Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.04.2010

LSG NRW (arzneimittel, verordnung, beratung, regress, behandlung, chemotherapie, sgg, gkv, zulassung, klinik)

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 12/09 WA
Datum:
13.04.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 11 KA 12/09 WA
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 9 KA 18/06
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 26/10 B
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 30.01.2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch
die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Gründe:
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I.
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Die Klägerin, die als niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin im Bezirk der
Beigeladenen zu 7) an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen
einen Regress wegen Verordnung des Präparates Wobe Mugos E.
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In den Quartalen I/2001 bis III/2001 und II/2002 verordnete sie ihrer Patientin T zu
Lasten der Mitgliedskassen der Beigeladenen zu 6) - hier der Barmer GEK, zuvor
Barmer Ersatzkasse (BEK) - Wobe Mugos E in Tablettenform.
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Dieses Arzneimittel war seit Mitte der 1970er Jahre entsprechend den damaligen
arzneimittelrechtlichen Bestimmungen - damals noch unter anderer Bezeichnung - im
Verkehr. Der seinerzeitige pharmazeutische Hersteller teilte aus Anlass der
Neuordnung des Arzneimittelrechts von 1976 in seiner Anzeige vom Juni 1978 dem
damals zuständigen Bundesgesundheitsamt mit, dass dieses Arzneimittel bereits Mitte
1976 und auch noch Anfang 1978 auf dem deutschen Markt gewesen sei und dass das
Anwendungsgebiet die Langzeitbehandlung maligner Tumore und die
Metastasenprophylaxe im Wege rektaler Darreichung sei. Die spätere neue Herstellerin,
die N Pharma GmbH & Co KG, beantragte im Dezember 1989 die Verlängerung der
Zulassung, wobei sie als Anwendungsform die orale Darreichung angab. Das nunmehr
zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte den Antrag mit
Bescheid vom 09.06.1998 ab, weil wegen des Wechsels der Darreichungsform
zwischen dem 1978 angezeigten und dem zur Nachzulassung anstehenden
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Arzneimittel keine Identität bestehe; eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit
erfolgte nicht. Im Klageverfahren blieb die Herstellerin ohne Erfolg
(Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 07.04.2005 - 5 B 8.03 -). Zum 01.09.2005
nahm die Herstellerin das Arzneimittel aus dem Verkehr. Das Bundessozialgericht
(BSG) hat mit Urteil vom 27.09.2005 entschieden, dass gesetzlich Versicherte die
Versorgung mit Wobe Mugos E bereits nicht mehr beanspruchen konnten, nachdem der
Zulassungsantrag abgelehnt worden war (BSG, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 6/04 R -
). In diesem Urteil ist ausgeführt, für einen Versorgungsanspruch reiche nicht aus, dass
mangels Anordnung sofortiger Vollziehung noch eine Zulassungsfiktion bestanden
habe. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung sei zwar die Verkehrsfähigkeit im Sinne
des Arzneimittelgesetzes erhalten geblieben. Dies habe aber Versorgungsansprüche
der Versicherten und Leistungspflichten der Krankenkassen gemäß dem Fünften Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht begründen können, weil diese eine Überprüfung von
Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem allgemeinen Stand der
medizinischen Erkenntnisse auf der Grundlage zuverlässiger wissenschaftlich
nachprüfbarer Aussagen voraussetzten. Seit der Ablehnung der Verlängerung der
Zulassung durch den Bescheid vom 09.06.1998 sei ein Versorgungsanspruch zu
verneinen.
Zu den wegen der Verordnung von Wobe Mugos E gestellten Prüfanträgen der BEK gab
die Klägerin an, dass ihre Patientin an einer aggressiven Polycythamia vera leide. Sie
habe das Präparat auf Anraten der Onkologen verordnet, um die dabei bestehende
Thromboseneigung zu reduzieren. Mit den Enzymen, die im Rahmen der integrierten
Krebstherapie dringend erforderlich seien, sei es gelungen, den schweren Schwindel
der Patientin auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
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Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Westfalen-Lippe setzte für die
von der Klägerin in den Quartalen I/2001 bis III/2001 und II/2002 vorgenommenen
Verordnungen von Wobe Mugos E einen Regress i.H.v. insgesamt 1.755,24 EUR fest
(Beschluss vom 08.06.2004).
