Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.11.2009

LSG NRW (antragsteller, wohnung, zusicherung, aufnahme einer erwerbstätigkeit, umzug, höhe, vorläufiger rechtsschutz, fristlose kündigung, heizung, unterzeichnung)

Landessozialgericht NRW, L 19 B 297/09 AS ER
Datum:
26.11.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 297/09 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 5 AS 137/09 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.08.2009 geändert. Die
Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Kosten für die Wohnung Q-straße
00, 000 W vorläufig in Höhe von 323,00 EUR für die Zeit vom
01.09.2009 bis zum 30.01.2010 zu übernehmen. Im übrigen wird die
Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt ein Viertel der
Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
1
I. Der am 00.00.1950 geborene und getrennt lebende Antragsteller bezieht seit dem
26.02.2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der
Antragsteller hat zwei Kinder (B geboren am 00.00.1999 und F geboren am 00.00.1992).
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Am 16.09.2008 erfolgte die Zwangsräumung des Antragstellers aus der Wohnung, C-
straße 00, 000 S. Am 28.01.2009 schloss der Antragsteller einen Mietvertrag über die
ca. 40 qm² große Wohnung C1-straße 00, 000 I, mit einer Miete von 270,00 EUR zzgl.
110,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung zum 01.02.2009 ab. Die Antragsgegnerin
bewilligte dem Antragsteller ein zinsloses Darlehen von 690,00 EUR zwecks Leistung
der Mietkaution von 780,00 EUR.
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Mit Schreiben vom 02.03.2009 kündigte der Antragsteller fristlos, hilfsweise fristgerecht
den Mietvertrag. Der Vermieter akzeptiert die fristlose Kündigung nicht und behielt die
Mietkaution zwecks Deckung der offenstehende Mieten für die Zeit von Februar bis April
2009 ein. Die Stadt I wies dem Antragsteller mit Wirkung vom 04.03.2009 eine
Unterkunft in dem Übergangsheim G-alle 00, I, als Obdach zu. Die Nutzungsgebühr
belief sich auf 184,00 EUR (Grundgebühr 108,00 EUR + Nebenkostenvorauszahlung
76,00 EUR). Die Antragsgegnerin übernahm den Betrag von 184,00 EUR als Kosten
der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II.
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Am 28.07.2009 schloss der Antragsteller einen Mietvertrag über die Wohnung Q-strasse
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00, 000 W, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, Bad, mit Wirkung ab dem
01.09.2009 ab. Nach § 4 des Mietvertrages beträgt die Grundmiete 300,00 EUR sowie
die monatlichen Betriebskostenvorauszahlung 80,00 EUR. Die Mietkaution beläuft sich
auf 500,00 EUR. Der Antragsteller meldete sich zum 20.08.2009 um.
Am 04.08.2009 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass er beabsichtige,
zum 01.09.2009 umzuziehen, und der Mietvertrag schon unterzeichnet sei. Bei der
persönlichen Vorsprache am 06.08.2009 legte er den Mietvertrag vor. Laut Angaben der
Antragsgegnerin erklärte ihre Mitarbeiterin mündlich, dass die Miete nicht angemessen
sei und eine Zustimmung zum Umzug nicht gegeben werde.
