Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.02.2009
LSG NRW: duldung, aufenthaltserlaubnis, erwerbstätigkeit, verfassungskonforme auslegung, allgemeine rechtslehre, besitz, abschiebung, ausschluss, irak, datum
Landessozialgericht NRW, L 13 EG 43/08
Datum:
27.02.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 13 EG 43/08
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 14 EG 29/06
Sachgebiet:
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
25.06.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht
zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Bewilligung von Erziehungsgeld für einen Zeitraum von etwa 14 Monaten.
2
Die Klägerin stammt aus dem Irak und ist Mutter des am 00.00.2006 geborenen Kindes
S. Die Klägerin reiste Ende der 90er Jahre nach Deutschland unter einem Aliasnamen
ein. Weder der damals im Pass eingetragene Name noch das angegebene
Geburtsdatum der Klägerin waren zutreffend. Weil das zuständige Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge massive Zweifel an den Schilderungen der
Klägerin hatte, wurde der Asylantrag der Klägerin mit Datum vom 21.08.2001 abgelehnt.
Hindernisse einer Abschiebung in ihr Heimatland wurden nicht festgestellt.
3
Am 11.08.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für S. Der Kindesvater stammt
wie die Klägerin aus dem Irak, hat aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hat die
Vaterschaft am 12.01.2006 anerkannt, und die Eltern haben eine Erklärung über ein
gemeinsames Sorgerecht für das Kind abgegeben. Im Zeitpunkt des Antrags besaß die
Klägerin trotzdem keinen Aufenthaltstitel, sondern - wie in den Jahren zuvor - lediglich
eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit bis zu einer
Zustimmung nicht erlaubt" und bezog Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz.
4
Der Beklagte lehnte daher den Leistungsantrag mit Bescheid vom 11.08.2006 ab und
verwies auf das Fehlen eines anspruchsberechtigenden Aufenthaltstitels.
5
Die Klägerin legte Widerspruch ein mit dem Hinweis, dass ihr Kind abgeleitet von der
Staatsangehörigkeit des leiblichen Vaters und der Geburt im Inland die deutsche
6
Staatsangehörigkeit erworben habe. Die behördliche Feststellung dieses Sachverhalts
sei noch nicht abgeschlossen, da ihre im Irak vorgenommene Ehescheidung von ihrem
früheren Ehemann noch nicht durch das zuständige Oberlandesgericht anerkannt
worden sei. Als Mutter eines deutschen Kindes sei ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach §
28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2006 wies der Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Der Erziehungsgeldanspruch sei bei Ausländern abhängig von
den im Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) konkret bezeichneten Aufenthaltstiteln.
Die Klägerin sei nicht im Besitz eines anspruchsbegründenden Aufenthaltstitels. Die
Voraussetzung des Aufenthaltstitels müsse durch den Antragsteller in eigener Person
erfüllt werden und könne nicht über eine andere Person hergeleitet werden. Es sei nicht
Aufgabe der Erziehungsgeldkasse zu prüfen, welcher Aufenthaltstitel der Klägerin
zustehe. Insoweit sei der Beklagte an die Entscheidung der Ausländerbehörde
gebunden.
7
Mit ihrer fristgerechten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Während des
Klageverfahrens hat die zuständige Ausländerbehörde der Klägerin eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG erteilt.
8
Der Beklagte hat daraufhin unter dem Datum vom 20.8.2007 einen Bescheid erlassen,
mit dem der Klägerin ab dem 08.08.2007 (15. Lebensmonat des Kindes)
Erziehungsgeld bewilligt wurde. Die Klägerin hat ihr Begehren weitererfolgt und
ausgeführt, es sei verfassungswidrig, den Anspruch auf Erziehungsgeld von der
Aushändigung des ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels abhängig zu machen. Die
gesetzliche Voraussetzung des Besitzes des anspruchsbegründenden Aufenthaltstitels
sei seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2004 nicht
grammatikalisch zu verstehen, sondern verfassungskonform auszulegen.
9
Mit dem angefochtenen Urteil vom 25.06.2008 hat das Sozialgericht die auf die
Gewährung weiteren Erziehungsgelds schon ab dem 30.05.2006 gerichtete Klage
abgewiesen.
10
Der Anspruch der Klägerin scheitere daran, dass sie bis einschließlich 07.08.2007 nicht
im Besitz eines nach § 1 Abs. 6 BErzGG anspruchsbegründenden Aufenthaltstitels
gewesen sei, sondern nur über eine Duldung verfügt habe.
