Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.05.2003
LSG NRW: wissenschaft und forschung, anstalt, umstrukturierung, udssr, verfügung, papier, meinung, produktion, gerichtsakte, auszug
Landessozialgericht NRW, L 4 RA 33/02
Datum:
09.05.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 RA 33/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 9 RA 93/00
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.03.2002 wird geändert.
Die Bescheide vom 22.01.1999 und 08.10.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 werden teilweise
aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Zeit vom 18.12.1973 bis
zum 28.02.1986 als zugehörig zum Wirtschaftsbereich 19 der Anlage 14
zum SGB VI vorzumerken. Die Beklagte hat der Klägerin ihre
notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter, dass die Beklagte im
Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens ihre Tätigkeit bei der
Allunionswissenschaftlichen Produktionsvereingung für Zellstoff- und Papierindustrie
(WNIIB) in Rußland (ehemalige UdSSR) vom 28.12.1973 bis 28.02.1986 als zugehörig
zum Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) der Anlage 14
zum SechsteN Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vormerkt.
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Die Klägerin wurde am 23.12.1946 in Rußland geboren. Sie ist Inhabe rin des
Vertriebenenausweises "A" und siedelte aus Rußland am 27.09.1990 in die
Bundesrepublik Deutschland über. Die Klägerin ver fügt über einen Studienabschluss
an der Forsttechnischen Schule in Leningrad zum "Ingenieur der Forstwirtschaft" aus
dem Jahre 1969. Sie promovierte dort 1973. Es folgte eine versicherungspflichtige
Tätigkeit in Rußland vom 18.12.1973 bis zum 01.09.1990. Laut Ar beitsbuch war sie
zuletzt tätig als wissenschaftliche Obermitarbeiterin. Vom 18.12.1973 bis zum
28.02.1986 (also im streitigen Zeitraum) arbeitete die Klägerin in dieser Funktion im
WNIIB. Danach war sie zunächst wegen des Übergangs dieser Einrichtung in das
Leningrader Forschungsinstitut für Fortwirtschaft ab März 1986 dort als
wissenschaftliche Assistentin tätig. Die Zeit ab dem 03.03.1986 hat die Beklagte als
zugehörig zum Wirtschaftsbereich 19 vorgemerkt.
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Im Februar 1993 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kontenklärung. Im ihr daraufhin
ausgehändigten Formular über zurückgelegte Zeiten auf dem Staatsgebiet der
ehemaligen UdSSR und der Nachfolgestaaten ordnete die Klägerin die streitige Zeit
dem Wirtschaftsbereich (sonstige produzierende Bereiche) 12 zu.
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Mit Vormerkungsbescheid vom 22.01.1999 stellte die Beklagte die streitige Zeit als
Beitragszeit in der Rentenversicherung der Angestellten mit Qualifikationsgruppe 1,
Bereich 12 der Anlage 14 zum SGB VI fest. Hiergegen legte die Klägerin am 24.02.1999
Widerspruch ein. Hinsichtlich der noch streitigen Zeit brachte sie vor, dass diese in
Wirtschaftsbereich 19 vorzumerken sei. Arbeitgeber sei - richtig übersetzt - die
"Allunionsvereinigung für Wissenschaft und Produktion, Institut WNIIB" gewesen. Das
aber sei ein wissenschaftliches Institut. Sie sei dort auch wissenschaftlich tätig
gewesen.
