Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.05.2009
LSG NRW: aufenthaltserlaubnis, integration, niedersachsen, hauptsache, sozialhilfe, ausreise, asylbewerber, krankheit, konzept, zivilprozessordnung
Landessozialgericht NRW, L 20 B 15/09 AY ER
Datum:
14.05.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 15/09 AY ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 20 AY 4/09 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Aachen vom 27.02.2009 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Das
Prozesskostenhilfegesuch für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
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I. Hinsichtlich der Statthaftigkeit der Beschwerde des Antragstellers ergeben sich
folgende Bedenken:
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Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG n.F. in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung ist die
Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in
der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Beschwerde ist danach dann
statthaft, wenn ihr Wert den für die Berufung maßgebenden Betrag von 750,00 EUR (§
144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung) übersteigt.
Dies erscheint fraglich. Soweit das Sozialgericht insoweit allein darauf abstellt, dass der
Antragsteller höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab
dem 11.02.2009 ohne zeitliche Begrenzung begehrt, bleiben zwei Aspekte
unberücksichtigt.
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Zunächst werden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Leistungen der
Sozialhilfe sowie das Asylbewerberleistungsrecht betreffen, regelmäßig nur
Regelungen bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung getroffen.
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Entscheidender jedoch ist, dass § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG den Bezug zu einer (ggf.
fiktiven) Hauptsache herstellt. Die Antragsgegnerin hat für den Monat Februar
Leistungen gemäß § 3 AsylbLG bewilligt. Gegenstand eines Hauptsacheverfahrens
wären, einen Widerspruch gegen den Leistungen für den Monat Februar betreffenden
Bescheid voraussgesetzt, somit lediglich Leistungen für den Monat Februar 2009. Es
liegt somit kein Fall vor, in dem Leistungen zukunftsoffen abgelehnt worden wären, mit
dem Ergebnis, dass Gegenstand des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens Leistungen
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seit Antragstellung bis zum Monat der Entscheidung durch das Gericht sein könnten
(vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -; LSG NRW, Beschluss vom
02.07.2008 - L 7 B 192/08 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 01.04.2009 - L 9 B 13/09
SO ER). Der Beschwerdewert von 750 EUR dürfte somit nicht erreicht werden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind daher auch die Voraussetzungen des
§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG nicht gegeben. Danach gilt die Berufungsbeschränkung nicht,
wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr
betrifft. Gegenstand des Verfahrens sind, wie bereits aufgezeigt, Leistungen für den
Zeitraum Februar 2009. Selbst wenn Leistungen zukunftsoffen abgelehnt worden wären,
gölte dann nichts Anderes, wenn als maßgebliche gerichtliche Entscheidung in diesem
Fall die im gerichtlichen Eilverfahren zu treffende heranzuziehen wäre (vgl. etwa LSG
NRW, Beschluss vom 01.04.2009, a.a.O.).
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Soweit das Sozialgericht - vorsorglich - die Beschwerde zugelassen hat, weil es der
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst, begründet dies die Statthaftigkeit der
Beschwerde nicht. Der Senat geht mit der weitaus überwiegenden Auffassung in der
Rechtsprechung davon aus, dass die Zulassung der Beschwerde nicht in Betracht
kommt (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 27.03.2009 - L 20 B 23/09 AS ER unter
Verweis auf LSG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2009 - L 5 B 1136/08 ER AS;
Hessisches LSG, Beschluss vom 12.01.2009 - L 7 AS 421/08 B ER; LSG Schleswig-
Holstein, Beschluss vom 06.11.2008 - L 11 B 526/08 AS-ER; LSG Niedersachsen-
Bremen, Beschluss vom 29.09.2008 - L 8 SO 80/08 ER; Sächsisches LSG, Beschluss
vom 03.12.2008 - L 7 B 683/08 AS-ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
16.10.2008 - L 20 B 1647/08 AS ER; a.A. soweit ersichtlich allein LSG Niedersachsen-
Bremen, Beschluss vom 21.10.2008 - L 6 AS 458/08 ER). Der Senat hält insoweit an
seiner bereits mit Beschluss vom 14.08.2008 (L 20 B 92/08 SO ER) vertretenen
Auffassung, die sich sowohl auf den Wortlaut des Gesetzes als auch den
Gesetzeszweck stützt, fest.
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II. Jedenfalls aber ist die Beschwerde unbegründet. Das Sozialgericht hat zur
Überzeugung des Senats zu Recht die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs
verneint. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug
genommen (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
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1. Das Sozialgericht hat die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R), nach der u.a. die Vorbezugszeit
ausschließlich mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt werden kann, bereits im
Wortlaut wiedergegeben. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts jedenfalls für die Zwecke einstweiligen Rechtsschutzes an. Eine
von aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichende Bewertung im auf
summarische Prüfung angelegten Eilverfahren dürfte nur dann sachgerecht sein, wenn
diese Rechtsprechung offenkundig zu einem (rechtlich) unvertretbaren Ergebnis führte.
Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Entscheidung im sozialgerichtlichen
Eilverfahren einer Überprüfung durch das Bundessozialgericht nicht zugeführt werden
kann. Im Übrigen entspricht die Auslegung des Sozialgerichts zur Vorschrift des § 2
Abs. 3 AsylbLG der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG unabhängig von Familienstand und Alter des
Leistungsberechtigten in dessen Person erfüllt sein müssen (vgl. zuletzt Urteil des
Senats vom 10.03.2008 - L 20 AY 9/07).
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2. Eine Beiladung der Arge in der Stadt B hält der Senat nicht für geboten. Zunächst
geht der Antrag dahin, Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren. Eine Verpflichtung
des für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zuständigen Leistungsträgers kommt im
vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs.
1 S. 2 SGB II auch für diejenigen Ausländer, die wie der Antragsteller eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz erhalten haben, nicht zu
beanstanden (BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07).
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Das BSG hat ausgeführt: "Auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG,
über die die Klägerinnen im streitigen Zeitraum verfügten, begründet kein verfestigtes
Aufenthaltsrecht (vgl. BT-Drucks 12/4451 S 7). Sie wird einem vollziehbar
ausreisepflichtigen Antragsteller erteilt, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Hier wurde sie aus humanitären Gründen im
Hinblick auf die Krankheit der Klägerin zu 1) erteilt. Die Klägerinnen gehören aber
dennoch weiterhin zu dem Personenkreis der abgelehnten Asylbewerber, der nach dem
Willen des Gesetzgebers nicht auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben
und der für einen weiteren Verbleib keine wirtschaftlichen Anreize erhalten soll. Nach §
43 Abs. 1 AufenthG soll nur die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet
lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in
der Bundesrepublik Deutschland gefördert und gefordert werden. Eine Ausdehnung der
Leistungsberechtigung nach dem SGB II auf den von § 25 Abs. 5 AsylbLG erfassten
Personenkreis würde mithin bereits wegen deren nicht auf Dauer angelegten
Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dem Konzept der begrenzten Integration
entgegenstehen. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG, insbesondere
diejenigen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten haben,
sind vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Sie haben keine längerfristige
Aufenthaltsperspektive (vgl. hierzu Adolph, a.a.O, Stand Oktober 2007, § 1 AsylbLG
RdNr 29a, 33) ".
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Der Senat sieht sich an diese Rechtsprechung - für die Zwecke des einstweiligen
Rechtsschutzes, in dem eine erneute Befassung des Bundessozialgerichts mit der
Thematik nicht zu erreichen ist - gebunden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Die Versagung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG, § 114
Zivilprozessordnung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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