Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.04.2001
LSG NRW: kündigungsfrist, nebenberufliche tätigkeit, fristlose kündigung, beendigung, aufhebungsvertrag, arbeitsvermittlung, verfügung, arbeitslosenhilfe, firma, personalakte
Landessozialgericht NRW, L 12 AL 198/99
Datum:
04.04.2001
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 198/99
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 23 AL 93/97
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
30.08.1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch
im Berufungsverfahren unter den Beteiligten nicht zu erstatten. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Umstritten ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld vom 24.06. -
30.09.1996 wegen einer Abfindung ruht.
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Der im Februar 19 ... geborene Kläger war ab Juli 1980 als Leiter der Abteilung
Aussendienst bei der ... mbH & Co. KG ( ...) beschäftigt.
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Im Anstellungsvertrag vom 09.05.1980 war unter § 1 u. a. geregelt, dass der Kläger
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die anvertraut oder durch die Tätigkeit bekannt
geworden seien, auch nach Ausscheiden weder verwerten noch Dritten mitteilen dürfe.
Nach § 5 dieses Vertrages durfte der Kläger im gleichen Geschäftszweig weder ein
eigenes Gewerbe betreiben noch Geschäfte für eigene oder fremde Rechnungen
tätigen. Jede andere nebenberufliche Tätigkeit sei vorher der HBG schriftlich
anzuzeigen. Sie könne bei Beeinträchtigung der Pflichten aus dem
Anstellungsverhältnis untersagt werden.
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Mit Schreiben vom 21.02.1996 warf die ... dem Kläger vor, er verbreite die Ansicht, die ...
sei zu teuer gekauft worden und in 2 Jahren "pleite". Die Geschäftsführung wisse ja
nicht Bescheid. Er allein wisse Bescheid und könne die Geschäftsführung übernehmen.
Der Kläger werde hiermit ermahnt, derartige auch geschäftsschädigende Äußerungen
zu unterlassen, die von der ... nicht hingenommen werden könnten.
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Mit Schreiben vom 23.02.1996 sprach die ... gegenüber dem Kläger die Kündigung aus
betriebsbedingten Gründen - wegen Umsatzrückgangs und Umorganisation - zum
30.09.1996 aus. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht
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Bonn ( ...) erhoben; dieses Verfahren endete durch Klagerücknahme, nachdem der
Kläger mit der ... am 31.05.1996 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte; danach
sollte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.05.1996
enden und der Kläger eine Abfindung in Höhe von 130.000,00 DM erhalten.
Am 24.06.1996 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von
Arbeitslosengeld. In der von der HBG ausgefüllten Arbeitsbescheinigung war neben der
Abfindung angegeben, die maßgebliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers habe 6
Monate zum Ende des Vierteljahres betragen. Daraufhin stellte die Beklagte mit
Bescheid vom 15.08.1996 das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld
bis 07.12.1996 fest; dieser Bescheid wurde auf § 117 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG)
gestützt.
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Aus dem vom Kläger in der Zeit von Dezember 1995 bis Mai 1996 bezogenen
Bruttoarbeitsentgelt und dem Abfindungsbetrag errechnete die Beklagte ein Ruhen für
221 Kalendertage (Bl. 10 Verwaltungsakte) und begrenzte mit weiterem Bescheid vom
27.08.1996 das Ruhen nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG bis zum Ende der ordentlichen
Kündigungsfrist des Arbeitgebers am 30.09.1996. Mit einem weiteren Bescheid vom
27.08.1996 stellte die Beklagte fest, dass im Falle des Klägers nach § 119, 119 a AFG
eine Sperrzeit vom 01.06.1996 bis 23.08.1996 (12 Wochen) eingetreten sei.
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Gegen die o. g. Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein und führte aus: Er
habe sich ab Juni 1996 aktiv bei der Planung und Erarbeitung von Konzepten für die
Gründung einer seinem bisherigen Arbeitgeber entsprechenden Gesellschaft ( ...)
beteiligt und sei bei dieser ab 01.10.1996 auch als Geschäftsführer angestellt worden.
