Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.10.1997

LSG NRW (rente, 1995, erstattung, betrag, öffentlich, zahlung, auszahlung, rückforderung, leistung, begründung)

Landessozialgericht NRW, L 14 An 23/95
Datum:
10.10.1997
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 14 An 23/95
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 11 An 18/94
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 4 RA 88/97 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen
vom 13. April 1995 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin
auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist im Berufungsverfahren nur noch, ob die Beklagte von der Klägerin die
Erstattung eines Betrages von 2.707,02 DM verlangen kann, den die Klägerin im Wege
der Rentenpfändung insbesondere aufgrund von Unterhaltsansprüchen aus der Rente
ihres geschiedenen Ehemannes (Versicherter) erhalten hat.
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Die im Jahre 1928 geborene Klägerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts Düren vom
19.04.1990 von dem Versicherten geschieden. Der Versicherte bezieht seit 1980 von
der Beklagten Altersruhegeld. Da er seiner Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ab
Mai 1993 nicht mehr nachkam, erließ das Amtsgericht Euskirchen unter dem 20.10.1993
einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem die monatliche
Rentenforderung des Versicherten gegen die Beklagte zugunsten der Klägerin
gepfändet wurde, soweit sie die Pfändungsfreigrenze bzw. einen Nettobetrag von
monatlich 1.100,-- DM überstieg. Mit Schreiben vom 16.11.1993 erklärte die Beklagte
entsprechend § 840 Zivilprozeßordnung (ZPO)/§ 316 Abgabenordnung (AO), die
Forderung werde anerkannt und die Beklagte sei zur Zahlung bereit. Pfändungen für
andere Gläubiger lägen nicht vor. Bei einem für die Pfändung maßgeblichen
monatlichen Zahlbetrag von 2.002,34 DM ergäbe sich unter Berücksichtigung des
festgestellten Freibetrages von 1.100,-- DM ein pfändbarer Betrag von 902,34 DM.
Dieser Betrag werde ab Februar 1994 laufend monatlich überwiesen. Die Nachzahlung
für Dezember 1993 und Januar 1994 werde gesondert angewiesen.
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Bereits mit Schreiben vom 05.10.1993 (Eingang bei der Beklagten: 11.10.1993) hatte
die Stadt Köln (Beigeladene) der Beklagten mit geteilt, daß sich der Versicherte seit
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15.06.1993 in einem Altenheim befinde und die Heimkosten aus Sozialhilfemitteln
übernommen würden. Die Beigeladene meldete zugleich einen Erstattungsanspruch
hinsichtlich der laufenden Rentenzahlung ab November 1993 entsprechend § 104 des
Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) an.
Mit Ablauf des Monats Februar 1994 stellte die Beklagte daraufhin die Zahlungen an die
Klägerin ein. Mit Schreiben vom 21.02.1994 teilte sie der Klägerin u.a. mit, entgegen
den Ausführungen im Schreiben vom 16.11.1993 hätten der Klägerin die bisher
gezahlten Beträge nicht zugestanden. Die Rente werde vom zuständigen
Sozialhilfeträger im Wege eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X in Anspruch
genommen. Diesem Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers sei nunmehr der
Vorrang vor dem Anspruch der Klägerin einzuräumen. Die Zahlung an die Klägerin sei
daher mit Ablauf des Monats Februar 1994 eingestellt worden. Weitere Zahlungen
könnten nicht mehr erfolgen. Der Grund für den nunmehrigen Vorrang des
Erstattungsanspruches des Sozialhilfeträgers sei eine Gesetzesänderung, nämlich der
mit Wirkung vom 01.01.1994 in das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) eingefügte § 122
a. Danach gingen Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe gegen andere
Leistungsträger nach § 104 SGB X u.a. einer Pfändung vor, auch wenn diese vor
Entstehen des Erstattungsanspruches erfolgt sei. Aufgrund der in § 106 SGB X
genannten Rangfolge stehe dem Sozialamt auch für den Monat Dezember 1993 die
volle Rente zu, da der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nach dem Beginn der
Sozialleistungen zugestellt worden sei (Leistungsbeginn: 15.06.1993, Zustellung des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses: 28.10.1993). Die der Klägerin für die
Monate Dezember 1993 bis Februar 1994 zu Unrecht zugeflossenen Beträge in Höhe
von 2.707,02 DM (Vollstreckungskosten: 1.937,71 DM und 769,31 DM Unterhalt)
würden hiermit gemäß § 50 SGB X zurückgefordert. Das Schreiben vom 21.02.1994
enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
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Bereits mit Schreiben vom 07.02.1994 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, den
pfändbaren Teil der Altersrente des Versicherten weiterhin an sie auszuzahlen. Am
04.03.1994 hat die Klägerin eine Leistungsklage erhoben, mit der sie die Verurteilung
der Beklagten zur Auszahlung rückständiger Beiträge aus der Rentenpfändung sowie
zur laufenden monatlichen Zahlung begehrt hat. Zur Begründung hat sie u.a.
