Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2002

LSG NRW: operation, versorgung, ambulante behandlung, stationäre behandlung, krankenversicherung, vertragsarzt, wahlrecht, besonders verwerflich, entziehung, vergütung

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 94/02
Datum:
30.10.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 94/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 19 KA 186/00
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 25/03 B
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
06.02.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch
im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung des Klägers zur
vertragsärztlichen Versorgung.
2
Der am ...02.1938 geborene Kläger ist Arzt für Gynäkologie und seit April 1989 zur
vertragsärztlichen Versorgung in B ... zugelassen. Bis Ende 1998 war er in einer
Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau, seit dem Jahr 1999 ist er in einer Partnerschaft
zusätzlich mit Prof. Dr. B ... tätig. In den letzten Jahren führte der Kläger persönlich zu
weit über 90 % ambulante Operationen aus, bis Mitte 1997 im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung durchschnittlich 190 Operationen pro Quartal, im
wesentlichen Ziffern 1150, 1151 BMÄ (Laparoskopien, Bauschspiegelungen,
Steriliation), Ziffern 1110, 1111 BMÄ (Hysteroskopien) und Ziffer 2110 BMÄ (Entfernung
Mammatumor). Nach den in der mündlichen Verhandlung erläuterten Berechnungen
des Senates aufgrund der eigenen Angaben des Klägers betrug der Vergütungsanteil
bis zum Jahre 1997 durchschnittlich 660,-- DM pro ambulanter Operation. Die
Gemeinschaftspraxis erwirtschaftete in den Jahren 1996 und 1997 pro Quartal für
durchschnittlich 1.340 kurative Behandlungsfälle durchschnittlich 170.000,-- DM
vertragsärzt liches Honorar (ohne Mutterschafts- und Frauenvorsorge, sonstige Hilfen
und Onkologie), in den Jahren 2000 und 2001 für durchschnittlich 1.300 Fälle
durchschnittlich 194.000,-- DM bei ca. 180 ambulanten Operationen pro Quartal.
3
Durch Artikel 1 Nr. 1 des 2. GKV-NOG vom 23.06.1997 (BGBl I Seite 1520) wurde Abs.
2 des § 13 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) mit Wirkung vom
01.07.1997 dahingehend neu gefasst, dass nicht nur freiwilligen Mitgliedern, sondern
4
auch pflichtversicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen ein Wahlrecht auf
Kostenerstattung eingeräumt wurde. Diese Wahlmöglichkeit wurde dann durch Artikel 1
Nr. 1 GKV-SolG vom 19.12.1998 (BGBl I Seite 3853) mit Wirkung vom 01.01.1999
aufgehoben.
Von der zweiten Jahreshälfte 1997 an bis zum Anfang des Jahres 2000 unterbreitete der
Kläger seinen Patientinnen, bei denen ambulante Operationen indiziert waren,
beispielhaft die nachfolgenden Vordrucke: KEINE OPERATIONEN IN ROTEN ZAHLEN
5
Sehr geehrte, liebe Kassenpatientinnen,
6
alle gynäkologischen Operationen werden derzeit bei Kassenpatientinnen nicht
kostendeckend vergütet. Besonders bei den Bauchspiegelungen müssen wir mehr als
1.000 D-Mark zuzahlen, um Sie operieren zu können.
7
Wir schließen uns deshalb dem Aufruf des Bundesverbandes für Ambulantes Operieren
(BAO) und des Berufsverbandes der Chirurgen (BDC) an:
8
Bis zum 15. Dezember 1997, wenn Krankenkassen und Kassenärzte über neue
Gebühren für Ambulante Operationen und Anästhesien verhandeln werden, operieren
wir die Bauchspiegelungen und einige andere "Operationen in roten Zahlen" nicht mehr
zu Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur auf private
Rechnung. Akutfälle sind ausgenommen.
9
Lösungsvorschläge:
10
1. Sie können gern einen Kostenvoranschlag für die bei Ihnen vorgesehene Operation
erhalten; Ihre Kasse muss Ihnen laut Gesetz einen Teil dieser Rechnung erstatten.
11
2. Sie wählen für die Operation und eine eventuelle Nachbehandlung Kostenerstattung
und treten uns Ihren Rechtsanspruch auf Kostenerstattung ab. Wir regeln dann alles mit
Ihrer Krankenkasse; dafür verzichten wir auf finanzielle Forderungen an Sie.
12
3. Sie lassen sich im Krankenhaus behandeln.
13
Bitte helfen Sie uns und sagen Ihrer Krankenkasse und den Gesundheitspolitikern, dass
Sie ambulante Behandlung durch erfahrene Fachärzte wünschen und nicht verstehen
können, warum das Ambulante Operieren nicht kostendeckend vergütet wird. Denn es
ist den Krankenkassen und Gesundheitspolitikern sehr wohl bekannt, dass Operationen
in einer Tagesklinik erheblick kostengünstiger erbracht werden können als im
Krankenhaus.
14
Danke für Ihre Hilfe!
15
B ..., den 20.11.1997
16
Prof. Dr ... B ...
17
KEINE OPERATIONEN IN ROTEN ZAHLEN
18
Sehr geehrte, liebe Patientin,
19
alle gynäkologischen Operationen werden derzeit bei Kassenpatientinnen nicht
kostendeckend vergütet. Besonders bei den Bauchspiegelungen müssen wir mehr als
1.000 D-Mark zuzahlen, um Sie operieren zu können.
20
Bauchspiegelungen und einige andere "Operationen in roten Zahlen" werden deshalb
nicht mehr zu Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur auf
private Rechnung durchgeführt. Akutfälle sind ausgenomomen.
