Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.03.2009
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Landessozialgericht NRW, L 6 B 12/09 AS
Datum:
30.03.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 6 B 12/09 AS
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 29 AS 241/08 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 11.12.2008 wird zurückgewiesen. Kosten
sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller (Ast) wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein zwischenzeitlich erledigtes Verfahren
im einstweiligen Rechtsschutz.
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Am 04.07.2008 stellte der Ast beim Sozialgericht (SG) Dortmund einen Antrag auf
einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag), ihm zuvor für die Monate Juni und
Juli 2008 durch Bescheide vom 10.01.2008 bzw. 17.05.2008 bewilligte Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB
II) tatsächlich auszuzahlen. Zugleich beantragte er, ihm für dieses Verfahren PKH unter
Beiordnung von Rechtsanwältin C in E zu bewilligen und reichte die Erklärungen über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Mit Verfügung vom gleichen
Tage (04.07.2008) veranlasste das Sozialgericht (SG) die Übersendung der
Antragsschrift an die Ag und forderte diese zur Erwiderung sowie Aktenübersendung
binnen einer Woche auf. Am 11.07.2008 ging die Stellungnahme der Ag nebst
Leistungsakte beim SG ein.
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In der Sache trug der Ast vor, er habe u.a. mit Telefax vom 21.05.2008 und 28.05.2008
um einen Gesprächstermin bei der Ag zur Klärung offener Fragen nachgesucht. Die Ag
habe hierauf und auf seine Nachfrage vom 17.06.2008 nicht reagiert. Vielmehr habe sie
zum 01.06.2008 die Auszahlung der ihm bereits bewilligten Grundsicherungsleistungen
für Juni und Juli 2008 eingestellt. Erst mit Schreiben vom 02.07.2008 habe die Ag
Unterlagen angefordert.
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Die Ag hatte zwischenzeitlich am 02.07.2008 intern die Auszahlung für Juni und Juli
2008 an den Ast angeordnet und die Auszahlungsanordnung für den 04.07.2008
veranlasst. Der Betrag wurde dem Konto des Ast tatsächlich am 09.07.2008
gutgeschrieben.
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Am 28.07.2008 nahm der Ast wegen des Zahlungseinganges seinen Antrag auf
einstweilige Verpflichtung der Ag zurück und stellte den Antrag, dieser die Kosten des
Verfahrens aufzuerlegen. Das SG hat den Antrag nach § 193 Abs. 1 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit unanfechtbarem Beschluss vom 11.12.2008 abgelehnt.
Das Eilverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Denn die Ag habe schon vor
dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht am 04.07.2008 die
Auszahlungsanordnung zur Gutschrift der Leistung auf dem Konto des Ast veranlasst
gehabt. Nach der am 02.07.2008 erfolgten Entscheidung des Sachbearbeiters der Ag
über die Leistungsauszahlung sei diese Entscheidung an die Hauptkasse weitergeleitet
und in der darauf folgenden Nacht weiter verarbeitet worden. Mithin sei die Auszahlung
in der Nacht vom 03.07.2008 auf den 04.07.2008 rein technisch erfolgt.
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Unter Bezugnahme auf die Gründe der Kostengrundentscheidung hat das SG ebenfalls
mit Beschluss vom 11.12.2008 die Bewilligung von PKH abgelehnt.
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Der Ast hat gegen den am 17.12.2008 zugestellten Beschluss am 19.01.2009 (Montag)
Beschwerde eingelegt. Er führt zur Begründung aus, auch nach dem von der Ag
geschilderten technischen Ablauf von Auszahlungsanordnungen bleibe es Tatsache,
dass die Leistung erst am 09.07.2008 auf seinem Konto eingegangen sei. Unter
Berücksichtigung von drei bis fünf Bankarbeitstagen sei die Auszahlung - entgegen dem
angefochtenen Beschluss - mithin nicht vor dem am 04.07.2008 gestellten Antrag auf
einstweiligen Rechtsschutz veranlasst worden. Abgestellt auf den Antragszeitpunkt sei
die Einleitung dieses Verfahrens zur Deckung des Lebensbedarfs für den folgenden
Monat notwendig gewesen, auch wenn sich die Erledigung im Laufe des Verfahrens
eingestellt habe. Jedenfalls sei ihm für diese Rechtsverfolgung PKH zu gewähren.
