Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.08.2006

LSG NRW: eintritt des versicherungsfalles, eintritt des versicherungsfalls, arbeitslosigkeit, altersrente, gleichgestellte zeit, spanien, versicherungsträger, eugh, arbeitslosenversicherung, wartezeit

Landessozialgericht NRW, L 4 R 111/05
Datum:
28.08.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 R 111/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 39 RJ 157/03
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 20.04.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten der Klägerin werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
streitig, insbesondere ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
2
Die am 00.00.1945 geborene Klägerin besitzt die spanische Staatsangehörigkeit und
wohnt in D/Spanien.
3
In der Zeit vom 01.12.1970 bis zum 31.12.1982 war die Klägerin durchgehend
versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Anfang 1983
kehrte sie nach Spanien zurück. Nach der "Information über das Erwerbsleben" vom
15.09.2003, ausgestellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales, Abteilung
Sozialversicherung, legte die Klägerin nach ihrer Rückkehr nach Spanien folgende
Zeiten zurück:
4
02.01.1983 bis 03.07.1983 Bezug von Arbeitslosengeld (183 Tage)
5
04.07.1983 bis 28.05.1984 Bezug von Arbeitslosenunterstützung
6
01.07.1984 bis 31.03.1986 selbständige Tätigkeit
7
27.05.1991 bis 26.11.1991 versicherungspflichtig beschäftigt (184 Tage)
8
27.11.1991 bis 26.02.1992 Bezug von Arbeitslosengeld (92 Tage)
9
27.03.1992 bis 26.03.1994 Bezug von Arbeitslosenunterstützung
10
10.01.1995 bis 09.07.1995 abhängige Beschäftigung (181 Tage)
11
10.07.1995 bis 09.07.1997 Bezug von Arbeitslosenunterstützung
12
20.06.1997 bis 30.09.2001 Bezug von Arbeitslosenunterstützung für Personen älter als
52 Jahre (1564 Tage).
13
Durch Urteil vom 08.11.1999 erkannte das Sozialgericht Nr. 2 in Orense bei der Klägerin
eine "dauerhafte totale Invalidität für den gewohnten Beruf der Kellnerin/Reinigungskraft
" (dauerhafter Berufsunfähigkeit) an und verurteilte die staatliche
Sozialversicherungsanstalt (INSS) zur Gewährung einer entsprechenden
Erwerbsminderungsrente ab dem 05.05.1997. Durch Urteil vom 03.07.2001 erklärte das
Sozialgericht Nr. 3 in Orense die Klägerin für "dauerhaft absolut unfähig zur Ausübung
jeglicher Tätigkeit " (dauerhaft erwerbsunfähig) und verurteilte die INSS zur Gewährung
einer entsprechenden Rente ab dem 23.02.2001.
14
Durch Bescheid vom 09.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
14.03.2000 lehnte die Beklagte den im Mai 1997 gestellten Antrag der Klägerin auf
Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab. Zur Begründung führte sie aus,
die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit lägen nicht
vor. Selbst wenn Berufs- oder Erwerbsfähigkeit vorläge, könne eine entsprechende
Rente nicht gewährt werden, weil die versicherungsrechtlichen Vorausetzungen, auch
unter Beachtung der Ausnahmevorschriften der §§ 43 Abs. 4, 44 Abs. 3, Abs. 4, 240
Abs. 2, 241 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), nicht erfüllt seien.
15
Durch bestandskräftigen Bescheid vom 03.01.2002 lehnte die Beklagte den Antrag der
Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus September
2001 ab. Die Klägerin sei zwar seit dem 05.09.2001 erwerbsgemindert, jedoch seien die
versicherungsrechtlichen Voraussetzung nicht erfüllt.