Damit habe er die konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz herbeigeführt und
sich ab 01.06.1996 an den planerischen Arbeiten der neuen Gesellschaft beteiligt. Weil
der Arbeitgeber wegen des Verstosses gegen das Konkurrenzverbot ein fristloses
Kündigungsrecht gehabt habe, komme auch ein Ruhen nach § 117 Abs. 3 S. 2 Ziffer 3
AFG nicht in Betracht. Mit Änderungsbescheid vom 29.04.1997 hob die Beklagte ihre
Bescheide vom 27.08.1996, betreffend Sperrzeit vom 01.06. - 23.08.1996 sowie Ruhen
des Leistungsanspruches gem. § 117 a AFG vom 01.10.1996 bis 07.12.1996 auf.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1997 wurde der Widerspruch des Klägers
ansonsten als teilweise unbegründet zurückgewiesen. Bezüglich des Ruhensbescheids
nach § 117 Abs. 2 u. 3 AFG hat die Beklagte im Wesentlichen ausgeführt: Nach der
ausführlichen Sachverhaltsdarstellung in der Begründung des Widerspruchs könne ein
vertragswidriges Verhalten, dass den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen
Kündigung veranlasst haben könnte, nicht festgestellt werden. Das vorausschauende
Verhalten des Klägers, dem letztlich mit der Aufhebung des Sperrzeitbescheides
Rechnung getragen sei, führe zu einer Situation, die es dem Kläger ermöglicht habe,
eben nicht gegen die Bestimmungen des Arbeitsvertrages (Konkurrenzverbot) zu
verstoßen. Bei der vorliegenden Fallgestaltung habe der Arbeitgeber das
Arbeitsverhältnis nicht aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungszeit
beendigen könne. Die bloße Möglichkeit, dass der Arbeitgeber bei einem
vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers ggfls. ein außerordentliches
Kündigungsrecht gehabt habe, reiche für die Anwendung des § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3
AFG nicht aus. Nach § 117 Abs. 2 S. 1 AFG ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld
vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei
Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers geendet habe, wenn der
Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung,
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Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe und das
Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung dieser Frist beendet worden sei. Das
Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch den Aufhebungsvertrag vom 31.05.1996 unter
Gewährung einer Abfindung ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des
Arbeitgebers mit Ablauf des 31.05.1996 beendet worden. Unter Einhaltung dieser Frist
sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.1996 möglich gewesen. Daher
ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zu diesem Tag.
Hiergegen hat der Kläger im Mai 1997 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben und
im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ferner hat
er ausgeführt, § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AFG verlange nicht den Ausspruch einer
Kündigung aus wichtigem Grund, sondern nur die diesbezügliche Berechtigung des
Arbeitgebers. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
sei dem Arbeitnehmer auch ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag jede
Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers untersagt.
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Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
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1. den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1996 betreffend "Ruhen des Anspruchs auf
Leistungen (Arbeitslosen geld/Arbeitslosenhilfe) gem. § 117 Abs. 2 und 3 AFG" und den
Widerspruchsbescheid vom 05.05.1997 aufzuheben,
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid zu erteilen, mit welchem diese
ihm Arbeitslosengeld/ Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.06.1996 bis 30.09.1996
bewilligt,
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3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Arbeitslosengeld/ Arbeitslosenhilfe entsprechend
dem neu zu erteilenden Bescheid gem. dem Antrag zu 2. zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
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Das Sozialgericht hat die Akte des Arbeitsgerichts Bonn mit dem AZ ... und die
Personalakte des Klägers von der früheren Arbeitgeberin ... beigezogen.
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Mit Urteil vom 30.08.1999 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Demnach § 242 x Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i. V.
m. § 117 Abs. 2 u. 3 AFG zutreffend festgestellten Ruhen bis zum Ende der ordentlichen
Kündigungsfrist des Arbeitgebers stehe nicht der Ausschluss nach § 117 Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 AFG entgegen; denn ein Kündigungsrecht der HBG, das Arbeitsverhältnis aus
wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen zu können, habe
nicht bestanden. Die Konkurrenzklausel des § 5 des Anstellungsvertrages untersage
das konkrete Betreiben eines eigenen Gewerbes im gleichen Geschäftszweig oder das
Tätigen von entsprechenden Geschäften für eigene oder fremde Rechnung. Solche
Geschäfte habe der Kläger aber erst ab 01.10.1996 betrieben. Die
Vorbereitungshandlungen für das Betreiben solcher Geschäfte ab 01.10.1996 seien von
der Konkurrenzklausel im Anstellungsvertrag nicht erfasst, weil letztere keine über die
Beendigung des Anstellungsverhältnisses weiter gehende Wirkung habe. Die
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Vorbereitung der späteren Konkurrenz falle nicht unter § 5 des Anstellungsvertrages.
