Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.11.2003

LSG NRW: innere medizin, berufliche tätigkeit, zumutbare tätigkeit, firma, berufsunfähigkeit, stationäre behandlung, diabetes mellitus, vorübergehende arbeitsunfähigkeit, angina pectoris, omnibus

Landessozialgericht NRW, L 14 RJ 17/01
Datum:
07.11.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 14 RJ 17/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 25 RJ 68/99
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts
Duisburg vom 19.12.2000 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung
des Bescheides vom 12.11.1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22.04.1999 verurteilt, dem Kläger
ausgehend von einem am 18.08.1998 eingetretenen Leistungsfall Rente
wegen Berufsunfähigkeit nach näherer Maßgabe der gesetzlichen
Vorschriften zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen
außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach §
43 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung
(a.F.).
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Der im Dezember 1951 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene
Berufsausbildung. Er übte von 1967 bis 1973 verschiedene ungelernte Tätigkeiten aus
und legte die Prüfung für den Führerschein Klasse 2 ab. Von April 1973 bis Dezember
1976 war der Kläger Zeitsoldat bei der Bundeswehr und wurde dort als Busfahrer
eingesetzt.
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Von Januar 1977 bis Oktober 1989 arbeitete der Kläger als Linienbusfahrer bei den
Stadtwerken P. Hier hatte er vom 22.06. bis 22.07.1981 eine Ausbildung zum
Berufskraftfahrer-Personenverkehr durchlaufen und vor der IHK gemäß § 34
Berufsbildungsgesetz erfolgreich abgeschlossen. Die Entlohnung erfolgte nach der
Lohngruppe F IV BMT-G (Auskunft vom 22.08.2000). Das Beschäftigungsverhältnis
endete durch Auflösungsvertrag zum 26.10.1989. Ab Januar 1990 bis April 1990 war der
Kläger bei der Firma B als Omnibusfahrer (Linienbus) tätig. Von Mai 1990 bis März 1991
arbeitete der Kläger bei der Firma S als Busfahrer (Reisebus). Nach einer Auskunft des
Arbeitgebers vom 06.06.2000 fuhr der Kläger hier einen mittleren Reisebus für
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Tagestouren im Nahbereich bis 200 km. Schließlich war der Kläger von März 1991 bis
April 1998 bei der Firma G als Kraftfahrer im Güterverkehr beschäftigt. Nach den
vorliegenden Auskünften des Arbeitgebers hatte der Kläger hier eine Vergütung nach
Lohngruppe III des Lohntarifvertrages für das gewerbliche Güterverkehrsgewerbe
Nordrhein-Westfalen erhalten.
Es besteht ein GdB von 40. Seit April 1998 ist der Kläger arbeitslos (mit
Leistungsbezug).
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Am 18.08.1998 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit und verwies auf orthopädische und internistische Leiden. Die Beklagte
zog den Entlassungsbericht der Klinik O (stationäres Heilverfahren vom 14.05. bis
18.06.1998, Entlassungsbericht 21.07.1998) bei. Aus dieser Maßnahme war der Kläger
mit den Diagnosen "beginnende Spondylosis hyperostotica der BWS mit
röntgenologisch leichter Seitverbiegung, aktives Zervikal- und reaktives
Lumbalsyndrom, arterielle Hypertonie WHO Stadium 1, Hyperlipidämie und Adipositas
als vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten entlassen
worden. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch die Internistin Dr. E am 16.09.1998
lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.1998 die Gewährung einer Rente wegen
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ab. Der Kläger sei als Angelernter unteren Ranges
noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er genieße den
Berufsschutz eines Facharbeiters und könne daher nicht auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verwiesen werden. Darüber hinaus lasse sein Gesundheitszustand auch
eine weitere berufliche Tätigkeit nicht zu. Hierzu verwies er auf ein Attest des
Orthopäden Dr. I vom 05.01.1999. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.1999 wies die
Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe eine Tätigkeit als Berufskraftfahrer
im Nahbereich ausgeübt, so dass er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen
werden könne. Sein Leistungsvermögen reiche für eine vollschichtige Tätigkeit noch
aus.