16
Mit Schreiben vom 10.09.2002 übersandte die Klägerin der Beklagten einen
Versicherungsverlauf des spanischen Sozialversicherungsträgers und bat um
Überprüfung ihres Leistungsfalles. Durch die im Versicherungsverlauf dokumentierten
spanischen Versicherungszeiten seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gegeben. Die INSS
bescheinigte im Vordruck E-205 vom 30.10.2002 folgende Versicherungszeiten und
zurückgelegte gleichgestellte Zeiten für die Klägerin:
17
22.01.1962 bis 29.03.1962 67 Tage Versicherungszeiten, allgemein
18
02.01.1983 bis 03.07.1983 183 Tage Versicherungszeiten, allgemein (arbeitslos)
19
01.07.1985 bis 28.02.1986 243 Tage Versicherungszeiten, selbständig
20
27.05.1991 bis 26.11.1991 184 Tage Versicherungszeiten allgemein
21
27.11.1991 bis 26.02.1992 92 Tage Versicherungszeiten, allgemein (arbeitslos)
22
10.01.1995 bis 09.07.1995 181 Tage Versicherungszeiten allgemein
23
20.06.1997 bis 30.09.2001 4 Jahre 104 Tage Versicherungszeiten allgemein nur zu
Zwecken der Altersversorgung.
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Durch Bescheid vom 16.12.2002 lehnte die Beklagte den Antrag vom 19.09.2002 auf
Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI ab. In den letzten fünf
Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles seien keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Im
maßgeblichen Zeitraum vom 01.07.1990 bis 04.09.2001 sei nur ein Jahr und fünf
Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Der Versicherungsfall der vollen
Erwerbsminderung sei am 05.09.2001 eingetreten.
25
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, sie habe die
erforderlichen drei Jahre Pflichtbeiträge durch die Zeiten der Arbeitslosigkeit abgedeckt.
Der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung sei schon zum 23.02.2001
eingetreten. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie zwar ab dem
05.09.2001 die medizinischen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen
voller Erwerbsminderung erfülle, jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
nicht gegeben seien. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach
§§ 43, 241 SGB VI lägen nicht vor, da die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt
der Erwerbsminderung weder drei Jahre Pflichtbeiträge zurückgelegt habe, noch in der
Zeit vom 01.01.1984 bis zum 31.08.2001 jeder Kalendermonat mit deutschen bzw.
ausländischen Beitragszeiten oder gleichgestellten Zeiten belegt sei. Die spanischen
Pflichtbeiträge vom 21.06.1997 bis 31.12.1999 seien nicht für die Prüfung der
Anspruchsvoraussetzungen, sondern nur für die Berechnung von Altersrenten und
daraus abgeleiteten Hinterbliebenenrenten zu beachten. Für die Anspruchsprüfung und
die Berechnung von Rente wegen Erwerbsminderung könnten diese Pflichtbeiträge
nicht herangezogen werden. Der der Beitragsentrichtung zugrundeliegende
Leistungsbezug sei nach Art. 9a VO (EWG) 1408/71 ein Aufschubtatbestand bzw. eine
Anwartschaftserhaltungszeit. Am 05.08.2003 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück.
26
Am 26.09.2003 hat die Klägerin Klage mit dem Begehren erhoben, ihr Rente wegen
voller Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat vorgetragen, sie sei nicht vor dem
01.01.1984 erwerbsgemindert gewesen. Sie sei seit dem 13.07.1995 unfreiwillig
arbeitslos gewesen und habe ab diesem Zeitpunkt wegen ihres Gesundheitszustandes
auch nicht mehr arbeiten können. Ab diesem Zeitpunkt habe ihre Invalidität (bereits
1997) begonnen.
27
Durch Urteil vom 20.04.2005 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage
abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
28
Gegen das am 02.07.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.08.2005 Berufung
eingelegt.
29
Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Die Wartezeit sei erfüllt, da die Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosenunterstützung ab dem 21.06.1997 als Pflichtbeitragszeiten zu
berücksichtigen seien.
30
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
31
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.04.2005 zu ändern und die Beklagte
32
unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 05.08.2003 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller
Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
33
die Berufung zurückzuweisen.
