Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2007
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Landessozialgericht NRW, L 11 (8) R 242/05
Datum:
14.02.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 (8) R 242/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 8 (16) RJ 72/04
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Münster vom 11.11.2005 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die
Klägerin trägt die Hälfte der Kosten des Klageverfahrens und die Kosten
des Berufungsverfahrens. Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des
Klageverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob der (jetzt) Beigeladene
zu 1) als Trainer der Landesligamannschaft des klagenden Fußballvereins in der Zeit
vom 01.08.1998 bis 30.06.2000 abhängig beschäftigt war und der Kläger Beiträge zu
zahlen hat.
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Der Beigeladene zu 1) ist 1963 geboren und im Hauptberuf Außendienstmitarbeiter. Er
ist dem klagenden Fußballverein langjährig sportlich verbunden. Auf Grund eines
Vertrages von Dezember 1997 mit dem damaligen Vorstand des Klägers übernahm er
als "Übungsleiter" die sportliche Leitung der 2. Fußballmannschaft (Landesliga) des
Vereins und führte nach Absprache mit der sportlichen Leitung der 1. Mannschaft
(Regionalliga) Spielbeobachtungen durch. Für die nebenberuflich selbstständige
Tätigkeit des Übungsleiters wurde ein monatliches Honorar in Höhe von 1.250,00 DM
vereinbart. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem in den Verwaltungsakten der
Beklagten enthaltenen Vertrag, Bl. 358 ff. der Verwaltungsakten.
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Der Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1), insbesondere die Anzahl der Fahrten
zum Training und zu den Spielbeobachtungen ergeben sich aus den Aufstellungen Bl.
359 ff. der Verwaltungsakten der Beklagten, auf die Bezug genommen wird. Nach
Betriebsprüfungen im Zeitraum von November 2001 bis April 2003 bei dem Kläger
erteilte die Beklagte unter dem 11.04.2003 einen Bescheid über die Nachforderungen
von insgesamt 11.568,10 Euro auf Grund diverser Nachforderungsfälle, unter anderem
auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in der
Zeit vom 01.01.1999 bis 30.06.2001.
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Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004 hat der Kläger Klage erhoben und
die Auffassung vertreten, der Beigeladene zu 1) sei allenfalls als nebenberuflicher
Übungsleiter anzusehen und nicht sozialversicherungspflichtig für die Tätigkeit im
Vereinsinteresse gewesen. Der Beigeladene zu 1) sei quasi als Trainer einer
Hobbyfußballmannschaft tätig geworden, eher im Rahmen der Förderung des
Breitensports und nicht vergleichbar mit dem Regionalligateam der 1. Mannschaft des
Vereins. Zudem sei in der tatsächlichen Durchführung entsprechend der schriftlichen
Vereinbarung "keine Ausübung von Direktionsrechten bzw. arbeitgebertypischer
Weisungsbefugnis" erfolgt.
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Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.02.2005 ihre
Feststellungen auf den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 30.06.2000 bezogen,
Versicherungsfreiheit zur Kranken- und Pflegeversicherung angenommen und die
verbliebene Forderung im Wesentlichen für Rentenversicherungsbeiträge auf 3.867,36
Euro beziffert.
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Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2005 den
Beigeladenen zu 1) angehört und mit Urteil von demselben Tage die Bescheide der
Beklagten insoweit aufgehoben, als für den Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom
01.01.1998 bis 30.06.2000 Beitragsnachforderungen gegen den Kläger in Höhe von
3.867,36 Euro erhoben werden. Zur Begründung hat es ausgeführt, unter
Berücksichtigung der schriftlichen Vereinbarung von Dezember 1997 und den
Feststellungen anhand der ausführlichen eigenen Angaben des Beigeladenen zu 1) sei
die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass hier jedenfalls nicht die Merkmale für
eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger vorgelegen
hätten. Ein tatsächliches Weisungsrecht habe nicht bestanden. Der Beigeladene zu 1)
habe das Training selbstständig nach Absprache durchführen können. Für den Kläger
habe kein besonderes sportliches Interesse an der Landesligamannschaft bestanden,
der Interessenvorrang habe bei der Regionalmannschaft gelegen. Die sportliche
Betätigung und das Training mit der Landesligamannschaft seien auch nicht mit den
Verhältnissen der Regionalligamannschaft vergleichbar. Die Landesligamannschaft sei
kein Durchgangsstadium im Sinne eines Aufstiegs in die Regionalligamannschaft. Der
Verein selber habe wenig Interesse daran gehabt, die Vereinsführung habe sogar
erwogen, den Verein bei der Landesliga abzumelden.