11
Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (unter Hinweis auf B. v. 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95,
BVerfGE 111,176 ff.) sei es ein legitimies Ziel des Gesetzgebers, Erziehungsgeld nur
denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, von denen erwartet werden könne, dass
sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Nur müsse das gewählte
Differenzierungskriterium für diesen Zweck geeignet sein, um den Personenkreis
adäquat zu erfassen. Die formale Art des Aufenthaltstitels allein genüge insoweit nicht;
vielmehr komme es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auf den
verfestigten Aufenthaltsstatus eines Ausländers an.
12
Der Ausschluss geduldeter Ausländer vom Erziehungsgeldbezug sei nach Auffassung
der Kammer verfassungsrechtlich unbedenklich (m.w.Nw). Mit einer Duldung bestehe
grundsätzlich kein verfestigter ausländerrechtlicher Aufenthaltsstatus. Eine Duldung
nach § 60 a Abs. 2 AufenthG sei kein Aufenthaltstitel, sondern beeinhalte, dass eine
13
Abschiebung des Ausländers vorübergehend ausgesetzt ist.
Verfassungsrechtlich sei es auch unbedenklich, dass es nach der gesetzlichen
Regelung für den Anspruch auf Erziehungsgeld nicht darauf ankomme, ob der andere
Elternteil bzw. das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft oder einen der in § 1 Abs. 6
BErzGG genannten Aufenthaltstitel besitze. Es bestehe ein sachlicher Grund, nur den
Aufenthaltsstatus der das Kind betreuenden Person als Anspruchsvoraussetzung zu
regeln (wird ausgeführt).
14
Das Aufenthaltsrecht sei durch die Ausländerbehörde festzustellen; die
Erziehungsgeldbehörde verfüge insoweit über keine eigene Beurteilungskompetenz.
Dies diene der Verwaltungspraktikabilität. Gerade der schwierige Einzelfall der Klägerin
zeige, dass der Beklagte als Erziehungsgeldbehörde eine ausländerrechtliche Prüfung
fachlich kaum vornehmen könnte.
15
Mit ihrer rechzeitig eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Für
die Gewährung von Erziehungsgeld genüge es, wenn ein Ausländer einen Anspruch
auf Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis habe, jedenfalls wenn diese ihm später
tatsächlich erteilt werde. Zudem sei zur ähnlich gelagerten Frage der
Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Kindergeld für geduldete Ausländer ein
Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
16
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
17
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.06.2008 sowie die Bescheide des Beklagten
vom 11.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2006 bzw.
20.08.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab dem
30.05.2006 Erziehungsgeld zu bewilligen.
18
Der Beklagte beantragt,
19
die Berufung zurückzuweisen.
20
Er beruft sich auf die angefochtenen Bescheiden und das erstinstanzliche Urteil.
21
Entscheidungsgründe:
22
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne
mündliche Verhandlung entscheiden.
23
Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 30.05.2006 bis zum 08.08.2007
keinen Anspruch auf Erziehungsgeld.
24
Da die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht zum Kreis der freizügigkeitsberechtigten
Bürger zählt (§ 1 Freizügigkeitsgesetz-EU) kommt für sie nur ein Anspruch auf
Erziehungsgeld nach Maßgabe der Regelungen für sonstige ausländische
Staatsangehörige in Betracht.
25
Gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG a.F. war ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer
anspruchsberechtigt, wenn er entweder in Besitz einer Niederlassungserlaubnis (Nr. 1)
26
oder einer der in Nrn. 2 - 4 genannten Aufenthaltstitel ist. Die Klägerin verfügte nach
erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
nach § 28 AufenthG lediglich über eine Duldung und erfüllt somit keine der genannten
Voraussetzungen. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 BErzGG
n.F. vor, der gem. § 24 Abs. 3 BErzGG n.F. in allen Fällen, in denen eine Entscheidung
über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem
27.06.1993 und dem 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist, anzuwenden
ist, wenn dies für die Erziehungsgeld beantragende Person günstiger ist. Auch nach
dieser Bestimmung ist anspruchsberechtigt ein Ausländer nur, wenn er über eine
Niederlassungserlaubnis (Nr. 1) oder - unter weiteren Voraussetzungen - über eine
Aufenthaltserlaubnis (Nrn. 2, 3) verfügt. Eine Duldung nach § 56 AuslG bzw. § 60 a
AufenthG reicht somit in keinem Fall als "Aufenthaltstitel" zur Erlangung von
Erziehungsgeld aus (Senat Urt. v. 12.12.2008 - L 13 EG 14/08 -, Juris).
