Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.03.2002
LSG NRW: universität, rechtliches gehör, befreiung von der versicherungspflicht, krankenversicherung, mitgliedschaft, verwaltungsakt, zugehörigkeit, untätigkeitsklage, datum, student
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 58/00
Datum:
07.03.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 58/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 3 KR 71/99
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts (SG) Münster vom 31. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Münster
vom 3. März 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten
haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger will festgestellt wissen, daß er - als vom 1.4.1975 bis zum 30.9.1984 an der
Universität zu K ... eingeschriebener Student - bei einer Funktionsvorgängerin der
beklagten AOK Rheinland (vereinigt ab dem 1.4.1994) als Mitglied der mit Wirkung ab
dem 1. September 1975 geschaffenen Krankenversicherung der Studenten (KVdS)
pflichtversichert war (§ 165 Abs 1 Nr 5 RVO idF des Gesetzes über die
Krankenversicherung der Studenten (KSVG) vom 24.6.1975 - BGBl 1536 - jetzt §5 Abs 1
Nr 9 des Sozialgesetztbuches ( SGB)V).
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Der Kläger ist am ...1935 in L ... geboren. Er war 1955/56 Student der Karl-Marx-
Universität L ... und von Mai 1957 bis zum 19.8.1997 als ordentlicher Student an der
Universität M ... immatrikuliert (Bescheinigung der Universität vom 19.11.1998).
Mittlerweile bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In der Meldung zur
Krankenversicherung der Rentner (KVdR) hat er mit Datum des 1.10.1995 mitgeteilt und
unterzeichnet, er habe am 1.4.1970 erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und
sei vom 1.4.1970 bis zum 31.7.1975 sowie vom 1.8.1975 bis zum 30.6.1984 bei der C ...
V ... gegen Krankheit versichert gewesen und seit dem 11.7.1984 Mitglied der AOK
Münster. Für die Zeit vom 1.7.1981 bis zum 30.5.1984 ist der Kläger durch das
Landesamt für Besoldung und Versorgung NW in der Rentenversicherung
nachversichert worden (Bescheid der BfA vom 20.10.1987 - "Berufsstellung pp:
Studienreferendar"). Im noch anhängigen Verfahren S 3 KR 21/97 SG Münster = L 5 KR
43/00 LSG NW streitet der Kläger mit der AOK Westfalen-Lippe, ob er bei dieser Kasse
Mitglied der KVdR geworden ist. In einem weiteren noch anhängigen Verfahren des
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Klägers gegen die AOK Westfalen-Lippe (S 3 KR 49/00 SG Münster = L 16 KR 113/00
LSG NW = L 5 KR 43/00 LSG NW) verlangt der Kläger mit der Behauptung, es seien
von ihm erhobene Ansprüche übergangen, eine Ergänzung der erstinstanzlichen
Entscheidung aus dem Verfahren S 3 KR 21/97 SG Münster (§ 140 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Mit Datum des 10.9.1997 stellte die Universität zu K ... dem Kläger eine Bescheinigung
aus. Für die Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung bestätigte die Universität
dem Kläger an "Zeiten der Hochschulausbildung nach Vollendung des 16.
Lebensjahres" eine Ausbildungsdauer vom 1.4.1975 bis zum 30.9.1984. Das vom
Kläger vorgelegte Doppel der Bescheinigung der Universität weist ferner - in der
Ablichtung - einen handschriftlichem Vermerk auf, mit einem Namenskürzel, dem Datum
des nämlichen 10.9.1997, dem Stempel "AOK Rheinland Die Gesundheitskasse
Studententreff" und dem Inhalt: "Herr S. hat am 10.9.1997, einen Antrag auf Bestätigung
seiner Mitgliedszeiten gestellt."
4
Mit Schreiben vom 24.3.1999 und Anlagen wandte sich der Kläger an den o.a.