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Die Vereinbarung aus Dezember 1997 spräche auch gegen die Annahme einer
abhängigen Beschäftigung. Ein wirtschaftliches Risiko z. B. bei Vertretung habe beim
Beigeladenen zu 1) gelegen, z. B. für den Fall der Verhinderung. Ebensowenig sei das
Honorar in Höhe von 1.250,00 DM Entgelt für Arbeit. Damit seien darüber hinaus
sämtliche Aufwendungen und Kosten abgegolten worden. Das ergebe sich aus den
Abrechnungen von Fahrtkosten zu Spielbeobachtungen. Letztlich habe es sich bei der
Traineraufgabe für den Beigeladenen zu 1) um eine bloße Nebentätigkeit gehandelt, die
für ihn darüber hinaus wirtschaftlich unbedeutsam gewesen sei.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, im Rahmen derer sie mit
Bescheid vom 06.12.2005 die Feststellung getroffen hat, dass der Beigeladene zu 1) in
der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.06.2000 als Trainer der 2. Fußballmanschaft des
Klägers abhängig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen sei. In der Zeit vom
01.01.1998 bis 31.03.1999 sei er versicherungsfrei und in der Zeit bis zum 30.06.2000
versicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung gewesen. Von
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seinem Arbeitsentgelt seien für die Zeit vom 01.01.1998 bis 30.06.2000 Beiträge zur
Umlage der Arbeitgeber (U 1) und für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2000 Beiträge zur
Renten- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen, insgesamt 1.914,73 Euro.
In der Sache tritt sie der Wertung des Sozialgerichts entgegen und macht weiterhin
geltend, dass der Beigeladene zu 1) im noch streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt
gewesen sei. Er sei bei der Ausübung seiner Trainertätigkeit an Vorgaben und
Weisungen des Vereins gebunden gewesen. So habe er vorgegebene Zeiten,
Spielpläne, Einrichtungen und Spiele berücksichtigen müssen. Die inhaltliche Freiheit
bei der Durchführung des Trainings als solchem sei typisch für die Leistung von
Diensten höherer Art. Der Beigeladene zu 1) habe sich auch als Trainer wie im Übrigen
jeder Spieler in den Verein eingegliedert. Mit der Tätigkeit als Trainer sei
notwendigerweise die Übertragung von Weisungsfunktionen an die Spieler verbunden
gewesen. Weisungsfunktionen gegenüber abhängig beschäftigen Spielern könne aber
kein freiberuflich Dienstleistender ausüben. Der Beigeladene zu 1) habe auch darüber
hinaus Tätigkeiten für den Verein durchgeführt, nämlich die Regelung und Erstattung
von Fahrkostenansprüchen der Spieler gegen den Verein.
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Die Beklagte trägt weiterhin vor, der Beigeladene zu 1) habe kein Unternehmerrisiko
gehabt, auch nicht für den Fall der Vertretung, der nicht eingetreten sei. Ebensowenig
habe er eigenes Kapital eingesetzt oder riskiert. Die Vorlage von Abrechnungen und
Überschussrechnungen gegenüber dem Verein sei für Selbständige ungewöhnlich.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.11.2005 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hält den Beigeladenen zu 1) für den
streitigen Zeitraum im Rahmen seiner Tätigkeit als Trainer der Landesligamannschaft
nicht für abhängig beschäftigt. Aus der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen
Durchführung ergebe sich keine Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1)
gegenüber dem Verein. Wie bereits die Spieler der Landesligamannschaft nicht in
einem Beschäftigungsverhältnis zum Verein stünden, treffe dies auch ebensowenig für
den Beigeladenen zu 1) zu. Letztlich sei eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall nicht vereinbart worden, und der Beigeladene zu 1) habe eine solche
auch nicht erhalten.
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Weitere Einzelheiten, auch des Vorbringens der Beteiligten, ergeben sich aus den
Prozessakten und Verwaltungsakten der Beklagten, auf die Bezug genommen wird.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom
11.11.2005 ist statthaft, zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die
angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben. Diese Bescheide sind - in der
Fassung des abschließenden Bescheides vom 06.12.2005, der gemäß §§ 153, 96 SGG
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Gegenstand der Beurteilung des Senates ist rechtmäßig. Der Senat kann den
andersartigen Wertungen des Sozialgerichts in seiner Entscheidung nicht beitreten.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der
Rentenversicherung der Versicherungspflicht (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB V).