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Die Klägerin legte einen Auszug aus dem Verzeichnis ihrer wissen schaftlichen
Arbeiten bei, der neun verlegte Artikel umfaßte. Ferner legte sie eine Archiv-
Bescheinigung der offenen Aktiengesellschaft Allrussisches wissenschaftliches
Forschungsinstitut für Zellstoff- und Papierindustrie (AG WNIIB) vor, in der bescheinigt
wurde, dass die Klägerin in der Forschungs- und Produktions- Unionsvereinigung für
Zellstoff- und Papierindustrie - WNPO -bumprom, die heutzutage den Namen AG
Allrussisches wissenschaftliches Forschungsinstitut für Zellstoff- und Papierindustrie -
AG WNIIB - führe gearbeitet habe. Dort sei sie zunächst vom 18.12.1973 bis zum
15.08.1974 amtierende wissenschaftliche ranghöhere Obermitarbeiterin im
Laboratorium für Hydrotoxikologie und alsdann vom 24.09.1974 bis zum 28.02.1986
wissenschaftliche Obermitarbeiterin für Analyse und Bearbeitung der
wissenschaftlichen und technischen Patentinformationen mit Berechtigung einer
Vertretung des Abteilungsleiters während der Abwesenheit gewesen. Mit Schreiben
vom 08.10.1999 wies die Beklagte darauf hin, dass Entgeltpunkte auch für nach dem
Fremdrentengesetz (FRG) zu rückgelegte Zeiten erst bei der Rentenberechnung
ermittelt würden. Die Zeiten würden zu 5/6 anhand der sich aus Anlage 14 zum SGB VI
(Wirtschaftsbereiche) ergebenden Wert berücksichtigt. Der weitere, nach § 86 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) erteilte Bescheid vom 22.03.2000 verhält sich zu Zeiten bis
zum 18.06.1973 und dann wieder ab 18.03.1991.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2000, per Einschreiben am selben Tag
abgesandt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht durch die
Bescheide vom 08.10.1999 und 22.03.2000 abgeholfen worden sei. Die Klägerin sei
insbesondere im streitigen Zeitraum zu Recht in Wirtschaftsbereich 12 eingruppiert
worden, weil Arbeitgeber ein Forschungszentrum für die Papier- und Zellstoffindustrie
gewesen sei. Im Übrigen habe die Klägerin die streitige Zeit ursprünglich selbst den
Wirtschaftsbereich 12 zugeordnet.
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Hiergegen hat die Klägerin mit am 18.07.2000 beim Sozialgericht ein gegangenem
Schriftsatz Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Träger des WNIIB sei das Ministerium
für Zellstoff- und Papierindustrie, und nicht etwa ein Industriebetrieb gewesen. Die
Aufgaben habe das WNIIB auch vom Ministerium erhalten, an das es seine
Forschungsergebnisse weiterzuleiten gehabt habe. Auch sei das WNIIB vor allem in der
Grundlagenforschung tätig gewesen. Dies belegten auch die Themen der
Veröffentlichungen der Mitarbeiter. Ferner seien im Institut auch Diplomanden und
Doktoranden betreut worden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 22.01.1999 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000, die Zeit ihrer Beschäftigung
beim WNIIB vom 18.12.1973 bis zum 28.02.1986 dem Wirtschaftsbereich 19 der Anlage
14 zum SGB VI zuzuordnen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Zuordnung zu Wirtschaftsbereich 12 für korrekt gehalten, da es sich seit der
Umstrukturierung im Jahr 1972 um einen Forschungsbetrieb (wissenschaftliches Institut
der Industrie) gehandelt habe. Dies ergebe sich schon aus dem Namen des
Arbeitgebers. Ferner hätten auch jährliche Besuche der Mitarbeiter der Industrie
stattgefunden. Auch das spreche für eine enge Kooperation. Erst 1999 nach einer
erneuten Umbenennung habe das WNIIB die staatliche Anerkennung als
wissenschaftliche Anstalt zurückerhalten. Zumindest bestünden keine klaren
Anhaltspunkte für die Zuordnung zu Wirtschaftsbereich 19. Bei Unklarheiten sei aber
der Wirtschaftsbereich mit deM niedri geren Durchschnittsverdienst zu wählen. Dies sei
hier Wirtschaftsbe reich 12.
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In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 10.05.2001 hat sich die Klägerin
wie folgt eingelassen: Sie habe durchgängig beim selben Institut gearbeitet. Bis zum
23.02.1972 habe es sich um ein rein wissenschaftliches Institut gehandelt. Das habe
sich danach dahingehend etwas geändert, als die Direktorin ihres Instituts be rechtigt
gewesen sei, die Forschungsergebnisse auch an die produzierende Industrie
weiterzugeben. In ihrem Institut habe man im Grunde Grundlagenforschung betrieben
und basierend auf dieser Grundlagenforschung Projekte erarbeitet, die man dann an die
Wirtschaft habe weitergeben können. Das WNIIB sei Teil der Vereinigung gewesen, bei
der die Grundlagenforschung durchgeführt worden sei, gewesen. Zu sätzlich zu diesem
Institut seien dann jeweils Mitarbeiter von Forschungslabors der jeweiligen
Produktionsgenossenschaften Vorort dazu gekommen, mit denen entsprechende
Projekte durchgeführt worden seien. In ihrer tatsächlichen Arbeit hätten sich keine
Änderungen ergeben. Eine Änderung sei lediglich dahingehend erfolgt, dass 1972 ein
Generaldirektor eingesetzt worden sei, der Kontakt zu anderen, insbesondere
produzierenden Betrieben gehabt und aufgrund dessen Kontakte zu diesen hergestellt
habe. Daraufhin seien Mitarbeiter dieser Betriebe einmal im Jahr zu ihrem Betrieb
gekommen. Gegebenen falls seien auch Mitarbeiter des WNIIB zu Betrieben des
produzieren den Gewerbes gefahren. Aufgabe ihres Instituts sei ausschließlich die
Grundlagenforschung gewesen. Die Probleme der einzelnen Betriebe hinsichtlich der
praktischen Arbeit seien in den dortigen Produktionslabors Vorort geregelt worden.
