Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.01.2005
LSG NRW: rücknahme der klage, verjährungsfrist, verwirkung, arbeitslosenhilfe, fälligkeit, erlass, ausnahmefall, öffentlich, verwaltungsakt, klagerücknahme
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 12 AL 21/04
19.01.2005
Landessozialgericht NRW
12. Senat
Urteil
L 12 AL 21/04
Sozialgericht Aachen, S 10 AL 152/03
Arbeitslosenversicherung
nicht rechtskräftig
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen
vom 17.12.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind
auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger nach der bestandskräftigen Aufhebung der Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe auch zur Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung verpflichtet ist, die die Beklagte während des - aufgehobenen - Bezugs
von Arbeitslosenhilfe (Alhi) abgeführt hat.
Der am 00.00.1943 geborene Kläger bezog bis 12.01.1996 Arbeitslosengeld. In der
Folgezeit wurde ihm ab 13.01.1996 Alhi in Höhe von Anfangs 20,46 DM täglich bewilligt.
Diese Alhi bezog er durchgehend bis 31.07.1998 in Höhe von zuletzt 22,59 DM täglich.
Zum 01.08.1998 fand der Kläger für kurze Zeit eine Beschäftigung als technischer
Zeichner. Im Zusammenhang mit der Wiederbeantragung von Alhi überprüfte die Beklagte
die Vermögensverhältnisse des Klägers. Sie gelangte zu der Erkenntnis, dass der Kläger
und seine Ehefrau bereits bei der erstmaligen Beantragung von Alhi im Januar 1996 und
auch noch im Jahr 1998 über Immobilienvermögen und Mieteinnahmen verfügten, welche
die Bedürftigkeit ausschlössen. Die Beklagte versagte daraufhin mit Bescheid vom
09.10.2000 die erneute Bewilligung von Alhi. Außerdem hob sie mit Bescheid vom
07.11.2000 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 31.01.1996 bis 31.07.1998 gem. § 45
Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) auf und forderte den
Leistungsbetrag in Höhe von insgesamt 19.604,98 DM vom Kläger zurück. Ausdrücklich
heißt es in dem Bescheid, dass in diesem Betrag die überzahlten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge noch nicht enthalten seien und hierüber ein gesonderter
Bescheid erteilt werde.
Der Kläger war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, weil er meinte, der Wert der
Immobilie sei unzutreffend ermittelt worden und die auf sie entfallenden Ausgaben seien
teilweise unberücksichtigt geblieben. Die Bewilligung von Alhi sei ab 13.01.1996 zu Recht
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erfolgt. Der Widerspruch des Klägers wurde seinerzeit mit Widerspruchsbescheid vom
10.04.2001 als unbegründet zurückgewiesen. Die von dem Kläger vor dem Sozialgericht
Aachen unter dem Aktenzeichen S 15 AL 79/01 erhobene Klage wurde am 28.11.2002
zurückgenommen. Auch in dem Gerichtsverfahren wurde darüber gestritten, welcher
Verkehrswert zu Grunde zu legen sei, welche Abzüge zu machen seien und ob dem Kläger
überhaupt Mieteinnahmen zuzurechnen gewesen seien. Trotz der schriftsätzlich
vorgetragenen unterschiedlichen Auffassungen zur Berücksichtigungsfähigkeit der
Immobilie endete der Rechtsstreit aufgrund eines Erörterungstermins am 28.11.2002 mit
folgender Protokollierung: "Die Bevollmächtigte des Klägers erklärt: Im Einvernehmen mit
dem Kläger nehme ich die vorliegende Klage zurück. Zur Begleichung des
Erstattungsbetrages in Höhe von 19.604,98 DM beantrage ich jedoch, dem Kläger
Ratenzahlung in Höhe von 835,00 Euro monatlich einzuräumen.
Der Beklagten-Vertreter erklärt: Dem Kläger werden zur Begleichung des
Erstattungsbetrages von 19.604,98 DM monatliche Raten in Höhe von 835,00 Euro
beginnend ab 01.01.2003 eingeräumt.
Die Anträge und sonstige Erklärungen der Beteiligten werden vorläufig aufgezeichnet,
dann vorgelesen bzw. abgespielt und von den Beteiligten genehmigt."
