Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.11.2005

LSG NRW: satzung, wohnung, kreis, kündigung, anschlussbeschwerde, stadt, zusicherung, anspruchsvoraussetzung, hinweispflicht, mietzins

Landessozialgericht NRW, L 12 B 38/05 AS ER
Datum:
22.11.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 12 B 38/05 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 8 AS 42/05 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1. Auf den Antrag des Kreises Minden-Lübbecke wird das Rubrum
berichtigt und anstelle der Stadt Minden der Kreis Minden-Lübbecke als
Antragsgegner (Ag) in das Rubrum aufgenommen. Die Stadt Minden,
vertreten durch den Bürgermeister, wird gemäß § 75 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. 2. Die Beschwerde des Ag mit
dem Antrag, die einstweilige Anordnung zur Zahlung von 490,00 EUR
angemessener Miete aufzuheben, wird mit der Änderung
zurückgewiesen, dass gemäß Nr. 1) des Beschlusstenors die
Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird,
den Antragstellern (Ast) ab 12.04.2005 monatlich 490,00 EUR als
Leistung für die Unterkunft einschließlich Mietnebenkosten zu zahlen. 3.
Die Beschwerde des Ag mit dem Antrag, die Kostenentscheidung
aufzuheben und festzustellen, dass der vorsorgliche Hinweis des
Sozialgerichts (SG) zu § 192 SGG fehlgeht, wird zurückgewiesen. 4. Die
Beschwerde der Ast wird zurückgewiesen.
Gründe:
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zu 1) Das Rubrum war antragsgemäß zu berichtigen, weil gemäß § 8 Satz 1 der
Satzung des Ag über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach
dem SGB II (Amtl. Kreisblatt-Amtsblatt für den Kreis-Minden-Lübbecke, Jahrg. 2004 Nr
30 S. 265 ff. im Folgenden: Satzung-) in allen Fällen dem Ag die Durchführung von
Rechtsbehelfs- und Rechtsstreitverfahren obliegt. Dieser hat nach § 6 Abs. 1 Nr. 2
Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) als
zuständiger kommunaler Träger der Leistungen nach diesem Buch gemäß § 1 der
Satzung den kreisangehörigen Städten und Gemeinden lediglich u.a. gemäß § 4 Nr. 3
der Satzung die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß
Kapitel 3, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1-3 SGB II sowie die Durchführung von Saktionen
nach Kapitel 3 , Abschnitt 2, Unterabschnitt 3 SGB II übertragen. Die Durchführung von
Rechtsbehelfs- und Rechtsstreitverfahren obliegt gemäß § 8 Satz 1 der Satzung jedoch
in allen Fällen dem Kreis und es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Durchführung
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des Verfahrens zum Erlass einer einstweiligen Anordnung von dieser Regelung
ausgenommen sein sollte. Insbesondere verbleibt entgegen der Auffassung des SG
trotz der Heranziehung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden die
Leistungsträgerschaft beim Kreis. Es ist zudem § 8 Satz 1 der Satzung nicht zu
entnehmen, dass lediglich die prozessuale Vertretung in Rechtsbehelfs- und
Rechtsstreitverfahren gemeint sein könnte.
zu 2) Die Beschwerde des Ag gegen die Entscheidung des SG, den Ast monatlich
490,00 EUR Mietkosten einschließlich Nebenkosten zu gewähren, wird aus den
zutreffenden Gründen in Teil III des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen. Der
Senat nimmt zur Begründung darauf Bezug und schließt sich ihnen nach Überprüfung
der Sach- und Rechtslage an (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
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Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Eine inhaltliche Auseinandersetzung des SG mit der Frage, ob und inwieweit § 22 Abs.
2 Satz 2 SGB II der Übernahme der Unterkunftskosten entgegensteht, brauchte nicht zu
erfolgen. Abgesehen davon, dass das SG die Leistungen für die Unterkunft erst ab
12.04.2005, dem Tag der Antragstellung, durch einstweiligen Anordnung zugesprochen
hat, die Ast die Wohnung "T-straße 00" aber bereits ab 01.03.2005 angemietet haben,
kann jedenfalls aus der fehlenden vorherigen Zusicherung nicht hergeleitet werden,
dass der Anspruch nicht besteht. Das im Gesetz genannte Erfordernis vorheriger
Zustimmung stellt keine Anspruchsvoraussetzung dar. Infolgedessen kommt eine
Kostenübernahme auch dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nicht zuvor die
Zustimmung einholt (vgl. Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNrn 62 ff [66]; Berlit
in LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 52-54).
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Die Ansicht des Ag, dass die angemietete Wohnung unter keinem denkbaren
Gesichtspunkt gehalten werden könne, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung.
Zwar ist dem Ag zuzugestehen, dass bei einem Mietzins von 815,00 EUR kalt die
Zahlung von 490,00 EUR auf Dauer nicht geeignet ist, eine Kündigung abzuwenden.
Jedoch ist vorliegend eine Kündigung bisher offensichtlich nicht erfolgt und droht erst
recht nicht unmittelbar die Zwangsräumung. Mithin dient die Zahlung von 490,00 EUR
jedenfalls dazu, dass die Ast die Wohnung bisher behalten können.
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zu 3) Die Kostenentscheidung des SG ist nicht zu ändern, weil seine sachliche
Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren zu bestätigen war und die
Berichtigung des Rubrums sich auf die Kostenentscheidung nicht auswirkt.
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Die Beschwerde des Ag mit dem Antrag festzustellen, dass der vorsorgliche Hinweis
des SG zu § 192 SGG fehlgehe, war ebenfalls zurückzuweisen. Dem Ag fehlt es
insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Hinweis bleibt ohne
rechtliche Wirkung, weil in gleichgelagerten künftigen Fällen die Darlegungs- und
Hinweispflicht gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG deshalb nicht entfiele.
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zu 4) Die als unselbständige Anschlussbeschwerde zulässige Beschwerde der Ast ist
unbegründet. Für eine Verpflichtung der Beigeladenen, im Wege der einstweiligen
Anordnung auch die den angemessenen Umfang übersteigenden Leistungen für die
Unterkunft der Ast zu übernehmen, fehlt es jedenfalls am Anordnungsgrund. Weder gibt
es Hinweise dafür noch haben die Ast dargelegt, dass unmittelbar der Verlust der
Wohnung oder andere nicht wieder gut zu machende Nachteile drohen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Der Senat hält es für angemessen, dass der Ag die Hälfte der außergerichtlichen Kosten
der Ast im Beschwerdeverfahren trägt, weil der Ag mit seiner Beschwerde im
Wesentlichen erfolglos geblieben ist, die Anschlussbeschwerde der Ast aber auch
keinen Erfolg hatte.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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