21
Lösungsvorschläge:
22
1. Sie können gern einen Kostenvoranschlag für die bei Ihnen vorgesehene Operation
erhalten; Ihre Kasse wird Ihnen dann einen Teil dieser Rechnung erstatten.
Kostenübernahme.
23
2. Sie wählen für die Operation und eine eventuelle Nachbehandlung Kostenerstattung
und treten uns Ihren Rechtsanspruch auf Kostenerstattung ab. Wir regeln dann alles mit
Ihrer Krankenkasse; dafür verzichten wir auf finanzielle Forderungen an Sie.
24
3. Sie lassen sich im Krankenhaus behandeln.
25
Bitte helfen Sie uns und sagen Ihrer Krankenkasse und den Gesundheitspolitikern, dass
Sie ambulante Behandlung durch erfahrene Fachärzte wünschen und nicht verstehen
können, warum das Ambulante Operieren nicht kostendeckend vergütet wird. Denn es
ist den Krankenkassen und Gesundheitspolitikern sehr wohl bekannt, dass Operationen
in einer Tagesklinik erheblich kostengünstiger erbracht werden können als im
Krankenhaus.
26
Danke für Ihre Hilfe!
27
B ..., den 26.01.1998
28
Prof. Dr ... B ...
29
AMBULANTE OPERATIONEN
30
12.08.1998
31
Sehr geehrte, liebe Patientin,
32
alle ambulanten Operationen an Kassenpatientinnen werden derzeit bei weitem nicht
kostendeckend vergütet, d. h. sie sind "Leistungen in roten Zahlen".
33
Folgende Wahlmöglichkeiten haben Sie:
34
1. Sie wählen für die Operation Privatbehandlung durch Prof. Dr. B ... mit
Kostenerstattung durch die Krankenkassen und weisen Ihre Krankenkasse mit einem
von uns vorbereiteten Formular an, den Erstattungsbetrag auf das Konto von Prof. Dr. B
... zu überweisen. Wir rechnen dann für Sie die erbrachten Leistungen mit Ihrer
Krankenkasse ab - für Sie entstehen keine Kosten. Den Operationstermin können sie
selbst mitbestimmen. Wir regeln dann alles Finanzielle für Sie mit Ihrer Krankenkasse.
35
2. Sie wählen die Behandlung bei uns als Kassenpatientin (Chip-Karte). Das Gesetz
schreibt zur Betreuung von Kassenpatientinnen vor, dass deren Behandlung durch den
Arzt nur ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein darf. Bei dieser Ihrer Wahl
werden wir Ihnen einen Operationstermin je nach Dringlichkeit geben.
36
3. Sie wählen für die Operation private Behandlung auf eigene Kosten.
37
Sie erhalten dann von uns einen Kostenvoranschlag und nach der Operation eine uns
gegenüber zu bezahlende Rechnung für Privatpatientinnen nach der GOÄ. Dann
können Sie bei Ihrer Kasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen.
38
4. Sie lassen sich im Krankenhaus ambulant operieren. Eine stationäre Behandlung ist
wesentlich teurer als eine ambulante und muss deshalb extra begründet werden.
39
Bitte helfen Sie uns und sagen Ihrer Krankenkasse und den Gesundheitspolitikern, das
Sie ambulante Behandlung durch erfahrene Fachärzte wünschen und nicht verstehen
können, warum das Ambulante Operieren von Kassenpatientin nicht kostendeckend
vergütet wird. Denn es ist den Krankenkassen und Gesundheitspolitikern sehr wohl
bekannt, dass Operationen in einer Tagesklinik erheblich kostengünstiger erbracht
werden können als im Krankenhaus.
40
Danke für Ihre Hilfe!
41
Prof. Dr ... B ...
42
AMBULANTE OPERATIONEN
43
04.03.1999
44
Sehr geehrte, liebe Patientin,
45
wir heißen Sie in der Tagesklinik herzlich willkommen. Unser Motto lautet "höchste
Qualität und patientenfreundliche Betreuung". Das weiß auch Ihr Frauenarzt/Ihre
Frauenärztin, der/die Sie hierher überwiesen hat.
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Qualität hat aber ihren Preis. Die bei Ihnen geplante Operation wird derzeit so schlecht
vergütet, dass unsere Betriebskosten bei weitem nicht gedeckt werden. Wir bieten Ihnen
deshalb Folgendes an:
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1. Sie wählen für die Operation Privatbehandlung durch Prof. Dr ... B ... oder Prof. Dr ... B
... Sie erhalten dann von uns einen Kostenvoranschlag und nach der Operation eine an
uns zu bezahlende Rechnung nach der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Sie können mit beiliegendem Brief bei Ihrer Krankenkasse anfragen, ob diese Ihnen
einen Arzt nennen kann, der diese Operation ambulant auf Krankenversicherungskarte
(Chipkarte) durchführt. Kann sie das nicht, ist Ihre Kasse nach § 13 Abs. 3
Sozialgesetzbuch V verpflichtet, Ihnen die Kosten auch für eine private ambulante
Operation zu zahlen. Den Operationstermin können Sie mitbestimmen.