Nach der Klagerücknahme in dem Verfahren S 15 AL 79/01 leitete die Beklagte ein
Anhörungsverfahren bzgl. der Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
ein. Danach verlangte sie mit Bescheid vom 30.01.2003 die Erstattung der für die Zeit vom
13.01.1996 bis 31.07.1998 abgeführten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe
von 17.785,46 DM (= 9.093,56 Euro). Mit seinem Widerspruch vom 13.02.2003 machte der
Kläger geltend, die Forderung sei inzwischen verjährt. Die Beklagte wies den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2003 als unbegründet zurück und verwies zur
Begründung auf § 335 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III). Die Fälligkeit der
Beitragsrückerstattung sei in Verbindung mit der fällig gewordenen Hauptforderung zu
sehen. Aus der Perspektive dieser Fälligkeit bestimme sich der vierjährige
Verjährungszeitraum, so dass Verjährung nicht eingetreten sei.
Hiergegen hat der Kläger am 08.07.2003 Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben. Er
hat geltend gemacht, die Beitragserstattungsforderung sei verjährt. Die maßgebliche
Verjährungsfrist habe am 01.08.1998 zu laufen begonnen und sei am 31.07.2002
abgelaufen. Die Beklagte habe es versäumt, seinerzeit mit dem Aufhebungsbescheid vom
07.11.2000 ebenfalls die geleisteten Zahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung
zurückzufordern. Der maßgebliche Verjährungszeitraum beginne keinesfalls mit der
Rechtskraft der Hauptforderung, sondern mit der Geltendmachung der Hauptforderung, da
die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die Nebenleistungen hätte zurückfordern
können.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.06.2003 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung festgehalten.
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Eine Verjährung sei nicht eingetreten für die Beitragserstattungsforderung. Der Beginn der
Verjährungsfrist orientiere sich am Zeitpunkt der Fälligkeit der Hauptforderung bzgl. der
Aufhebung der Alhi.
Mit Urteil vom 17.12.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat das Sozialgericht wörtlich ausgeführt: "Der Kläger ist durch den Bescheid der
Beklagten vom 30.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2003
nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen der
Einschätzung des Klägers ist der von der Beklagten geltend gemachte
Erstattungsanspruch betreffend die geleisteten Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung für den Zeitraum 13.01.1996 bis 31.07.1998 nicht verjährt.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 335 Abs. 1 bzw. Abs. 5 SGB III.
Wurden von der Bundesanstalt für einen Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe
oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, so hat der
Bezieher dieser Leistungen der Bundesanstalt die Beiträge zu ersetzen, soweit die
Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert
worden ist (§ 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für die Beiträge der Bundesanstalt zur sozialen
Pflegeversicherung für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist
Abs. 1 entsprechend anzuwenden (§ 335 Abs. 5 SGB III).
Dass die nach §§ 335 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 5 SGB III erforderlichen
Tatbestandsvoraussetzungen für einen Erstattungsanspruch vorliegen, ist zwischen den
Beteiligten grundsätzlich unstreitig, Der Kläger hat vom 13.01.1996 bis 31.07.1998 von der
Beklagten Alhi bezogen und war in dieser Zeit nach den oben genannten Vorschriften
versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen
Pflegeversicherung. Für die Zeit vom 13.01.1996 bis 31.07.1998 ist durch bindend
gewordenen Bescheid die Bewilligungsentscheidung der Beklagten rückwirkend
aufgehoben und die gewährte Alhi von Kläger zurückgefordert worden. Hiernach sind die
Voraussetzungen, unter denen der Kläger als Bezieher von Alhi der Beklagten die von ihr
gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu ersetzen hat, für den streitigen
Zeitraum vom 13.01.1996 bis 31.07.1998 erfüllt.
§§ 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III begründen einen öffentlich- rechtlichen
Erstattungsanspruch, der durch Verwaltungsakt durchgesetzt werden kann (BT-Drucksache
12/3211 Seite 28 zu § 157 Abs. 3 a AFG).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass auch dieser
öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer 4-jährigen Verjährungsfrist unterliegt, weil
diese Frist ein allgemeines Prinzip des Sozialrechts darstellt (vgl. BSGE 42, 135, 137, 138).
Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung ist jedoch nach Einschätzung der
Kammer nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern die Unanfechtbarkeit der
Erstattungsforderung. Dies ergibt sich nach Einschätzung der Kammer aus § 50 Abs. 4
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, die als sachnächste Verjährungsregelung auf § 335 SGB
III entsprechend anzuwenden ist. Entscheidend ist demzufolge der Zeitpunkt der
Bestandskraft des Bescheides, in dem eine konkrete Zahlungspflicht begründet wird; die
Feststellung des Rückforderungsanspruches genügt nicht (BSG in SozSich 1982, 192).
