögens einer
weiteren Krankenkasse wird gegenstandslos im Fall der Vereinigung dieser weiteren
Kasse mit der BKK RWK + Fanal und der BKK DEMAG Krauss-Maffei vor dem
01.01.2002. Die Vereinigung erfolgte zum 01.07.2001. Daher war das Aktivvermögen
der BKK Westfalia Separator auch nicht anzurechnen.
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Schließlich durfte auch die Vorleistung an die BKK RWK + Fanal erfolgen. Nach dem
Vertrag war dem Fusionspartner die Hilfe zur Verfügung zu stellen. Über den Zeitpunkt
ist keine nähere Regelung getroffen. Allerdings ist die Bestimmung, die Fusionsbeihilfe
dürfe das Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt nicht überschreiten, ein Hinweis
darauf, dass letzterer Zahlungstermin sein sollte. Eine Vorleistung war aber vertraglich
nicht ausgeschlossen. Da die Fusion von den Vertragspartnern gewollt war und eine
Schließung der BKK RWK + Fanal auf jeden Fall verhindert werden sollte, ist davon
auszugehen, dass die Vertragspartner im Zweifel zur Erreichung ihres Zieles auch eine
Vorleistung gewollt haben.
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Diese durfte auch an die BKK RWK + Fanal erfolgen, denn die Fusionsbeihilfe war dem
Fusionspartner, also der BKK DEMAG Krauss-Maffei zur Verfügung zu stellen. Hierzu
führt der Beklagte aus, die Zahlung sei in Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung an
einen Dritten, die BKK RWK + Fanal, erfolgt. Dies sei gemäß §§ 362 Abs. 2 i.V.m. 185
Abs. 1 BGB zulässig. Alle Beteiligten seien mit dieser Vorgehensweise einverstanden
gewesen. Die Anwendung der Vorschriften ist gemäß § 61 SGB X zulässig. Demnach
ist die Zahlung an einen Dritten mit befreiender Wirkung möglich.
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Der Vertrag war auch nicht zu unbestimmt, so dass er gemäß § 58 SGB X nichtig wäre.
In Betracht kommen die Nichtigkeitsgründe des § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X und § 58 Abs. 1
SGB X. Nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ist ein Vertrag nichtig, wenn ein Verwaltungsakt
mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre. Nach § 33 SGB X muss ein Verwaltungsakt
hinreichend bestimmt sein. Unbestimmtheit führt nur dann zur Nichtigkeit, wenn der
Verwaltungsakt gemäß § 40 Abs. 1 SGB X an einem besonders schwerwiegenden und
offensichtlichen Fehler leidet. Das kann der Fall sein, wenn der Verwaltungsakt völlig
unverständlich und / oder undurchführbar ist. Nichtigkeit liegt auch vor, wenn nicht
erkennbar ist, wer durch den Verwaltungsakt und / oder in welcher Höhe er verpflichtet
werden soll (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-, 8. Aufl., § 37
RdNr. 17). Ein Nichtigkeitsgrund in diesem Sinn liegt nicht vor. Das Passivvermögen
betrug zum Zeitpunkt der Vereinbarung etwa 3.592.000 DM, wie sich aus Bl. 176
Verwaltungsakte ergibt. Dem Beklagten war gemäß Ziffer 5 Abs. 2 des Vertrages ein
Kündigungsrecht eingeräumt für den Fall, dass sich das Passivvermögen der BKK RWK
+ Fanal nach dem 31.12.2000 um mehr als 10% erhöht hätte. Ausgehend von 3,5 Mio
DM Passivvermögen zu Beginn des vierten Quartals des Jahres 2000 war nicht damit zu
rechnen, dass das Passivvermögen bis zum 31.12.2000 noch unübersehbar hoch
werden würde. Maximal zulässig war damit eine Erhöhung des Passivvermögens um
etwa 350.000 DM. Damit war die Höhe der Verpflichtung bei Vertragsschluss
hinreichend bestimmt. Hinzu kommt, dass sich bei Eintritt des Fusionszeitpunktes die
Verpflichtung konkretisierte, so dass der Vertrag ausreichend genau festlegt hat, wer in
welcher Höhe verpflichtet werden sollte.
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Zwar hätte der Beklagte tatsächlich die Schließung der BKK RWK + Fanal über den
Haftpflichtversicherungsvertrag abwickeln können, doch kann der Beklagte hierauf nicht
im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verwiesen werden. Die Schließung der BKK RWK
+ Fanal hätte auch die Freisetzung ihrer Mitarbeiter und den Verlust der Mitglieder zur
Folge gehabt. Darüber hinaus wäre den BKK n insgesamt ein Imageschaden
entstanden. Grundsätzlich ist es wünschenswert und vom Gesetzgeber auch gewollt,
Schließungen und Auflösungen von Krankenkassen soweit möglich zu vermeiden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der
Streitsache, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, zugelassen.
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Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus der Bedeutung der Rechtssache für die
Beteiligten.
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