Ob der Klägerin möglicherweise nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG eine
Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für das Kind S auch im streitigen
Zeitraum zugestanden hat, war vom Senat ebenso wenig zu prüfen wie die Frage, ob ihr
diese Erlaubnis später zu Recht erteilt worden ist. Der Entscheidung der
Ausländerbehörde kommt für das Erziehungsgeldrecht Tatbestandswirkung zu (
ständige Rspr. des BSG, vgl. Urteile vom 9.2.1994 - 14/14b Reg 9/93 und 2.10.1997 - 14
Reg 1/97- und des erkennenden Senats, vgl. z.B. Urteile vom 24.10.2003 - L 13 EG
15/02 m.w.N. und -zuletzt- vom 17.10. 2008 - L 13 EG 17/08). Soweit der Anspruch auf
Erziehungsgeld voraussetzt, daß ein Ausländer "im Besitz" einer
Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis ist, muss die förmliche Feststellung
des Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des
Leistungszeitraums vorliegen. Die Erteilung des Aufenthaltstitels lässt den Anspruch auf
Erziehungsgeld nur für die Zukunft entstehen. Wie das BSG (Urteil vom 9.2.1994 -
14/14b Reg 9/93) dazu ausführt, ergibt sich das Erfordernis einer bereits im
Leistungszeitraum des Erziehungsgeldes vorliegenden Entscheidung der
Ausländerbehörde vor allem aus der Formulierung "im Besitz" in § 1 Abs. 1 Satz 2
BErzGG (i.d.F. des BEerzGGÄul) und wird durch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn
und Zweck der (damaligen) Neuregelung durch das BErzGGÄndG bestätigt (vgl. im
Einzelnen BSG a.a.O.). Mit Urteil vom 2.10.1997 (14 REg 1/97) hat das BSG bekräftigt,
dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels selbst dann nicht rückwirkende Kraft entfaltet,
wenn der Beginn der Geltungsdauer des Titels auf den Zeitpunkt vor seiner
tatsächlichen Erteilung zurück wirkt.
27
Der Senat sieht auch keinen juristischen Ansatzpunkt, um Elemente der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Europäisch-Türkischen
Assoziationsrecht auf den Fall der aus dem Irak stammenden Klägerin zu übertragen.
28
Für die von der Klägerin im Anschluss an das SG Berlin (Urt. v. 24.10.2007 - S 62 EG
10/06) geforderte verfassungskonforme Auslegung von S. 1 Abs. 6 BErzGG auf Fälle, in
denen ein Ausländer lediglich Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat,
eröffnet die Norm schon nicht den erforderlichen Auslegungsspielraum (vgl. K.F. u. H.C.
Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Auflage, S. 623). Die Vorschrift setzt in ihren
verschiedenen Tatbestandsvarianten jeweils den "Besitz" eines ausländerrechtlichen
Titels voraus und stellt damit, wie ausgeführt, auf die förmliche Erteilung eines
ausländerrechtlichen Titels ab. Eine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung
für eine analoge Anwendung auf Fälle des bloßen Anspruchs auf Titelerteilung wäre,
vermag der Senat nicht zu erkennen. Ohnehin teilt der Senat die verfassungsrechtlichen
29
Bedenken der Klägerin gegen den Ausschluss geduldeter Ausländer vom
Erziehungsgeldbezug nicht. Die gesetzliche Regelung ist mit Artikel 3 Abs. 1 GG
insoweit vereinbar, als allein der Besitz einer Duldung nicht zur einem Anspruch auf
Erziehungsgeld führt.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem
Gesetz gleich zu behandeln, wobei dem Gesetzgeber dabei nicht jede Differenzierung
verwehrt ist. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt ihm für die Abgrenzung
der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der allerdings
umso mehr begrenzt ist, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung
grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Hier ist der Schutz von
Ehe und Familie durch Artikel 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, der keine Beschränkung
auf Deutsche enthält. Ob eine gesetzliche Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz
des Artikel 3 Abs. 1 GG entspricht, hängt davon ab, ob für die betroffene Differenzierung
Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
Ungleichbehandlung rechtfertigen kann (BVerfG SozR 4 - 7833 § 1 Nr. 4 Rz 29). Für die
vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ausländern, die über einen
der in § 1 Abs. 6 AufenthG genannten Aufenthaltstitel verfügen und nur geduldeten
Ausländern bestehen, wie das SG richtig erkannt hat, hinreichende sachliche Gründe.