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Hiergegen hat der Kläger am 29.04.1999 vor dem Sozialgericht Duisburg Klage
erhoben, diese jedoch auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit
beschränkt. Er hat weiterhin den Berufsschutz eines Facharbeiters geltend gemacht. Er
verfüge über den Abschluss als Berufskraftfahrer. Nach dem für ihn einschlägigen
Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Lagerei- und
Transportgewerbes des Landes NRW hätte er richtiger Weise in die Lohngruppe 4
eingestuft werden müssen, er falle unter die Lohngruppe 4 a Spiegelstrich 2, da er über
eine vierjährige einschlägige Fahrpraxis Führerschein Klasse 2 sowie über eine
staatlich anerkannte Prüfung als Berufskraftfahrer verfüge. Außerdem sei seinen
Erkrankungen nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Die Beklagte hat darauf
hingewiesen, dass der Kläger sich von seiner Tätigkeit als Omnibus-ein-Mann-Fahrer,
die er von 1977 bis 1989 ausgeübt habe, freiwillig gelöst habe. Die zuletzt ausgeübte
Tätigkeit bei der Firma G sei nicht nach einer Facharbeiterlohngruppe bezahlt worden.
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Das Sozialgericht hat Arbeitgeberauskünfte bei der Firma G vom 22.07.1999, der Firma
B vom 30.12.1999 und den Stadtwerken P vom 22.08.2000 angefordert und außerdem
den Zeugen L S im Rahmen eines Erörterungstermins vom 06.06.2000 gehört.
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Das Sozialgericht hat ärztliche Unterlagen aus dem sozialgerichtlichen Verfahren S 5
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SB 579/98 beigezogen, u. a. das Gutachten des Orthopäden Dr. W vom 25.03.1999.
Anschließend hat das Gericht Dr. W mit der Erstellung eines Gutachtens nach
Aktenlage beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 05.08.1999 zu
dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe ein HWS-Syndrom, ein BWS- und LWS-
Syndrom mit beginnender Osteochondrose der Bewegungssegmente L4 bis S1. Es
seien allenfalls end- bis maximal mittelgradige Funktionsdefizite ohne aktuelle
Nervenwurzelreizerscheinungen festzustellen. Der Kläger könne noch vollschichtig
leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung
weiterer Einschränkungen verrichten. Anschließend hat das Sozialgericht von Amts
wegen ein Gutachten bei dem Internisten Dr. Q angefordert. Dieser Sachverständige ist
auf der Grundlage einer Untersuchung vom 18.08.1999 in seinem Gutachten vom
30.08.1999 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide an einer arteriellen Hypertonie
ohne bisher faßbare Zeichen einer Herzminderleistung, einer chronisch obstruktiven
Bronchitis mit faßbarer Einschränkung der Lungenfunktionsleistung bei allerdings
erheblicher Fettleibigkeit, einem metabolischen Syndrom sowie teilentferntem
Dickdarm. Die arterielle Hypertonie sei bislang medikamentös noch nicht optimal
eingestellt. Im Vordergrund der festzustellenden Gesundheitsstörungen stehe das
ausgeprägte metabolische Syndrom mit Übergewicht, das mit den klassischen
Risikofaktoren einhergehe. Dem Kläger seien vollschichtig leichte bis gelegentlich
mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen möglich.
Schließlich hat der Kläger einen Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung
im Mai 2000 wegen eines Schlaf-Apnoe-Syndroms zu den Akten gereicht
(Evangelisches und K-Klinikum Dr. S vom 04.05.2000) und außerdem den Bescheid
des Versorgungsamtes Essen vom 17.08.2000 vorgelegt (GdB 40). Das Gericht hat
daraufhin einen Befundbericht bei dem Internisten Dr. H vom 22.09.2000 angefordert.
Hierin wird ausgeführt, dass der Kläger bei konsequenter Durchführung der CPAP-
Therapie durch das Schlaf-Apnoe-Syndrom nicht beeinträchtigt sei.
Mit Urteil vom 19.12.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den
Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen
Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F ...