48
2. Sie wählen bei uns Behandlung auf Krankenversicherungskarte (Chipkarte)
49
. Das Gesetz (SGB V) schreibt bezüglich der Behandlung von Kassenpatienten vor: -
Die Leistungen müssen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten sein.
50
Viele der modernen Operationen sind dort nicht beschrieben; wir sagen Ihnen, welche.
51
- Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Wir erklären
Ihnen, was dies bedeutet.
52
Bei dieser Ihrer Wahl werden wir Ihnen einen Operationstermin je nach Dringlichkeit
geben. Bitte verstehen Sie, dass wir für diese Operationen nur noch wenig
Operationszeit vorhalten können.
53
Mit freundlichen Grüßen
54
Prof. Dr ... B ... / Prof. Dr ... B ...
55
Anmerkungen zur Kostenerstattung nach dem SGB V
56
Das Sozialgesetzbuch (SGB V) erlaubt den Krankenkassen Kostenerstattung bei zwei
Gelegenheiten:
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1.) § 13 Absatz 2: bei freiwillig versicherten Mitgliedern
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Diese Möglichkeit wurde 1997 im 2. Neuordnungsgesetz (2. NOG) auf alle
Pflichtversicherten erweitert. Die Erweiterung wurde zum 01.01.99 durch das
Solidaritätsstärkungsgesetz zurückgenommen.
59
2.) § 13 Absatz 3: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht
rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch
Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der
Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig
war.
60
Die Krankenkassen sind grundsätzlich verpflichtet, ihren Mitgliedern medizinisch
notwendige Leistungen zu beschaffen. Dabei müssen sie das Wirtschaftlichkeitsgebot
beachten. So dürfen ambulant durchführbare Oprationen nicht aus
Bequemlichkeitsgründen stationär erbracht werden, weil die stationären Kosten
erwiesenermaßen höher als die ambulanten sind.
61
Für Krankenkassenmitglieder besteht also ein Recht, eine notwendige Operation -
bescheinigt durch die Überweisung eines(r) Facharztes/ärztin - ambulant durchführen zu
lassen, zumal diese meist endoskopisch durch- geführten Operationen für den
Menschen schonender sind und kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten nach sich ziehen.
62
Wenn ein Kassenmitglied eine solche ambulante Operation wünscht und diese nicht im
Sachleistungssystem (Chipkarte) zu haben ist, sondern nur als Privatbehandlung, dann
muss die Krankenkasse die Kosten für die Privatbehandlung in voller Höhe erstatten
(Abs. 3 § 13 SGB V).
63
Dazu muss das Kassenmitglied seine Krankenkasse vor der Operation benachrichtigen.
Die Krankenkasse muss dann sorgfältig prüfen, ob die erforderliche Operation in der
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erforderlichen Qualität im Sachleistungssystem erbracht werden kann. Dabei genügt es
nicht, dass sie ihrem Mitglied den Namen eines Arztes nennt, der irgendwann einmal
sich zum Ambulanten Operieren angemeldet hat. Der Arzt muss auch in der Lage und
willens sein, die notwendige Operation durchzuführen. Ist dieses nicht der Fall, hat das
Kassenmitglied ein Recht auf Erstattung der vollen Kosten einer privaten, ambulanten
Operation. Es wäre also nützlich, dass sich die Krankenkassen schon im vornherein -
ggf. in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen - erkundigen, wo diese
krankenhausentlastenden, ambulanten Eingriffe durchgeführt werden können. Denn
gerade im gynäkologischen Bereich sind diese Operationen wegen bestehender
Schmerzen oder Blutungen meist unaufschiebbar.
gez. Prof. Dr ... B ... gez. Prof. Dr ... B ...
65
Sehr geehrte Frau
66
B ..., den 01.02.00
67
bei Ihnen ist folgende Operation vorgesehen: - Bauchspiegelungen und
Tubensterilisierung
68
Für diese, mit modernen Methoden durchgeführte Operation gibt es im Einheitlichen
Bewertungsmaßstab (EBM), der für die Behandlung von Kassenpatientinnen
maßgeblich ist, keine adäquate Bewertungsziffer. Es gibt nur eine Ziffer für die Vor-
Vorgänger-Operation. Diese Ziffer stammt aus dem Jahre 1989 und lautet "Sterilisation
der Frau mittels opertiven Eingriffs an den Eileitern, als selbständige Leistung".
69
In der Zwischenzeit sind die Iaparoskopischen Methoden durch technische und
handwerkliche Fortschritte derart sicher geworden, dass wir heute die meisten
Geschwulste und sogar die Gebärmutter mittels dieser "Schlüsselloch-Chirurgie"
ambulant operieren können. Insbesondere sind folgende Fortschritte ...
70
Alle diese Fortschritte kamen erst in den letzten Jahren auf, sie haben natürlich ihren
Preis. Der Inhalt der EBM-Ziffer von 1989 hat mit der modernen Operation nur noch
wenig zu tun.
71
Damit auch Sie in den Genuss des Fortschrittes kommen, bieten wir Ihnen diese
Operation als Privatbehandlung zu reduzierten Tarifen an. Als voraussichtliche
Operationskosten haben wir die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
zusammen mit den Berufsverbänden am 25.11.98 kalkulierte Komplexgebühr
veranschlagt; für Assistenz, Labor, Ultraschall usw. wurde der Standardtarif der
Privatversicherten (Steigerungsfaktor 1.7 wie bei Rentnern und Studenten) gewählt.
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Für obige Operation ergibt sich dann folgender Kostenvoranschlag: ...
