Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.07.2001
LSG NRW: arbeitsamt, persönliches interesse, arbeitslosenhilfe, sozialhilfe, stadt, auskunft, rente, aussteuerung, anschluss, erwerbsunfähigkeit
Landessozialgericht NRW, L 12 AL 142/00
Datum:
18.07.2001
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 142/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 30 AL 406/98
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 7 AL 204/01 B
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die mit Schriftsatz vom 04.06.2001 hilfsweise erhobene Klage auf
Gewährung von Arbeitslosengeld ab 20.07.1990 und im Anschluss
daran auf Arbeitlosenhilfe wird als unzulässig verworfen. Kosten sind
unter den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten jetzt noch darüber, ob der Kläger die Gewährung von
Arbeitslosengeld ab 20.07.1990 und im Anschluss daran von Arbeitslosenhilfe
beanspruchen kann.
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Zuvor war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger am 11.06.1990 einen Antrag
auf Bewilligung von Arbeitslosengeld stellte und demgemäß die Beklagte verpflichtet
war, diesen Antrag zu bescheiden.
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Der am ...1948 geborene Kläger ist türkischer Staatangehöriger und verrichtete zuletzt
bis Ende Dezember 1988 eine Tätigkeit als Schweißer. In der Zeit vom 30.12.1988 bis
20.07.1990 war er arbeitunfähig und bezog vom 08.01.1989 bis zur Aussteuerung am
20.07.1990 von der AOK ... - ... Krankengeld. Während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit
beantragte er am 20.12.1989 bei der Bundesknappschaft die Gewährung einer Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die nach Rentenablehnung und erfolglosem
Widerspruchsverfahren erhobene Klage nahm er im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 28.04.1993 beim Sozialgericht Dortmund zurück (Az.: S 23 Kn 91/91).
Nach einem weiteren gerichtlichen Streitverfahren beim Sozialgericht Dortmund (Az.: S
24 Kn 220/95) wurde dem Kläger ab 01.05.1993 von der Bundesknappschaft eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt.
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Mit Schreiben vom 27.12.1998 beantragte der Kläger die Neufeststellung der Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Zeit vom 20.07.1990 bis
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30.04.1993. Daraufhin teilte ihm die Bundesknappschaft mit Schreiben vom 14.01.1999
mit, dass dem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt nicht entsprochen werden könne, weil
weitere anrechenbare Zeiten, die nicht schon im Rentenbewilligungsbescheid vom
25.03.1998 berücksichtigt worden seien, nicht vorlägen.
Zuvor hatte der Kläger am 28.12.1998 vor dem Sozialgericht Dortmund Klage gegen die
Beklagte erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Am 11.06.1990
habe er beim Arbeitsamt S ... im Beistand seiner Bekannten, Frau M ..., einen Antrag auf
Arbeitslosengeld gestellt. Bei dieser Antragstellung sei ihm vom Sachbearbeiter S ... die
Auskunft erteilt worden, dass eine Antragstellung nicht erfolgsversprechend sei, weil er
auf Grund seines Krankgeldbezuges bzw. wegen des Antrags auf Bewilligung einer
Erwerbsunfähigkeitsrente keine Leistungen gegenüber dem Arbeitsamt geltend machen
könne; denn er halte sich selbst für erwerbsunfähig. Obwohl Frau M ... Herrn S ... zur
Erteilung eines schriftlichen Bescheides aufgefordert habe und dieser den Antrag des
Klägers und die Bescheinigung der AOK vom 11.06.1990 zu den Akten genommen
habe, sei über den Leistungsantrag bislang nicht entschieden worden. Am 10.07.1990
habe der Kläger vorsorglich beim Sozialamt mündlich nochmals ausdrücklich die
Gewährung von Arbeitslosengeld und die Gewährung von Sozialhilfe beantragt.
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Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 11.06.1990 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vor dem Sozialgericht vorgebracht: Bei ihr lägen keinerlei Hinweise auf eine
Antragstellung oder persönliche Vorsprachen zur Arbeitslosmeldung durch den Kläger
vor. Lediglich drei Schreiben der Bundesknappschaft seien vorhanden.
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Das Sozialgericht Dortmund hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ... M ...
und des Zeugen ... S ... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die
Protokolle der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Dortmund vom 06.09.1999
bzw. der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2000 verwiesen.