Der Kläger sei nicht als Facharbeiter einzustufen, sondern als Angelernter. Soweit man
dem Kläger für seine Tätigkeit als Omnibus-ein-Mann-Fahrer von 1977 bis 1989
Berufsschutz gewähren könne, habe sich der Kläger jedenfalls freiwillig von dieser
Tätigkeit gelöst, so dass hieran ein etwaiger Berufsschutz nicht mehr geknüpft werden
könne. Dass für den Wechsel der Tätigkeit als Omnibus-ein-Mann-Fahrer in die des
Busfahrers Reisebus bei der Firma S bzw. in die des Kraftfahrers Güterverkehr bei der
Firma G gesundheitliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein könnten, habe der
Kläger selbst nicht vorgetragen. Dagegen, dass dieser Wechsel gesundheitlich bedingt
erfolgt sei, spreche i.Ü. auch, dass es sich bei der zuletzt mehrjährig ausgeübten
Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer Güterverkehr körperlich sogar um eine schwerere
Tätigkeit als die des Omnibus-ein-Mann-Fahrers gehandelt haben dürfte. Hinsichtlich
der zuletzt von März 1991 bis April 1998 versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit
des Klägers als Kraftfahrer Güterverkehr bei der Firma G habe der Kläger keinen
Berufsschutz als Facharbeiter erlangt. Dieses könne ihm insbesondere auch nicht unter
Berücksichtigung der tarifvertraglichen Einstufung nach Maßgabe des
Mehrstufenschemas zugebilligt werden. Die Lohngruppe III des Lohntarifvertrages für
die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbes des
Landes Nordrhein-Westfalen stelle keine reine Facharbeiterlohngruppe, sondern eine
sogenannte Gemischtlohngruppe dar, aus der ein Berufsschutz nicht hergeleitet werden
könne. Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht zu niedrig eingestuft gewesen und habe
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nicht die Voraussetzung für eine Einstufung in Lohngruppe IV gerechtfertigt. Als
angelernter Arbeiter sei der Kläger auf alle angelernten und ungelernten Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, soweit diese nicht der einfachsten Art
angehörten. Diese seien dem Kläger nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen
Ermittlungen noch vollschichtig möglich.
Gegen das ihm am 17.01.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.2001 Berufung
eingelegt. Der Kläger trägt vor, seinen Erkrankungen sei nicht ausreichend Rechnung
getragen worden. Auch halte er an seiner Auffassung fest, dass er bei der letzten
Tätigkeit eigentlich richtigerweise in die Lohngruppe IV hätte eingestuft werden müssen.
Schließlich habe er sich auch aus gesundheitlichen Gründen von der nach Lohngruppe
F 4 BMTG entlohnten Tätigkeit als Ein-Mann-Omnibus-Fahrer aus gesundheitlichen
Gründen gelöst. Er habe Ende 1988 an erheblichen Herzbeschwerden gelitten, die
einen stationären Krankenhausaufenthalt erforderlich gemacht hätten. Im Herbst 1989
sei er nochmals wegen eines Angina-Pectoris-Anfalls stationär behandelt worden.
Durch diese Blutdruckerkrankung sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, den mit dem
Ein-Mann-Omnibus-Fahrerdienst verbundenen Stress und damit verbundenen
Wechselschichtdienst auszuhalten. Insoweit verweist er auf eine Bescheinigung des
Internisten Dr. W1 vom 02.11.1989. Außerdem habe das Sozialgericht verkannt, dass er
über eine Berufskraftfahrerausbildung verfüge, die zusammen mit seiner langjährigen
Fahrpraxis als Berufskraftfahrer die Einstufung in Lohngruppe IV des Lohntarifvertrages
für die gewerblichen Arbeitnehmer gerechtfertigt hätte.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.12.2000 zu ändern und die Beklagte
unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22.04.1999 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom
18.08.1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit nach näherer Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Der Senat hat einen Befundbericht bei dem Arzt für innere Medizin Dr. H vom
28.03.2002 angefordert und außerdem einen Befundbericht bei dem Arzt für innere
Medizin Dr. W1 vom 04.04.2002 eingeholt. Dr. W1 hat hierin ausführlich über den
Krankheitsverlauf ab 1986 berichtet und die Arztberichte über den stationären Aufenthalt
des Klägers im November 1988 und September 1989 im Evangelischen Krankenhaus F
beigefügt. Schließlich hat der Senat auch noch einen Befundbericht bei dem
Orthopäden Dr. I vom 09.04.2002 angefordert.