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Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie halte - ebenso
wie eine Vielzahl von Beschwerdeausschüssen und Sozialgerichten - Wobe Mugos E
für verordnungsfähig. Im Übrigen hätte allenfalls eine Beratung angeordnet werden
dürfen.
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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 07.12.2005 mit der Begründung
zurück, dass Wobe Mugos E spätestens mit der Ablehnung der Verlängerung der
Zulassung am 09.06.1998 nicht mehr verkehrsfähig gewesen sei und damit im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr hätte verordnet werden dürfen. Dies gelte
auch, wenn die ablehnende Entscheidung noch nicht rechtskräftig geworden wäre.
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Gegen den am 23.02.2006 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 06.03.2006
Klage erhoben und vorgetragen, das Urteil des BSG vom 27.09.2005 habe keine
Bedeutung, da sie Wobe Mugos E im Rahmen einer Krebstherapie eingesetzt habe und
damit der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 - 1 BvR
347/98 - einschlägig sei. Im Übrigen habe das Sozialgericht (SG) Dortmund im Jahr
2003 die Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E bejaht; wegen der unklaren
Rechtslage hätte der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensausübung allenfalls eine
Beratung aussprechen dürfen. Der Beklagte habe aber gar kein Ermessen ausgeübt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beschluss des Beklagten vom 07.12.2005 aufzuheben, hilfsweise, den Beklagten
unter Aufhebung des Beschlusses vom 07.12.2005 zu verurteilen, ihren Widerspruch
gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 08.06.2004 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 3) sowie 6) und - ehemals - 7) haben
beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das SG Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 30.01.2007 abgewiesen. Auf rechtzeitige
Prüfanträge sei zu Recht ein Regress gegen die Klägerin festgesetzt worden, weil sie
unzulässigerweise Wobe Mugos E zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV)
verordnet habe. Eine andere rechtliche Beurteilung folge auch nicht aus dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, weil bereits für die Behandlung einer
Polycythamia vera dem medizinischen Stand entsprechende Behandlungen zur
Verfügung ständen. Im Übrigen seien die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen
bei einer Anwendung zur Verminderung von Thromboseneigungen und
Schwindelerscheinungen nicht erfüllt. Hinzu komme, dass Wobe Mugos E schon nach
den Gebrauchsinformationen des Herstellers lediglich zur unterstützenden
Langzeitbehandlung von bösartigen Tumoren und zur Zusatzbehandlung während einer
Strahlen- und Chemotherapie sowie zur Metastasenprophylaxe und zur Unterstützung
der Behandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen angewandt werden könne.
Soweit die Anwendung von Wobe Mugos E im Rahmen einer Krebsbehandlung in
Betracht komme, sei sie also schon nach den Angaben des Herstellers nur als
Begleitmedikation zu einer dann also notwendig durchgeführten Heil- oder
Palliativbehandlung nach medizinischem Standard oder im Rahmen einer Prophylaxe
indiziert. Der "Notfall", den das BVerfG zu Grunde gelegt habe, nämlich dass ein
gesetzlich Krankenversicherter lebensbedrohlich erkrankt sei, es keine anerkannte
Behandlungsmethode gebe und nur die dem Patienten von der GKV vorenthaltene,
nicht anerkannte Behandlung eine Chance auf "Rettung" oder zumindest spürbare
Minderung des Leidens bringe, könne also bei Wobe Mugos E als bloße
Begleitmedikation zu einer anerkannten "Haupt"-Medikation nicht eintreten. Schließlich
bestehe auch kein grundsätzlicher Vorrang der Beratung vor einem erstmaligen
Regress. Unerheblich sei, dass das übrige Arzneikostenvolumen unter dem
Fachgruppendurchschnitt liege.