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II.
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Die gegen den PKH ablehnenden Beschluss des SG vom 11.12.2008 gerichtete
Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie am 19.01.2009 noch fristwahrend i.S.v.
§173 Satz 1 SGG i.V.m. § 64 SGG eingelegt worden. Nach § 64 Abs. 1 SGG begann der
Lauf der Monatsfrist am Tag nach der Zustellung, also am 18.12.2008. Die Frist endete
am Montag, 19.01.2009, da der 18.01.2009 ein Sonntag war, § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3
SGG.
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Die Beschwerde ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis hat das Sozialgericht (SG) den
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Voraussetzung für
die Gewährung von PKH ist nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der
Zivilprozessordnung (ZPO) u.a., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Zeitpunkt
der Entscheidung, zumindest aber im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-
Gesuchs hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 a Rn 7a; Beschlüsse LSG NRW vom 30.07.2008, L 20B 93/08
AS, OLG Köln vom 13.02.2008 - 4 WF 22/08 -, Hess VGH vom 26.03.2008 - 7 D 575/08,
Juris). Dies ist hier - abgestellt auf den frühest möglichen Zeitpunkt der
Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs - nicht der Fall. Die
Voraussetzungen einer einstweiligen Regelungsanordnung (Glaubhaftmachung eines
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Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes, § 86b Abs. 2 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO)
lagen jedenfalls ab dem 09.07.2008 nicht mehr vor. Entscheidungsreife des PKH-
Antrages war hingegen frühestens ab dem 11.07.2008 gegeben.
Spätestens mit der Kontogutschrift am 09.07.2008 war der Anspruch des Ast durch
Zahlung erfüllt, d.h. durch ordnungsgemäßes Bewirken der geschuldeten Leistung nach
§§ 17 Abs 1 Nr 1, 47 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) befriedigt. Dabei kann offen
bleiben, ob die vom SG in der Kostengrundentscheidung gemachten Ausführungen zum
Erfüllungszeitpunkt zutreffend sind. Zweifel ergeben sich insoweit, als nach
entgegenstehender Auffassung existenzsichernde Zahlungen durch den
Leistungsträger bei Überweisungen so rechtzeitig zu veranlassen sind, dass sie bei
normalem Lauf der Dinge fristgerecht beim Empfänger eingehen (vgl. VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 07.01.2005, 7 S 2525/04, Juris). Weitere Ausführungen
hierzu erübrigen sich, da der Antrag auf PKH vor dem Zeitpunkt der Kontogutschrift bzw.
vor Wegfall des einstweiligen Regelungsbedarfs noch nicht entscheidungsreif war.
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Maßgeblich für die Entscheidungsreife ist nicht der Zeitpunkt der Antragstellung,
sondern frühestens der Zeitpunkt, in dem der Antragsteller seinen Antrag schlüssig
begründet hat, die notwendigen Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen eingereicht hat - beides war mit Antragseingang am 04.07.2008 erfüllt -
und der Gegner gem § 118 Abs 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit hatte, sich innerhalb
angemessener Frist zu äußern (vgl Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 119 Rn 44 ff
mwN). Die wesentlichen Grundlagen für die im PKH-Verfahren summarisch zu treffende
Prognoseentscheidung müssen dem Gericht zumindest vorliegen. Zu diesen gehören
bei einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren erforderlichenfalls auch die
Verwaltungsakten des angegangenen Leistungsträgers. Eine Entscheidungsreife des
PKH-Gesuchs war damit frühestens mit dem fristgerechten Eingang der Stellungnahme
und der Leistungsakte der Ag am 11.07.2008 gegeben. Schon zu diesem Zeitpunkt lag
wegen der bereits am 09.07.2008 erfolgten Gutschrift auf dem Konto des Ast keine
hinreichende Erfolgsaussicht mehr vor. Die schon vor Entscheidungsreife eintretende
Verschlechterung der Erfolgsprognose gehört zu dem stets im
Prozesskostenhilfeverfahren gegebenen Kostenrisiko eines Antragstellers. Dies gilt
umso mehr, als die Entscheidungsreife durch das SG ohne jede Verzögerung
herbeigeführt worden ist.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten, § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §
127 Abs. 4 ZPO.
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Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar,
§ 177 SGG.
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