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Mit Bescheid vom 20.08.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller
Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 543,00 EUR (Regelleistung 359,00 EUR +
Kosten der Unterkunft und Heizung 184,00 EUR ) für die Zeit vom 01.08.2009 bis
31.01.2010. Sie führte aus, dass als Mietkosten ab dem 01.09.2009 nur die alten
Mietkosten anerkannt werden, da der Antragsteller vor dem Umzug die Zusicherung des
kommunalen Träger nach § 22 Abs. 2 SGB II nicht eingeholt habe. Der Bescheid über
die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werde deshalb
teilweise aufgehoben. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
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Am 27.08.2009 hat der Antragsteller schriftsätzlich sinngemäß beantragt, die
Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, 1. die
Zustimmung zur Anmietung der Wohnung, Q-straße 00, 000 W zu erteilen 2. die Miete
von 300,00 EUR zuzüglich 80,00 EUR Nebenkosten für die Wohnung, Q-straße 00 00,
000 W zu übernehmen 3. die Mietkaution für die Wohnung, Q-straße 00 58, 42549 W, in
Höhe vom 300,00 EUR als Darlehen zu gewähren 4. die notwendigen Umzugskosten
nach Rechnungsstellung zu übernehmen 5. die Kosten für die Einrichtung einer
elementaren Wohnungsausstattung, inklusive Telefon und Internet für einen
Heimarbeitsplatz zu übernehmen
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Er hat vorgetragen, dass er seit 8 Jahren keine eigene Wohnung habe. Er habe mit
Einverständnis des damaligen Vermieters angemietete Büroräume als Schlafstelle
benutzt, bis er im Jahr 2008 von den Erben zwangsgeräumt worden sei. Die gesicherten
Reste des Haustandes bewahre er seit der Zwangsräumung in einem Lagerraum auf,
dessen Kosten er aus der Regelleistung finanziere müsse. Die notwendige
Wohnungsausstattung sei ihm durch die Zwangsräumung verloren gegangen. Seit
Oktober 2008 habe er sich um eine andere Wohnung bemüht. In S habe er als
Alleinstehender keine angemessene Wohnung gefunden. Die Wohnungssuche werde
dadurch erschwert, dass er bei der Schufa gemeldet sei. Die Antragsgegnerin
verweigere die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung in W, obwohl ein Notbedarf
vorliege.
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Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass eine Eilbedürftigkeit nicht vorliege, da der
Antragsteller bereits seit dem 06.08.2009 gewusst habe, dass die unangemessen
tatsächlichen Mietkosten für die neue Wohnung nicht übernommen werden und wegen
der Nichterteilung der Zustimmung nach § 22 Abs. 2 SGB II die mit dem Umzug
einhergehenden Umzugs- und Kautionskosten nicht übernommen werden. Durch die
Auswertung des örtlich zur Verfügung stehenden Wohnraums im entsprechende
Preissegment durch die Geschäftstellen könne nachgewiesen werden, dass
Wohnungen zur Verfügung gestanden hätten, die den Anforderungen der gesetzlichen
Vorgaben entsprechen.
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Durch Beschluss vom 31.08.2009 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag
abgelehnt. Der Antragsteller habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Am 30.09.2009 hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Er hat vorgetragen, dass er
kurzfristig von dem Vermieter der Obdachlosenunterkunft mit Mitteilung erhalten habe,
dass er die Räume zum 30.09.2009 zu räumen habe, weil das komplette Grundstück
neu bebaut werde. Innerhalb der kurzen Zeit habe er nur die Wohnung Q-straße 00 in W
gefunden.
12
II.
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist im tenoriertem Umfang begründet, im
Übrigen unbegründet.
14
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Ein Anordnungsanspruch (d.
h. ein materieller Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) und ein
Anordnungsgrund (d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen
die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs.
2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
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Ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft in Höhe von 323,40
EUR Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist glaubhaft gemacht. Der Antragsteller erfüllt die
Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 SGB
II. Er hat das 15 Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er
hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik und ist erwerbsfähig i.S.v. §
8 SGB II. Dem Sachverhalt sind keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
Krankheit, die ihn an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich
hindern könnte, zu entnehmen. Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren
möglichen Prüfungsdichte ist der Antragsteller auch hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 3
SGB II, da über kein Einkommen und Vermögen verfügt.