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Gegen das am 05.03.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.03.2007 Berufung
eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
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Nachdem der Senat in den Parallelverfahren L 11 KA 36/07, L 11 KA 100/06, L 11 KA
112/06 und L 11 KA 21/07 Regresse gegen Vertragsärzte wegen unzulässiger
Verordnung von Wobe Mugos E bestätigt hat und die gegen diese Entscheidungen
eingelegten Revisionen ohne Erfolg geblieben sind (Urteile des BSG vom 05.11.2008 -
B 6 KA 63/07 R (metastasierendes Karzinom) und B 6 KA 64/07 R (Mammakarzinom) -
sowie vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R - (metastasierendes Mammakarzinom)), hat die
Klägerin vorgetragen, das SG habe die Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005
falsch ausgelegt; denn auch eine Palliativbehandlung werde von dieser Entscheidung
umfasst. Ihre Patientin sei jahrelang mit Chemotherapie behandelt worden, durch die
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u.a. massive Schwindelanfälle und Thromboseneigung mit Knochenmarksproblemen
aufgetreten seien. Der Chefarzt einer onkologischen Klinik sei der Auffassung gewesen,
die Chemotherapie werde nur vertragen, wenn die unerwünschten Nebenwirkungen
durch Wobe Mugos E gelindert würden. Er habe deshalb gebeten, die von ihm
begonnene Therapie mit Wobe Mugos E fortzusetzen. Im Übrigen habe der Beklagte
keine Ermessensentscheidung insbesondere dazu getroffen, ob dem Regress eine
gezielte Beratung vorzugehen habe.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.01.2007 abzuändern und nach ihren
erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.
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Der Beklagte und der Beigeladene zu 2) haben schriftsätzlich beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie halten das Urteil des SG für zutreffend.
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Der Senat hat die Beteiligten auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung der Klägerin
ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten
und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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II.
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Der Senat kann über die Berufung der Klägerin nach § 153 Abs. 4 SGG durch
Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine
mündliche Verhandlung entbehrlich ist. Der Senat hat die Beteiligten hierzu angehört.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
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Das SG hat der Klage zu Recht nicht stattgeben; denn die Entscheidung des Beklagten,
die Klägerin wegen unzulässiger Verordnung von Wobe Mugos E in Regress zu
nehmen, ist rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die Entscheidung des SG Bezug (§ 153
Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:
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Das BSG und der Senat haben wiederholt - in der Klägerin, insbesondere deren
Bevollmächtigten bekannten und o.a. Entscheidungen, auf die im Einzelnen verwiesen
wird, - ausgeführt:
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1.Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Prüfgremien ist § 9 Abs. 4 2. Spiegelstrich
der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen, auf der Ermächtigung in § 106 Abs. 2 SGB V
beruhenden Prüfvereinbarung (Westfälisches Ärzteblatt 2/03, 56 ff), die nach § 21
Prüfvereinbarung für alle nach dem 01.01.2002 durchzuführenden Prüfungen gilt. Diese
Bestimmung sieht die Einzelfallprüfung ärztlich verordneter Leistungen vor, die
insbesondere die Prüfung der Verordnungsfähigkeit zum Gegenstand hat.
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2.Die von der Klägerin vorgenommenen Verordnungen von Wobe Mugos E in den
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Quartalen I/2001 bis III/2001 und II/2002 waren nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel
durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine
Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.
3.Die Ansicht der Klägerin, der Festsetzung der Regresse hätte hier eine explizite
Beratung vorangehen müssen, geht fehl. Das Erfordernis vorgängiger Beratung stellt
gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V nur eine "Soll"-Vorgabe dar, wobei von der
Rechtsprechung bereits klargestellt worden ist, dass entsprechend dem Sinn und Zweck
dieser Bestimmung der Vorrang einer Beratung nicht für den Fall unzweifelhafter
Unwirtschaftlichkeit gilt. Dies gilt bei statistischen Durchschnittsprüfungen ebenso wie
bei Regressen aufgrund von Einzelfallprüfungen, wenn schon die Verordnungsfähigkeit
fehlt.
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4.Ebenso wenig greift der Einwand der Klägerin durch, ihr könne kein Verschulden
angelastet werden, weil für sie nicht erkennbar gewesen sei, dass die Verkehrsfähigkeit
von Wobe Mugos E ausnahmsweise nicht zur Verordnungsfähigkeit dieses
Arzneimittels im Rahmen der GKV führte. Ein Verschuldenserfordernis besteht im
Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht.