30
Außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Freizügigkeitsregelung darf der
Gesetzgeber den Bezug von Erziehungsgeld auf solche Ausländer beschränken, bei
denen prognostisch von der Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik
ausgegangen werden kann. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.07.2004
(aaO) es ausdrücklich als legitimes Ziel des Gesetzgebers bezeichnet, Erziehungsgeld
nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, von denen erwartet werden kann,
dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Es hat lediglich § 1 Abs. 1 a Satz 2 BErzGG
in der ab 27.6.1993 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des föderalen
Konsolidierungsprogramms vom 23.6.1993 (BGBl I, 944), der die Inhaber einer
Aufenthaltsbefugnis nach dem damaligen AuslG von der Bezugsberechtigung
ausschloss, für verfassungswidrig gehalten, weil das gewählte Differenzierungskriterium
nicht geeignet sei, den Personenkreis, bei dem kein dauerhafter Aufenthalt in der
Bundesrepublik zu erwarten sei, adäquat zu erfassen. Insoweit sage allein der
Aufenthaltstitel nichts darüber aus, dass prognostisch nur von einem vorübergehenden
Aufenthalt in Deutschland auszugehen sei.
31
Das BVerfG hat also lediglich die Differenzierung innerhalb der nach dem damaligen
Ausländerrecht vorgesehenen Aufenthaltstitel beanstandet. § 5 AuslG sah als
Aufenthaltstitel die Aufenthaltsgenehmigung in Form von Aufenthaltserlaubnis,
Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsbewilligung und Aufenthaltsbefugnis vor. Das seit
dem 1.1.2005 geltende AufenthG kennt als Aufenthaltstitel Visum, Aufenthaltserlaubnis,
Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EG (§ 4 Abs. 1 Satz 2
AufenthG). Die Aufenthaltstitel begründen einen rechtmäßigen Aufenthalt in der
Bundesrepublik (§ 4 Abs. 1 Satz 4 AufenthG); sie sind regelmäßig als Vorstufe eines
Daueraufenthalts anzusehen.
32
Eine Duldung ist aber kein Aufenthaltstitel, der zum Aufenthalt berechtigt. Geduldete
Ausländer erfüllen daher von vornherein nicht die Erwartung, dass sie auf Dauer in
Deutschland bleiben werden, Duldungen setzen vielmehr das Bestehen einer
vollziehbaren Ausreispflicht voraus.
33
Gem. § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er nicht
(mehr) einen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Ausreisepflicht kann ggf. im
Wege der Abschiebung (§ 58 Abs. 1 AufenthG) durchgesetzt werden. Eine Duldung wird
typischer Weise erteilt, wenn lediglich vorübergehende Abschiebeverbote oder -
hindernisse vorliegen (vgl. § 60 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die Duldung beseitigt aber
weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit, ausgesetzt wird lediglich der
Vollzug in Gestalt der Abschiebung (§ 60 a Abs. 3 AufenthG). Die wichtigste
unmittelbare Rechtsfolge der Duldung besteht somit (lediglich) darin, dass der
geduldete Aufenthalt nicht strafbar ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8.Auflage § 60a
Rdnr. 14). Nach - insoweit gegenüber dem AuslG unveränderter - Konzeption des
AufenthG überbrückt die Duldung als vorübergehender Vollstreckungsaufschub nur die
Zeit bis zur Abschiebung oder zur Erteilung eines Aufenthaltstitels. Wie § 25 Abs. 5 Satz
2 AufenthG zeigt, geht der Gesetzgeber dabei regelmäßig von einer Höchstdauer von
18 Monaten für die Duldung aus. Unerheblich ist, ob in der ausländerrechtlichen Praxis
nicht selten dieser Zeitraum überschritten wird (sog. "Kettenduldung"). Der Gesetzgeber
muss nicht solche - auch von der Praxis der jeweiligen Ausländerbehörde abhängigen -
Gestaltungen berücksichtigen, sondern darf für die Bestimmung des
anspruchsberechtigten Personenkreises an der Systematik des Aufenthaltsrechts
anknüpfen, nach der typischerweise davon auszugehen ist, dass eine Duldung
vorhersehbar nicht zur einem gesicherten Daueraufenthalt in der Bundesrepublik führen
wird. Erst mit der Erlangung eines Aufenthaltstitel verfestigt sich rechtlich der Aufenthalt
eines Ausländers derart, dass grundsätzlich Grund für die Annahme bestehen kann, er
werde auf Dauer in Deutschland bleiben. Somit ist der Ausschluss nicht geduldeter
Ausländer auch im Bezug auf Erziehungsgeld sachlich gerechtfertigt (ebenso zur
gleichgelagerten Regelung im Kindergeldrecht, BFH, Urteil vom 15.03.2007 - III R
93/03; Beschluss vom 25.07.2007 - III S 10/07 (PKH); a.A. FG Köln, Beschluss vom
09.05.2007 - 10 K 1690/07).