Sind Aufhebung und Erstattung getrennt angeordnet worden, ist maßgeblich der
Erstattungsbescheid. Der Zeitpunkt der Überzahlung ist für den Eintritt der Verjährung nach
§ 50 Abs. 4 dabei unerheblich. Da mithin vor der Unanfechtbarkeit des
Feststellungsbescheides keine Verjährungsfrist läuft, kann der Kläger sich im vorliegenden
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Fall nicht auf eine Verjährung der geltend gemachten Erstattungsforderung berufen."
Gegen dieses dem Kläger am 08.01.2004 zugestellte Urteil richtet sich seine am
22.01.2004 eingegangene Berufung. Der Kläger beruft sich weiterhin auf Verjährung und
macht zusätzlich auch Verwirkung geltend. Er habe darauf vertraut, dass mit der
Rücknahme der Klage in dem Verfahren des Sozialgerichts Aachen - S 15 AL 79/01 - der
Gesamtkomplex bereinigt worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass mit der Rücknahme
der Klage keine weiteren Ansprüche auf ihn zu kämen. Dies sei seinerzeit in der
mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht auch ausdrücklich so vereinbart worden.
Im Übrigen bestehe auch die Erstattungsforderung bzgl. der Alhi zu Unrecht. Die Beklagte
habe seinerzeit zu Unrecht die Mieteinkünfte des Hauses in Gressenich zu Grunde gelegt.
Mieteinkünfte habe er nicht gehabt. Alle Mieten seien ausschließlich für die Modernisierung
und Reparaturen am Gebäude verwendet worden, so dass die Einnahmen und der Wert
des Hauses überhaupt nicht hätten auf die Alhi angerechnet werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.12.2003 zu ändern und den Bescheid der
Beklagten vom 03.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2003
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Vorstreitakte des Sozialgerichts Aachen S 15 AL 79/01 und der den
Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten mit der Kundennummer 000 (2
Bände) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat nach der bestandskräftigen Aufhebung der Bewilligung von Alhi auch die für
die Zeit der Aufhebung gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu
erstatten. Dies folgt aus § 335 Abs. 1 und 5 SGB III. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
Der Senat folgt den Ausführungen des Sozialgerichts, die er nach eigener Überprüfung in
vollem Umfang für zutreffend hält und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
In Ergänzung der Ausführungen des Sozialgerichts sei noch darauf hingewiesen, dass
auch kein Ausnahmefall im Sinne der BSG-Rechtsprechung vorliegt. Mit Urteil vom
21.11.2002 - B 11 AL 79/01 R - hat das BSG entschieden, dass eine Verpflichtung zur
Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei pflichtgemäßem Handeln
des Leistungsbeziehers entfalle (vgl. auch Niesel SGB III, 2. Auflage 2002 § 335 Rdnr. 9).
Auch wenn die Bewilligung von Alhi rückwirkend aufgehoben worden sei, komme die
Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung dann nicht in Betracht, wenn
dem Betreffenden keine Obliegenheitenverletzung zur Last gelegt werden könne.
Entspreche der Leistungsempfänger seiner in § 60 SGB I geregelten Obliegenheit zur
Mitteilung von Änderungen der Verhältnisse, die für die Leistung erheblich seien, so
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entfalle die Ersatzpflicht hinsichtlich der von der Beklagten gezahlten Beiträge unabhängig
davon, ob die Beklagte in Folge der Mitteilung die Leistungsüberzahlung noch hätte
vermeiden können. Der Ersatzanspruch des § 335 Abs. 1 SGB III entfalle deshalb selbst
dann, wenn der Leistungsempfänger zwar die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung
hätte erkennen können, er aber seinerseits alles getan habe, um eine Überzahlung zu
vermeiden. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Alhi-Bewilligung ist nach § 45 Abs. 2 Satz 3
Nr. 2 SGB X aufgehoben worden, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, die der
Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig gemacht hatte. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 13.01.1996
beruhte auf unvollständigen Angaben des Klägers zu seinen Vermögensverhältnissen und
seiner Ehefrau. Ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des BSG liegt somit nicht
vor.
