Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.08.2002

LSG NRW: akupunktur, kopfschmerzen, anästhesie, krankenkasse, krankenversicherung, start, kostenbeteiligung, rechtskraft, versorgung, vergütung

Landessozialgericht NRW, L 16 KR 44/02
Datum:
08.08.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 44/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 13 KR 90/01
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Aachen vom 18.01.2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist die Erstattung der Kosten einer in der Zeit vom 15.03. bis 05.07.2001
durchgeführten Akupunkturbehandlung in Höhe von DM 1.200,-- = EURO 613,55.
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Der 1923 geborene Kläger erkrankte im Januar 2001 an einem Zoster trigeminus I links.
Sein behandelnder Hautarzt überwies ihn am 09.03.2001 an einen Arzt für Anästhesie
wegen postzosterischer Neuralgie. Die Ärztin für Anästhesie Dr. K ... behandelte den
Kläger ausweislich der vorgelegten Liquidation ab 15.03.2001 mit Akupunktur.
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Am 30.03.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der
Behandlungskosten unter Vorlage eines Attestes der Frau Dr. K ... vom 20.03.2001.
Danach legte er die Liquidationen der Frau Dr. K ... vom 27.04. bzw. 05.07.2001 vor,
über Akupunkturbehandlungen am 15., 16., 19., 20., 23. und 28.03., 04., 12., 19., 27.04.,
11., 28.05., 08. und 22.06. sowie 05.07.2001 über einen Gesamtbetrag von DM 1.200,--
(15 Sitzungen à DM 80,--).
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Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme der Akupunkturbehandlungen mit
Bescheiden vom 21.05.2001 und 16.08.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 ab.
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Hiergegen hat der Kläger am 26.11.2001 Klage erhoben. Er machte geltend, seine
Akupunkturbehandlung habe während des Modellversuchs zur Akupunktur
stattgefunden, den die Beklagte gemeinsam mit weiteren Ersatzkassen gestartet habe.
Informationen hierüber habe er im KKH-Journal 2001, Heft 3, Seite 5, gefunden. Der
Kläger betont, er habe die Ärztin für Anästhesie nicht aus eigenem Antrieb konsultiert.
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Vielmehr habe ihn sein Hausarzt in Schmerzbehandlung überwiesen. Die
Akupunkturbehandlung habe ihm nachhaltig geholfen. Der Kasse seien dadurch andere
Aufgaben erspart geblieben. Einen Antrag bei der Beklagten habe er vor Aufnahme der
Behandlung gestellt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäss beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 21.05.2001 und 16.08.2001 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 zu verurteilen, die Kosten der
Akupunkturbehandlung in der Zeit vom 15.03. bis 05.07.2001 in Höhe von EURO
613,55 (DM 1.200,--) zu erstatten.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgebracht, die erste Akupunktursitzung des Klägers habe bereits am
15.03.2001 und damit vor der Antragstellung mit Schreiben vom 28.03.2001
stattgefunden. Bis zum Tag der Antragstellung seien bereits sechs Akupunktur
sitzungen durchgeführt gewesen. Insofern sei der Beschaffungsweg vom Kläger nicht
eingehalten worden. Eine Kostenbeteiligung müsse aber schon deshalb ausscheiden,
da es sich bei der Akupunkturbehandlung um eine "neue Behandlungsmethode" im
Sinne des § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung
(SGB V) handele. Diese dürften nur zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden, wenn
der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hierzu eine Empfehlung in einer
Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V abgegeben habe. Mit Beschluss vom
16.10.2000 habe der Bundesausschuss die Akupunktur aber grundsätzlich als Leistung
der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Akupunktur für die Indikationen
"chronische Kopfschmerzen, chronische LWS-Schmerzen und chronische
osteoathritische Schmerzen" habe er in Modellversuchen zugelassen. Die Behandlung
des Klägers sei aber außerhalb des Modellversuchs durchgeführt worden.