73
Summe DM zuzügl. Sachkosten Endbetrag DM
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Wenn eine Patientin aufgrund dieser Hinweise die privatärztliche Behandlung mit
Kostenerstattung wählte, schlossen der Kläger und die Patientin folgende vorgefertigte
formularmäßige Vereinbarung:
75
Vereinbarung für Kassenpatientinnen über den Abschluss einer privatärztlichen
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Behandlung
Frau wünscht für die ärztlichen Leistungen in Zusammenhang mit der Operation
Laparoskopie sowie Tubenkoagulation, Hysteroskopie mit Endometriumablation sowie
tiefer PE ... private Behandlung durch Herrn Prof. Dr ... B ...
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Die Liquidation erfolgt nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Von dieser
Vereinbarung hat die Patientin ein Exemplar erhalten.
78
B ..., den 26.10.98
79
Prof. Dr ... B ... Unterschrift der Patientin bzw. des Zahlungspflichtigen
80
Gleichzeitig unterschrieb die Patientin eine ebenfalls vorgefertigte formularmäßige
Anweisung an ihre Krankenkasse: Anweisung an die ...
81
Hiermit weise ich meine Krankenkasse an, den mir zustehenden Erstattungsbetrag auf
das Konto-Nr ..., Deutsche Bank B ..., BLZ 330 700 59, Kontoinhaber Prof. Dr ... B ..., zu
überweisen.
82
B ..., den 26.10.98
83
Die Behandlungen der Patientinnen, bei denen ambulante operative Eingriffe indiziert
waren, erfolgten durch den Kläger der Gestalt, dass er die Patien- tinnen in einem
Vorgespräch über die anstehende Operation unterrichtete und gleichzeitig die
Patientinnen in der oben dargestellten Form informieren ließ. Übrige ärztliche
Leistungen wurden - wie der Kläger es selbst darge stellt hat - immer gegenüber der
Beigeladenen zu 5) als vertragsärztliche Leistungen abgerechnet. Soweit die Patientin
auf Veranlassung des Klägers die privatärztliche Behandlung mit Kostenerstattung
wählte, wurden nur die gesam ten Leistungen am Operationstag als privatärztliche
Behandlung nach der Ge bührenordnung für Ärzte (GOÄ) gegenüber den Patientinnen
abgerechnet und der jeweiligen Krankenkasse in Rechnung gestellt mit folgendem
Begleitschreiben:
84
Sehr geehrte Damen und Herren,
85
B ..., 11.08.98
86
die über Sie versicherte o.g. Patientin hat bei mir Kostenerstattung gewählt (Anlage).
87
Hiermit bitte ich Sie, den Betrag laut Anweisung Ihres Mitgliedes innerhalb von 3
Wochen nach Rechnungsdatum auf mein Konto-Nr ..., Deutsche Bank, BLZ 380 700 59
unter Angabe unserer Rechnugnsnummer oder des Namens und Geburtstages Ihres
Mitgliedes zu überweisen.
88
Die Kostenerstattung orientiert sich laut Gesetz (2. NOG) an der Höhe des Betrages im
Sachleistungssystem. Da die Operation bei Ihrem Mitglied eine krankenhausentlastende
Operation war, muß sich die Höhe des Erstattungsbetrages an dem Betrag des
Sachleistungssystems im Krankenhaus orientieren. Der Pflegesatz beträgt derzeit um
500,-- DM/Tag. Im vorliegen den Fall übersteigt das Produkt aus Pflegesatz und
Pflegetagen bei weitem die in Rechnung gestellte Summe für die ambulante Operation.
89
Deswegen fordere ich Sie auf, die Rechnung voll zu erstatten, anderenfalls darzulegen,
wie Sie den Kostenerstattungsbetrag errechnet haben.
Mit freundlichen Grüßen
90
Prof. Dr ... B ...
91
Dies geschah in den Jahren 1998 und 1999 bei mindestens 120 Patientinnen pro
Quartal mit einem durchschnittlichen Rechnungsbetrag der in den Akten und Beiakten
befindlichen Rechnungen von ca. 1.400,-- DM. Gegenüber der Beigeladenen zu 5)
rechnete die Gemeinschaftspraxis nur noch durchschnittlich 45 ambulante Eingriffe pro
Quartal ab. Die Krankenkassen erstatteten im Rahmen des § 13 Abs. 2 SGB V
durchschnittlich 660,-- DM pro Operation. Soweit sie die Rechnungen nicht oder nicht im
vollen Umfange beglichen, erhielten sie vom Kläger folgende (beispielhafte) Mahnung
92
Sehr geehrte Damen und Herren,
93
B ..., den 28.07.98
94
in meinem Begleitschreiben zu obiger Rechnung habe ich Sie gebeten, den vollen
Betrag für die durchgeführte, krankenhausentlastende Operation zu erstatten. Hätte Ihr
Mitglied sich stationär behandeln lassen, wären die Kosten für Sie wesentlich höher als
bei uns gewesen. Bislang haben Sie von dem Rechnungsbetrag 1640.37 DM nur einen
Teil gezahlt; es bleibt ein Rest von 909.48 DM.
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Hiermit bitte ich Sie im Namen und im Auftrage Ihres Mitgliedes, den Restbetrag von
909.48 DM zuzüglich 10.- DM Mahngebühren auf das Konto-Nr ..., Deutsche Bank, BLZ
380 700 59 bis zum 10.08.1998 zu überweisen.