34
Im übrigen lässt sich dem Beschluss des BVerfGs vom 6.7.2004 (aaO) auch entnehmen,
dass der Ausschluss geduldeter Ausländer vom Bezug von Erziehungsgeld nicht zu
beanstanden ist. Das BVerfG hatte nämlich für den Fall, dass der Gesetzgeber die für
verfassungswidrig erklärte Fassung des BErzGG nicht bis zum 1.1.2006 durch eine
Neuregelung ersetzt, die Anwendung des bis zum 26.6.1993 geltenden Rechts auf noch
nicht abgeschlossene Verfahren angeordnet. Auch nach der bis zum 26.6.1993
geltenden Gesetzesfassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG (in der Fassung der
Bekanntmachung vom 21.2.1992) war für den Anspruch eines Ausländers der Besitz
eines Aufenthaltstitels in Form einer Aufenthaltberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder
Aufenthaltsbefugnis Voraussetzung. Das BVerfG hätte kaum die Anwendung dieser
Fassung angeordnet, wenn es eine Duldung als ausreichende Voraussetzung für einen
Anspruch auf Erziehungsgeld angesehen hätte.
35
Ebenso wenig überzeugt den Senat die von der Klägerin im Anschluss an das
Sozialgericht Berlin geforderte Gleichstellung der Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis
(nach § 23 Abs. 1 AufenthG) und einer Ausländerin, die lediglich einen noch nicht
erfüllten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Ziff. 3
AufenthG hat. Vielmehr liegt auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts zur Tatbestandswirkung ausländerrechtlicher Titel darin gerade
ein wesentlicher Unterschied, der eine Ungleichbehandlung bei der
Erziehungsgeldsgewährung rechtfertigt.
36
Im vorliegenden Fall ist zusätzlich die fehlende Anspruchsberechtigung dadurch
37
gerechtfertigt, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt über eine Arbeitserlaubnis
verfügte. In dem bereits mehrfach zitierten Beschluss vom 6.7.2004 hat das BVerfG
darauf hingewiesen, der Gesetzgeber handle im Einklang mit Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn
er die Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschließe, die aus Rechtsgründen
ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer
Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben
wolle, verfehle ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur
Betreuung des Kindes bereit sei, rechtlich nicht erlaubt sei (aaO Rz 33). § 1 Abs. 6
BErzGG verlangt dementsprechend neben einem Aufenthaltstitel die Erlaubnis zur
Ausübung einer Beschäftigung; in der Gesetzesbegründung wird zutreffend darauf
hingewiesen, damit werde der Zweck des BErzGG, nämlich die Wahlfreiheit zwischen
Familie und Erwerbstätigkeit zu sichern, berücksichtigt. Dieses Ziel könne nur erreicht
werden, wenn dem Elternteil, der das Kind betreue, eine Erwerbstätigkeit rechtlich
erlaubt sei (BT Drucksache 16/1383, 10). Somit rechtfertigt auch die Tatsache, dass die
Klägerin zum streitigen Zeitraum ausweislich des Akteninhalts nicht über eine
Arbeitserlaubnis verfügte, ihren Ausschluss von Bezug von Erziehungsgeld, da der
Zweck des BErzGG, nämlich die Sicherung der Wahlfreiheit zwischen Kinderbetreuung
und Erwerbstätigkeit, nicht erreicht werden konnte, wenn die Klägerin ohnehin einer
Erwerbstätigkeit rechtlich nicht nachgehen durfte.
Da die Berufung der Klägerin aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg
hatte, war auch ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts
abzulehnen.
38
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der
Entscheidung in der Hauptsache.
39
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat das Verfahren
angesichts der eindeutigen Rechtslage keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2
Nr. 1 SGG).
40