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Mit Urteil vom 15.06.2000 berichtigt, durch den Beschluss vom 15.08.2000, hat das
Sozialgericht Dortmund die Beklagte verurteilt, den Antrag des Klägers vom 11.06.1990
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am
11.06.1990 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt habe. Zwar
lägen hierüber keine Unterlagen vor. Die Angaben des Klägers seien jedoch glaubhaft
und stünden im Einklang mit der Bescheinigung der AOK ...- ... vom 11.06.1990, mit
welcher auf die bevorstehende Aussteuerung hingewiesen worden sei. Der in diesem
Zusammenhang von der Krankenkasse an den Kläger erteilte Hinweis, sich beim
Arbeitsamt arbeitslos zu melden und Leistungen zu beantragen, sei glaubhaft. Zudem
würden die Angaben des Klägers durch die Zeugin M ... bestätigt, die ihn bei der
Antragstellung am 11.06.1990 begleitet habe. Der Kläger habe sich noch erinnern
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können, in welchem Zimmer er 1990 den Antrag abgegeben habe. Dass die Anträge auf
Arbeitslosengeld im Jahre 1990 in den Zimmer 209 - 211 abzugeben gewesen seien,
habe auch der Zeuge S ... bestätigt. Zwar habe dieser nicht bekundet, dem Kläger die
Auskunft erteilt zu haben, dass dieser keine Leistungsansprüche gelten machen könne.
Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers und der Aussage der Zeugin M ...
stehe jedoch fest, dass dem Kläger bei seiner Antragstellung eine diesbezügliche
Auskunft erteilt worden sei, und zwar möglicherweise von einem anderen
Sachbearbeiter. So habe der Zeuge S ... bestätigt, dass die Leistungsanträge nicht nur
von ihm, sondern auch von anderen Sachbearbeitern angenommen worden seien.
Gegen dieses ihr am 06.07.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04. des
Folgemonats Berufung eingelegt, und zwar ausdrücklich gerichtet gegen das Urteil des
Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2000 (Az.: S 27 AL 12/00, zugestellt am
06.07.2000); in dieser Berufungsschrift hat die Beklagte ferner die Prozessbeteiligten
und den Streitgegenstand (wegen Arbeitslosengeld) korrekt angegeben.
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Die Beklagte hält ihre Berufung für zulässig, obwohl das Aktenzeichen des
angefochtenen Urteils von ihr falsch angegeben worden sei.
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Nach ihrer Auffassung lägen auch unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme keine
ausreichenden Hinweise für eine Arbeitslos meldung und Antragstellung am 11.06.1990
durch den Kläger vor. So habe dieser nicht angeben können, wie er den
Antragsvordruck sei nerzeit erhalten habe. Seiner Aussage stünden die
organisatorischen Abläufe im Arbeitsamt entgegen. Bei einer Arbeitslosmeldung habe
er zunächst die A/B-Stelle des Arbeitsamtes anlaufen müssen; anschließend wäre er
dann an den zuständigen Arbeitsvermittler weiter geleitet worden, welcher den
Antragsvordruck um Angaben zur Verfügbarkeit ergänzt hätte. Erst danach wäre eine
Antragsabgabe möglich gewesen.
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Der Mitarbeiter S ... habe ausgeführt, dass er die Leistungsanträge zu der genannten
Zeit lediglich angenommen habe, für die Bearbeitung aber eine andere Stelle im
Arbeitsamt zuständig gewesen sei. Eine Aussage darüber, ob der Kläger einen
Anspruch auf die Leistungen habe, habe der als Antragsannehmer tätige Mitarbeiter
Sch. gar nicht treffen können. Diese Aussage entspreche der damaligen Praxis und
Verfahrensweise in den Arbeitsämtern. Im Übrigen werde jedem Arbeitslosen bei der
Antragstellung ein Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt. Sofern der Kläger einen
Antrag gestellt habe, sei er so über seine Rechte und Pflichten informiert worden. Vor
diesem Hintergrund sei es nicht plausibel, dass er erst im Jahre 1998 die
Leistungsbewilligung durch das Arbeitsamt für die Zeit vom 20.07.1990 bis 30.04.1993
erstmals anmahne.