Studententreff der beklagten AOK. Er forderte die AOK auf, einen Bescheid über seinen
Antrag vom 10.7.1997 zu erteilen, erläuterte, daß er die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Zugehörigkeit zur KVdS erfüllt habe und führte - soweit nachvollziehbar - u.a.
aus, bereits am 10.9.1997 habe die Beklagte erklärt, daß die Aufbewahrungsfrist für
Mitgliedschaft und Befreiung nach dem KSVG vom 24.6.1975 nur für sieben Jahre
vorgeschrieben sei, und daß deshalb die Immatrikulationsbescheinigung genüge; am
26.2.1998 habe die Beklagte dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt S ... telefonisch
erklärt, daß er keinen Antrag auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht gestellt
habe; in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis habe er zum WS
1975/76 nicht gestanden; er sei nicht wegen Anspruchs auf Familienhilfe o.ä.
beitragsfrei gewesen; Rückmeldung ohne Nachweis eines
Krankenversicherungsschutzes sei nach dem KVSG nicht möglich gewesen; die
Regelung in § 318 RVO habe zur Folge gehabt, daß sämtliche Studierende der
zuständigen AOK des Rheinlandes hätten gemeldet werden müssen; die
Ortskrankenkasse des Hochschulortes sei für ihn zuständig gewesen; das
Studentensekretariat der Universität habe ihm bestätigt, daß grundsätzlich
Krankenversicherungspflicht aller zum WS 1975/76 rückgemeldeten Studenten iS der
Anlage 3 der Meldeverordnung für die KVdS (KVSMV) vom 30.10.1975 (BGBl 2709)
angenommen worden sei, da der DSKV-Beitrag im Sozialbeitrag für das SS 1975
enthalten gewesen sei und danach Krankenversicherungspflicht bestanden habe; bei
seiner Rückmeldung am 17.8.1975 habe der Nachweis genügt, daß der Sozialbeitrag
für das SS 1975 gezahlt worden sei; die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
(BfA) habe ihm nunmehr die Möglichkeit eröffnet, seinen Antrag auf Rente wegen
Schwerbehinderung nach der Durchführung einer freiwilligen Nachversicherung zu
bescheiden.
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Am 8.6.1999 hat der Kläger zur Niederschrift des SG erklärt, er erhebe Klage mit dem
Antrag, die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 10.9.1997 in der Begründung
vom 24.3.1999 zu "verbescheiden"; die Voraussetzungen für die Erhebung der
Untätigkeitsklage lägen vor, weil die Beklagte auf seinen Antrag wegen Erlasses eines
Bescheides über die Erfüllung der beitragsrecht lichen Voraussetzungen für die
Pflichtversicherung nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO vom WS 1975/76 bis 1984
einschließlich keinen schriftlichen Bescheid erteilt habe, ohne dafür zureichende
Gründe mitzuteilen; er habe einen Rechtsanspruch auf Bescheiderteilung, weil der
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Vertreter der Beklagten ihm bei der Antragsannahme am 10.9.1997 erklärt habe, daß
ihm die Bescheinigung der Universität über die Immatrikulation genüge, denn jeder
Student habe ab dem WS 1975/76 als Voraussetzung für die Durchführung der
Rückmeldung einen Krankenversicherungsnachweis führen müssen. Der Kläger legte
dem SG in der Ablichtung vor:
- eine Bescheinigung der Universität zu K ... vom 17.12.1998, des Inhalts, daß man
ergänzend bestätige, daß ab dem WS 1975/76 die Beiträge zur Studentischen
Krankenversicherung nicht mehr im Sozialbeitrag enthalten gewesen seien
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- eine Bescheinigung der Westfälischen Wilhelms-Universität M ... vom 7.1.1999 des
Inhalts, daß im Sozialbeitrag von 136,80 DM für das SS 1975 der DSKV Beitrag in Höhe
von 115.- DM enthalten gewesen sei, und daß zwingend davon auszugehen sei, daß
der Studierende über die DSKV krankenversichert gewesen sei, wenn der Sozialbeitrag
bei der Rückmeldung für das SS 1975 gezahlt worden sei
8
- ein Schreiben der BfA an den Kläger vom 23.9.1999 des Inhalts, daß über den Antrag
des Klägers auf Altersrente gemäß § 37 SGB VI nach Klärung des vollständigen
Versicherungsverlaufs und der ggf. vom Kläger durchgeführten Nachentrichtung
entschieden werden könne, und daß nach seinem aktuellen Versicherungsverlauf im
WS 1975/76 Rentenversicherungspflicht nicht vorgelegen habe
9
- eine weitere Bescheinigung der Universität zu K ... vom 4.10.1999 des Inhalts, daß das
Meldeverfahren für die KVdS ab dem WS 1975/76 für jeden Studierenden individuell
durchgeführt worden sei, und daß genauere Angaben zu den im betreffenden Semester
durchgeführten Meldeverfahren nicht möglich seien, weil die Universität aus
organisatorischen wie datenschutzrechtlichen Gründen zu diesen Vorgängen keine
Unterlagen archiviere.