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Schließlich hat der Senat von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. B vom
13.01.2003 sowie ein internistisches/kardiologisches Gutachten bei dem
Sachverständigen Dr. P vom 07.02.2003 eingeholt.
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Der Sachverständige Dr. B ist in seinem Gutachten vom 13.01.2003 auf der Grundlage
einer Untersuchung vom 19.01.2003 zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe ein
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Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung, mittelgradigen polysegmentalen degenerativen
Veränderungen und geringfügiger Bewegungsbeeinträchtigung ohne Nachweis eines
anhaltenden Nervenwurzelreizsyndroms, ein Lumbal-/Thorakalsyndrom bei lumbalem
Facettengelenksverschleiß, thorako-lumbaler Fehlhaltung und polysegmentalen
degenerativen Veränderungen, ein Zustand nach dekomprimierender Operation des
linken Schultergelenks mit anhaltender schmerzhafter Bewegungsbeeinträchtigung, ein
retropatellares Schmerzsyndrom links bei beginnendem Kniegelenksverschleiß und
Streckdefizit beider Kniegelenke, eine Entzündung Achillessehnengleitgewebe rechts
ohne Funktionsbeeinträchtigung sowie eine Epicondylitis links ohne
Funktionsbeeinträchtigung. Der Kläger könne noch vollschichtig körperlich leichte und
gelegentlich mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung bestimmter
Einschränkungen wie Kälte, Nässe, Zugluft, wechselnde Körperhaltung, Ausschluss
von Akkord- und Fließbandarbeiten verrichten. Es bestünden keine Bedenken gegen
Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände abverlangten.
Der Sachverständige Dr. P hat im Rahmen einer stationären Untersuchung festgestellt,
beim Kläger seien auf fachinternistisch-kardiologischem Fachgebiet eine coronare
Herzkrankheit mit Zweigefäßbeteiligung, funktionellem Verschluss der rechten
Coronararterie, zwei 60 %igen Stenosen des Vorderwandastes und gering- bis mäßig
eingeschränkter linksventrikulärer Funktion bei Wandbewegungsstörungen der
Hinterwand, eine primäre arterielle Hypertonie, ein ausgeprägtes metabolisches
Syndrom mit massivem Übergewicht, Diabetes mellitus Typ II, eine
Fettstoffwechselstörung, eine beginnende Fettleber, ein obstruktives Schlaf-Apnoe-
Syndrom, eine geringe kombinierte Ventilationsstörung der Lunge bei erheblichem
Übergewicht sowie ein Zustand nach Teilentfernung des Dickdarms ohne
Funktionseinschränkungen festzustellen. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte
körperliche Arbeiten und nur ganz gelegentlich auch kurzfristig mittelschwere Arbeiten
verrichten. Das aktuell vorliegende Blutdruckniveau könne bei erhöhter Medikation und
deutlicher Gewichtsreduktion insgesamt deutlich gebessert werden. Die Arbeiten sollten
im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen mit Betonung auf Gehen und Sitzen
überwiegend in geschlossenen und temperierten Räumen verrichtet werden. Arbeiten
mit Stressbelastung sowie mit Wechsel- oder Nachtschicht seien nicht zumutbar. Bis auf
die conorare Herzkrankheit seien alle Erkrankungen bereits zum Zeitpunkt der
Antragstellung im August 1998 vorhanden gewesen. Unter Auswertung der ärztlichen
Befunde aus dem Jahre 1988/1989 sei zunächst festzustellen, dass das Vorliegen einer
essentiellen arteriellen Hypertonie keine Ausschlußdiagnose für die Tätigkeit als
Omnibusfahrer sei. Blutdruckspitzen, wie sie z.B. im Arztbericht vom 02.11.1989
beschrieben worden seien, stünden zwar einer Tätigkeit als Omnibusfahrer entgegen.