Gegen dieses ihm am 09.09.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04. des
Folgemonats Berufung eingelegt. Zu deren Begründung führt er nunmehr aus: Die
Gründung der ... (seiner jetzigen Arbeitgeberin) habe er seit Frühjahr 1996 betrieben
und aktiv die ...- und ... angesprochen. Er habe sein gesamtes Wissen über die
Organisation und den Geschäftsablauf bei der ... nutzen können, um einerseits eine
entsprechende Konzeption für die ... zu erstellen; andererseits seien ihm Kunden,
Lieferanten usw. persönlich bekannt gewesen. Dementsprechend habe er im März 1996
ein Konzept für die Gründung der ... erstellt. Dieses habe er dem heutigen
Mitgesellschafter der ... dem Oberstleutnant L ..., noch Ende März 1996 vorgelegt. Ab
April 1996 habe Herr L ... auf der Grundlage dieses Konzepts in den jeweiligen
Kasernen die potentiellen Vertragspartner der ..., also die Heimbetriebe der ...und ...
angesprochen, und zwar auch solche Einrichtungen, die der ... angeschlossen gewesen
seien. Er selbst habe in der Folgezeit auch unmittelbar potentielle Kunden unter den ...
bzw. die potentiellen Lieferanten angesprochen; hierbei habe es sich um
Geschäftspartner der ... gehandelt. Diese Tätigkeit sei nicht mehr nur als reine
Vorbereitungshandlung zu werten. Vielmehr stelle diese Tätigkeit eine
Kontaktaufnahme unmittelbar bzw. zunächst mittelbar durch Herrn L ... dar. Nach
arbeitsrechtlichen Grundsätzen sei deshalb eine fristlose Kündigung der ... gerechtfertigt
gewesen. Ausreichend sei, dass objektiv entsprechende Kündigungsgründe vorhanden
seien, ohne dass es auf eine entsprechende Kenntnis des Arbeitgebers ankomme.
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Von März bis zum Abschluss des Vergleichs mit der ... habe er seine Tätigkeiten für die
neu zu gründende ... am Feierabend, an Wochenenden und in der sonstigen Freizeit
ausgeführt. Auch nach Abschluss des Vergleichs hätten diese Tätigkeiten nicht einen
Umfang umfasst, der nicht neben einer Vollzeitbeschäftigung habe ausgeführt werden
können. Er habe deshalb ab Juni 1996 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er sei im Übrigen auch im
September 1996 zwei Wochen lang im Urlaub gefahren; allerdings habe er dies der
Beklagten nicht mitgeteilt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.08.1999 zu ändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1996 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 05.05.1997 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld vom
24.06. - 30.09.1996 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Nach ihrer Auffassung kann es im Rahmen des § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG nur auf
die arbeitsrechtlichen Gründe ankommen, die vor Abschluss eines Vergleichs oder
Aufhebungsvertrags vorgelegen haben. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrags vom
31.05.1996 sei die frühere Arbeitgeberin des Klägers jedoch nicht berechtigt gewesen,
dass Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Die beabsichtigte Gründung einer
Konkurrenzfirma sei der früheren Arbeitgeberin zu die sem Zeitpunkt nicht bekannt
gewesen. Die Abfindung beinhalte des halb noch Arbeitsentgeltansprüche, so dass ein
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Ruhenstatbestand nach § 117 AFG vorgelegen habe. Im Übrigen habe der Kläger im
Vorverfahren selbst ausgeführt, sich erst ab 01.06.1996 - also nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag - an den Planungen der
Konkurrenzgesellschaft ... beteiligt zu haben.
Im Übrigen bezweifle die Beklagte, dass der Kläger aufgrund seiner ab 01.06.1996 für
die ... entfalteten Aktivitäten überhaupt noch arbeitslos gewesen sei bzw. dass er ab
diesem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung noch zur Verfügung gestanden habe.
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Der Senat hat Herrn ... L ..., den Mitgesellschafter der ..., als Zeugen gehört. Dieser hat
im Wesentlichen bekundet: Ende 1995 habe er beschlossen, eine Konkurrenzfirma zur
... zu gründen, nachdem bekannt geworden sei, dass letztere privatisiert werden würde.