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Nach § 22 Abs. 1 Satz1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach der im
einstweiligen Verfahren möglichen Prüfungsdichte ist die von der Antragsgegnerin für
das Stadtgebiet W angesetzte Referenzmiete von 243,00 EUR bei einem
alleinstehenden Leistungsträger angemessen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit
von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist im Hinblick auf den Zweck der Leistungen
nach dem SGB II, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen, nicht auf den jeweiligen
örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der
für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen
Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine
Mietpreisspanne zu ermitteln. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich
als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen
Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins/m²
("Produkttheorie"). Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von
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Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der
Wohnungsstandard. Die Antragsgegnerin ist der Ermittlung der angemessenen
Referenzmiete von 243,00 EUR zutreffend von einer angemessenen Wohnungsfläche
von 45 m² ausgegangen. Für die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche i.S.v. §
22 SGB II ist auf die landesrechtlichen Regelungen zur Vergabe von
Wohnungsberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG
belegungsgebundenen Wohnungen abzustellen (LSG NW Urteil vom 16.02.2009 - L 19
AS 62/08 - m.w.N.). In dem Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen
"Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum
Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002, in der geänderten Fassung
vom 21.09.2006, ist für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass in der Regel für
einen Haushalt mit einer haushaltsangehörigen Person ein Wohnraum von 45 qm
Wohnfläche im Sinne von § 27 Abs. 4 WoFG angemessen ist (Ziffer 5.7). Der von der
Antragsgegnerin angesetzte Quadratmeterpreis von 5,40 EUR ist nach der im
einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ausreichend, um im
unteren Segment des Wohnungsmarktes eine Wohnung anzumieten, die nach
Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen
entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Dafür spricht schon allein die
Tatsache, dass nach den Feststellungen des Sozialgerichts, gegen die sich der
Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht substantiert gewandt hat, in der Stadt W
genügend Wohnraumangebote zu dem von der Antragsgegnerin angegebenen
Mietpreis gibt. Anhaltspunkte, dass die im Mietvertrag vereinbarte
Betriebskostenpauschale von 80,00 EUR (1,77 EUR pro qm²) unangemessen ist, ist
sind nicht ersichtlich und werden auch von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.
Demnach belaufen sich die angemessenen Kosten für die vom Antragsteller
angemietete Wohnung Q-straße 00 in W auf insgesamt 323,00 EUR (243,00 + 80,00).
Zugunsten der Antragsgegnerin greift die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht
ein. Danach werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden
angemessenen Aufwendungen erbracht, wenn sich die angemessenen Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlich Umzug erhöhen. Es kann
dahinstehen , ob die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II bei einem Wohnungs-
wechsel in eine andere Wohnortgemeinde - im vorliegenden Fall von I nach W -
überhaupt Anwendung findet (vgl. zum Meinungsstand Lang/Link in Eicher/ Spellbrink,
SGB II, 2 Aufl., § 22 Rn 47b). Denn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II
liegen nicht vor. Zwar haben sich vorliegend die angemessenen Kosten für Unterkunft
und Heizung von 184,00 EUR durch den Umzug auf 323,00 EUR erhöht, jedoch ist der
Umzug i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II erforderlich gewesen. Der Antragsteller hat vor
dem Umzug ein Zimmer im Übergangswohnheim als Obdachloser genutzt. Ein
Hilfebedürftiger muss sich zur Deckung seines Unterkunftsbedarfs nicht auf eine
Obdachlosenunterkunft verweisen lassen, sondern ist berechtigt, eine eigene Wohnung
anzumieten (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn 12 mit
Rechtsprechungsnachweisen). Auch ist die Einholung der Zusicherung bei einem von §
22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht erfassten Umzug keine Voraussetzung für die Erbringung
von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten ( vgl. Berlit in LPK-SGB
II, 3. Aufl., § 22 Rn 78 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
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Ein Anspruch auf höhere Unterkunftskosten als 323,00 EUR hat der Antragsteller nicht
glaubhaft gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Wohnungsmarkt der Stadt W
Wohnung mit einer Referenzmiete von 243,00 EUR nicht verfügbar gewesen sind , sind
nicht ersichtlich und ist auch vom Antragsteller nicht vorgetragen worden. Soweit der
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Antragsteller vorgetragen hat, dass er aus Zeitnot - bevorstehende Räumung des
Übergangswohnheims im September 2009 - gehindert gewesen ist, sich um eine
kostengünstigere Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenzen zu bemühen, ist
diese Einlassung durch die Auskunft der Stadt I, die die Einweisung des Antragstellers
in das Übergangsheim verfügt hatte, nicht bestätigt worden. Auch hat der Antragsteller
im Verfahren nicht näher dargelegt, welche Bemühungen er konkret zur
Wohnungssuche er unternommen hat.
Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Zur Sicherung der Unterkunft die
Übernahme der nach § 22 SGB II angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung
erforderlich. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller nicht in
der Lage ist, die Differenz zwischen der tatsächlichen Miete und den angemessenen
Kosten nach § 22 SGB II von 57,00 EUR aufzubringen und deswegen voraussehbar ein
Wohnungsverlust wegen Mietrückständen droht. Der Antragsteller hat nach seinen
eigenen Einlassungen in der Vergangenheit die Kosten für einen Lagerraum in Höhe
von 40,00 EUR mtl. aus seiner Regelleistung bestritten. In Hinblick auf den im
Bewilligungsbescheid vom 20.08.2009 ausgewiesenen Bewilligungszeitraum hat der
Senat die Verpflichtung der Antragsgegnerin auf die Zeit bis zum 31.01.2010 begrenzt.
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Dahin stehen kann, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich
Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der
Aufwendungen für die Wohnung Q-straße 00 in W nach § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen,
glaubhaft gemacht hat. Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund zur Überzeugung des
Senats nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher könnte nur bejaht werden, wenn dem
Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteils drohten, die durch eine Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden könnten. Dies ist vorliegend nicht der
Fall. Die in § 22 Abs. 2 SGB II vorgesehene Zusicherung zur Übernahme der Kosten
einer neuen Wohnung nach § 22 Abs. 2 SGB II im Fall des Unterkunftswechsels ist nicht
Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der nach § 22 Abs. 1 SGB II
angemessenen Kosten für eine neue Wohnung (BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS
10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27); vielmehr ist die Antragsgegnerin nach Bezug
einer neuen Wohnung verpflichtet, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu
übernehmen, soweit sie angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II sind und die übrigen
Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II gegeben sind. Das Zusicherungsverfahren
nach § 22 Abs. 2 SGB II hat lediglich den Zweck, über die Angemessenheit der
Unterkunftskosten vor deren Entstehung eine Entscheidung herbeizuführen und so für
den Hilfebedürftigen das Entstehen einer erneuten Notlage infolge der nur teilweisen
Übernahme von Kosten zu vermeiden (LSG NW, Beschluss vom 25.03.2008- L 19 B
55/08 AS). § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II begründet nur die Obliegenheit eines
Leistungsempfängers, vor der Anmietung einer neuen Wohnung auf eine entsprechende
Zusicherung hinzuwirken. Der Antragsteller hat vorliegend die Wohnung ohne Erteilung
einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II bezogen.
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Ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der Mietkaution in Höhe von 500,00 EUR
nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für
eine Übernahme der Mietkaution als Wohnungsbeschaffungskosten nach § 22 Abs. 3
Satz 1 SGB II liegen nicht vor. Danach können Wohnungsbeschaffungskosten bei
vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen
Träger übernommen werden. Bei der nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II erforderlichen
vorherigen Zusicherung handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (BSG, Urteil
vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = nach juris Rn 27; LSG NW Urteil vom 02.03.2009 -
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L 19 AS 61/08). Die Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers muss in der
Regel vor dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die durch § 22 Abs. 3 SGB II ersetzbaren
Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden (vgl. LSG NW Beschluss vom
21.07.2008 - L 19 B 100/08 AS -; vom 03.07.2009 - L 19 B 138/09 AS -; LSG
Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 05.06.2008 - L 9 AS 541/06; Lang/Link a.a.O.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller eine Zusicherung zur Übernahme der
Mietkaution als Wohnungsbeschaffungskosten vor der Unterzeichnung des
Mietvertrages am 28.07.2009, mit dem die Verpflichtung zur Leistung einer Mietkaution
begründet wurde, nicht erteilt. Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob von
dem Erfordernis des Vorliegens einer erteilten Zusicherung vor der vertraglichen
Begründung der zu übernehmenden Wohnungsbeschaffungskosten abgesehen werden
kann, wenn der kommunale Träger treuwidrig nicht rechtzeitig über einen
Übernahmeantrag entscheidet (vgl. hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3 Aufl. § 22 Rn 105).
