Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.10.2003
LSG NRW: psychotherapeutische behandlung, ärztliche behandlung, medizin, ambulanz, versorgung, krankenversicherung, klinik, empfehlung, anerkennung, label
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 62/02
Datum:
09.10.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 62/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 19 KR 115/99
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
26.11.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Umstritten ist, ob die beklagte Krankenkasse dem Kläger eine Behandlung mittels
Atlastherapie nach Arlen zu gewähren bzw. die dem Kläger die durch die
Selbstbeschaffung dieser Behandlung entstandenen Kosten zu erstatten hat.
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Bei dem am 1995 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Kläger liegt
eine zentrale Bewegungsstörung im Sinne einer Tetraparese, ein Zustand nach
Frühgeburt mit Kaiserschnitt und eine rechtsbetonte tonische Spitzfußstellung vor.
Durch Bescheid vom 09.06.1998 entschied die Beklagte über den vom Kläger gestellten
Antrag auf Beteiligung an den Kosten einer vorgesehenen Behandlung in der Ambulanz
für Manuelle Medizin der U-klinik C GmbH: In Betracht kämen lediglich Leistungen der
Chirotherapie, Massagen und sensomotorische Entwicklungs- und
Übungsbehandlungen; die Gewährung von Atlastherapie nach Arlen sowie
extrakorporaler Stoßwellentherapie sei nicht möglich. Auf die vom Kläger dagegen
erhobenen Einwendungen hin holte die Beklagte ein Gutachten des Dr. B,
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 12.08.1998 ein und lehnte
sodann durch Bescheid vom 15.10.1998, abgesandt am 21.10.1998, die Gewährung der
Atlastherapie nach Arlen sowie extrakorporale Stoßwellenbehandlung mit der
Begründung ab, dass es sich um nicht ausreichend erprobte bzw. nicht bewährte
Behandlungsverfahren handele.
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Dagegen legte der Kläger am 18.11.1998 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den
Widerspruchsbescheid vom 18.03.1999 zurückwies: In der vertragsärztlichen
Versorgung dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erbracht werden,
wenn sie in ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen sei gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Fünftes Buch
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Sozialgesetzbuch (SGB V) ermächtigt, Richtlinien über die Einführung neuer
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu beschließen. Die extrakorporale
Stoßwellentherapie (ESWT) sei in der Anlage B der Richtlinien aufgeführt, die die
Behandlungsmaßnahmen enthalte, die als vertragsärztliche Leistung nicht zu Lasten
der Krankenkassen erbracht werden dürften. Auch die Atlastherapie könne nicht
bewilligt werden, weil diese nach den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien ausgeschlossen
sei.
Der Kläger hat am 01.04.1999 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
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Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Atlastherapie nach Arlen könne durch die Heil-
und Hilfsmittelrichtlinien nicht ausgeschlossen werden, weil es sich bei der von ihm
begehrten Behandlungsmaßnahme um eine ärztliche Leistung handele. Die Beklagte
sei verpflichtet, ihm diese Behandlungsmaßnahme künftig zu gewähren bzw. ihm
entstandene Kosten zu erstatten, obwohl eine Empfehlung des Bundesausschusses der
Ärzte und Krankenkassen insoweit nicht vorliege. Es müsse davon ausgegangen
werden, dass diesbezüglich ein Systemmangel im Sinne der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts zu den neuen, nicht allgemein anerkannten
Behandlungsmethoden gegeben sei. Die Atlastherapie nach Arlen werde etwa von 250
Ärzten in Deutschland als Teil der manuellen Therapie zur Anwendung gebracht. Sie
habe wissenschaftliche Resonanz erfahren, so dass es sich als Systemmangel
darstelle, dass der Bundesausschuss sich mit dieser Behandlungsmethode nicht
auseinander gesetzt habe. Es könne auch nicht entscheidend sein, dass es sich bei den
Ärzten der Ambulanz für Manuelle Medizin in der U-klinik C GmbH nicht um
Vertragsärzte der Beklagten handele.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 09.06.1998 und 15.10.1998 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1999 zu verurteilen, ihm die für die
Atlastherapie nach Arlen entstandenen Kosten zu erstatten und diese Therapie künftig
zu leisten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass die Atlastherapie nach Arlen nicht zu den
von der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden Leistungen zähle.
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Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss Ärztliche
Behandlung, hat in seinen Auskünften vom 18.10.1999 und 05.11.1999 unter anderem
mitgeteilt, dass der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) vorgeschlagen
habe, sich auch im Arbeitsausschuss Ärztliche Behandlung mit der Atlastherapie nach
Arlen zu befassen. Dieser Vorschlag sei durch den Arbeitsausschuss bisher jedoch
nicht als prioritäres Beratungsthema angenommen worden.
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Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr.