Sowohl am stationären Aufenthalt 1988 wie auch 1989 wie auch bei späteren
Aufenthalten habe jedoch gezeigt werden können, dass unter einer entsprechenden
medikamentösen Therapie das Blutdruckniveau in den weitestgehenden Normalbereich
abgesenkt werden konnte. Bei einer solchen medikamentös therapierten und gut
eingestellten Bluthochdruckerkrankung sollten z.B. auch Publikumsverkehr und
Wechselschicht dem entsprechenden Patienten zumutbar sein. Es sei also insgesamt
davon auszugehen, dass beim Kläger für den genannten Zeitraum Ende 1989 allenfalls
eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bei noch nicht optimal eingestellter
Blutdruckhocherkrankung vorgelegen habe, dass jedoch zum damaligen Zeitpunkt eine
generelle Berufsunfähigkeit für die Tätigkeit als Omnibusfahrer letztlich nicht vorgelegen
habe.
21
Der Senat hat die bei den Stadtwerken P geführte Personalakte beigezogen. Der Senat
22
hat eine weitere Auskunft des Arbeitgebers G vom 03.11.2003 zu den Akten genommen
und den bei der Firma G beschäftigten Speditionskaufmann I G als Zeugen gehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom
07.11.2003 Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den
Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakte S 5 SB 579/98, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist, verwiesen.
23
Entscheidungsgründe:
24
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf
Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf der Grundlage eines zum
Zeitpunkt der Antragstellung am 18.08.1998 eingetretenen Leistungsfalles.
25
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach § 43 SGB VI a.F., da der
Leistungsfall vor dem 01.01.2001 eingetreten ist und somit die ab diesem Zeitpunkt
geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I 1827) noch nicht anwendbar ist (vgl. § 300
Abs. 2 SGB VI). Der Kläger hat die allgemeinen und besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F. erfüllt.
26
Der Kläger ist auch berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI a.F ...
27
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit
wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich,
geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und
gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten,
nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle
Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen
Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig
ausüben kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der
Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 169, BSG, SozR 3 - 2600 §
43 Nr. 15). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur
vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder
Tätigkeit zu verstehen.
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Nach diesen Grundsätzen ist als "bisheriger Beruf" des Klägers die von März 1991 bis
April 1998 bei der Spedition G ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer anzusehen. Diesen
Beruf kann der Kläger bereits nach Einschätzung der beratenden Ärztin E in ihrem
Gutachten vom 16.09.1998 wegen der orthopädischen Erkrankungen und des
Bluthochdruckleidens auf Dauer nicht mehr zumutbar ausüben, da sein
Leistungsvermögen auf leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten beschränkt ist,
und daher unabhängig von weiteren leistungsmindernden Faktoren wie z.B. den
Ausschluss von Wechselschicht und Nachtschicht ein weiterer Einsatz als Kraftfahrer
nicht in Betracht kommt. Im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens hat sich der
29
Gesundheitszustand des Klägers im Übrigen weiter verschlechtert. Nach dem
Gutachten von Dr. B vom 13.01.2003 ist eine Verschlechterung hinsichtlich der
Beweglichkeit des linken Schultergelenks eingetreten. Auf internistisch-kardiologischem
Gebiet leidet der Kläger nach dem Gutachten von Dr. P vom 29.11.2002
zwischenzeitlich an einer coronaren Herzkrankheit mit Verschluss eines Gefäßes und
mittelgradigen Veränderungen der linken Herzkranzader, so dass das
Leistungsvermögen auf vollschichtig leichte körperliche Arbeiten, gelegentlich auch
kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten beschränkt ist und deshalb auch nach
Ansicht der Sachverständigen ein erneuter Einsatz als Berufskraftfahrer aus
orthopädischer und internistischer Sicht nicht sinnvoll erscheint.