96
Außerdem bitte ich, den Erstattungsbetrag genau aufzuschlüsseln incl.
Sachkostenerstattung, da dieses eine Privatrechnung war. Ihr Mitglied hat ein Anrecht
darauf zu erfahren, welche Leistungsposten von Ihnen berücksichtigt wurden und in
welcher Höhe.
97
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß die Krankenkassen nach dem 2.
Neuordnungsgesetz des SGB V berechtigt, wenn nicht aufgrund des Wunsches des
Patienten sogar verpflichtet sind, Kostenerstattung zu gewähren. Die Höhe der
Kostenerstattung soll sich nach der im Sachleistungssystem herrschenden Vergütung
richten. Für die krankenhausüblichen Operationen muß zum Vergleich das
Sachleistungssystem des Krankenhauses herangezogen werden und nicht das
Sachleistungssystem der Kassenärztlichen Versorgung, in dem diese Operationen
früher nämlich nicht anfielen. Da die Kosten für stationäre Behandlung, die entweder
über Fallpauschalen oder über den Klinik-Tagessatz abgegolten werden, höher liegen
als die betriebswirtschaftlich kalkulierten Kosten der ambulanten Operation (s. meine
Rechnung), haben Sie als Krankenkasen die Möglichkeit, den vollen Kostensatz zu
erstatten. Dieses wird von einigen Krankenkassen auch so gehandhabt. Es macht
nämlich wenig Sinn, die Kassenmitglieder finanziell zu belasten und quasi dafür zu
bestrafen, daß sie sich am bulant statt stationär behandeln lassen und damit der
Krankenkassen viel Geld ersparen.
98
Sollten Sie zwischenzeitlich obige Rechnung beglichen haben, betrachten Sie dieses
99
Schreiben bitte als gegenstandslos.
Mit freundlichen Grüßen
100
Prof. Dr ... B ...
101
Soweit auch dies nicht den vom Kläger erwünschten Erfolg hatte, klagte seine Praxis in
zahlreichen Fällen selbst gegen die jeweilige Krankenkasse vor dem Sozialgericht auf
Zahlung des Restbetrages, z. B. S 5 KR 7/00, S 5 KR 12/00, S 5 KR 27/00, S 5 KR
29/00, S 5 KR 239/00 SG Köln. Teilweise veranlasste er die Versicherte zur Klage, z. B.
S 5 KR 26/00 SG Köln.
102
Die gesetzlichen Krankenkassen reagierten auf dieses vom Kläger und anderen
Vertragsärzten im Rahmen der sogenannten "Operation Phoenix" (Die Krankenkassen
haben die Karre in die Asche gefahren und wir steigen als Sieger daraus hervor) in
Nordrhein praktizierte Verfahren und verrechneten die für diese Art der Behandlung ihrer
Versicherten aufgewendeten Beträge mit den von ihnen zu zahlenden Anteilen an der
Gesamtvergütung gegenüber der Beigeladenen zu 5). Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit
dieser Verrechnungen sind Klageverfahren der Beigeladenen zu 5) gegen die
jeweiligen Krankenkassen vor den Sozialgerichten und dem erkennenden Senat
anhängig, z. B. L 11 KA 38/02, L 11 KA 39/02 LSG NRW; S 25 KA 255/98, S 25 KA
243/98, S 25 KA 333/98 SG Düsseldorf.
103
Im Verfahren S 17 KA 257/01 SG Düsseldorf wendet sich die Praxis des Klägers gegen
den Beschluss des Beschwerdeausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom
09.07.2001, mit dem die von der Barmer Ersatzkasse in den Quartalen IV/1997 und
I/1998 aufgewendeten Kostenerstattungen in Höhe von 10.104,33 DM als sonstiger
Schaden wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten gegenüber dem Kläger
festgesetzt worden sind.
104
In seiner Eigenschaft als Erster Vorsitzender des ... e.V. wandte sich der Kläger im
Schreiben vom 05.08.1997 an den Bundesgesundheitsminister, der ihm in einem
persönlichen Gespräch deutlich machte, dass er diese Vorgehensweise für rechtswidrig
erachte. Diese Rechtsauffassung teilte das Bundesministerium auch der Beigeladenen
zu 5) im Schreiben vom 22.12.1997 mit und bat um Prüfung.
105
In der im September 1997 erschienenen Ausgabe 7/97 der KVNO-aktuell informierte die
Beigeladene zu 5) die Vertragsärzte darüber, dass allein der Versicherte das Recht
habe, die Kostenerstattung zu wählen; es handle sich nicht um ein Recht des Arztes; der
Erstattungsanspruch des Versicherten seien in der Höhe begrenzt und zwar auf die
Kosten, die entstehen würden, wenn die entsprechende Leistung im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung erbracht worden seien; der Vertragsarzt dürfe seine
Behandlung jedoch nicht davon abhängig machen, welche Art und Vergütung der
Behandlung der Patient wähle.
106
Mit Urteilen vom 09.03.1998 - L 11 KA 160/97 und L 11 KA 161/97 - entschied der Senat
zwei Rechtsstreite der Praxis des Klägers gegen die Beigeladene zu 5), in denen um
die Höhe des Punktwertes für ambuante Operationen gestritten wurde. In dieser
Entscheidung hat der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Übergang zur
Kostenerstattung für ambulante Operationen eine Verletzung der vertragsärztlichen
Pflichten darstelle, der disziplinarisch und mit dem Entzug der vertragsärztlichen
107
Zulassung geahndet werden könne.