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Die beklagte AOK Rheinland - Studententreff an der Universität K ... (S ... K ...,
Studentenberater) - hatte dem Kläger mit Schreiben vom 19.7.1999 mitgeteilt, aufgrund
des Antrags des Klägers vom 10.9.1997 habe sie das Archiv der Kasse beauftragt, die
KVdS-Zeiten des Klägers von 1975 bis 1984 zu bestätigen; nachdem die zuständige
Abteilung mitgeteilt gehabt habe, daß keine Mitgliedszeiten vorlägen, habe die Kasse
das dem Kläger telefonisch mitgeteilt; die Tatsache, daß die Zahlung des
Semesterbeitrags grundsätzlich zu einer Mitgliedschaft in einer gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) geführt habe, könne man bestätigen; daß diese
Mitgliedschaft aber die AOK K ... durchgeführt habe, bleibe aufgrund der der Kasse
fehlenden Mitgliedszeiten weiter unklar. - Das Ergebnis der von der Beklagten
angeführten Ermittlungen findet Niederschlag in Blatt 33 ff der Verwaltungsakten der
Beklagten. Der Terminsvertreter der Beklagten hat dazu auf Anfrage des Senats vom
7.1.2002 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, nicht nur aus dem
Bereich der AOK K ..., sondern aus dem aller Funktionsvorgängerinnen der Beklagten
habe man den Kläger betreffende, entspreche Nachweise nicht feststellen können. -
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Mit Schreiben vom 22.7.1999 ergänzte der Studentenberater K ..., er gebe den Tip, sich
an die anderen Landes-AOK´s zu wenden; Mitgliedszeiten könnten auch bei anderen
gesetzlichen Kassen abgefragt werden (BEK, DAK, IKK usw.).
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Am 29.7.1999 erklärt der Kläger zur Niederschrift des SG: er sehe sich nicht in der Lage,
seine Untätigkeitsklage zurückzunehmen; für ihn sei nicht ersichtlich, ob das Schreiben
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der Beklagten den von ihn begehrten Verwaltungsakt darstelle, da es nach seinem
Dafürhalten keine abschließende Entscheidung über die von ihm begehrte Bestätigung
der Mitgliedszeiten treffe; es gehe ihm um die Feststellung, daß die Beklagte aufgrund
der Neuregelung der studentischen Krankenversicherung im SS 1975 verpflichtet
worden sei, auch in seinem Fall als Voraussetzung für die Rückmeldung zum WS
1975/76 entweder das Bestehen der Mitgliedschaft nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO auf
Mustervordruck zu bestätigen oder auf seinen persönlichen Antrag hin die Befreiung
davon zu bescheinigen.