34
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Pflichtbeiträge für die
Altersrente und Hinterbliebenenrente (nicht für die Invaliditätsrente) würden in Spanien
auch für Leistungen des INEM (Arbeitsamt) an arbeitslose Arbeitnehmer nach
Vollendung des 55./52. Lebensjahres entrichtet. Leistungsberechtigt seien zunächst
nach dem Gesetz 31/1984 vom 02.08.1984 emigrierte und später zurückgekehrte
Spanier gewesen, die das 55. Lebensjahr vollendet hätten und arbeitslos gewesen
seien. Sie hätten außerdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die
Altersrente erfüllen müssen. Durch das Dekret Nr. 3/89 vom 31.03.1989 sei die
Altersgrenze auf 52 Jahre herabgesetzt und als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung
eine Beitragsleistung von 6 Jahren zur Arbeitslosenversicherung eingeführt worden. Die
vom Arbeitsamt geleisteten Pflichtbeiträge seien nicht mehr für die Prüfung der
Anspruchsvoraussetzungen, sondern nur noch für die Berechnung der Altersrenten und
daraus abgeleiteten Hinterbliebenenrenten zu beachten (Gesetz 50/1998 vom
30.12.1998). Für die Anspruchsprüfung und die Berechnung von Renten wegen
Erwerbsminderung könnten diese Pflichtbeiträge nicht berücksichtigt werden. Der
Bezug von Arbeitslosenhilfe aufgrund des oben genannten Gesetzes sei nach Art. 9a
VO (EWG) Nr. 1408/71 Aufschubtatbestand bzw. Anwartschaftserhaltungszeit.
Maßgebend für den deutschen Rentenversicherungsträger sei immer der aktuelle
Vordruck E-205. Abweichungen bedürften regelmäßig keine Klärung, sofern nicht
offensichtliche Unrichtigkeiten festgestellt würden oder berechtigte Zweifel beständen.
Im vorliegenden Fall bestehe an der Richtigkeit des Vordruckes E-205 auch nach
Kenntnis der Auffstellung vom 15.09.2003 kein Zweifel. Die "Information über das
Erwerbsleben" vom 15.09.2003 enthalte Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges
(02.01.1983 bis 03.07.1983 und 27.11.1991 bis 26.02.1992). Hierbei handele es sich
regelmäßig um Pflichtbeitragszeiten, als solche seien diese Zeiträume auch im
Vordruck E-205 angegeben und im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden.
Darüberhinaus weise die "Information über das Erwerbsleben" auf den Bezug von
Arbietslosenunterstützung hin. Hierbei handele es sich weder um Pflichtbeitragszeiten
noch um gleichgestellte Zeiten. Lediglich für die Zeit des Bezuges der besonderen
Arbeitslosenunterstützung an Versicherte, die das 52. Lebensjahr beendet hätten,
würden für die Altersrente Beiträge geleistet. Für Renten wegen Invalidität würden diese
Beiträge nach spanischem Recht nicht gelten, sie würden ausschließlich gezahlt, um
eine Erhöhung des Altersrentenbetrages zu erreichen. Näheres zu den anzuwendenden
spanischen Rechtsvorschriften und den Charakter dieser Arbeitslosigkeitszeiten ergebe
sich aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.01.2005, C
225/02 und C 306/03. Der Fünf-Jahres-Zeitraum errechne sich vom festgestellten
Leistungsfall vom 05.09.2001 zurück (05.09.1996 bis 04.09.2001). Er verlängere sich
um bestimmte darin enthaltene Zeiten nach § 43 Abs. 4 SGB VI. Da eine Zeit der
Arbeitslosigkeit vom 10.07.1995 bis 30.09.2001 nach Art. 9a VO (EWG) Nr. 4108/71 als
Verlängerungszeittatbestand berücksichtigt werde, beginne der maßgebende Zeitraum
bereits am 01.07.1990. Auch bei Berücksichtigung der weiteren Arbeitslosigkeit vom
27.03.1992 bis 26.03.1994 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt. Der maßgebende Zeitraum verlängere sich um 95 Kalendermonate und beginne
35
dann am 01.06.1988. Zusätzliche Pflichtbeitragszeiten ergäben sich nicht. Selbst wenn
darüberhinaus bis Dezember 1994 Arbeitslosigkeit bestanden habe, würde sich der
Zeitraum nur um weitere neun Kalendermonate auf den 01.01.1987 verlängern. Ein
zusätzlicher Pflichtbeitrag für die besonderen Voraussetzungen könne sich aber nur bei
einem Beginn des Rahmenzeitraumes im Februar 1986 und früher ergeben. Insoweit
werde auf die erheblichen Lücken im spanischen Versicherungsverlauf vom 04.07.1983
bis zum 30.06.1985 und vom 01.03.1986 bis zum 26.05.1991 verwiesen. Die
besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen würden auch bei einem
Leistungsfall am 23.02.2001 nicht erfüllt. Der maßgebende Zeitraum würde sich
hierdurch lediglich verkürzen. Dies gelte im übrigen für jeden möglichen Leistungsfall
nach Juni 1995.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
36
Entscheidungsgründe:
37
Der Senat konnte über den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2006
trotz Nichterscheinens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entscheiden. In der
Terminsmitteilung ist die Prozessbevollmächtigte auf die Möglichkeit einer solchen
Verfahrensweise hingewiesen worden.