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Darüberhinaus habe auch das Sozialamt der Stadt S ... erst mit Schreiben vom
15.05.2000 einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten angemeldet; es sei
deshalb davon auszugehen, dass auch das Sozialamt von einem Antrag auf
Arbeitslosengeld im Jahr 1990 keine Kenntnis gehabt habe. Zudem befänden sich auch
im Antrag des Klägers auf Gewährung von Sozialhilfe vom 10.07.1990 keine
Ausführungen zur Beantragung von Arbeitslosengeld- bzw. hilfe. Insbesondere die
Beantwortung der Frage 13 spreche gegen eine gleichzeitige Beantragung von
Sozialhilfe und Arbeitslosengeld.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2001 vor dem Senat
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beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2000 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger hat in derselben mündlichen Verhandlung beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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- hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 20.07.1990
Arbeitslosengeld und im Anschluss an den Ablauf der Dauer des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe, jeweils im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren,
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- hilfsweise die Frau ... K ..., ... in S. als Zeugin zu vernehmen zum Beweis der Tatsache,
dass sich der Kläger auch noch einige Zeit nach Stellung des Sozialhilfeantrags in ihrer
Begleitung bei einem Vorgesetzten im Arbeitsamt gemeldet hat, um sich nach dem
Stand der Antragsbearbeitung zu erkundigen und dass er hierbei auf die
Aufbewahrungsfrist von nur 2 Jahren betreffend Antragsunterlagen hingewiesen worden
ist,
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- sowie des weiteren die Sachbearbeiterin des Sozialamtes Frau S ...zu laden über den
Bürgermeister der Stadt ... in ..., zu vernehmen als Zeugin zum Beweis der Tatsachen,
dass der Kläger bei Sozialhilfeantragstellung mitgeteilt hatte, dass ihm beim Arbeitsamt
die Auskunft erteilt worden war, ihm stehe kein Arbeitslosengeldanspruch zu im Hinblick
auf seine längere Vorerkrankung und dass sich das Sozialamt mit der Information
begnügt hat und im Vertrauen auf eine erwartete EU-Rentenbewilligung von einer
frühzeitigeren Anmeldung von Erstattungsansprüchen gegenüber der Bundesanstalt für
Arbeit abgesehen hat.
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Nach Auffassung des Klägers ist die eingelegte Berufung unzulässig, weil die Beklagte
mit Schriftsatz vom 07.09.2000 und damit außerhalb der Berufungsfrist das Urteil mit
dem Aktenzeichen S 30 AL 406/98 angefochten habe. Im Interesse der Rechtssicherheit
des Bürgers müsse schon in der Berufungsschrift das angefochtene Urteil konkret und
richtig bezeichnet werden.
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Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend; denn seine Aussagen und die der
Zeugin M ... zu den Kerntatsachen seien schlüssig und untereinander vollkommen
widerspruchsfrei. Die Zeugin M. sei eine Altenpflegerin, die den psychisch erkrankten
Kläger bei Behörden- und Gutachterterminen über Jahre hinweg immer wieder begleitet
habe. Sie stehe nur in einem losen, sporadischen Kontakt zu dem Kläger, welcher sich
an sie wende, wenn er behördliche Hilfestellungen benötige und allein nicht mehr weiter
wisse. Die Zeugin habe keinerlei persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.
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Der Kläger und die Zeugin M ... wussten heute noch genau, dass sie sich am
11.06.1990 mit einer Bescheinigung der AOK vom selben Tag in das Arbeitsamt S ...
begeben hätten und nach Ausfüllen und Unterzeichnen des Antragsvordrucks diesen
mit der AOK-Bescheinigung in der zweiten Etage, linke Seite in einem der Zimmer 209 -
211 des Gebäudes abgegeben hätten. Der Kläger wisse nicht mehr, wer ihm den
Antragsvordruck ausgehändigt bzw. in welchem Raum dies geschehen sei.
Wahrscheinlich sei der Antrag von der von der Beklagten genannten A/B-Stelle
ausgehändigt worden. Wahrnehmungspsychologisch sei es ohne weiteres
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nachvollziehbar und plausibel, dass der Kläger und die Zeugin sich gerade an den
Vorgang der schroffen Behandlung bei der Antragsabgabe erinnern könnten.
Am 10.07.1990 habe er in Begleitung der Zeugin M ... das Sozialamt der Stadt S ...
aufgesucht. Der dortigen Mitarbeiterin S ... habe Frau M ... erklärt, dass am 11.06.1990
beim Arbeitsamt Arbeitslosengeld beantragt worden sei, der Mitarbeiter des Arbeitsamts
aber geäußert habe, der Kläger solle sich an das Sozialamt wenden und Sozialhilfe
beantragen. Frau M ... habe die Mitarbeiterin des Sozialamts ausdrücklich für den Kläger
gebeten, das Sozialamt möge sich an das Arbeitsamt wenden, um nachzuprüfen, wie es
mit der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosengeld gestellt sei, da der Kläger dies
natürlich vorrangig in Anspruch nehmen wolle.