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Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid
vom 18.01.2001 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Kostenerstattungsanspruch. Bei
der Akupunkturbehandlung handele es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im
Sinne der ersten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V. Denn der Kläger sei bereits sechs
Wochen in augen- und hautärztlicher Behandlung gewesen, bevor er sich in die
schmerztherapeutische Behandlung bei Frau Dr. K ... begeben habe. Die
Akupunkturbehandlung gehöre auch nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen
geschuldeten Leistungen. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe
am 16.10.2000 beschlossen, die Akupunktur in die Anlage B der Richtlinien über die
Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) als
Behandlungsmethode aufzunehmen, die grundsätzlich nicht als vertragsärztliche
Leistung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden darf. Ausnahmen seien lediglich
zur Behandlung im Rahmen von Modellversuchen bei bestimmten Indikationen
zugelassen worden. Die Behandlung des Klägers sei aber nicht im Rahmen eines
genehmigten Modellversuches erfolgt und die Voraussetzungen für die Teilnahme an
einem Modellversuch nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesausschusses der
Ärzte und Krankenkassen hätten nicht vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird
auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
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Gegen diesen ihm am 26.01.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
25.02.2002 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und wendet sich gegen
den Ausschluss der Akupunkturbehandlung aus der kassenärztlichen Versorgung. Der
Erfolg einer Akupunkturbehandlung werde ad absurdum geführt, wenn diese Methode
erst sechs Monate nach Krankheitsbeginn praktiziert werde. Er habe Frau Dr. K ... zur
Behandlung seiner Kopfschmerzen und nicht zur Behandlung seiner Zostererkrankung
konsultiert. Ein Teil der Akupunktursitzung habe erst stattgefunden, nachdem der
Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über das
Modellvorhaben in Kraft gewesen sei.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäss,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 18.01.2002 zu ändern und nach
dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen, hilfsweise die Kosten für sechs
Akupunkturbehandlungen zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie hält den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Kläger habe auch
keinen Anspruch auf Kostenbeteiligung für Akupunkturbehandlungen die nach dem
Start des Modellversuchs am 20.06.2001 stattgefunden hätten. Er interpretiere insofern
den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2001 falsch. Seine Behandlung sei nicht im
Rahmen eines genehmigten Modellversuchs und nicht nach den Bedingungen der
Kooperationsvereinbarung der am Modellversuch Beteiligten erfolgt. Die Anbindung an
die wissenschaftliche Begleitung habe nicht erfolgen können. Eine Vergütung von
Akupunktbehandlung außerhalb des Modellversuches mittels
Krankenversicherungskarte scheide aus. Im übrigen sei die Behandlung nicht wegen
der Indikation "chronische Kopfschmerzen" durchgeführt worden, sondern wegen einer
Zosterneuralgie bzw. Postzosterneuralgie.
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Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen
weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem beide
Beteiligten sich hiermit schriftlich einverstanden erklärt haben, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 21.05.2001 und 16.08.2001 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 sind rechtmäßig.
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Auch zur Überzeugung des Senats hat der Kläger keinen Anspruch auf
Kostenerstattung für die in der Zeit vom 15.03. bis 05.07.2001 durchgeführte
Akupunkturbehandlung. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die
Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht erfüllt sind.
Denn es handelte sich vorliegend weder um eine Notfallbehandlung im Sinne der ersten
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Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V, noch ist die zweite Alternative dieser Norm
(rechtswidrige Ablehnung) erfüllt. Insbesondere zählt die Akupunktur nicht zu den von
der Beklagten geschuldeten Leistungen. Der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkasse hat in seiner Sitzung am 16.10.2000 beschlossen, die Akupunktur in die
Anlage B (nicht anerkannte Methoden) der BUB-Richtlinien zu übernehmen (Nr. 31,
BAnz Nr. 12 vom 18.01.2001). Eine Ausnahme gilt nur für die Indikationen "chronische
Kopfschmerzen, chronische LWS-Schmerzen und chronische osteoathritische
Schmerzen", soweit die Behandlung in Modellversuchen, welche die vom
Bundesausschuss aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, erfolgt. Der Senat sieht
insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die
Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet
zurückweist, § 153 Abs. 2 SGG.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis.
Denn die streitgegenständlichen Akupunkturbehandlungen haben außerhalb eines
Modellprojektes stattgefunden. Die Termine der ersten Behandlungsserie lagen zeitlich
vor dem Start des Modellversuchs am 20.06.2001. Die gesamte Akupunkturbehandlung
des Klägers erfolgte nicht unter wissenschaftlicher Begleitung und nicht zu den
Bedingungen, welche die am Modellversuch beteiligten Ersatzkassen und Akupunktur-
Fachgesellschaften entsprechend den Vorgaben des Bundessausschusses in seinem
Beschluss vom 16.10.2000 festgelegt haben. Unabhängig davon hätten im Falle des
Klägers die abschließend aufgeführten Indikationen für eine Teilnahme am
Modellversuch nicht vorgelegen. Denn die Ärztin für Anästhesie Dr. K ... hat sowohl in
ihrem Attest vom 20.03.2001 als auch in ihren Liquidationen vom 27.04. und 05.07.2001
als Diagnose "Postzosterneuralgie bzw. Zoster-Neuralgie" angegeben. Ob der Kläger
die weiteren Voraussetzungen für die Teilnahme am Modellverfahren - etwa die von ihm
als wenig sinnvoll erachtete - mindestens sechs Monate dokumentierte Vorbehandlung
wegen der zu prüfenden Indikation erfüllt hätte, spielt danach keine Rolle.
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Der Beklagten ist es nach allem mangels gesetzlicher Grundlage verwehrt, dem Kläger
die Kosten der Akupunktur-Behandlung zu erstatten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn.
1 und 2 SGG.
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