38
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist nicht nach § 54 Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der
angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
39
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
gegenüber der Beklagten nach § 43 SGB VI inne. Denn die Klägerin erfüllt die
besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der sog. Drei-Fünftel-Belegung des
§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht.
40
Nach § 43 Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.
Lebensjahres Anspruch auf Renten wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll
erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und 3. vor
Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
41
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren für Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt die Klägerin.
42
Der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung ist im Jahr 2001 eingetreten.
Dahinstehen kann, ob der Versicherungsfall am 23.02.2001 oder am 05.09.2001
eingetreten ist. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist die besondere
versicherungsrechtliche Voraussetzung des § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI weder im
Fünf-Jahres-Zeitraum vom 23.02.1996 bis zum 22.02.2001 noch im Zeitraum vom
05.09.1996 bis zum 04.09.2001 erfüllt. Denn in diesen Zeiträumen legte die Klägerin
keine Beitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine
gleichgestellte Zeit zurück. Die Klägerin hat nach dem 31.12.1982 keine Beitragszeiten
im Sinne von § 55 SGB VI in der Bundesrepublik zurückgelegt. Auch hat die Klägerin im
Zeitraum vom 23.02.1996 bis zum 04.09.2001 keine Versicherungszeiten im Sinne von
43
Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71 erworben, die auf den § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI
anrechenbar sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Beitragsleistung aufgrund
des Bezuges von Arbeitslosenunterstützung für Personen älter als 52 Jahre in dem
Zeitraum vom 20.06.1997 bis zum 30.09.2001 in Spanien nicht um Versicherungszeiten
im Sinne von Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71. Nach Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71
berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedsstaates, nach dessen
Rechtsvorschriften der Erwerb eines Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von
Versicherungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich die Versicherungs- oder
Wohnzeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates
zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Zeiten, die nach den für diesen Träger
geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Versicherungszeiten im Sinne
von Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71 sind nach Art. 1 Buchst. r VO (EWG) Nr. 1408/71 die
Beitrags-, Beschäftigungszeiten und Zeiten einer selbständigen Tätigkeit, die nach den
Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt
gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle
gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als
Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind. Allein aus der Tatsache, dass der
spanische Träger der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung für die Zeit des Bezuges
von Arbeitslosenunterstützung für Personen über 52 Jahre durch die Klägerin Beiträge
zur Altersversicherung geleistet hat, folgt nicht, dass diese Zeit als Versicherungszeit
nach Art. 1 Buchst. r, 45 VO (EWG) Nr. 1408/71 bei der Prüfung der Erfüllung der Drei-
Fünftel-Belegung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu berücksichtigen ist. Denn Art.