Allein dies begründet aber noch nicht die Berufsunfähigkeit; diese liegt vielmehr erst
dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die dem Kläger
sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die
Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des
bisherigen Berufes. Zur Erleichterung der Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG
die Berufe der Versicherten in verschiedene Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen
sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die
Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Entsprechend diesem sogenannten
Mehrstufenschema werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit
Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des
Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2
Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit von 3 Monaten bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters
charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132, 138, 140). Die Einordnung
eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich
nach der Dauer der absolvierten, förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend
hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl
von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das
Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten
Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere
Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3 2200
§ 1246 Nr. 27, 33). In diesem Rahmen hat die Rechtsprechung des BSG zwei
Gesichtspunkten besondere Bedeutung beigemessen: zum Einen der abstrakten-
tarifvertraglichen "Einstufung" einer Tätigkeitsart (im Sinne eines verselbständigten
Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages, zum
Anderen der tariflichen "Zuordnung" der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines
Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des
jeweils geltenden Tarifvertrages. Dahinter steht der Gedanke, dass - soweit die
Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer
Tarifgruppe zuordnen - in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die
tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in einer Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf
deren Qualität beruht. Denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben
Beteiligten nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die
den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug
auf die nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. maßgeblichen Merkmale entspricht. Dem gemäß
lässt die abstrakte-tarifvertragliche Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine
Tarifsgruppe, die hinsichtlich der Qualität der in ihr aufgeführten Arbeiten durch den
Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist, in der Regel den Schluss zu, dass diese
Berufstätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.
46, 111, 116, 122, 123, 164; BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 18, 28, 29, 32; BSG SozR 3
30
- 2600 § 43 Nr. 15).
Dem gegenüber ist die konkrete tarifliche Einstufung durch den Arbeitgeber nicht
bindend, ihr kann aber Indizwirkung zukommen. Die Richtigkeit der tariflichen
Eingruppierung kann widerlegt werden, beispielsweise wenn eine zu hohe Einstufung
vorgenommen wurde und sie auf qualitätsfremden Merkmalen beruht. Ebenso kann aber
eine eindeutig unterwertige Eingruppierung durch den letzten Arbeitgeber im Rahmen
der rentenversicherungsrechtlichen Bewertung des bisherigen Berufs dazu führen, dass
statt dessen die fachlich angemessene Einstufung der Bewertung nach dem
Mehrstufenschema zugrunde zu legen ist (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 32).
31
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger nach Ansicht des Senats unter
Berücksichtigung der zitierten Tarifrechtsprechung des BSG entgegen der Ansicht der
Beklagten und des Sozialgerichts richtiger Weise als Facharbeiter anzusehen. Zwar ist
der Kläger nach dem Mehrstufenschema, nach dem auch der Kraftfahrerberuf zu
bewerten ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.04.2001, B 13 RJ 61/00 R), nicht unmittelbar als
Facharbeiter anzuerkennen. Er hat keinen anerkannten Ausbildungsberuf erlernt. Die
von ihm abgelegte Prüfung zum Berufskraftfahrer - Personenverkehr - nach § 34
Berufsbildungsgesetz erfüllt ebenfalls für sich allein noch nicht die Qualitätsmerkmale
einer Facharbeitertätigkeit, sondern erlaubt in der Regel nur die Einstufung als
Angelernter (oberer Bereich) (vgl. BSG, Urteil vom 01.02.2000, AZ: B 8 KN 5/98 R mit
weiteren Nennungen).