Mit Schreiben vom 3.9.1999 schilderte die Beklagte dem Kläger Voraussetzungen und
Modalitäten der KVdS, bestätigt ihm so, daß, was er festgestellt wissen wolle, in Teilen
der damaligen Rechtslage entsprach und befand weiterhin;
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"Der Kläger war in der Zeit von 1975 bis 1984 nicht Mitglied der studentischen
Krankenversicherung bei der AOK K ... (Rechtsvorgängerin der AOK Rheinland). Er
wurde nicht gemäß § 173 d RVO von der Versicherungspflicht auf Antrag befreit.
Ebenfalls fand keine Befreiung kraft Gesetzes statt (§ 175 Nr 3 RVO) ... Da auch andere
Krankenkassen für die Durchführung der Versicherung zuständig gewesen sein konnten
(zB die AOK des Wohnortes, die Krankenkasse, bei der er vor dem Studium zuletzt
versichert war oder Anspruch auf Familienkrankenpflege hatte), muß die studentische
Krankenversicherung des Klägers auch nicht zwingend bei der AOK K ... durchgeführt
worden sein. Eine Befreiung kann ebenfalls von einer anderen zuständigen
Krankenkasse ausgesprochen worden sein. Da bei der Regionaldirektion der AOK K ...
keine Unterlagen über eine Mitgliedschaft oder eine Befreiung des Klägers vorliegen,
können dem Gericht keine Unterlagen übersandt werden. Sofern der Kläger zur Zeit
seines Studiums außerhalb des Gebietes der Stadt K ... gewohnt hat, besteht auch die
Möglichkeit, daß seine studentische Krankenversicherung bei einer anderen
Rechtsvorgängerin der AOK Rheinland (z.B ...) ... durchgeführt worden ist. Von daher
wäre es hilfreich, wenn der damalige Wohnort des Klägers bekannt wäre. Er kann
jedoch auch bei einer Ersatz-, Innungs- oder Betriebskrankenkasse als letzter
Krankenkasse vor dem Studium studentisch krankenversichert gewesen sein.
Schließlich kann er auch bei einer solchen Krankenkasse von der
Krankenversicherungspflicht befreit worden sein."
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Im Laufe des weiteren Schriftwechsels erklärte der Kläger, die Beklagte könne und
müsse die Unklarheit beseitigen; er habe einen Rechtsanspruch darauf, daß die
Beklagte ihm einen Verwaltungsakt mit bestimmtem Inhalt erteile; aus diesem Grunde
sei die Ände rung der Untätigkeitsklage in eine Verpflichtungsklage sachdienlich; er
erhebe vorsorglich Widerspruch gegen das Schreiben des Herrn K ... vom 19.7.1999.
Mit Schreiben vom 6.12.1999 erklärte der Kläger entgegen der von der Beklagten im
Schriftsatz vom 25.11.1999 vertretenen Auffassung, daß die Mitteilungen der Kasse
keine Verwaltungsakte iS von § 31 des Sozialgesetzbuches (SGB) X seien, verstehe er
jedenfalls aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.11.1999, daß die Beklagte den
beantragten Verwaltungsakt ablehne; er beantrage die Vornahme eines
Verwaltungsaktes mit den folgenden Verfügungssätzen:
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"1. Der Pflichtversicherungstatbestand in der KVdS ist unabhängig von der Einhaltung
formeller Meldepflichten und Erfüllung materieller Beitragspflichten ab WS 1975/76 kraft
Gesetzes entstanden. Die Prüfung, ob und ggf. inwieweit dieser Tatbestand auf Grund
der Durchführung des Meldeverfahrens über Einschreibung oder Rückmeldung als
ordentlicher Studierender an die Universität zu K ... zum WS 1975/76 durch das
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Studentensekretariat entstanden ist, fällt in die Zuständigkeit der gesetzlichen
Krankenkasse am Hochschulort. Diese Krankenkasse hatte das Ergebnis der Prüfung
zu bescheinigen.
2. Die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der KVdS lagen zum WS 1975/76
vor, weil der Kläger als ordentlicher Studierender der Universität zu K ... in der Zeit die
Merkmale der RVO § 165 I Nr. 5 erfüllte.