1 Buchst. r VO (EWG) Nr. 1408/71 stellt für die Anerkennung einer Versicherungszeit
zum Erwerb einer bestimmten Leistung auf die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften
des Staates - vorliegend Spanien - ab, in welchem sie zurückgelegt werden. Die
innerstaatliche Anerkennung einer Zeit als Versicherungszeit ist notwendige und
hinreichende Voraussetzung dafür, eine Zeit als Versicherungszeit innerhalb der
Europäischen Gemeinschaft zu berücksichtigen. Der jeweilige Versicherungsträger
entscheidet grundsätzlich verbindlich und einheitlich für alle Mitgliedsstaaten über die
nach seinen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten. Die Entscheidung
des ausländischen Versicherungsträgers, es sei eine nach seinen Rechtsvorschriften
anrechenbare Versicherungszeit für eine bestimmte Leistung nicht vorhanden, ist für
den deutschen Versicherungsträger - vorliegend die Beklagte - grundsätzlich
verbindlich. Die Bindungswirkung der Entscheidung des ausländischen
Versicherungsträgers entfällt nur, wenn sie auf der Verletzung von Gemeinschaftsrecht
beruht (siehe BSG, Urteil vom 27.06.1990, - 5 RJ 79/89 -; Urteil vom 25.02.1992, - 4 RA
28/91-) Der spanische Versicherungsträger hat vorliegend nicht bestätigt, dass es sich
bei dem Zeitraum vom 20.06.1997 bis zum 30.09.2001 um Versicherungszeiten handelt,
die beim Erwerb einer Leistung wegen Invalidität zu berücksichtigen sind. Vielmehr hat
dieser im Vordruck E-205 vom 30.10.2002 nur bescheinigt, dass es sich bei dem
Zeitraum vom 20.06.1997 bis zum 30.09.2001 um Versicherungszeiten (4 Jahre und 104
Tage) zum Zwecke der Altersversorgung handelt, also nicht um Versicherungszeiten für
den Erwerb von Invaliditätsleistungen. Der spanische Versicherungsträger hat damit
entschieden und mitgeteilt, dass keine nach seinen Vorschriften anrechenbaren
Versicherungszeiten für den Erwerb von Invaliditätsleistungen vorliegen. Aufgrund
dieser Auskunft hat die Beklagte zu Recht abgelehnt, diese spanischen Beitragszeiten
bei der Drei-Fünftel-Belegung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu berücksichtigen.
Denn bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung handelt es sich um keine Rente
wegen Alters im Sinne von § 33 Abs. 2 SGB VI, sondern um eine Rente wegen
44
verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI).
Eine Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften durch spanische
Rechtsvorschriften oder die Entscheidung des spanischen Versicherungsträges, soweit
der Bezug einer Arbeitslosenunterstützung für Personen über 52 Jahren nicht als
Versicherungszeit für den Erwerb einer Invaliditätsleistung anerkannt wird, ist nicht
ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des EuGH verstoßen die spanischen
Rechtsvorschriften, wonach die vom Träger der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
für Arbeitslose, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, geleisteten Beiträge für die
gesetzliche Altersrente nur bei der Berechnung des Grundbetrages der Altersrente, aber
nicht für die Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt werden, nicht gegen
gemeinschaftsrechtliche Vorschriften. Ein Mitgliedsstaat sei berechtigt, nicht nur eine
Wartezeit für die Eröffnung eines Anspruchs auf eine in den nationalen Rechvorschriften
vorgesehene Rente vorzuschreiben, sondern auch die Art der Versicherungszeiten
festzulegen, die für diesen Zweck berücksichtigt werden können, sofern die nach den
Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten zurückgelegten Zeiten nach Art. 45 VO
(EWG) Nr. 1408/71 unter den gleichen Voraussetzungen ebenfalls berücksichtigt
werden, als ob es sich um nach den nationalen Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten
handele. Art 39, 42 EG und Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71 ständen gesetzlichen
Bestimmungen eines Mitgliedstaates nicht entgegen, die es den zuständigen Behörde
eines Mitgliedstaates nicht erlaube, für die Eröffnung eines Anspruchs auf Altersrente
nach dem nationalen System bestimmte Versicherungszeiten zu berücksichtigen, die
ein arbeitsloser Arbeitnehmer im Gebiet dieses Staates zurückgelegt habe und während
derer der Träger der Arbeitslosenversicherung Beiträge zur Altersversicherung
abgeführt habe, mit der Maßgabe, dass solche Zeiten nur bei der Berechnung des
Betrages der Altersrente berücksichtig werden (EuGH, Urteil vom 20.01.2005, - C-
306/03 -). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des EuGH nach eigener Prüfung
an.
