Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2010
LSG NRW (anspruch auf bewilligung, versicherungspflicht, krankengeld, beschwerde, bewilligung, aussicht, sgg, arbeitsverhältnis, antrag, tätigkeit)
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 31/10 B
Datum:
29.01.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 KR 31/10 B
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 26 KR 6/09
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 17.11.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
I.
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Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem
Sozialgericht (SG) Köln, mit dem sie einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom
01.01.2008 bis zum 31.10.2008 verfolgt.
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Das SG hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von
Rechtsanwalt L aus L mit Beschluss vom 17.11.2009 mangels Erfolgsaussicht des
Klageverfahrens abgelehnt: Die Beklagte habe zu Recht die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankengeld, § 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch (SGB V) verneint. Ein Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
begründendes Arbeitsverhältnis mit der Fa. L GmbH habe in der Zeit vom 01.11.2007
bis zum 31.12.2007 nicht vorgelegen. Zur Begründung hat sich das SG auf den
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16.12.2008 bezogen und ergänzend darauf
hingewiesen, dass der angebliche Arbeitgeber gegen den an ihn gerichteten
Widerspruchsbescheid vom 26.02.2009 kein Rechtsmittel eingelegt habe.
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Mit der dagegen gerichteten, fristgerecht eingelegten Beschwerde macht die
Antragstellerin geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides vom 12.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.02.2009. Entscheidend könne nicht sein, dass die Fa. L GmbH kein Rechtsmittel
eingelegt habe; auf deren Entscheidungen habe sie, die Antragstellerin, keinen Einfluss.
Sie habe am Tage des Abschlusses des Arbeitsvertrages, am 26.10.2007, davon
ausgehen können, dass sie die geplante Tätigkeit als Bürohilfskraft bei der Fa. L GmbH
zum 01.11.2007 aufnehmen und für diese acht Stunden täglich an fünf Tagen in der
Woche tätig werden könne. Bis zum 31.10.2007 sei ihr die Diagnose "Magenkarzinom"
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nicht bekannt gewesen.
II.
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Die zulässige, insbesondere statthafte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom
23.2.2009, Az.: L 13 R AS 3835/08 PKH-B, www.juris.de) Beschwerde ist nicht
begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das
anhängige Klageverfahren.
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Die Bewilligung von PKH setzt gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung
(ZPO) voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf
Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint, wobei Beurteilungszeitpunkt - bei zeitnaher
Entscheidung über den Antrag, wie vorliegend - derjenige der gerichtlichen
Entscheidung ist. Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn das Gericht den
Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der
vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in
tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl.
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 73a
RdNr. 7 mwN). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch
nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH gewährt werden (vgl.
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 81, 347; BVerfG, Neue Juristische
Wochenschrift (NJW) 1997, 2102 f), und zwar auch dann, wenn das Gericht die
Rechtsfrage ungünstig beurteilt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH) NJW 1998, 82; BGH
NJW 2000, 2098).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klage bietet keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg, wie das SG zutreffend entschieden hat. Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB
V setzt der geltend gemachte Anspruch auf Krankengeld u. a. voraus, dass der
Anspruchsteller "Versicherter" ist. Aus dem angeblichen Arbeitsverhältnis der Klägerin
zu der Fa. L GmbH, aus dem die Klägerin das Entstehen von Versicherungspflicht ab
dem 01.11.2007 herzuleiten beabsichtigt, ergibt sich jedoch auch zur Überzeugung des
Senates nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage keine
Versicherungspflicht ge-mäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Aus den gesamten Umständen
vermag der Senat nur den Schluss zu ziehen, dass offensichtlich ein kollusives
Zusammenwirken des angeblichen Arbeitgebers und der Klägerin mit dem Ziel der
Begründung von Versicherungspflicht und von entsprechenden Leistungsansprüchen
vorgelegen hat. Dabei verkennt der Senat keineswegs die schwierige Situation, in der
sich die Klägerin zur Zeit des Abschlusses des "Arbeitsvertrages" befunden hat. Jedoch
sprechen folgende Umstände deutlich gegen ein ernsthaft gewolltes Arbeitsverhältnis
und Antreten der Tätigkeit: Der mit einem Feiertag - ohne Arbeitsleistung, aber mit
Anspruch auf Arbeitsentgelt verbundene - Beginn des "Arbeitsverhältnisses", die
Einbeziehung von vier weiteren Feiertagen von Montag, dem 24.12., bis zum
26.12.2007 sowie dem 31.12.2007 als bezahlte Arbeitstage, die Ausstellung der den
Zeitraum November bis Dezember 2007 betreffenden
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen rückwirkend erst am 28.12.2007, ohne dass der
angebliche Arbeitgeber dies bemängelt hätte, die Zahlung des Arbeitsentgelts, ohne
dass ein arbeitsvertraglicher oder sonstiger Anspruch auf dessen Fortzahlung dem
Grunde nach und über den - unüblich langen - Zeitraum von zwei Monaten bestanden
hätte, die sowohl in der Entgeltbescheinigung als auch in der Arbeitsplatzbeschreibung
enthaltene Angabe der Fa. L GmbH, die wöchentliche Arbeitszeit habe acht Stunden
betragen, was gegen konkret getroffene Abreden über eine tatsächlich beabsichtigte
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Arbeitsaufnahme spricht, der kurze Abstand zwischen dem Abschluss des
"Arbeitsvertrages" und dem angeblich beabsichtigten Beginn des Arbeitsverhältnisses
wenige Tage später bei fortbestehender stationärer Behandlungsbedürftigkeit ohne
erkennbaren Anhaltspunkt für eine in Kürze anstehende Entlassung und den
Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit.
Die Klage auf Bewilligung von Krankengeld besitzt daher unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Sozialrecht (SozR) 3-2500 § 5 Nr. 40), die
bereits die Beklagte zutreffend zitiert und auf den vorliegenden Fall angewandt hat,
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass auch die Beschwerde keinen Erfolg
haben konnte.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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