E, Department of neurology, T-klinik, A. Der Sachverständige hat im Gutachten vom
22.01.2001 unter anderem ausgeführt: Der Kläger leide an den Folgen einer infantilen
Cerebralparese. In den letzten Jahren habe sich die manuelle Therapie als eine
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Reflextherapie in dem Behandlungskonzept der Cerebralparase bei Kindern
zunehmend durchgesetzt. Bei der Atlastherapie nach Arlen handele es sich um eine
Verfeinerung der Reflextherapie im Bereich der oberen Halswirbelsäule. Die
wissenschaftliche Erprobung sei nicht abgeschlossen, erste Studienergebnisse
zugunsten der Effektivität der Atlastherapie seien unter anderem in der Zeitschrift
Kinderheilkunde veröffentlicht worden. Die empirischen Erfahrungen wie auch einige
Grundlagenarbeiten seien als erste Stufe der wissenschaftlichen Studien wichtig und
auch haltbar.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.11.2001 abgewiesen. Wegen der
Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
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Gegen das ihm am 19.03.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.04.2002 Berufung
eingelegt.
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Zur Begründung bringt er vor: Bisher seien ihm aufgrund der Behandlung in der
Ambulanz für Manuelle Medizin in C 25.320,83 Euro an Kosten entstanden, die sich aus
den ärztlichen Behandlungskosten, Unterkunftskosten sowie Fahrtkosten
zusammensetzten. Die Beklagte sei verpflichtet, ihm diese Kosten zu erstatten und ihm
künftig die Behandlung mittels Arlen in der Ambulanz für Manuelle Medizin der
Rheintalklinik zu gewähren. Der Bundesausschuss sei dem Antrag des VdAK auf
Beratung der Behandlungsmethode nach Arlen nicht nachgekommen. Dies alleine
begründe ein Systemversagen. Aus dem Gutachten des Prof. Dr. E ergebe sich zudem,
dass die Atlastherapie nach Arlen im Begriff sei, sich als Standard bei der Behandlung
von Kindern mit einer infantilen Cerebralparese durchzusetzen. Schließlich ergebe sich
auch ein Anspruch unter Zugrundelegung der Entscheidungsgründe der "Off-Label-Use"
Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.03.2002.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.11.2001 zu ändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 15.10.1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.03.1999 zu verurteilen, 1. ihm für den Zeitraum bis
September 2001 25.320,83 Euro zu erstatten, 2. ihm künftig Atlastherapie nach Arlen in
der Ambulanz für Manuelle Medizin der Rheintalklinik zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den
übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
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Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erstattung der ihm in der Vergangenheit durch
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die Inanspruchnahme der Atlastherapie nach Arlen entstandenen Kosten in Höhe von
25.320,83 Euro noch auf künftige Gewährung dieser Therapie.
Als Rechtsgrundlage für den Klageantrag zu 1. kommt nur § 13 Abs. 3 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine
unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu
Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung
aufgewendeten Kosten zu erstatten. Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle
eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die
selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die
gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl.
Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 09.12.1997, Az.: 1 RK 23/95, SozR 3-2500 § 27
Nr. 9; BSG Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 11/98 R, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Dies trifft
auf die Atlastherapie nach Arlen nicht zu. Demgemäß besteht auch der vom Kläger mit
dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Sachleistungsanspruch auf künftige
Gewährung der Atlastherapie nach Arlen nicht.
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Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung,
wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2
dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung unter anderem die ärztliche
Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche oder psychotherapeutische
Behandlung. Die Atlastherapie nach Arlen zählt nicht zu den von der Beklagten
geschuldeten Leistungen. Dies folgt aus § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den von dem
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V
erlassenen Richtlinien (Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V, BUB-Richtlinien, Bundesanzeiger
Nr. 56 vom 21.03.2000). Da die Atlastherapie nach Arlen - was zwischen den Beteiligten
auch nicht umstritten ist - nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist,
handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1
SGB V. Solche neuen Methoden dürfen zu Lasten der Krankenkassen in der
vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen
und therapeutischen Nutzens abgegeben hat. Eine solche Empfehlung des
Bundesausschusses liegt für den Zeitraum, in dem der Kläger in der Vergangenheit
diese Therapie durch Ärzte der Ambulanz für Manuelle Medizin der U-klinik in C GmbH
in Anspruch genommen hat, nicht vor. Für die Zeit ab 22.06.2002 liegt sogar eine
negative Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
hinsichtlich der Atlastherapie nach Arlen vor, denn durch Beschluss vom 21.06.2002 ist
die oben genannte Therapie in die Anlage B, also der Methoden, die nicht als
vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen,
aufgenommen worden. Bei dieser Sachlage ist eine Erbringung der Atlastherapie nach
Arlen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossen
(vgl. insoweit BSG SozR § 135 Nrn. 4, 5, 7, 12, 14). Bei den Richtlinien handelt es sich
nach der neueren Rechtsprechung des BSG (grundlegend BSGE 78, 70, ferner BSG
a.a.O), der der Senat folgt (siehe etwa Senatsurteil vom 08.08.2000, Az.: L 5 KR 6/00,
Urteil vom 20.03.2001, L 5 KR 38/00) um untergesetzliche Rechtsnormen, die auch für
die Versicherten verbindlich festlegen, welche Leistungen Bestandteil der
vertragsärztlichen Versorgung sind. Ein Versicherter, der eine Leistung begehrt, für die
eine positive Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in den
Richtlinien nicht vorliegt bzw. eine Leistung verlangt, die in die Anlage B aufgenommen
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worden ist, hat keinen Anspruch auf die entsprechende Leistung.