Das Vorbringen im Berufungsverfahren gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Die
Auffassung des Klägers, die Verjährung beginne bereits mit dem 01.08.1998 und die
Verjährungsfrist sei damit am 31.07.2002 abgelaufen, teilt der Senat nicht. Das
Sozialgericht hat seine Entscheidung unter anderem auf die BSG-Entscheidung vom
16.11.1981 (SozSich 1982, 192) gestützt. In dieser Entscheidung wird nicht auf den Eintritt
der Bestandskraft der Entscheidung über die Aufhebung der Leistungsbewilligung
abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen für den Erlass eines
solchen Verwaltungsaktes vorlagen. Nach dem BSG soll der Zeitpunkt der Verjährung für
Erstattungsansprüche des Versicherungsträgers mit dem Tag zu laufen beginnen, an dem
die Voraussetzungen für den Erlass des Erstattungsbescheides vorlagen. Hier könnte man
davon ausgehen, dass die Voraussetzungen zur Geltendmachung der Beiträge zur
Sozialversicherung bereits zu dem Zeitpunkt vorlagen, als die Beklagte mit Bescheid vom
07.11.2000 die Erstattung der Alhi für die Zeit vom 13.01.1996 bis 31.07.1998 geltend
machte. Selbst wenn man für den Verjährungsbeginn auf den 07.11.2000 abstellen würde,
wäre der Erstattungsbescheid vom 30.01.2003 noch vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt.
Selbst wenn man noch früher ansetzen würde und für den Zeitpunkt der Verjährung auf den
Zeitpunkt abstellen würde, an dem die Beklagte frühestens den Erstattungsanspruch
geltend machen konnte, so kommt man nicht dazu, dass ihr Anspruch verjährt sein könnte.
Nach Aktenlage sind der Beklagten die Aufhebungsvoraussetzungen bzgl. der gewährten
Alhi erst im Jahre 2000 bekannt geworden. Dann könnte eine Verjährung selbst unter
Zugrundelegung dieser für den Kläger günstigsten Voraussetzungen nicht vor 2004
eingetreten seien. Der Bescheid vom 30.01.2003 wäre somit selbst für den Kläger
bestmöglichen Einschätzung noch vor Eintritt der Verjährung erfolgt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung greift erst Recht nicht ein (vgl. hierzu BSG vom
29.01.1997 - 5 RJ 52/94 -). Die Verwirkung setzt besondere Umstände voraus, während
Verjährung allein durch Zeitablauf eintritt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung
auslösen, liegen nach der Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) vor, wenn der Verpflichtete in
Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf
vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde
(Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht
nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen
Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch
die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Dieser Voraussetzungen können hier nicht festgestellt werden. Insbesondere kann aus
dem Protokoll des Sozialgerichts Aachen vom 28.11.2002 nicht hergeleitet werden, dass
dem Kläger bei Rücknahme der Klage zugesichert oder bei ihm zumindest der Eindruck
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erweckt worden ist, die Beitragsforderung werde nicht mehr geltend gemacht werden. Das
Gegenteil ist der Fall. Der Kläger wurde bereits mit dem Aufhebungsbescheid vom
07.11.2000 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass noch ein Bescheid bezüglich der
Erstattung der Beiträge ergehen werde. Wenn der Kläger dann seine Klage zurücknimmt,
ohne dass die Frage der zukünftigen Beitragserstattung im Prozess überhaupt thematisiert
worden ist und sich im Protokoll kein Hinweis auf eine entsprechende Absichtserklärung
der Beklagten findet, so hat die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine
Berufung auf Verwirkung rechtfertigen könnte. Die Hinnahme einer einseitigen
Klagerücknahme kann unter keinen Umständen einen Vertrauenstatbestand im Sinne der
BSG-Rechtsprechung schaffen.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 17.01.2005 erstmals geltend macht, die Aufhebung
der Alhi sei seinerzeit zu Unrecht erfolgt, so kann er damit im vorliegenden Verfahren nicht
gehört werden. Durch die Rücknahme der Klage in dem Verfahren vor dem Sozialgericht
Aachen - S 15 AL 79/01 - ist der Bescheid vom 07.11.2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 10.04.2001 bestandkräftig geworden. Damit steht fest, dass
der Kläger die Alhi ab 13.01.1996 vollständig zurückzahlen muss. Eine Beseitigung des
bestandskräftigen Bescheides vom 07.11.2000 kann der Kläger im vorliegenden Verfahren
nicht erreichen. Hier ist er auf § 44 SGB X zu verweisen und die damit verbundenen
verfahrensrechtlichen Hürden. Nur zur Information sei der Kläger darauf hingewiesen, dass
ihm selbst ein Antrag nach § 44 SGB X bzgl. des Bescheides vom 07.11.2000 nicht davon
befreien würde, die berechtigte Erstattungsforderung der Beklagten bzgl. der Beiträge
zunächst zu begleichen.
Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2
SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Senat weicht nicht von der
Rechtsprechung des BSG ab, sondern hat sie im Gegenteil zur Grundlage seiner
Entscheidung gemacht.