vorgetragen, die Zahlungen seien einfach eingestellt worden. Die beigeladene Stadt
Köln habe von ihr verlangt, auf ihre Unterhaltsansprüche zu verzichten, im
Weigerungsfalle werde eine Unterhaltsabänderungsklage erhoben. Eine solche
Verzichtserklärung sei nicht abgegeben worden. Im übrigen sei die neue Vorschrift des
§ 122 a BSHG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.
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Auf Anregung des Sozialgerichts hat die Beklagte die Klage vom 04.03.1994 als
Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.1994 gewertet. Mit Widerspruchsbescheid
vom 09.12.1994 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch
zurückgewiesen. Zur Begründung wird in dem Bescheid - soweit jetzt noch
streiterheblich - ausgeführt, der Anspruch des Sozialamtes der Stadt Köln genieße
Priorität. Die zu Unrecht gezahlten Beträge an die Klägerin und ihren
Prozeßbevollmächtigten seien im Rahmen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsausgleichs zurückzufordern. Ein Vertrauensschutz im Sinne von §§ 45, 48
SGB X bestehe in diesem Falle nicht. Ab 01.01.1994 stehe dem Sozialhilfeträger durch
Einführung des § 122 a BSHG unabhängig von der vorherigen Priorität ohnehin die
volle Rente zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid
Bezug genommen (s. Bl. 49 ff. der Akten).
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Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin - entsprechend der
Rechtsmittelbelehrung des Bescheides - am 12.01.1995 gesondert Klage erhoben, mit
der sie die Aufhebung des Bescheides vom 21.02.1994 und des
Widerspruchsbescheides vom 09.12.1994 begehrt hat. Das Sozialgericht hat das neue
Klageverfahren mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden (Beschluss vom
03.02.1995, Bl. 60 der Akten).
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Bescheid vom 21.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
09.12.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie für November 1993 und
ab März 1994 den jeweils pfändbaren Betrag der Rente des versicherten E ... St ...
auszuzahlen, zuzüglich 4 % Jahreszinsen aus dem monatlich jeweils abzuführenden
Betrag sowie die zukünftig fällig werdenden Beträge monatlich im voraus zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich i. w. auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und im übrigen auf § 122 a BSHG und ihren
Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X verwiesen.
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Durch Urteil vom 13.04.1995 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom
21.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1994 insoweit
aufgehoben, als darin die Erstattung von 2.707,02 DM geltend gemacht worden ist. Im
übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es i. w. ausgeführt, die
Bescheide der Beklagten seien insoweit rechtmäßig, als es die Beklagte abgelehnt
habe, der Klägerin weiterhin den pfändbaren Betrag der Rente des Versicherten
auszuzahlen. Rechtswidrig seien die Bescheide hingegen, soweit die Beklagte darin
die Erstattung von 2.707,02 DM geltend gemacht habe. Da der Erstattungsanspruch der
Beigeladenen gemäß § 104 SGB X bereits am 15.06.1993 entstanden sei, sei die
Auszahlung des pfändbaren Teils der Rente an die Klägerin in den Monaten Dezember
1993 bis Februar 1994 jeweils rechtswidrig gewesen. Ein Anspruch der Beklagten auf
Erstattung der bereits gezahlten 2.707,02 DM bestehe jedoch nicht, da die gemäß § 45
Abs. 1 SGB X erforderliche Ermessensausübung weder im Bescheid vom 21.02.1994
noch im Widerspruchsbescheid vom 09.12.1994 erfolgt sei. Bei ihrer
Ermessensentscheidung hätte die Beklagte aber insbesondere berücksichtigen
müssen, daß die Auszahlung des pfändbaren Teils der Rente auf ihrem alleinigen
Verschulden beruht habe. Denn sie habe durch das Schreiben der Beigeladenen vom
05.10.1993 bereits Kenntnis von der Heimunterbringung des Versicherten und vom
Bestehen des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen gehabt. Im Hinblick hierauf sei
der angefochtene Bescheid wegen fehlender Ermessenserwägungen zumindest formell