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Die Klägerin hat folgende Unterlagen vorgelegt: - eine Archivbescheinigung über
Reorganisation OAG WNIIB und Änderung des Stempels - eine Urkunde des
Ministeriums für Wissenschaft und Technologie der russischen Förderation über die
staatliche Akkreditierung einer wissenschaftlichen Anstalt vom 03.02.1999 - eine
Archivbescheinigung mit Auszug aus der Verfügung Nr. 97 vom 17.08.1934 des
zentralen Wissenschafts- und Forschungsinstituts für Papierindustrie - Verfügung Nr. 4
vom 06.01.1984 über Gründung einer Filiale des Fachstuhles für Zellstoff- und
Papierproduktion auf Basis WNPO-bumprom.
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Mit Urteil vom 27.03.2002, der Klägerin zugestellt am 02.05.2002, hat das Sozialgericht
Detmold die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die streitige Zeit zu Recht dem
Wirtschaftsbereich 12 der An lage 14 zum SGB VI zugeordnet. Dies stehe aufgrund der
eigenen Angaben der Klägerin sowie aufgrund der eingereichten Dokumente fest.
Hierbei hat sich das Sozialgericht zum Einen auf die Angaben der Klägerin im
ursprünglichen Fragebogen ("Wirtschaftsbereich 12") und zum Anderen auf die
Auslegungs-/Zweifelsregel des "§ 256 b Abs. 1 Satz 5 SGB VI" gestützt.
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Die Klägerin hat am 28.05.2002 Berufung eingelegt und trägt vor:
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Das WNIIB sei immer die größte wissenschaftliche Anstalt in diesem Zweig in der
UdSSR gewesen. Es habe keinerlei Zusammenhang mit Orga nen der Industrie bzw.
Forschungs- und Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe bestanden.
Auch die Veröffentlichungen der Mitarbeiter sprächen für eine Forschungseinrichtung.
Diese seien auch zum Teil weltweit veröffentlicht worden, also gerade nicht Eigentum
des Ministeriums oder der Industrie gewesen. Wirtschaftsbereich 19 sei also zugrunde
zu legen. Dass sie bei der Antragstellung auf Kontenklärung zunächst den
Wirtschaftsbereich 12 angegeben habe sei demgegenüber nicht entscheidend. Denn es
komme nicht darauf an, welche Auffassung sie bei der Antragstellung vertreten habe,
sondern welchem Bereich der Betrieb tatsächlich zuzuordnen sei. Der Betrieb sei aber
als sonstige Einrichtung der Wissenschaft dem Wirtschafts bereich 19 zuzuordnen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.03.2002 zu ändern und die Beklagte unter
teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.01.1999 und 08.10.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbe scheides vom 15.06.2000 zu verurteilen, die Zeit vom 18.12.1973 bis
28.02.1986 als zugehörig zum Wirtschaftsbereich 19 der An lage 14 zum
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vorzumerken.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie führt aus: Von Tabelle 12 seien unter anderem der Teilbereich der
wirtschaftsleitenden Organe der Industrie und der Teilbereich der Forschungs- und
Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe der Industrie umfaßt. Damit seien
auch Forschungsinstitute der Industrie von Tabelle 12 umfaßt. Von daher sei das WNIIB
mit seiner 1972 erfolgten Umstrukturierung von einer rein wissenschaftlichen Anstalt in
eine Vereinigung der Wissenschaft und Produktion WNPO (WNIIB) dem
Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen. Das folge schon aus den eigenen Angaben der
Klägerin, wonach die Umstrukturierung erforderlich gewesen sei, um die
Forschungsergebnisse den Betrieben nahezubringen. Denn Forschungsergebnisse
wissenschaftlicher Institute würden allgemein zugänglich veröffentlicht. 1972 sei also
die Forschung auf die Projekte und Bedürfnisse der Papier- und Zellstoffin dustrie
abgestellt und an diese weitergeleitet worden. Dass die direkten Aufträge nicht von der
Industrie selber gekommen seien, spre che auch nicht gegen die Zuordnung von
Wirtschaftsbereich 12. Viel mehr spreche für eine kooperative Zusammenarbeit mit der
Industrie, das jährliche Besuche der Mitarbeiter der Industrie stattgefunden hätten. Dies
decke sich auch mit den Dokumenten zum WNIIB, das erst 1977 die staatliche