Die Beigeladene zu 5) wies den Kläger mit Schreiben vom 25.06.1998 aufgrund einer
Beschwerde des Beigeladenen zu 3) darauf hin, dass der Versicherte allein das
Wahlrecht gemäß § 13 Abs. 2 SGB V habe und er dieses Wahlrecht gegenüber der
Krankenkasse (und nicht gegenüber dem Arzt) auszuüben habe; im Übrigen sei dieser
dem Versicherten zustehende Kostenerstattungsanspruch der Höhe nach begrenzt; dem
Versicherten könne nur das gezahlt werden, was unter Berücksichtigung der
Vorschriften des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowie des aktuellen
Punktwertes von der Beigeladenen zu 5) aus der Gesamtvergütung zu zahlen gewesen
wäre.
108
Die Versicherte F. wandte sich im September 1998 an ihre Krankenkasse und
schilderte, wie die "Information" hinsichtlich des sogenannten
Kostenerstattungsverfahrens in der Praxis des Klägers erfolgte sei und auf welche Art
und Weise insbesondere die Alternative der Behandlung als "Kassenpatientin"
dargestellt worden seien. Sie brachte zum Ausdruck, wie sie sich bei einer Wahl der
Behandlung als "Kassenpatientin" als Patientin 3. Klasse hätte fühlen müssen; sie habe
deshalb die Kostenerstattung gewählt.
109
Im Juli 1998 versuchte der Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu
erreichen, dass die AOK ... in geschäftlichen Verkehr nicht mehr ausführt, hinsichtlich
der Wahl der Kostenerstattung bestehe eine einjährige Bindungsfrist, die Wahl der
Kostenerstattung erstrecke sich zudem auf alle Leistungen während der Bindungsfrist,
eine Vereinbarung, die die Kostenerstattung nur auf einen Behandler oder gar
Behandlungsart begrenze, sein nicht möglich. Das Sozialgericht Düsseldorf wies den
Antrag mit Beschluss vom 26.08.1998 - S 4 Kr 152/98 ER - zurück und führte darin unter
anderem aus, dass das Gesamtvorbringen der Antragssteller ein ganz erhebliches
wirtschaftliches Eigeninteresse insofern erkennen lasse, als sie auf Art und Inhalt der
Wahl der Kostenentscheidung selbst Einfluss nehmen wollen, und zwar insofern, als
nicht kostendeckende Leistungen privat abgerechnet werden sollen und
kostendeckende Leistung über Chipkarte laufen können; dieses wirtschaftliche
Eigeninteresse habe mit dem Wahlrecht des Versicherten, die Kostenerstattung zu
wählen, in der Tat überhaupt nichts zu tun.
110
Der Kläger informierte im Oktober/ November 1998 alle (früheren) Patientinnen, die bei
der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) und einigen Betriebskrankenkassen
(BKKen) versichert waren, darüber, dass er wegen des Abrechnungsverhaltens dieser
Krankenkassen zukünftig keine Patientinnen dieser Krankenkassen mehr behandeln
werde und zwar weder als Kassen- noch als Privatpatientinnen.
111
Dieses Verhalten führte dazu, dass der Beigeladene zu 6) im Oktober 1998 und der
Beigeladene zu 3) im Februar 1999 die Entziehung der Zulassung des Klägers zur
vertragsärztlichen Versorgung beantragen. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen
vor, dass den beigefügten Praxisinformationen entnommen werden könne, dass die
Versicherten gezielt in das Kostenerstattungsverfahren genötigt worden seien mit dem
Hinweis, die gleiche Operation über die Krankenversichertenkarte löse lediglich einen
Eintrag in die Patienten- warteliste aus; die Durchführung der notwendigen Operationen
werde gleich- zeitig in den Ermessensspielraum der Ärzte gesetzt. Eine solche
Vorgehens- weise widerspreche allen berufs- und vertragsrechtlichen Grundsätzen, hier
werde mit den Ängsten der Patienten und deren behandlungsbedüftigen Befunden
112
interessengebundene berufspolitische Polemik betrieben. Die Summierung der
Vorgänge zeige auf, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt
habe und nicht gewillt sei, sich in das System der vertragsärztlichen Versorgung
einzuordnen. Man sehe das Vertrauensverhältnis für den Bereich der Mitgliedskassen
als nachweislich gestört an. Dies ergebe sich insbesondere deshalb, weil der Kläger
über das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V bereits im Dezember
1997 durch das Bundesministerium für Gesundheit und anschließend durch die
Beigeladene zu 5) hingewiesen worden sei. Im Übrigen werde ein zweigleisiges
Abrechnungsverfahren praktiziert; zu den Kostenerstattungsfällen sei gleichzeitig das
Praxisbudget abgeschöpft worden, so dass in allen Fällen Doppelabrechnungen erfolgt
seien.
Durch Beschluss vom 01.03.1999 lehnte der Zulassungsausschuss der Ärzte Köln die
Anträge ab und führte zur Begründung aus, der Kläger habe zwar seine
vertragsärztlichen Pflichten verletzt, aber nicht in einer derart gröblichen Weise, die eine
Entziehung der Zulassung rechtfertigen würde und die für den Ausschuss das letzte
Mittel darstelle, das vertragsärztliche System gegen Störungen zu schützen. Der Kläger
solle seine Pflichtverletzung erkennen und dazu beitragen, dass das
Vertrauensverhältnis mit den Krankenkassen wieder hergestellt werde.