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Einen Antrag auf Befreiung von dieser Pflichtversicherung hat der Kläger zu keiner Zeit
gestellt. Die gesetzliche Krankenkasse am Hochschulort hat ihm ab WS 1975/76 keine
Befreiungsbescheinigung ausgestellt.
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3. Die nach der RVO § 318 I für den Kläger zuständige Krankenkasse am Hochschulort
muß für den Fall, daß sie die ihr aus dem kraft Gesetzes entstandenen Tatbestand
obliegenden Pflichten für die Beratung und Betreuung des Klägers verletzt hat, den
beantragten Bescheid erteilen.
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Der Kläger hat hierauf einen Herstellungsanspruch. Das Verwaltungsverfahren ist zu
dem Pflichtversicherungstatbestand ab WS 1975/76 durchzuführen.
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4. Der gesetzliche Auftrag für die Übernahme der bis SS 1975 einschließlich in der
DSKV krankenversicherten Studierenden in die KVdS ab WS 1975/76 schließt es aus,
sich dauerhaft auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit zur Vornahme eines
Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt zu (in Orientierung an den Urteilen des
Bundessozialgerichts SozR 3-8560 § 26 Nr. 2 Seite 17 f. und BSGE 73, 244/252)
berufen. Es ist allgemein anerkannt, daß die einzige gesetzliche Krankenkasse am
Hochschulort sich nicht dauerhaft darauf berufen kann, zur Aufgabenerfüllung nach der
unstreitigen Durchführung des gesetzlichen Meldeverfahrens für die Übernahme der in
der DSKV krankenversicherten Studierenden in die KVdS ab WS 1975/76 nicht in der
Lage zu sein, weil das Studentensekretariat keinerlei Unterlagen archiviert hat und
weder gemeldete Daten gespeichert noch Beitragszahlungen aufzufinden sind. Es ist
ausgeschlossen, daß der Kläger als ordentlicher Studierender ab WS 1975/76 in einem
Rechtsverhältnis zu einem privaten Krankenversicherer gestanden hat, wenn keine
Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt und bekanntgegeben worden ist."
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
24
Das SG Münster hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2000 abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar die Untätigkeitsklage als
Verpflichtungsklage weiter verfolgen können, die Klage sei jedoch unzulässig, da seine
Anträge aus einer Vermischung von Tatsachenbehauptungen, rechtlichen
Begründungen und Begehren beständen und somit nicht Gegenstand eines
Verwaltungsaktes sein könnten, den zu erlassen die Beklagte verpflichtet werden
könne.
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Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid vom 3.3.2000 am 28.3.2000 Berufung
eingelegt und geltend gemacht, der Gerichtsbescheid sei ein Überraschungsentscheid,
der verboten sei; die Sach- und Rechtslage sei nicht geklärt; das Bestehen einer
Mitgliedschaft zur KVdS sei durch Verwaltungsakt entweder zustimmend oder
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ablehnend festzustellen.
Die Beklagte hat eine Entscheidung ihrer Widerspruchsstelle herbeigeführt. Diese hat
mit Widerspruchsbescheid vom 14.6.2000 entschieden, der Widerspruch des Klägers
vom gegen die Mitteilung der AOK vom 19.7.1999 idF des Schreibens vom 3.9.1999
werde zu rückgewiesen, denn das Schreiben vom 19.7.1999 enthalte keine Regelung,
deshalb sei ein Widerspruch nicht möglich und mangels Rechtsschutzinteresses
zurückzuweisen.