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Akkreditierung einer wissenschaftlichen Anstalt zurück erhalten habe. Ferner stimme
dies überein mit den "ersten unbefangenen Angaben der Klägerin" im ursprünglichen
Fragebogen. Zu mindest nach der Zweifelsregel des § 256 b Abs. 1 Sätze 6 und 7 SGB
VI müsse es bei der Zuordnung von Wirtschaftsbereich 12 verbleiben.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 30.01.2003 hat die Klägerin er klärt, dass der
Bescheid vom 18.10.1999 ebenfalls angefochten werde, nicht aber der Bescheid vom
22.03.2000. Alsdann hat sie weitere Veröffentlichungen von Mitarbeitern des Instituts
vorgelegt, die ihrer Meinung nach wissenschaftlichen Charakter haben und belegen,
dass es sich bei dem Institut selbst um eine wissenschaftliche Einrichtung nach
Wirtschaftsbereich 19 gehandelt habe. In der öffentlichen Sit zung des Senats vom
09.05.2003 hat die Klägerin eine Bescheinigung des Wissenschafts- und
Forschungsinstituts für Zellstoff- und Papierindustrie Russlands vom 26.03.2003 in
Übersetzung zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
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Entscheidungsgründe:
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Bei dem Schreiben vom 18.10.1999 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne
des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und damit um einen
Bescheid. Dieser Bescheid ist auch gemäß § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens und demzufolge auch des Klageverfahrens geworden. Denn er
verhält sich dazu, in welcher Weise die FRG-Zeiten der Klägerin vorzumerken sind. Zu
diesen FRG-Zeiten gehört aber auch die hier streitige Zeit.
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Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
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Die angefochtenen Bescheide sind nicht bestandskräftig geworden. Insbesondere
wurde die Klagefrist gewahrt. Denn der am 15.06.2000 per Einschreiben abgesandte
Widerspruchsbescheid gilt gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 Verwaltungszustellungsgesetz
(VwZG) frühestens am 18.06.2000 als zugestellt, so dass die Klage am 18.07.2000 noch
fristgerecht erhoben werden konnte.
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Die Berufung ist begründet. Die Beschäftigungszeit der Klägerin vom 18.12.1973 bis
zum 28.02.1986 ist dem Wirtschaftsbereich 19 der Anlage 14 zum SGB VI zuzuordnen.
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Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG i. V. m. § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist die von der
Klägerin in ihrem Herkunftsgebiet (Russland) ausge übte Beschäftigung dem
maßgebenden Wirtschaftsbereich der Anlage 14 zum SGB VI zuzuordnen. Hierbei
richtet sich laut §§ 22 Abs. 1 Satz 3 FRG, 256 b Abs. 1 Satz 4 SGB VI die Bestimmung
des maßgeblichen Wirtschaftsbereichs danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem
der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen ist. Der
Wirtschaftsbereich 12 mit dem Bereich der sonstigen produzierenden Bereiche umfaßt
hierbei - wie das Sozialgericht zutreffend herausge arbeitet hat - den Teilbereich der
wirtschaftsleitenden Organe der Industrie, Bauwirtschaft, des Verkehrs-, Post- und
Fernmeldewesens, Handel und den sonstigen Zweigen des produzierenden Bereichs
sowie den Ingenieurbüros für Rationalisierung, den Teilbereich Projek tierungs- und
Anlagenbaubetriebe mit technologischen Projektierungs betrieben und bautechnischen
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Projektierungsbetrieben, sowie den Teilbereich geologische Untersuchung, Betriebe
des staatlichen Vermessungs- und Kartenwesens, Verlage, Reparaturkombinate, Textil
reinigungswesen, Rechenbetriebe und sonstige produzierende Betriebe. Dagegen
umfaßt der Wirtschaftsbereich 19 mit dem Bereich Wissenschaft, Hoch- und
Fachschulen, die Teilbereiche Wissenschaft und Forschung mit wissenschaftlichen
Forschungsinstituten und Laboratorien, Akademien, medizinisch-theoretischen und
übrigen Instituten des Gesundheits- und Sozialwesens wie sonstige Einrichtungen der
Wissenschaft und Forschung und den Teilbereich Hoch- und Fachschul wesen mit
Fach- und Hochschulen.