rechtswidrig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Gegen das am 04.05.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.06.1995 Berufung
eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, nach ihrer Auffassung sei die Rückforderung
von materiell-rechtswidrig an Pfändungsgläubiger ausgekehrten Zahlungen nicht nach §
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50 SGB X, sondern nach dem nicht kodifizierten Rechtsinstitut des allgemeinen
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu beurteilen. Dieses Rechtsinstitut sehe im
Gegensatz zu § 50 SGB X, der letztlich auf die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 45,
48 SGB X verweise, nicht vor, daß eine Erstattung davon abhängig wäre, ob das
öffentliche Interesse des Leistungsträgers an der Rückforderung das schutzwürdige
Vertrauen des Zahlungsempfängers überwiege. Vielmehr gebiete das Rechtsinstitut
eine Rückforderung, ohne daß der Leistungsträger Ermessen ausüben müßte. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten im
Schriftsatz vom 09.06.1995 verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13. April 1995 abzuändern und die Klage
vollständig abzuweisen,
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hilfsweise,
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die Revision zuzulassen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Selbst wenn entsprechend den
Ausführungen der Beklagten der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch nach dem
allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu beurteilen wäre, müsse sich
die Beklagte den Einwand der Entreicherung vorhalten lassen. Sie habe den erhaltenen
Betrag nämlich bereits verbraucht - und zwar in erster Linie zur Abdeckung von
außergerichtlichen Anwaltskosten -, bevor die Beklagte den Rückforderungsanspruch
geltend gemacht habe.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und eine Stellungnahme für entbehrlich
gehalten, da der gemäß § 104 SGB X bestehende Erstattungsanspruch durch die
Berufung der Beklagten nicht angegriffen werde.
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Aus einem Schreiben der Beklagten vom 19.10.1995 geht hervor, daß seit dem
01.03.1995 der Klägerin wieder die pfändbaren Beträge aus der Rente des Versicherten
gezahlt werden, da dieser sich seitdem nicht mehr auf Kosten der Beigeladenen in dem
Altenheim aufhält.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der
Beigeladenen (betreffend jeweils den Versicherten E ... St ...), der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat konnte die Streitsache verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene
im Termin nicht vertreten gewesen ist. In der ordnungsgemäß zugestellten
Terminsbenachrichtigung (Empfangsbekenntnis der Beigeladenen vom 11.09.1997) ist
nämlich auf diese zulässige Verfahrensweise (§ 124 Abs. 1, 153 Abs.1
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Sozialgerichtsgesetz SGG) hingewiesen worden.
Einer Beiladung des Versicherten gemäß § 75 Abs. 2 SGG bedurfte es nach Auffassung
des Senats nicht, weil dieser nicht derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt ist,
daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine
Auszahlung des streitigen Rentenbetrages unmittelbar an den Versicherten kommt
nämlich keinesfalls in Betracht, da entweder die Klägerin oder aber die Beigeladene
einen Anspruch auf diesen Betrag hat.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die angefochtenen
Bescheide, mit denen die Beklagte - soweit jetzt noch streitig - von der Klägerin die
Rückzahlung von 2.707,02 DM begehrt, sind auch nach Auffassung des Senats
rechtswidrig.
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Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Erstattung der wegen
der gemäß § 104 SGB X vorrangigen Ansprüche der Beigeladenen zu Unrecht aufgrund
des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Klägerin ausgezahlten Beträge
aus der Rente des Versicherten entgegen der jetzigen Auffassung der Beklagten nach §
50 Abs. 2 SGB X i.V. mit § 45 SGB X richtet. Von der Anwendbarkeit des § 50 SGB X ist
die Beklagte offensichtlich auch noch in ihrem Schreiben vom 21.02.1994
ausgegangen.