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Der Kläger hatte zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 23.3.2000 die Ergänzung des
Gerichtsbescheides vom 3.3.2000 verlangt und beantragt,
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1. positiv festzustellen, daß ein Pflichtversicherungsverhältnis für ihn in der KVdS der
Beklagten aufgrund der Einhaltung formeller Meldepflichten durch die Universität zu K ...
kraft Gesetzes nach der damals anzuwendenden RVO § 165 Abs 1 Nr 5 unabhängig
von der Erfüllung materieller Beitragspflichten ab WS 1975/76 entstanden sei und bis
SS 1984 einschließlich ohne Unterbrechung bestanden habe
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2. des weiteren positiv festzustellen, daß die kraft Gesetzes aufgrund des
Meldverfahrens der Universität zu K ... zuständige Beklagte aus dem Umehrschluß der
durch ihre prozessuale Erklärung bereits zugestandenen Nichtbefreiung von der
studentischen Pflichtversicherung als Voraussetzung für die Rückmeldung dem
immatrikulierten Kläger vom WS 1975/76 bis SS 1984 jeweils auf nichtarchiviertem
Vordruck zur Vorlage bei der Universität zu K ... das Bestehen des
Versicherungsverhältnisses in der KVdS bescheinigt habe.
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Das SG Münster hat diese Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.8.2000 (S 3 KR 77/00)
abgewiesen, weil es die vom Kläger im Verfahren S 3 KR 71/99 erhobenen Ansprüche
nicht iS von § 140 SGG über gangen, sondern durchaus berücksichtigt habe, auch wenn
es die Klage als unzulässig betrachtet habe.
31
Der Kläger hat gegen diese Entscheidung am 8.9.2000 Berufung eingelegt (L 5 KR
176/00 LSG NW = L 16 KR 244/01 LSG NW).
32
Der Berichterstatter hat dem Kläger jeweils nach Eingang weiterer Akten Hinweise zur
Sach - und Rechtslage gegeben (Schreiben vom 7.1 , 29. und 31. 1. 2002). Ein gegen
den Berichterstatter gerichtetes Ablehnungsgesuch des Klägers vom 25./31.1.2002 hat
der Senat mit Beschluss vom 4.2.2002 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 4.3.2002
hat der Senat die vom Kläger dagegen eingelegte "außerordentliche Beschwerde"
zurückgewiesen. Nach Verlegung des für den 31.1.2002 vorgesehenen Termins zur
mündlichen Verhandlung auf den 7.3.2002 sind am 1.3.2002 und am Terminstag
während der Verhandlung des Senats bei diesem sowie nach der Verkündung der o.a.
Entscheidungen zahlreiche mit dem 13.2. bzw. 5.3.2002 datierte Schreiben des Klägers
eingegangen mit u.a. der Forderung einer Verlegung des Termins und Ablehnung des
Vorsitzenden des Senats sowie des Berichterstatters wegen Besorgnis der
Befangenheit, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird.
33
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
34
1) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 03.03.2000 abzuändern und
entsprechend seinen erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden,
35
2) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 31.08.2000 abzuändern und
entsprechend seinen erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden.
36
Für den Kläger und Berufungskläger ist zur mündlichen Verhandlung am 7.3.2002
niemand erschienen. Mit der Terminsnachricht ist daraufhingewiesen worden, daß auch
in Abwesenheit des Klägers und eines Bevollmächtigten des Klägers verhandelt und
entschieden werden könne.
37
Die Beklagte beantragt,
38
die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.
39
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze
in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten (L 16 KR 58/00 und 244/01
LSG NW) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten S 3 KR 21/97 SG
Münster = L 5 KR 43/00 LSG NW.
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Entscheidungsgründe:
41
I.
42
Die erneuten Ablehnungsgesuche haben eine Entscheidung der Streitsache unter
Mitwirkung der vom Kläger abgelehnten Richter nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 47 der
Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht hindern können, denn sie sind, wie schon zuvor,
ausschließlich in der Absicht und aus dem Grund angebracht, einer dem Kläger
mißliebigen Entscheidung auszuweichen, die ihm vor Augen steht, nachdem er vom
Gericht auf bislang nicht oder nicht hinreichend angesprochene Gesichtspunkte
hingewiesen worden ist. Diese erneuten Ablehnungsgesuche konnten, weil
offensichtlich rechtsmißbräuchlich angebracht, als gegenstandslos betrachtet werden,
mußte dem Kläger doch bereits nach seiner ersten erfolglosen Ablehnung klar
geworden sein, daß es zu den Kernpflichten eines Richters gehört, dem Anspruch der
Beteiligten auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) Geltung zu verschaffen mit Hinweisen zum
Verfahren und auf neue Gesichtspunkte - mögen sie dem einen oder anderen günstig
oder ungünstig erscheinen -, und hat doch der Kläger darüber hinaus nichts
vorgetragen, was auch nur annähernd Gegenstand einer erfolgreichen Rüge der
Befangenheit der von ihm abgelehnten Richter hätte sein können.