32
Nach dem maßgebenden Tarifvertrag hätte der Kläger jedoch richtiger Weise in eine
Facharbeiterlohngruppe eingestuft werden müssen. Heranzuziehen ist vorliegend der
Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Lagerei- und
Transportgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.11.1997, der eine Laufzeit
bis zum 31.03.1999 hatte und somit bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
bei der Spedition G im April 1998 Geltung hatte. Dieser Lohntarifvertrag wird seit 1991
unverändert fortgeschrieben, so dass es unerheblich ist, dass der Arbeitgeber in seinen
Auskünften vom 04.11.1998 und 22.07.1999 jeweils den Tarifvertrag in seiner älteren
Fassung zitiert hat. Es handelt sich hierbei auch um einen nach Lohngruppen
geordneten Tarifvertrag, der eine Bewertung der einzelnen Tätigkeiten im Sinne des
Mehrstufenschemas zulässt (vgl. BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 37 mit weiteren
Nennungen). Die Lohngruppe III, nach der der Kläger während seiner fast 7-jährigen
Tätigkeit bei der Spedition G unverändert entlohnt worden ist, stellt dabei noch keine
Facharbeiterlohngruppe dar. Der genannte Lohntarifvertrag gliedert sich in 4
Lohngruppen, bei denen die Lohngruppe III Tätigkeiten umfasst, die ein fachliches
Können (Kenntnisse und Fertigkeiten) erfordern, das durch eine erfolgreich
abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung erworben wird. Die erforderlichen
fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch eine längere einschlägige
Berufserfahrung erworben worden sein. Als Beispielsgruppen werden hier Kraftfahrer,
Lagerfacharbeiter, Möbelpacker und Handwerker aufgeführt. Es handelt sich nach
Ansicht des Senats hierbei um eine Mischlohngruppe, die nicht durch Arbeitnehmer
geprägt ist, die über eine mehr als 2-jährige Ausbildung in einem anerkannten
Ausbildungsberuf verfügen. Die Lohngruppe IV umfasst hingegen Tätigkeiten, die ein
erweitertes fachliches Können erfordern, das durch eine erfolgreich abgeschlossene
Berufsausbildung in einem anerkannten einschlägigen Ausbildungsberuf und durch
eine anschließende 2-jährige Berufserfahrung erworben wird. Hier werden als
Beispielsfälle nunmehr Kraftfahrer mit erfolgreich abgeschlossener 2-jähriger
einschlägiger Ausbildung als Berufskraftfahrer und anschließender 2-jähriger
33
Fahrpraxis (Klasse 2) aufgeführt (a Spiegelstrich 1) jedoch auch solche Kraftfahrer, die
nach 4-jähriger einschlägiger Fahrpraxis (Führerscheinklasse 2) eine staatlich
anerkannte Prüfung als Berufskraftfahrer erfolgreich bestanden haben (a Spiegelstrich
2). Schließlich werden im Bereich der Kraftfahrer auch solche ohne abgeschlossene
Ausbildung als Berufskraftfahrer aufgeführt, die nach 8-jähriger einschlägiger Fahrpraxis
über gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Daneben werden Fachkräfte
für Lagerwirtschaft und Handwerker mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in
einem anerkannten Ausbildungsberuf und anschließender 2-jähriger einschlägiger
Berufspraxis (Führerschein 2) sowie solche Handwerker ohne abgeschlossene
Ausbildung erfasst, die nach 8-jähriger einschlägiger Berufspraxis über gleichwertige
Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Insgesamt wird die Lohngruppe IV durch solche
Versicherte geprägt, die über eine mehr als 2-jährige Ausbildung verfügen
(Beispielsgruppen b und c). Sie ist somit als Facharbeiterlohngruppe zu qualifizieren,
zumal sie die höchste Lohngruppe des Tarifvertrags darstellt.