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Ergänzend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2001 vorgetragen,
etwa zwei Jahre nach der Antragstellung vom 11.06.1990 habe er bei dem Chef der
Abteilung im Arbeitsamt nachgefragt. Dieser habe ihm gesagt, man könne dort keinen
Antrag finden; Anträge würden nur zwei Jahre lang aufbewahrt.
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Für den Fall, dass die Klage abgewiesen werde, werde hilfsweise die Gewährung von
Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe begehrt. Denn die Beklagte sei unabhängig von
der Antragstellung verpflichtet, dem Kläger für die Zeit ab der Aussteuerung
Arbeitslosengeld und für die sich an den Ablauf der Dauer des
Arbeitslosengeldanspruchs anschließende Zeit Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Falls der
Kläger nämlich im Jahre 1990 von Herrn S ... nicht dahingehend falsch beraten worden
wäre, dass er wegen seiner Vorerkrankung keinen Anspruch auf Leistungen der
Beklagten habe, hätte der Kläger den streitigen Antrag gestellt; auf Grund des
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien ihm deshalb die gesetzlichen
Leistungen ohnehin zu gewähren.
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Im Übrigen sprächen die Angaben des Klägers im Antrag vom 10.07.1990 auf
Sozialhilfe gerade für die Richtigkeit seines Klagevortrags. Dort habe er nur die
unrichtigen Informationen des Herrn S ... wiedergegeben. Ähnlich falsch sei ein
Landsmann des Klägers, Herr C ..., im Jahre 1998 von einem anderen Bediensteten des
Arbeitsamts S. beraten worden.
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Der Senat hat Frau ... M ... und Herrn B ...-E ... S ... als Zeugen gehört. Wegen des
Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 20.06.2001 verwiesen.
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Das Gericht hat bei der AOK ...- ... die den Kläger betreffende Krankengeldakte und
beim Sozialamt S ... die ihn betreffende Sozialhilfeakte angefordert. Während die AOK
...- ... mitgeteilt hat, die Krankengeldakten aus den Jahren 1989/1990 lägen nicht mehr
vor, hat die Stadt S ... den Antrag des Klägers vom 10.07.1990 auf Sozialhilfe übersandt.
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Mit Urteil vom 20.06.2001 hat der Senat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des
Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2000 abgeändert und die Klage abgewiesen.
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Versehentlich wurde dabei über den Hilfsantrag zu 1) des Klägers, betreffend die
Gewährung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, nicht entschieden.
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Wegen der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom
20.06.2001 Bezug genommen.
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Der Senat hat die Beteiligten darauf aufmerksam gemacht, dass er versehentlich über
den Hilfsantrag zu 1) des Klägers nicht entschieden habe; ferner ist eine neue
mündliche Verhandlung für den 18.07.2001 anberaumt worden.
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Wie schon in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2001 geschehen, ist der Kläger
nochmals mit Schreiben des Senats vom 29.06.2001 auf die Unzulässigkeit des
Hilfsantrags zu 1) hingewiesen worden.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, dass für den am 18.07.2001 bestimmten Termin zur
mündlichen Verhandlung die verfahrensrechtliche Grundlage fehle. Denn hierfür sei ein
Antrag des Klägers auf Urteilsergänzung erforderlich, dessen Stellung er sich noch
vorbehalten wolle.
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Der Kläger, der ausweislich des von seinem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten
Empfangsbekenntnisses vom 29.06.2001 rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin
am 18.07.2001 geladen worden ist, hat an der mündlichen Verhanldung des 18.07.2001
nicht teilgenommen und ist dort auch nicht vertreten worden.
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Der Kläger hat schriftsätzlich jetzt noch beantragt,
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den für den 18.07.2001 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben
und nach einem etwa noch folgenden Antrag auf Urteilsergänzung gegebenenfalls neu
zu terminieren, hilfsweise bis zum Ablauf einer angemessenen Stellungnahmefrist nach
Zustellung des Urteils vom 20.06.2001 zu vertagen.