43
Obgleich für den Kläger zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte
der Senat verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist - mit Hinweis auf diese
Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 7.3.2002 geladen
worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 126 SGG;
BSG in SozR Nr 5 zu § 110 SGG). Es bestand kein Anlaß, die mündliche Verhandlung
zu vertagen. Das Erscheinen des Klägers war lediglich angeordnet, um die zahlreichen
Verfahren des Klägers strukturieren zu können. Im übrigen hatte der Kläger hinreichend
Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen.
44
II.
45
Der Senat weist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Münster
46
vom 31. August 2000 (S 3 KR 77/00 SG Münster = L 5 KR 176/00 = L 16 KR 244/01
LSG NW) aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück
und sieht daher gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab. Daß das SG die Anträge des Klägers in der Sache nicht hat
prüfen brauchen und können, nachdem es sie als unzulässig betrachtet hat, bedeutet in
der Tat nicht, daß die Anträge vom SG übergangen wären. Sie sind nur anders gewertet
worden, als sich der Kläger dies vorgestellt hat.
III.
47
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Münster vom 3. März
2000 (S 3 KR 71/99 SG Münster = L 16 KR 58/00 LSG NW) ist unbegründet.
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Entgegen der Auffassung des SG hat der Senat die Klage oder die Klagen des nicht als
unzulässig betrachtet. Zwar handelt es sich bei den Anträgen des Klägers in der Tat um
ein schier unentwirrbares Gemenge aus Tatsachenbehauptungen, Schlußfolgerungen
und rechtlichen Wertungen; aus all dem wird jedoch, wie dies das SG in seinen
Hilfserwägungen auch treffend aufgezeigt hat, der Antrag deutlich, daß letztlich
festgestellt werden soll, daß der Kläger vom 1.9.1975 bis zum 30.9.1984 bei der AOK K
..., vielleicht auch bei einer anderen Funktionsvorgängerin der beklagten AOK
Rheinland Mitglied der KVdS war. Der Kläger wünscht diese Feststellung, dies wird
freilich erst aus den beigezogenen Akten deutlich, allein zur Stützung des Nachweises
seiner Pflichtmitgliedschaft bei der AOK Westfalen-Lippe als Rentner, und der Kläger
behauptet, in seinem Fall sei der Nachweis des Studiums dem Nachweis seiner
Zugehörigkeit zur KVdS gleichzuerachten, weil er sämtliche, möglicherweise
entgegenstehenden Umstände ausgeräumt habe oder mit Hilfe seiner zahlreichen
Anträge ausräumen zu können sich anheischig gemacht habe.