45
Der Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert sich zwar nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI um die
Zeit der Arbeitslosigkeit vom 10.07.1995 bis zum 28.02.2001, also um 68 Monate bzw.
zum 30.09.2001, also um 75 Monate, da es sich bei dieser Zeit der Arbeitslosigkeit in
Spanien um einen Aufschubtatbestand im Sinne von Art. 9a VO (EWG) Nr. 1408/71
handelt. Danach verlängert sich der Zeitraum des § 43 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI
durch Zeiten, in denen einer Versicherten Invaliditäts- oder Altersrente oder Leistungen
wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfällen nach den Rechtsvorschriften
eines anderen Mitgliedsstaates gezahlt wurden. In der Zeit ab dem 10.09.1995 bis zum
30.09.2001 bezog die Klägerin durchgehend vom spanischen Träger der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (siehe EuGH zur
spanischen Arbeitslosenunterstützung für Personen älter als 52 Jahren als Leistungen
bei Arbeitslosigkeit im Sinne der Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71, EuGH, Urteil vom
25.02.1999, - C-320/95 -, Urteil vom 20.02.1997, - C-88/95 - ). Demnach erstreckt sich
der Rahmenzeitraum des § 43 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI vom 01.02.1991 bis zum
28.02.2001 (Eintritt der Versicherungsfall am 23.02.2001) bzw. vom 01.07.1990 bis zum
30.09.2001 (Eintritt des Versicherungsfalls am 05.09.2001). In der Zeit ab dem
01.07.1990 legte die Klägerin keine 36 Monate Pflichtbeitragszeiten in der
Bundesrepublik bzw. 36 Monate Versicherungszeiten nach Art. 45 VO (EWG) Nr.
1408/71 in Spanien zurück. Denn im Vordruck E-205 vom 30.10.2002 bescheinigte der
spanische Versicherungsträger nur die Zurücklegung von 457 Tage
Versicherungszeiten, nämlich die Zeiträume vom 27.05 bis zum 26.11.1991 (184 Tage),
vom 27.11.1991 bis zum 26.02.1992 (92 Tage) und vom 10.01. bis zum 09.07.1995 (181
46
Tage).
Auch wenn die Zeit des Bezuges einer Arbeitslosenunterstützung in der Zeit vom
27.02.1992 bis zum 26.03.1994 als weiterer Aufschubtatbestand nach Art. 9a VO (EWG)
Nr. 1408/71 im Rahmen des § 43 Abs. 4 SGB VI berücksichtigt wird, führt dies - wie die
Beklagte zutreffend dargelegt hat - nicht zur Erfüllung der besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Denn der spanische Versicherungsträger
hat für den Zeitraum vom 01.03.1986 bis zum 26.05.1991 das Vorliegen von
Versicherungszeiten im Sinne des Art. 45 VO (EWG) Nr. 1408/71 verneint.
47
Die Übergangsregelung des § 241 Abs. 2 SGB VI greift zu Gunsten der Klägerin nicht
ein. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe
und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe mit der Maßgabe ab, dass die
Ausführungen des SG den Zeitraum vom 01.01.1984 bis zum 30.10.2002
(fälschlicherweise als "01.01.1914 bis zum 31.12.2000" bezeichnet) betreffen (§ 153
Abs. 2 SGG).
48
Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, dass der Versicherungsfall der
verminderten Erwerbsfähigkeit nach Aufgabe der letzten versicherungspflichtigen
Beschäftigung am 10.07.1995 eingetreten ist, sind die besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI a. F. nicht
gegeben. Denn § 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI a. F. sieht wie § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI
die sog. Drei-Fünftel-Belegung als besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung
vor. Innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums vom 09.07.1990 bis zum 08.07.1995 hat die
Klägerin keine 36 Monate Versicherungszeiten im Sinne von Art. 45 VO (EWG) Nr.
1408/71 zurückgelegt.
49
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI
ist ebenfalls nicht gegeben. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI, die inhaltlich identisch sind mit denen des § 43 Abs.
2 S.1 Nr. 2 SGB VI sind, sind nicht erfüllt.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
51
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil der Senat der Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung beimisst.
52