Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.11.2009
LSG NRW (sgg, beschwerde, antrag, gvg, forderung, deutschland, zuständigkeit, öffentlich, rundfunk, befreiung)
Landessozialgericht NRW, L 16 B 10/09 SV
Datum:
30.11.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 10/09 SV
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 11 SV 1/09
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin vom 11.09.2009 gegen den Beschluss
des Sozialgerichts Dortmund vom 06.08.2009 wird zurückgewiesen. Der
Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens vor dem Landessozialgericht trägt die Klägerin.
Gründe:
1
Die Klägerin (Kl) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG)
Dortmund, mit dem das SG den Rechtsweg für die bei diesem Gericht erhobene Klage
als unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG)
Gelsenkirchen verwiesen hat. Die Kl wehrt sich gegen die Heranziehung zu Rundfunk-
und Fernsehgebühren in Höhe von 204,36 Euro durch die Beklagte (Bekl).
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Am 17.01.2009 hat die Kl bei dem SG Dortmund unter einer Wohnanschrift in X Klage
erhoben und vorgebracht, die Forderung sei nicht gerechtfertigt, weil sich ihr Wohnsitz
seit 2007 nicht mehr in Deutschland befinde und sie auch keine Rundfunkgeräte mehr in
Deutschland habe. Bis November 2007 sei sie von der Gebührenpflicht befreit gewesen.
Seitdem befinde sie sich auf der Flucht vor deutschen Behörden. Für Streitigkeiten um
einen Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren müssten die SGe zuständig
sein. Das Verfahren müsse frei von Gerichtskosten sein.
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Die Bekl hat die Zuständigkeit des Sozialgerichts in Frage gestellt. Die Kl wende sich
gegen eine öffentlich-rechtliche Forderung der Bekl.; für derartige Rechtsstreitigkeiten
sei der Weg zu den Verwaltungsgerichten (VG), hier das örtlich zuständige VG
Gelsenkirchen gegeben. Im Übrigen sei sie, die Gebühreneinzugszentrale, nicht die
richtige Beklagte. Zu verklagen sei vielmehr die zuständige Landesrundfunkanstalt, hier
der Westdeutsche Rundfunk in Köln.
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Mit Beschluss vom 06.08.2009 hat das SG - nach Anhörung der Beteiligten - den zu ihm
beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das VG
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Gelsenkirchen verwiesen, weil der Rechtsstreit nicht zu den in § 51 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Streitigkeiten gehöre, sondern gemäß § 40
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) den VGen zur Entscheidung zugewiesen sei.
Gegen den der Kl am 12.08.2009 zugestellten Beschluss hat die Kl am 11.09.2009 beim
SG Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das SG müsse
zuständig sein; schließlich habe sie 2006 wegen der Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht dort einen Rechtsstreit geführt (bis hin zum
Landessozialgericht (LSG); gemeint ist offenbar das Verfahren SG Gelsenkirchen S 20
AS 157/06 ER = LSG NRW L 9 B 74/96 AS ER gegen das Integrationscenter für Arbeit).
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Ergänzend hat sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
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Die Bekl hat sich nicht geäußert.
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II.
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Zutreffend hat das SG gemäß § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -
entschieden, dass für den vorliegenden Rechtsstreit um die
Rundfunkgebührenbefreiung nicht der Rechtsweg zu den SGn gegeben ist, sondern das
VG Gelsenkirchen das zur Entscheidung im allgemeinen Verwaltungsrechtsweg
berufene Gericht ist. Dies ergibt sich, wie bereits den zutreffenden sozialgerichtlichen
Ausführungen zu entnehmen ist, aus § 51 SGG sowie aus § 40 VwGO. Der von der Kl in
Gang gesetzte Rechtsstreit hat keinerlei Beziehungen zum besonderen Sozialrecht, wie
es in § 51 SGG normiert ist; es handelt sich vielmehr um Angelegenheiten des
allgemeinen Sozialverwaltungsrechts. Soweit die Kl anführt, der Rechtsweg zu den SGn
sei gegeben, weil sie im Jahre 2006 bereits schon einmal einen Rechtsstreit um
Rundfunkgebühren vor dem SG und dem LSG geführt habe und deshalb die
Zuständigkeit der SGe für Fragen der Rundfunkgebührenfreiheit naheliege, unterliegt
sie einem Rechtsirrtum. Im damaligen Verfahren richtete sich der Antrag der Kl gegen
das Integrationscenter, eine Grundsicherungsbehörde im Sinne von § 51 SGG. Für
diesen Rechtsstreit war der Rechtsweg zu den SGn zu bejahen, weil dort
Ausgleichsleistungen von der Grundsicherungsbehörde verlangt wurden, nämlich die
Übernahme von Rundfunkgebühren, die die Bekl der Kl damals in Rechnung gestellt
hatte. Will die Kl hingegen unmittelbar gegen die Gebührenforderung vorgehen, muss
sie den dafür vorgesehenen Rechtsweg (zu den VGn) beschreiten.
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Das Auseinanderfallen von Rechtswegzuständigkeiten ist kein Einzelfall; so ist
beispielsweise das SG für Fragen des Soldatenversorgungsrechts zuständig, während
Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge vor die VGe gehören; für die Feststellung der
gesundheitlichen Voraussetzungen der Rundfunkgebührenbefreiung sind die Kammern
für Schwerbehindertenangelegenheiten bei den SGn zuständig, während für
Streitigkeiten aus dem Bereich des Gebühreneinzugs wiederum die Rundfunkanstalten
vor den VGn zu verklagen sind. Dies hat der Senat versucht, der Kl im
vorangegangenen Schriftverkehr zu verdeutlichen. Wenn die Kl nichts desto weniger auf
einer Entscheidung besteht, hat sie die Nachteile einer abweisendes Beschlusses zu
tragen.
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Der Kl steht für das vor dem LSG gesondert kostenpflichtige Beschwerdeverfahren
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keine PKH zu, weil die Voraussetzungen von § 73a SGG und § 114
Zivilprozessordnung nicht erfüllt sind: Die Beschwerde hat nämlich - von Beginn an -
keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Die Kostenentscheidung zum Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 183, 197a SGG (vgl
zur Kostentragungspflicht im Rahmen der Rechtswegbeschwerde Bundessozialgericht
in Sozialrecht - SozR - 3-1500 Nrn 25 und 27; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9.
Auflage, 2008, § 51, Randnummer 74 mit weiteren Nachweisen). Die Kl kann auch nicht
die Kostenbefreiung für den Streit um sozialrechtliche Angelegenheiten in Anspruch
nehmen. Denn sie streitet nicht um spezifisch sozialrechtliche Ansprüche etwa aus der
Position einer Versicherten oder einer Grundsicherungsempfängerin im Sinne von § 183
SGG; vielmehr betreibt sie den Rechtsstreit als öffentlich-rechtliche
Gebührenschuldnerin. Als solche richtet sich die Kostenentscheidung nach § 197a
SGG.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gerichtsgebühr nach Nr 7504 des
Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (GKG) streitwertunabhängig
festzusetzen ist und im übrigen - mangels Beteiligung eines Rechtsanwaltes am
Beschwerdeverfahren - keine streitwertabhängigen Anwaltsgebühren entstanden sind,
die eine Festsetzung erfordern könnten.
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Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG bzw § 17a
Abs 4 GVG. Es hat kein Anlass bestanden, die weitere Beschwerde an das
Bundessozialgericht nach § 17a Abs 4 Satz 4 GVG zuzulassen.
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