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Der Kläger hat mit seinem Begehren auch in zulässiger Weise von der zunächst
erhobenen Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) zur Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§
54, 55 SGG) gegen die Schreiben der Kasse vom 19.7. und 3.9.1999 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 14.6.2000 wechseln können. Nachdem die Beklagte
dem Kläger mehrfach die Auskunft gegeben und erläutert hatte, daß ihr Unterlagen über
eine Zugehörigkeit des Klägers zur KVdS nicht vorlägen (wie es Terminsvertreter der
Beklagten vor dem Senat verdeutlicht hat: insgesamt und nicht allein aus der
Hinterlassenschaft der AOK K ...), hat die Beklagte nämlich mit den genannten
Schreiben in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.6.2000 letztlich
jedenfalls auch eine Regelung getroffen und einen Verwaltungsakt des Inhalts erlassen,
daß sie sich außerstande sehe, den vom Kläger gewünschten Verwaltungsakt zu
erlassen. Jedenfalls schon mit der Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 3.9.1999,
er sei seinerzeit nicht Mitglied der KVdS bei der AOK K ... gewesen, auch seien andere
Kassen als ihre Funktionsvorgängerinnen für eine solche Versicherung in Betracht
gekommen, konnte und mußte der Kläger erkennen, daß die Kasse sich weigerte, die
gewünschte Regelung zu treffen und festzustellen, er sei vom 1.9.1975 bis zum
30.9.1984 bei der AOK K ... Mitglied der KVdS gewesen. Irgendwann, nach seinem
eigenen ausdrücklichen Bekunden jedenfalls aus dem Schreiben der Beklagten vom
25.11.1999, hat der Kläger das auch so verstanden.
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Dieser ablehnende Verwaltungsakt und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid
waren im Ergebnis rechtmäßig schon deshalb, weil es jedenfalls seit 1997 keine
Rechtsgrundlage mehr gab, aus der sich die Kompetenz der Beklagten hätte herleiten
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lassen, den Versicherten-Status des Klägers festzustellen, nachdem etwaige
Beziehungen des Klägers zur Kasse aufgrund einer etwaigen Mitgliedschaft des
Klägers in der KVdS bei einer Funktionsvorgänge rin der Beklagten vollständig
abgewickelt waren, für eine Regelung zwischen den Beteiligten mithin keinen Raum
mehr ließen. Jedenfalls ist es nicht nur nicht ersichtlich, sondern auch nicht vorgetragen,
daß es zwischen der Beklagten als Funktionsnachfolgerin und dem Kläger noch irgend
etwas zu regeln gegeben hätte. Die vom Kläger gewünschte Status-Entscheidung hat
die Beklagte auch nicht als Einzugsstelle treffen können (§§ 28 d ff SGB IV), denn es
stand nicht die Einziehung von Beiträgen zur Erledigung an, und die Beklagte konnte
ohnehin für den Kläger zu ständige Einzugsstelle nicht sein, weil sie seine
Krankenversicherung nicht durchführte (§ 28 i SGB IV).
Die Entscheidung über die Zugehörigkeit des Klägers zur KVdR bei der AOK Westfalen-
Lippe hingegen, bei der die Frage seiner Zugehörigkeit zur KVdS vielleicht zum
Nachweis von Vorversicherungszeiten als Pflichtmitglied iS von § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V
von Bedeutung ist, war grundsätzlich der Regelung durch diese an den hier streitigen
Verfahren nicht beteiligten und nicht zu beteiligenden Kasse vorbehalten, und diese
wäre bei ihrer Entscheidungan eine Statusentscheidung der AOK Rheinland allenfalls
dann gebunden gewesen, wäre sie bereits zulässiger Weise ergangen gewesen (vgl.
BSG Urt.v. 24.9.96 1 RK 1/96).
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Der Senat hatte danach darüber nicht zu entscheiden, ob und in wieweit dem Kläger ein
Rechtschutzbedürfnis für eine Feststellung seiner Mitgliedschaft zur KVdS vom 1.9.1975
bis zum 30.9.1984 schon deshalb abgesprochen werden muß, weil die für ihn nach § 5
Abs 1 Nr 11 SGB V maßgebliche zweite Hälfte seines Berufslebens erst ab dem
2.1.1983 beginnt, die Zeit bis dahin also gar nicht erfaßt. Offen bleiben konnte hier auch,
ob der Kläger in der nachversicherten Zeit, vielleicht als Studienreferendar oder sonst
als Beamter in der Ausbildung nach §§ 175 Abs 1, 172 Abs 1 Nr 1 RVO kraft Gesetzes
versicherungsfrei war und dann in dieser Zeit niemals Mitglied der KVdS sein konnte.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch weicht das Urteil von einer
Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ab und beruht auf dieser
Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
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