Die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 12 käme also
nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem Institut der Klägerin um ein Organ des
produzierenden Gewerbes gehandelt hätte. Das ist jedoch nach der Überzeugung des
Senats nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei dem Institut der Klägerin um ein dem
Wirtschaftsbereich 19 zuzuordnendes wissenschaftliches Forschungsinstitut.
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Hierfür spricht bereits, dass bei Organen des produzierendes Gewer bes in der Regel
jedenfalls nicht überwiegend Grundlagenforschung betrieben werden wird, weil diese
keinen direkten Anwender-Bezug hat. Angesichts der von der Klägerin mit Schriftsatz
vom 09.10.2001 vorgelegten Liste der Veröffentlichungen ist aber davon auszugehen,
dass in dem WNIIB-Institut überwiegend Grundlagenforschungen betrie ben wurde. Das
aber ist ein Indiz dafür, eine Zuordnung zu Wirtschaftsbereich 19 vorzunehmen.
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Ferner ergibt sich aus der Verfügung Nr. 523 - k vom 24.10.1983 (Bl. 115 der
Verwaltungsakte), dass das Institut für die Durchführung der Aufnahmeprüfungen zur
Aspirantur und von Promotionsprüfungen zuständig war. Hierfür war im Institut auch
eine eigene Prüfungskommission aus übergeordneten Wissenschaftsmitarbeitern
gebildet worden. Auch dies spricht dafür, dass es sich um ein wissen schaftliches
Forschungsinstitut handelte. Desweiteren weist die Bescheinigung des WNIIB vom
22.02.2001 (Bl. 58 der Gerichtsakte) aus, dass das Institut auch an der Lehre beteiligt
war und die Mitarbei ter des Instituts Diplomprojekte von Hochschulstudenten leiteten.
Dies ist ein weiteres Indiz, welches nach Auffassung des Senats klar darauf hindeutet,
das Institut der Klägerin Wirtschaftsbereich 19 zuzuordnen. Die der Zuordnung
zugrunde liegende Wertung wird dadurch weiter verstärkt, dass ausweislich der
Bescheinigung vom 22.02.2001 in den 70 Jahren der Existenz des Instituts dort über
700 Doktoren und habilitierte Doktoren der Wissenschaft ausgebildet worden sind.
Denn eine derart umfangreiche wissenschaftliche Ausbildung und Be treuung kann
nach Auffassung des Senats nur in wissenschaftlichen Forschungsinstituten und nicht
etwa in Forschungslaboratorien des produzierenden Gewerbes erfolgen. An der
Richtigkeit dieser Bescheinigung bestehen keine Zweifel. Die genannten Indizien
führen nach Auffassung des Senats in ihrer Gesamtheit dazu, das WNIIB als
wissenschaftliches Forschungsinstitut gemäß Wirtschaftsbereich 19 anzusehen.
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Dass Vertreter des produzierenden Gewerbes nur einmal jährlich zum WNIIB kamen,
spricht angesichts der sehr geringen Besuchsfrequenz entgegen der Meinung der
Beklagten eher für als gegen ein dem Bereich der Wissenschaft und Forschung
zugeordnetes Institut. Ohne Bedeutung ist ferner die zunächst fehlerhafte Einschätzung
durch die Klägerin selbst, ihr Institut sei Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen. Denn die
falsche rechtliche Einordung einer Tätigkeit durch den Versicherten selbst kann nicht
dazu führen, dass die rechtlich korrekte Zuordnung unterbleibt. Die sogenannte
"Zweifelsregel" des § 256 b Abs. 1 Sätze 6 u. 7 SGB VI ist deshalb nicht einschlägig,
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weil sich das Institut, dem die Klägerin angehörte, eindeutig dem Wirtschaftsbereich 19
zuordnen läßt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.
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