Hier kommt ein Anspruch des Klägers auch nicht ausnahmsweise deshalb in Betracht,
weil die fehlende Anerkennung der neuen Behandlungsmethode (Atlastherapie nach
Arlen) darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz
Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen
Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden ist. In einem solchen
Fall widerspricht die Nichtberücksichtigung der Methode in den BUB-Richtlinien
höherrangigem Recht, nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs. 1
Satz 3 SGB V entsprechenden Behandlungsanspruchs in § 27 Abs. 1 SGB V. Das
präventive Verbot in § 135 Abs. 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; insoweit es
dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter
Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die
Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden
Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung
benötigte Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des
Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muss zu Gunsten des
Versicherten geschlossen werden (BSG Urteil vom 28.03.2000, SozR 3-2500 § 135 Nr.
14 m.w.N). Konkrete Hinweise darauf, dass das zur Anerkennung der Atlastherapie
erforderliche Verfahren vor dem Bundesausschuss aus sachfremden Erwägungen nicht
zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt worden ist, liegen nicht vor. Der
Bundesausschuss selbst hatte sich zunächst dahingehend geäußert, dass
entsprechende Anträge bisher nicht gestellt worden seien. Zu einem späteren Zeitpunkt
ist dann von Seiten des VdAK die Anregung geäußert worden, die entsprechende
Therapie zu beraten. Dass bei den Beratungsthemen eine Rangfolge nach Dringlichkeit
wie die Antwort des Bundesausschusses erkennen lässt, vorgenommen werden muss,
erscheint durchaus sachdienlich. Es muss auch nicht abschließend entschieden
werden, ob eine Kapazität zur Beratung von 10 Themen pro Jahr den Anforderungen
entspricht. Denn auch wenn man zu Gunsten des Klägers Versäumnisse des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unterstellt, begründet das keine
Leistungspflicht der Beklagten. Die in diesem Falle ersatzweise vom Gericht
anzustellende Prüfung (vgl. BSG Urteil vom 28.03.2000 a.a.O) führt zu dem Ergebnis,
dass die Atlastherapie nach Arlen als Behandlungsmethode bislang nicht dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
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Dies ist auch im Falle des sogenannten Systemversagens erst dann der Fall, wenn die
Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in einer für die
sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund
wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt ist. Nur ausnahmsweise, wenn
ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen
unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf
darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der Praxis
durchgesetzt hat (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind
im Falle der Atlastherapie nach Arlen nicht erfüllt. Der Sachverständige Prof. Dr. E hat in
seinem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass erste Ergebnisse der
durchgeführten grundlegenden Arbeiten durchaus erfolgversprechend seien. Er hat
ferner dargelegt, dass in der Schweiz gerade erst eine randomisierte Studie zur
Erprobung der Atlastherapie nach Arlen angelaufen sei. Bei dieser Sachlage kann nicht
davon ausgegangen werden, dass die Atlastherapie nach Arlen in ihrer Wirksamkeit
wissenschaftlich belegt sei. Ein Wirksamkeitsnachweis im Sinne der Rechtsprechung
des BSG kann erst angenommen werden, wenn die fragliche Untersuchungs- und
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Behandlungsmethode das in der Regel mehrjährige Erprobungsstadium - üblicherweise
an Universitätskliniken und anderen orthopädischen Zentren - "erfolgreich durchlaufen
hat". Dies ist nicht der Fall.
Darüber hinaus kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die in Anspruch
genommene Therapie in der Praxis bereits durchgesetzt hat. Die Klägerseite spricht
selbst davon, dass etwa 250 bis 300 Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland diese
Behandlungsmethode anwenden. Das ist angesichts der Gesamtzahl praktizierender
Ärzte auch auf dem hier in Rede stehenden Fachgebiet keine so große Anzahl, dass
hier davon ausgegangen werden könnte, dass sich die fragliche Behandlungsmethode
in der Praxis bereits durchgesetzt habe.
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Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch aus der "Off-Label- Use"-
Entscheidung des BSG vom 19.03.2002 (B 1 KR 37/00 R) nichts anderes. Diese betraf
eine völlig andere Fallkonstellation, nämlich die Frage, inwieweit eine
Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen bei einer Behandlung mit
Arzneimitteln ausserhalb des Anwendungsgebiets der jeweiligen arzneimittelrechtlichen
Zulassung besteht.
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Da die Atlastherapie nach Arlen nicht zu den von der Beklagten geschuldeten
Leistungen zählt, kommt auch eine Gewährung von mit dieser Behandlung in
Zusammenhang stehenden Nebenleistungen (Fahrtkosten, Unterkunftskosten usw.)
nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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