113
Gegen den am 29.03.1999 zur Post gegebenen Beschluss legte der Beigeladene zu 3)
am 15.04.1999 Widerspruch ein, den er mit gleichem Schreiben begründete. Der
Widerspruch des Beigeladenen zu 6) vom 19.04.1999 wurde mit Schriftsatz vom
28.04.1999, eingegangen beim Beklagten am 04.05.1999, begründet.
114
Der Beigeladene zu 3) führte zur Begründung aus, entgegen dem Vortrag des Klägers
hätten eine Vielzahl von Versicherten, wie sich aus den Unterlagen des Beigeladenen
zu 6) ergebe, keinesfalls den Wunsch gehabt, privat behandelt zu werden. Der Kläger
habe offensichtlich in etlichen Fällen den jeweils von der Barmer Ersatzkasse (BEK)
nicht ausgeglichenen Restbetrag zuzüglich einer Mahngebühr nachgefordert, obwohl er
durch die Beigeladene zu 5) bereits im Juni 1998 über das Wahlrecht des Versicherten
und die Höhe der Kostenerstattung informiert worden sei. Die mangelnde Einsicht des
Klägers offenbare sich in besonderer Weise in zwei Schreiben vom 30.03.1999 an die
Betriebskrankenkasse (BKK) Rhein-Sieg. Hier werde kurze Zeit nach der Sitzung des
Zulassungsausschusses erneut ein angeblich noch ausstehender Restbetrag nebst
Mahngebüren eingefordert. Durch diese Art des Schriftwechsels müsse auch
geschlossen werden, dass der Kläger versuche, das Vertrauensverhältnis zwischen den
Versicherten und der Krankenkasse massiv zu stören.
115
Mit Beschluss vom 03.05.2000 hat der Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen zu
6) als unzulässig zurückgewiesen und auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 3)
dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen. Zur Begründung
der gröblichen Pflichtverletzung des Klägers hat der Beklagte im Wesentlichen
ausgeführt, der Kläger habe aus monetären Gründen Leistungen, die im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung von ihm zu erbringen gewesen seien, ausgegliedert, um
diese privat abrechnen zu können. Er habe weiter wegen des von der
Wahlentscheidung der Patientin abhängenden Operationstermins erheblichen
psychischen Druck auf die Versicherten ausgeübt. Durch seine
"Patienteninformationen" habe er massiv auf die Wahl der Kostenerstattung Einfluss
genommen und damit pflichtwidrig auf die Entscheidungsfreiheit der Versicherten
eingewirkt. Trotz der ihm erteilten Hinweise bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines
116
Verhaltens ab Dezember 1997 habe er die Situation seiner Patientinnen den von ihm
vertretenen berufspolitischen Zwecken untergeordnet.
Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, ambulante Operationen
seien überhaupt nicht im Sicherstellungsauftrag enthalten, derartige Leistungen
müssten überhaupt nicht von ihm als Vertragsarzt erbracht werden. Selbst wenn man
annehmen würde, dass diese Leistungen zum Sicherstellungsauftrag zu zählen seien,
so bestehe für ihn keinerlei Verpflichtung, ambulante Operationen voll umfänglich für
Kassenpatientinnen zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn man auch noch annehmen
würde, dass ihn diese Pflicht treffe, so stünde ihm jedoch insoweit ein Leistungsver-
weigerungsrecht zu, als er diese Leistungen nicht mehr kostendeckend anbieten könne.
Ein Arzt - auch ein Vertragsarzt - dürfe aus unternehmerischen Gründen auch einzelne
Leistungen nur als privatärztliche Leistungen anzubieten. Er habe auch die streitigen
ambulante Operationen gegenüber den Kassenpatientinnen nicht verweigert, sondern
lediglich seine Kapazitäten insoweit eingeschränkt. Keinesfalls habe er in unzulässiger
Weise auf die Patientinnen eingewirkt, die privatärztliche Behandlung mit
Kostenerstattung zu wählen. Letztlich sei die Zulassungsentziehung auch
unverhältnismäßig, da disziplinarische Maßnahmen ausreichend gewesen seien und im
Übrigen der HVM der Beigeladenen zu 5) in § 2 Abs. 2 Satz 2 eine Regelung enthalten
habe, die ein derartiges Verhalten als rechtmäßig ausgewiesen habe.
117
Der Kläger hat beantragt,
118
den Beschluss des Beklagten vom 03.05.2000 aufzuheben.
119
Der Beklagte hat beantragt,
120
die Klage abzuweisen.
121
Er hat im Einzelnen ausgeführt, dass er seine Entscheidung für rechtmäßig erachte.
122
Der Beigeladene zu 3) hat auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG)
vom 14.03.2001 (B 6 KA 67/00 R und B 6 KA 54/00 R) hingewiesen.
123
Das Sozialgericht (SG) Köln hat mit Urteil vom 06.02.2002 die Klage abgewiesen und
sich der Beurteilung des Beklagten im Wesentlichen angeschlossen. Es hat die
gravierenden Pflichtverstöße des Klägers darin gesehen, dass er die Patientinnen für
ambulante Operationen in die Kostenerstattung allein aus monetären Gründen getrieben
habe; die Honoraransätze für Gynäkologen seien im relevanten Zeitraum keinesfalls
unangemessen gewesen. Der Kläger habe die Patientinnen falsch über das
Kostenerstattungsverfahren informiert und die Versicherten damit für seine monetären
und berufspolitischen Zwecke instrumentalisiert. Besonders sei zu berücksichtigen,
dass er die psychische Zwangssituation der Patientinnen für seine Ziele ausgenutzt
habe, in dem er ihnen für den Fall der Ablehnung des Kostenerstattungsverfahrens
Therapienachteile in Aussicht gestellt habe; im Übrigen habe er auf schikanöse Art und
Weise den Patientinnen mit Wartezeiten gedroht. Dies alles sei geschehen, obwohl der
Kläger zeitnah und mehrfach auf die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen
worden sei.