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1
Satz 1 SGB IV. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich
abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn
der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und
Art der Ausführungen umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene
Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei
gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt
oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend
ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den
tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (zuletzt BSG, Urteile vom
18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R und vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R).
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Nach dem Gesamtbild auf Grund der abschließenden Feststellungen des Senates in der
mündlichen Verhandlung war der Beigeladene zu 1) in die Arbeitsorganisation des
klagenden Vereins eingegliedert, seine Betätigung war allein fremdbestimmt für die
Zwecke des klagenden Sportvereins und diente nicht der unternehmerischen
Betätigung in einem eigenen Betrieb.
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Dazu hat bereits der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis zutreffend
festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in den für ihn fremden Betrieb des Klägers
eingegliedert war. Sowohl die Tätigkeit der Landesligamannschaft als die des Trainers
dient ausschließlich den Zwecken des klagenden Vereins. Mit der Beauftragung als
Trainer war dem Beigeladenen zu 1) eine Weisungsbefugnis gegenüber den Spielern
übertragen worden. Diese Übertragung einer Vorgesetztenfunktion an nicht
Vereinsangehörige oder Außenstehende ist aus der Natur der Sache heraus undenkbar.
Darüber hinaus war die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nach Zeit, Ort und Dauer nicht
von ihm zu gestalten. Vielmehr war er als Trainer abhängig von den vom Verein zur
Verfügung gestellten Sportstätten, den Belegungsplänen und den Spielplänen des
Vereins. Ebenso sieht der Senat - wie die Beklagte - eine Eingliederung in den Verein
im Rahmen der Spielbeobachtungen für die Regionalligamannschaft. Diese Tätigkeit
diente allein den Zwecken des Vereins. Dabei steht die Freiheit von einer inhaltlichen
Weisungsfreiheit der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Gerade
bei Diensten höherer Art ist eine eigenverantwortliche Trainertätigkeit oder Erteilung
sportlichen Unterrichtes die Folge der besonderen Ausbildung oder Qualifikation des
Trainers (so BSG vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R für die Übungsleiterin eines
Sportvereins).
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Demgegenüber kann der Senat Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit des
Beigeladenen zu 2) nicht feststellen. Über eine eigene Arbeits- oder Betriebsstätte
verfügte er nicht, in der er Trainerstunden abhielt. Vielmehr stellte er seine Dienste
ausschließlich in Sportstätten des Klägers zur Verfügung, er arbeitete nicht in seinem
eigenen Betrieb. Er trug auch insofern kein eigenes Unternehmerrisiko, als er kein
eigenes Kapital einsetzte und für seine vielfältig beschriebenen Dienstleistungen ein
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monatliches festes Honorar erhielt.
Anders als das Sozialgericht sieht der Senat keinen wesentlichen Unterschied in der
Tätigkeit des Trainers der ersten Mannschaft und der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1)
für die Landesligamannschaft. Auf die Interessen des Vereins an den sportlichen
Erfolgen der Regionalligamannschaft einerseits und der Landesligamannschaft
andererseits kommt es nicht an. Der vom Beigeladenen zu 1) in der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht dahin geschilderte Eindruck lässt sich anhand des
Akteninhalts nicht nachvollziehen, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden
ist. So ergibt sich aus den Schreiben des Klägers vom 21.02.2002 an die Beklagte
gerade umgekehrt, dass es sich bei der Landesligamannschaft des Klägers um eine
Aufbaumannschaft für entwachsene A-Jugendliche des Vereins handelt, die nicht auf
Anhieb den Sprung in die Regionalligaauswahl des Klägers schaffen. Wenn der
Beigeladene zu 1) auch - im Gegensatz zum Trainer der Regionalligamannschaft - nicht
über ein eigenes Büro verfügte und keine Repräsentationsaufgaben hatte, spricht dies
nicht gegen seine Eingliederung in den Betrieb des Klägers.
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Letztlich kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Traineraufgabe für den
Beigeladenen zu 1) eine bloße Nebentätigkeit und wirtschaftlich unbedeutsam war, wie
das Sozialgericht angenommen hat. Die Frage des Zusammenhanges zwischen
Hauptberuf und Nebentätigkeit ist für die Frage der Beurteilung der Abhängigkeit einer
Beschäftigung und Eingliederung in einen fremden Betrieb ohne Belang. Die
Regelmäßigkeit der Trainertätigkeit des Beigeladenen zu 1) und der
Spielbeobachtungen für die Regionalligamannschaft dienten allein den Zwecken des
Klägers.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 der
Verwaltungsgerichtsordnung.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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