Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.09.2010

LSG NRW (antragsteller, fahrtkosten, sgg, beschwerde, prüfung, antrag, wiederholung, bezug, keller, erlass)

Landessozialgericht NRW, L 6 AS 1537/10 B ER
Datum:
21.09.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 6 AS 1537/10 B ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 28 AS 3600/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 08.09.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind
im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur
Übernahme der Gebühren für die zweite Wiederholung der Prüfung zum Meister im
Installateur- und Heizungsbauerhandwerk bei der Handwerkskammer Düsseldorf sowie
die Übernahme der Fahrtkosten zu den Prüfungsterminen und die Weitergewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch (SGB II).
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Der Antragsteller stellte bei der Antragsgegnerin am 12.08.2009 einen Antrag auf
Gewährung von Prüfungskosten (1.100 Euro) und Fahrtkosten im Hinblick auf die von
ihm geplante zweite Wiederholung der Meisterprüfung im Installateur- und
Heizungsbauerhandwerk (Prüfungstermine 29.09., 30.09., 11.10., 12.10., 21.10. und
15.11.2010). Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit zwei Bescheiden vom
20.08.2010 ab.
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Am 06.09.2010 hat der Antragsteller das Sozialgericht Köln (SG) um Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes ersucht und die Zahlung der Prüfungs- und Fahrtkosten
sowie die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Oktober 2010 begehrt.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 08.09.2010 abgelehnt. Für die begehrten
Prüfungs- und Fahrtskosten sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die als
Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden §§ 16 ff. SGB II sähen
Ermessensleistungen der Antragsgegnerin vor. Bei Ermessensentscheidungen könne
die Antragsgegnerin lediglich bei einer Ermessensreduzierung auf Null zur Leistung
verpflichtet werden. Diese sei hier weder ersichtlich noch vorgetragen. Hinsichtlich der
Weiterbewilligung von Leistungen über September 2010 hinaus fehle es an einem
Anordnungsgrund, da die Antragsgegnerin bereits mitgeteilt habe, rechtzeitig über den
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Fortzahlungsantrag des Antragstellers zu entscheiden.
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 09.09.2010 Beschwerde erhoben und
geltend gemacht, dass der Beschluss unzumutbar sei. Ohne weitere Gelder könne die
Prüfung nicht stattfinden und die Selbstständigkeit nicht beginnen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist
Gegenstand der Beratung gewesen.
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II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Der Antragsteller hat wie vom Sozialgericht zutreffend entschieden, keinen Anspruch
auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
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Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend
gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die
Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache
vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S.
4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Hiervon ausgehend
sind vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung nicht erfüllt.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Weiterzahlung der Grundsicherungsleistungen fehlt
es wie vom Sozialgericht zutreffend festgestellt, an der Glaubhaftmachung eines
Anordnungsgrundes, da die Antragsgegnerin die Entscheidung über den
Fortzahlungsantrag des Antragstellers bereits für die 38. Kalenderwoche, mithin
zeitgerecht, angekündigt hat.
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Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde (weiterhin) Prüfungsgebühren und
Fahrtkosten beantragt, kann er mit diesem Begehren im Verfahren des Einstweiligen
Rechtsschutzes ebenfalls nicht durchdringen.
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Für die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten und Prüfungsgebühren
kommen als mögliche Anspruchsgrundlagen allein die §§ 16 ff. SGB II in Betracht, bei
denen die Leistungserbringung - mit Ausnahme des lediglich Vermittlungstätigkeiten
des Leistungsträgers umfassenden und damit hier nicht anwendbaren § 16 Abs. 1 S. 1
SGB II - sämtlich im Ermessen der Antragsgegnerin steht.
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Es kann hier dahingestellt bleiben ob der Erlass einer Regelungsanordnung in Fällen,
in denen die Verwaltung Ermessen hat, grundsätzlich nur bei einer
Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt und in allen weiteren Fällen
ausgeschlossen ist oder ob das Gericht die Behörde gleichwohl wegen des Gebotes
effektiven Rechtsschutzes in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einem bestimmten
Verhalten verpflichten darf (vgl. dazu die Nachweise bei Keller, in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b RdNr. 30a).
Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist zumindest, dass bei der
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nachzuholenden Ermessensentscheidung diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
zu Gunsten des Antragstellers ausgeht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 21.01.2009, L
19 B 219/08 AS; LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 16.10.2006, L 12 AL
212/06 ER, in Breithaupt 2007, 342, 347).
Vorliegend ist hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Kosten weder eine
Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich noch ist sein Obsiegen im
Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich. Vielmehr spricht der Umstand, dass
er die Prüfung bereits zum zweiten Mal wiederholen muss, gegen die Gewährung von
Leistungen. Dies gilt umso mehr als keinerlei außergewöhnliche und nachvollziehbare
Gründe ersichtlich sind, die die Notwendigkeit der nochmaligen Wiederholung
rechtfertigen könnten. Was die Übernahme von Fahrtkosten angeht, so spricht gegen
eine positive Ermessensentscheidung weiterhin, dass der Antragsteller den Umstand,
die Wiederholungsprüfung vor der ortsfremden Handwerkskammer Düsseldorf statt der
ortsnahen Handwerkskammer Köln vornehmen zu müssen, selbst verschuldet hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).
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