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Gemäß § 50 Abs. 2 SGB X sind ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachte Leistungen
unter entsprechender Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X zu erstatten. Die streitigen
Rentenbeträge sind von der Beklagten an die Klägerin aufgrund des Pfändung- und
Überweisungsbeschlusses und damit ohne einen Verwaltungsakt der Beklagten
gegenüber der Klägerin ausgezahlt worden. Aufgrund der vorrangigen Ansprüche der
Beigeladenen erfolgte die Zahlung unstreitig zu Unrecht. Im Gegensatz zur jetzigen
Auffassung der Beklagten liegt auch im Verhältnis zur Klägerin eine "Leistung" der
Beklagten im Sinne von § 50 Abs. 2 SGB X vor, deren Rückabwicklung sich nach dieser
Vorschrift richtet. § 50 SGB X regelt nach seinem Inkrafttreten nämlich umfassend die
Erstattung von zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen. Daß die Leistung in die Hand
eines Dritten wie hier der Klägerin gelangt ist, beseitigt den öffentlich-rechtlichen
Charakter des Leistungsvorganges nicht. Mit der Entgegennahme der Leistung entsteht
daher eine öffentliche Rechtsbeziehung zwischen Leistungsempfänger und
Leistungsträger und damit auch ein öffentlich-rechtliches Erstattungsverhältnis
(Hauck/Haines, SGB X, § 50 Rdn. 10). Zwar wird von den Rentenversicherungsträgern
die Auffassung der Beklagten vertreten, insbesondere im Falle fehlerhafter Auszahlung
gepfändeter Rentenbeträge sei Rechtsgrundlage für die Rückforderung nicht § 50 SGB
X, sondern ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (Komm. zum
Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband deutscher
Rentenversicherungsträger, § 50 SGB X Rdn. 4; ebenso die Arbeitsanweisungen der
Beklagten und anderer Versicherungsträger zu § 50 SGB X). Demgegenüber hat sich
jedoch in der Rechtsprechung zu den vergleichbaren Fällen der Abtretung von
Ansprüchen auf Sozialleistungen oder einen Übergang solcher Ansprüche im Rahmen
der Vermögensübernahme die Auffassung gefestigt, daß dadurch der Charakter einer
"Leistung" im Sinne von § 50 Abs. 2 SGB X nicht verloren geht, so daß sich die
Rückabwicklung nach dieser Vorschrift richtet (vgl. Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X,
3. Aufl. 1996, § 50 Rdn. 6 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
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Dies gilt nach Auffassung des Senats auch bei der Erstattung zu Unrecht gepfändeter
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Rentenbeträge durch den Pfändungsgläubiger. Der Anspruch des Pfändungsgläubigers
- hier der Klägerin - aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, der sich
normalerweise nach der ZPO richtet, ist hier nämlich durch sozialrechtliche Vorschriften
erheblich modifiziert worden. So unterliegt die Pfändung von Sozialleistungen den
besonderen Beschränkungen gemäß §§ 54, 55 des 1. Buches des Sozialgesetzbuches
(SGB I). Zudem ergibt sich aus §§ 104 ff SGB X, daß Erstattungsansprüche von
Sozialleistungsträgern im Gegensatz zu Ansprüchen anderer Gläubiger deutlich
privilegiert sind, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Dies ist für Träger der Sozialhilfe
durch die neue Regelung in § 122 a BSHG noch verstärkt worden. Diese
sozialrechtliche Modifizierung des Anspruch aus einem Pfändungs- und
Überweisungsbeschluß rechtfertigt es nach Auffassung des Senats erst recht, eine
Leistung im Sinne des § 50 Abs. 2 SGB X anzunehmen und demgemäß die
Rückerstattung nach § 50 Abs. 2 i.V.m. §§ 45 und 48 SGB X zu beurteilen.
Davon ausgehend hatte die Beklagte die Vorschriften über den Vertrauensschutz im §
45 Abs. 2 SGB X zu beachten und insbesondere ihr Ermessen auszuüben, ob und in
welchem Umfang eine Rückforderung erfolgen sollte. Wie das Sozialgericht zutreffend
dargelegt hat, sind weder dem als Verwaltungsakt zu wertenden Schreiben vom
21.02.1994 noch dem Widerspruchsbescheid vom 08.12.1994 irgendwelche
Ermessenserwägungen zu entnehmen. Dies wird auch von der Beklagten nicht
behauptet. Da die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ermessensbetätigung nicht
erfolgt ist, hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide insoweit zu Recht als
rechtswidrig angesehen und sie aufgehoben.
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Die Berufung der Beklagten kann daher keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Der Senat hat entsprechend der Anregung der Beklagten wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Sache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Revision zugelassen.
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