Im Februar 1996 habe er von der bevorstehenden Kündigung des Klägers gehört. Da
dieser Insiderwissen gehabt habe, sei er - der Zeuge - auf den Kläger zugegegangen
und habe mit ihm den Aufbau einer neuen Firma besprochen, und zwar schon im
Februar 1996. Der Kläger habe dann bis Ende März 1996 ein Konzept für die
Firmengründung erstellt, welches er - der Zeuge - Mitte April 1996 auf einer
Versammlung von späteren Mitgesellschaftern der ... vorgestellt habe. Der Kläger habe
sein Wissen, insbesondere die Kundenkontakte einbringen sollen. Dieser habe ihm -
dem Zeugen - in der Folgezeit bei vor der ... geheimgehaltenen Treffen erzählt, dass er
vor seiner Konzepterarbeitung mögliche Handelspartner darauf angesprochen habe, ob
sie nach der Firmengründung mit der ... zusammenarbeiten würden. Bei einer solchen
Firmengründung benötige man mehrere 100 Firmen als Vertragspartner; es sei Aufgabe
des Klägers gewesen, diese Kontakte herzustellen. Bis März 1996 habe der Kläger dem
Zeugen mitgeteilt, dass er im Hinblick auf die neu zu gründene Firma schon mit Firmen
gesprochen habe, die mitmachen würden. Die Intensität der Vertragspartnerkontakte sei
dann bis Herbst 1996 gesteigert worden. In der Gründungsphase der ... habe der Kläger
auch eine Satzung sowie Konzepte für die Finanzierung entworfen, Verhandlungen mit
Banken geführt, Notartermine verabredet und Gespräche mit dem einzustellenden
Personal geführt. Er habe auch den Bedarf für erforderliche Räumlichkeiten, deren
Austattung (einschließlich der Bürogegenstände und des -materials) ermittelt. Wegen
des genauen Wortlauts der Zeugenaussage wird auf den Inhalt des Protokolls vom
04.04.2001 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagte, der Akte des
Arbeitsgerichts Bonn mit dem AZ. Ca .../ ... und der Personalakte des Klägers von der
früheren Arbeitgeberin ... Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
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Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat kein Anspruch
auf Arbeitslosengeld vom 24.06. - 30.09.1996. Die Beklagte hat zutreffend entschieden,
dass der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bis zum 30.09.1996 ruht. Aufgrund
des zwischen der ... und dem Kläger Geschlossenen Aufhebungsvertrags endete
dessen Arbeitsverhältnis zum 31.05.1996. Am 24.06.1996 meldete sich der Kläger
arbeitslos. Ob er aufgrund seiner mannigfaltigen, vom Zeugen L ... eindrucksvoll
geschilderten Tätigkeiten für die in Gründung befindliche ... zu diesem Zeit punkt
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überhaupt noch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, ist zweifelhaft. Dies kann
aber offen bleiben. Für die zwei wöchige, der Beklagten aber nicht mitgeteilte,
Urlaubsfahrt des Klägers im September 1996 ist die Verfügbarkeit jedoch in jedem Fall
zu verneinen (vgl. § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AFG i. V. m. § 3 Aufenthalts-AO). Selbst wenn
der Kläger jedoch ab 24.06.1996 der Arbeitsvermittlung noch im erforderlichen Umfang
zur Verfügung gestanden hätte, würde sein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 117
Abs. 2 AFG bis 30.09.1996 ruhen.
Nach der Übergangsvorschrift des § 242 x Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AFG ist § 117 Abs. 2, 3, 3a
u. 4 AFG im Fall des Klägers noch anzuwenden. Gem. § 117 Abs. 2 S. 1 AFG ruht der
Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag,
an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des
Arbeitgebers geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten hat und das Arbeitsverhältnis ohne
Einhaltung der vorgenannten Frist beendet worden ist. Im Einklang mit § 3 S. 4 des
Anstellungsvertrags i. V. m. § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB hat die frühere Arbeitgeberin des
Klägers - die ... - in der Arbeitsbescheinigung die Kündigungsfrist angesichts des seit
Juli 1980 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit 6 Monaten angegeben. Unter
Einhaltung dieser ordentlichen Kündigungsfrist hat sie das Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger auch mit Schreiben vom 23.03.1996 zum 30.09.1996 gekündigt.
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Unter Missachtung dieser Kündigungsfrist haben der Kläger und die frühere
Arbeitgeberin dann allerdings durch Aufhebungsvertrag vom 31.05.1996 mit Ablauf
desselben Tages das Arbeitsverhältnis gegen (u. a.) Zahlung einer Abfindung von
130.000,00 DM vorzeitig beendet. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 S. 1 AFG sind
damit im Fall des Klägers erfüllt.