Legt man allein die durch den Arbeitgeber vorgenommene Eingruppierung in
Lohngruppe III zugrunde, kann der Kläger damit noch nicht als Facharbeiter angesehen
werden. Nach Ansicht des Senats hat jedoch der Arbeitgeber ausweislich seiner
Auskünfte vom 04.11.1998, 22.07.1999 und zuletzt vom 03.11.2003 die dem Tarifvertrag
für die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbes
zugrunde liegenden Einstufungskriterien offensichtlich nicht ausreichend beachtet und
beim Kläger nicht zutreffend angewandt. Zu der Einstufung ausdrücklich befragt hatte
die Firma G in ihrer Auskunft vom 22.07.1999 erklärt, die Eingruppierung in Lohngruppe
III sei zu Recht erfolgt, da der Kläger nur über die Kenntnisse und Fähigkeiten zum
Führen eines Sattelzugs mit Führerscheinklasse 2 verfügt habe. In der Auskunft vom
03.11.2003 wird weiter erläutert, dass der Kläger als Kraftfahrer der Klasse 2 im
Güternahverkehr auf einem 40-Tonnen-Sattelzug eingesetzt worden sei und See-
Container transportiert, be- und entladen habe. In geringem Umfang habe der Kläger
auch Zollformalitäten erledigt. Nicht berücksichtigt hat der Arbeitgeber hierbei, dass der
Kläger zum Einen über eine mehrjährige Berufspraxis (also Fahrpraxis
Führerscheinklasse 2) im Bereich Kraftfahrer - Personenverkehr - verfügte, die er bei der
Bundeswehr und den anschließenden Omnibusfahrertätigkeiten von Januar 1977 bis
März 1991 erworben hatte. Nicht eingeflossen in die Einstufung ist offensichtlich auch
der Umstand, dass der Kläger über ein Prüfungszeugnis als Berufskraftfahrer -
Personenverkehr - verfügt. Nach den genannten Richtbeispielen der Lohngruppe IV in
Verbindung mit den beschriebenen Tätigkeitsmerkmalen hätte der Kläger daher nach
Maßgabe des Richtbeispiels Lohngruppe IV a Spiegelstrich 2 unter Berücksichtigung
einer 4-jährigen einschlägigen Fahrpraxis, die sich nur auf Führerscheinklasse 2
bezieht, und unter Berücksichtigung seiner Prüfung als Berufskraftfahrer in die
Lohngruppe IV eingestuft werden müssen. Der hierzu gehörte Zeuge G konnte die
tarifliche Einstufung des Klägers über die bereits erteilten schriftlichen Auskünfte nicht
weiter erläutern. Unabhängig von der Frage, ob die mehr als 14-jährige Tätigkeit als
Berufskraftfahrer im Personenverkehr als einschlägige Fahrpraxis im Sinne des
Tarifvertrages für die gewerbliche Arbeitnehmer gewertet werden kann, wofür spricht,
dass insoweit in den Richtbeispielen als Fahrpraxis nur auf den Führerschein der
Klasse 2 abgestellt wird, hätte der Kläger jedenfalls nach Ablauf einer 4-jährigen
Tätigkeit im Bereich des Güternahverkehres unter Berücksichtigung seiner
Berufskraftfahrerprüfung einen Anspruch auf Höhereinstufung gegenüber seinem
Arbeitgeber gehabt, die auch nicht nur als bloßer Bewährungsaufstieg zu werten wäre,
sondern als erweiterte Berufserfahrung und damit als Qualitätsmerkmal hätte mit
einfließen müssen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger im
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Rahmen seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit einen 40-Tonnen-Sattelzug fuhr, hier See-
Container ent- und beladen musste und auch Zollformalitäten miterledigt wurden, hält
der Senat die Anwendung der Tarifrechtsprechung unter Erweiterung der vom
Arbeitgeber vorgenommenen Eingruppierung (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 32 a.a.O.)
im vorliegenden Einzelfall für geboten.
Ausgehend hiervon kann deshalb dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger im Oktober
1989 von der - insoweit unstreitig - ebenfalls auf der Grundlage der tariflichen und
tarifvertraglichen Einstufung als Facharbeitertätigkeit zu qualifizierenden Beschäftigung
als Linienbusfahrer bei den Stadtwerken P aus - wie im Aufhebungsvertrag angegeben -
gesundheitlichen Gründen gelöst hat oder ob - wofür der Inhalt der Personalakte und
das Gutachten von Dr. P sprechen - andere Gründe für die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses wesentlich waren.
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Der Vorsitzende hat den Beteiligten im Anschluss an die in der Sitzungsniederschrift
vom 07.11.2003 dokumentierte Zwischenberatung mitgeteilt, dass und weshalb der
Senat dem Kläger den Berufsschutz eines Facharbeiters zuerkennt. Die Beteiligten
haben hierzu Stellung genommen.
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Eine sozial und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit, die der Kläger mit dem
verbliebenen Leistungsvermögen noch vollschichtig ausüben könnte, wurde von der
Beklagten nicht benannt. Dem Senat liegen auch keine Erkenntnisse hinsichtlich einer
noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht
vor; es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage der
Rechtsprechung des BSG.
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