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5.Auch für eine Ermessensausübung ist bei einem Verordnungsregress aufgrund des §
106 SGB V kein Raum.
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6.Ebenso wenig besteht ein Vertrauenstatbestand. Werden unterschiedliche Ansichten -
hier zur Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels - vertreten, gibt es keine tragfähige
Grundlage für die Bildung eines Vertrauenstatbestandes, die vorgenommene
Verordnung sei zulässig. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem
Vorbringen der Klägerin, zuvor seien die Kosten für die Behandlung mit Wobe Mugos E
unbeanstandet übernommen worden. Vertrauensschutz setzt einen gegenüber dem
betroffenen Arzt gesetzten besonderen Vertrauenstatbestand voraus (Urteile des Senats
vom 14.11.2007 - L 11 KA 36/07 - unter Hinweis auf Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V,
§ 106 Rdn. 356, und vom 10.12.2008 - L 11 KA 16/07 -). Hinsichtlich der rückwirkenden
Korrektur von Honorarbescheiden hat das BSG dementsprechend bereits zuvor in der
bloßen Duldung einer objektiv fehlerhaften Abrechnungspraxis durch eine
Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung keinen Vertrauenstatbestand gesehen (BSG, Urteil
vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 -). Selbst wenn also in der Vergangenheit
entsprechende unzulässige Verordnungen der Klägerin unbeanstandet geblieben sein
sollten, wäre dies unbeachtlich (Urteil des Senats vom 14.11.2007 und vom 10.12.2008,
a.a.O.). Der Frage, ob in der Vergangenheit entsprechende unzulässige Verordnungen
der Klägerin - oder ggf. lediglich des "Chefarzt einer onkologischen Klinik" -
unbeanstandet geblieben sind, ist deshalb nicht nachzugehen.
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7.Ob Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht kann
dahinstehen. Selbst dieser könnte nämlich nicht zu einem Erfolg für die Klägerin führen.
Denn mit Wobe Mugos E ist ein Arzneimittel betroffen, bei dem Zweifel an der
Verordnungsfähigkeit offensichtlich waren.
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8.Schließlich ist ein anderes - der Klägerin günstigeres - Ergebnis auch nicht wegen der
Grundsätze des BVerfG in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 veranlasst. Die
Klägerin hat nach ihrem Vorbringen Wobe Mugos E verordnet, um eine
Thromboseneigung und Schwindelerscheinungen ihrer Patientin zu reduzieren bzw. um
Auswirkungen der Chemotherapie zu begegnen. Damit sind bereits nach den Angaben
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der Klägerin, die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Verordnung eines nicht
zugelassenen Arzneimittels, nämlich die Behandlung einer lebensbedrohlichen oder
regelmäßig tödlichen Erkrankung, nicht erfüllt. Darüber hinaus ist von der Klägerin - als
der behandelnden Ärztin und trotz Kenntnis der Rechtsprechung des BSG und des
Senats (a.a.O.) - auch nicht vorgetragen, dass die Verordnung von Wobe Mugos E
wegen erfolgloser Ausschöpfung aller anderen zugelassenen
Behandlungsmöglichkeiten erfolgt wäre. Sie hat vielmehr lediglich ausgeführt, der
Empfehlung des Chefarztes einer onkologischen Klinik, weiterhin Wobe Mugos E zur
Verminderung der Nebenwirkungen der Chemotherapie zu verordnen, gefolgt zu sein.
Das Fehlen einer anderweitigen Behandlungsmöglichkeit mit einem zugelassenen
Arzneimittel ergibt sich daraus nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass
allgemein bekannt ist, dass es für die Behandlung sämtlicher Krebserkrankungen oder
von Nebenwirkungen einer Chemotherapie, aber auch und gerade im Bereich der
Palliativmedizin dem medizinischen Standard entsprechende zugelassene Therapien
gibt (s. dazu die vorgenannten Urteile des Senats, a.a.O.). Eine Erweiterung des
gesetzlichen Leistungskatalogs der GKV im Einzelfall kommt jedoch nur nach
Ausschöpfung dieser Behandlungsmöglichkeiten in Betracht. Das gilt im Übrigen auch
dann, wenn nicht zugelassene Arzneimittel nach der subjektiven Einschätzung des
behandelnden Arztes möglicherweise positivere Einwirkungen auf den
Krankheitsverlauf haben könnten.
9.Auch die Höhe der Regresse ist zutreffend bestimmt. Der Beklagte hat
Apothekenrabatt und Patienteneigenanteile entsprechend den Prüfanträgen in Abzug
gebracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. einer
entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs2 VwGO).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2
SGG).
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