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Entgegen seiner Auffassung greift zu seinen Gunsten auch nicht die Ausnahmeregelung
des § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AFG ein, wonach der Anspruch auf Arbeitslosengeld
längstens bis zu dem Tag ruht, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus
wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Zwar
geht der Senat nach der Vernehmung des Zeugen L ... entsprechend des sen
glaubwürdigen Angaben davon aus, dass der Kläger sich - im Gegensatz zu seinem
früheren Vorbringen - bereits seit Frühjahr 1996 maßgeblich an den Vorbereitungen zur
Gründung einer Konkurrenzfirma - der späteren ... - beteiligt hat; zu diesem Zeitpunkt
war die ... noch konkurrenzlos. Durch die schon ab diesem Zeitraum erfolgten
Verhandlungen des Klägers mit Vertragspartner der HBG und die Erstellung eines
Konzepts zur Gründung einer Konkurrenz firma dürfte er gegen § 1 S. 5 u. 7. des
Anstellungsvertrages verstoßen haben; danach war er im Verhältnis zur ... verpflichtet,
deren Interessen zu wahren und anvertraute Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
weder zu verwerten noch Dritten mitzuteilen. Nach Überzeugung des Senats hat der
Kläger gegen diese arbeitsvertraglichen Pflichten durch die vom Zeugen L ...
geschilderten Tätigkeiten für die in Gründung befindliche ... ab Februar 1996 verstoßen.
Angesichts der Tatsache, dass der Kläger schon unmittelbar vor der Kündigung eine
schriftliche Abmahnung der ... wegen geschäftsschädigender Äußerungen erhalten
hatte, ist davon auszugehen, dass diese ab Frühjahr 1996 zur fristlosen Kündigung des
Klägers berechtigt war, ohne diesen nochmals abmahnen zu müssen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. Urteile vom 23.06.1982 - 7 RAr
80/81 -, vom 08.12.1987 - 7 RAr 42/86 - und vom 20.01.2000 - B 7 AL 48/99 R -) sowie
der herrschenden Literatur (z. B. Niesel-Düe, AFG, 2. Auflage, § 117 Rdnr. 55; Gagel,
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AFG, § 117 (Stand 1998) Rdnr. 166), reicht nach § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AFG
grundsätzlich die Möglichkeit des Arbeitgebers zur fristlosen Kündigung aus, ohne dass
diese ausgesprochen worden sein muss. Grundgedanke dieser Vorschrift ist der, dass
eine Abfindung, die bei Vorliegen eines Grundes zur fristlosen Kündigung gewährt wird,
keine Abfindung von Arbeitsentgeltansprüchen für die Zeit nach dem Zeitpunkt der
möglichen fristlosen Kündigung enthält. Vielmehr kann in solchen Fällen unterstellt
werden, dass die gezahlte Abfindung allein der Entschädigung für den Verlust des
sozialen Besitzstandes dient (vgl. BT-Drucks 8/857, S. 9, zu Nr. 8, Abs. 3). Dies kann
jedoch nur dann unterstellt werden, wenn der Arbeitgeber vor Vereinbarung der
Abfindung von seinem Recht zur fristlosen Kündigung gewußt hat; denn nur in solchen
Fällen ist die Annahme gerechtfertigt, dass die vereinbarte Abfindung keine
Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält, weil dem Arbeitgeber bewußt
war, dass er bei Ausspruch der fristlosen Kündigung ohnehin nicht mehr zu weiteren
Lohnzahlungen verpflichtet sein würde (so wohl auch Gagel, § 117 Rdnr. 162, 163;
Niesel-Düe § 117 Rdnr. 54).
Diesbezüglich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2001 selbst
eingeräumt, er habe auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten den
Abfindungsvergleich möglichst schnell abschließen müssen, bevor die ... von seinen
Aktivitäten für die in Gründung befindliche ... erfahren hätte; ansonsten sei zu befürchten
gewesen, dass er eine solche Abfindung nicht mehr habe erzielen können. Diese
Einschätzung des Klägers wird durch die Vermerke in seiner Personalakte bestätigt.
Danach hatte die ... am 19.03.1996 im arbeitsgerichtlichen Verfahren zunächst
85.000,00 DM Abfindung angeboten; mit Aufhebungsvertrag vom 31.05.1996 wurde
dann eine Abfindung von 130.000,00 DM vereinbart. Dies wäre mit Sicherheit nicht
geschehen, wenn die ... zu diesem Zeitpunkt von den Aktivitäten des Klägers im
Zusammenhang mit der Gründung einer Konkurrenzfirma gewußt hätte.
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Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil war zu
bestätigen.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Der Senat hat nach § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG die Revision zugelassen; denn bislang
liegt höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Ausnahmeregelung des §
117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AFG voraussetzt, dass der Arbeitgeber vor Vereinbarung der
Abfindung die Gründe kennt, die ihn zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
berechtigen, nicht vor.
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