Denn der Antragsteller hat vor der Unterzeichnung des Mietvertrages am 28.07.2009
einen Antrag auf Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten nach § 37 Abs. 1 SGB
II bei der Antragsgegnerin bzw. dem kommunalen Träger gestellt, obwohl ihm bewusst
sein musste, dass er mit der Unterzeichnung des Mietvertrages die Verpflichtung zur
Zahlung einer Mietkaution von 500,00 EUR m übernehmen wird. Eine Antragstellung ist
erst ca. 1 Woche nach Unterzeichnung des Mietvertrages erfolgt. Nach Aktenlage sind
keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller an einer Antragstellung vor
der Unterzeichnung des Mietvertrages am 28.07.2009 gehindert gewesen ist. Dabei ist
auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit dem Verfahren nach § 22 Abs. 3
SGB II vertraut gewesen ist, da er zuvor für die Anmietung der Wohnung C1-straße 00 in
I die Übernahme der Mietkaution durch die Antragsgegnerin beantragt hatte.
Hinderungsgründe werden von dem Antragsteller auch nicht geltend gemacht. Ebenso
sind nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass dem Antragsteller
unzumutbar gewesen ist, die Zusicherung für die Übernahme der Mietkaution vor
Unterzeichnung des Mietvertrages einzuholen, so dass nicht auf das Erfordernis der
rechtzeitigen Antragstellung bzw. Erteilung der Zusicherung verzichtet werden kann
(vgl. zum Verzicht auf die Zusicherung in analoger Anwendung des § 22 Abs. 2a Satz 3
SGB II, Lang/Link a.a.O., § 22 Rn 85, 80w). Offenbleiben kann auch, ob die in der
Rechtsprechung teilweise vertretene Auffassung zutrifft, dass eine Antragstellung
hinsichtlich der Übernahme einer Mietkaution auch noch nach der Unterzeichnung
eines Mietvertrags erfolgen kann, wenn der Umzug i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II
durch den kommunalen Träger veranlasst worden ist (vgl. Sozialgericht Berlin, Urteil
vom 31.10.2008 - S 37 AS 29504/07 - mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Denn
nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ist der
Umzug des Antragstellers in die Wohnung Q-straße 00 in W nicht durch den
kommunalen Träger veranlasst worden.
Dahinstehen kann, ob der Antragssteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der
Übernahme von Umzugskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht
hat.Ein Anordnungsgrund hinsichtlich dieser Kosten ist nicht glaubhaft gemacht. Der
Antragssteller ist zwischenzeitlich nach seinen eigenen Einlassungen in die neu
angemietete Wohnung, Q-straße 00 in W umgezogen, so dass der von ihm geltend
gemachte Anordnungsgrund der drohenden Obdachlosigkeit damit entfallen ist. Es sind
keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung
im Hauptsacheverfahren hinsichtlich der Übernahme der Kosten des Umzugs nicht
zumutbar ist.
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Ebenso kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf
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Leistungen für Erstausstattung, einschließlich Haushaltsgeräte nach § 23 Abs. 3 Satz. 1
Nr. 3 SGB II glaubhaft gemacht hat. Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft
gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung auch des hier befassten Senats ist die
Notwendigkeit gerichtlichen Eingreifens nur dann glaubhaft gemacht, wenn zuvor alle
zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das erstrebte Ziel auch ohne
Einschaltung des Gerichts zu erreichen. Hierzu gehört insbesondere die vorherige
Kontaktaufnahme mit den zuständigen Leistungsträgern (siehe LSG NW Beschluss vom
23.09.2009 - L 19 B 265/09 AS ER - m.w.N.). Nach Aktenlage ist nicht belegt, dass der
Antragsteller vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes bei der
Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II
beantragt hat. Leistungen nach dem SGB II werden aber nach § 37 Abs. 2 SGB II nur auf
Antrag gewährt.
Soweit der Antragssteller die Übernahme von Kosten für die Einrichtung eines
Heimarbeitsplatzes - Telefon- und Internetanschluss - begehrt, ist ebenfalls ein
Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller hat sich vor
Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes nicht an die Antragsgegnerin gewandt
und die Gewährung von Leistungen nach § 16 ff SGB II zwecks Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit beantragt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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