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Die Beklagte beantragt,
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die im Berufungsverfahren eingelegte Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie
die Beiakten des Sozialgerichts Dortmund mit den Aktenzeichen S 24 Kn 91/91 und S
24 Kn 220/95 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Obwohl der Kläger an der mündlichen Verhandlung des 18.07.2001 nicht teilgenommen
hat und dort auch nicht vertreten worden ist, konnte der Senat verhandeln und aufgrund
einseitiger mündlicher Verhandlung auch entscheiden; auf diese Möglichkeit ist der
Kläger mit der rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgten Ladung hingewiesen worden.
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Der mit Schriftsatz vom 04.06.2001 erstmals vom Kläger geltend gemachte Anspruch
auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 20.07.1990 und nach Ablauf der Dauer des
Arbeitslosengeldanspruchs auf Arbeitslosenhilfe, der zuvor nicht Gegenstand des
erstinstanzlichen Verfahrens beim Sozialgericht Dortmund war, stellt eine in der
Berufungsinstanz erhobene Klage dar.
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Entgegen der Auffassung des Klägers konnte der Senat hinsichtlich des Hilfsantrags zu
1), über den versehentlich am 20.06.2001 nicht entschieden wurde, zeitnah eine neue
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mündliche Verhandlung anberaumen, obwohl der Kläger eine Urteilsergänzung (noch)
nicht beantragt hatte. Insbesondere bestand kein Anlass zur Aufhebung oder Vertagung
des Termins vom 18.07.2001 (siehe bereits Fax des Vorsitzenden des Senats vom
17.07.2001). Nach § 140 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird ein Urteil auf Antrag
nachträglich ergänzt, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch ganz
oder teilweise übergangen hat. Die Entscheidung muss binnen eines Monats nach
Zustellung des Urteils beantragt werden. Dieser Vorschrift ist nach Überzeugung des
Senats nur zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen das Gericht das Urteil
ergänzen muss. Sofern das Gericht jedoch - wie hier - selbst umgehend die Versäumnis
bemerkt, ist es nicht gehindert, die Urteilsergänzung von sich aus zu veranlassen und
zuvor die nach § 140 Abs. 3 SGG vorgeschriebene mündliche Verhandlung
anzuberaumen. Da der Hilfsantrag zu 1) des Klägers bereits am 20.06.2001 in jeder
Hinsicht entscheidungsreif war, hat der Senat von Amts wegen nach pflichtgemäßem
Ermessen entschieden, die diesbezügliche Urteilsergänzung zeitnah vorzunehmen.
Dies erschien dem Senat insbesondere angesichts des Umstands geboten, dass hier
um Ansprüche gestritten wird, die bereits vor mehr als 11 Jahren entstanden sein sollen.
Über diese Vorgehensweise sind die Beteiligten zuvor rechtzeitig informiert worden
(Schreiben des Senats vom 27. und 29.06.2001).
Der Kläger wird im Übrigen nicht dadurch beschwert, dass über seinen Hilfsantrag zu 1),
über welchen bereits am 20.06.2001 hätten entschieden werden müssen, nunmehr
knapp einen Monat später entschieden wurde. Hierdurch ist ihm in keiner Hinsicht ein
Nachteil entstanden. Im Übrigen hätte es ihm freigestanden, den aus Sicht des Senats
unzulässigen Hilfsantrag zu 1) rechtzeitig vor dem 18.07.2001 zurückzunehmen.
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Gegenstand eines Berufungsverfahrens ist regelmäßig die Überprüfung eines
erstinstanzlichen Urteils (§ 143 SGG). Der vom Kläger erstmals mit Schriftsatz vom
04.06.2001 gestellte Hilfsantrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld und anschließend
Arbeitslosenhilfe war nicht Gegenstand des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom
15.06.2000; in diesem Verfahren wurde nur darüber gestritten, ob eine Untätigkeit der
Beklagten vorliegt. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2001
gestellte Hilfsantrag zu 1) stellt sich deshalb als eine beim Berufungsgericht erhobene
Klage dar, welche unzulässig ist.
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Selbst eine beim Sozialgericht erhobene Klage auf Bewilligung von Arbeitslosengeld
und Arbeitslosenhilfe wäre nur dann zulässig, wenn zuvor das zwingend
vorgeschriebene Vorverfahren abgeschlossen worden ist (hM, z. B. BSG 3,293; 4,246).
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Der als Klage zu wertende Hilfsantrag zu 1) des Klägers war deshalb als unzulässig zu
verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.
2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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