124
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein
erstinstanzliches Voringen und weit darauf hin, dass den Patientinnen keine Nachteile
125
entstanden seien. Keine Patientin sei abgewiesen oder aus der Privatrechnung in
Anspruch genommen worden. Wegen der ab 01.07.1997 geltenden Vorschrift des § 13
Abs. 2 SGB V sieht er keinen Pflichtverstoß in seinem Verhalten, die Krankenkassen auf
Kostenerstattung in Höhe der Rechnungsbeträge in Anspruch zu nehmen. Der Umfang
der Sicherstellungsverpflichtung zu ambulanten Operationen sei nach wie vor unklar.
Letztlich verstoße der Entzug der Zulassung gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
Der Kläger beantragt,
126
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.02.2002 abzuändern und den Bescheid des
Beklagten vom 03./31.05.2000 aufzuheben.
127
Der Beklagte und der Beigeladene zu 3) beantragen,
128
die Berufung zurückzuweisen.
129
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
130
Die Beigeladene zu 5) stellt keinen Antrag.
131
Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts Düsseldorf S 17 KA 257/01, S 33 KA
112/00, S 33 KA 40/99, S 33 KA 39/99, S 17 KA 385/98, S 4 KR 152/98, S 17 KA
188/98, S 2 Ka 283/97, S 2 Ka 175/97, S 2 Ka 171/97, S 2 Ka 86/97, S 2 Ka 85/97, S 2
Ka 84/97, S 2 Ka 83/97, S 2 Ka 74/97, S 2 Ka 268/96, S 2 Ka 109/96, S 2 Ka 101/96, S 2
Ka 49/96, S 25 Ka 22/96, S 2 Ka 286/95, S 2 Ka 92/94, S 2 Ka 168/93, S 2 Ka 150/93, S
2 Ka 191/92, S 2 Ka 12/92, die Akten des Sozialgerichts Köln S 5 KR 29/00, S 5 KR
27/00, S 5 KR 239/00, S 5 KR 12/00, S 5 KR 7/00, die Prozessakten der Verfahren L 11
KA 22/00, L 11 KA 38/02 sowie L 11 KA 39/02 beigezogen. Desweiteren hat der Senat
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.06.2001 - S 5 KR 26/00 - sowie die KVNO-
aktuell 7/97 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Ferner sind die
Abrechnungsunterlagen der Praxis des Klägers ab dem Quartal I/96 beigezogen
worden. Gegenstand des Verfahrens waren im Übrigen die Akten des
Zulassungsausschusses für Ärzte Köln sowie die Akten des Beklagten. Diese Akten
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt die ser Akten
und den der Streitakten wird - auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten -
ergänzend Bezug genommen.
132
Entscheidungsgründe:
133
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
134
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der Kläger ist durch den
angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -
beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig, denn dem Kläger war gemäß § 95 Abs. 6 SGB
V aufgrund gröblicher Pflichtverletzungen die Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung zu entziehen.
135
Eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne von § 95 Abs. 6 SGB V liegt vor, wenn durch
sie das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen
insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die
136
Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Arzt so gestört ist, dass diesen eine
weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht zugemutet werden kann (BSGE 66, 6, 8;
BVerfGE 69, 233, 234). Dieser Arzt ist dann zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung nicht (mehr) geeignet; denn die Funktionsfähigkeit des von anderen
geschaffenen und finanzierten Leistungssystems der gesetzlichen
Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt in dem
hier zu betrachtenden Teil der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon
ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die
ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu
vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so
entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich
genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch
diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen
Versorgung zu tragen haben, nämlich die Kassenärztlichen Vereinigungen und die
Krankenkassen. Insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung
gehört daher zu den Grundpflichten des Arztes (BSGE 43, 250, 255; BSG SozR 3-2500
§ 95 Nr. 4). Der Arzt verstößt hiergegen, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder
nicht oder nicht selbständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht
selbst erbracht hat. Der Verstoß gegen die Pflicht der ordnungsgemäßen
Leistungserbringung und/oder peinlich genauen Abrechnung erweist sich in der Regel
als gröbliche Pflichtverletzung, die zur Entziehung der Zulassung führt. Andererseits ist
zu beachten, dass die Entziehung schwerwiegend in das Grundrecht der Berufsfreiheit
des getroffenen Arztes nach Artikel 12 Abs. 1 GG eingreift. Die Zulassungsentziehung
darf deshalb unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur
ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der
vertragsärztlichen Versorgung ist (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4).
Das BSG hat in den Entscheidungen vom 14.03.2001, auf die der Beigeladene zu 3)
ausdrücklich hingewiesen hat (B 6 KA 36/00 R und B 6 KA 67/00 R), festgestellt, dass
ein Arzt, der von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen Zuzahlungen zu
ambulanten Operationen fordert, gegen vertragsärztliche Pflichten verstößt. Ein
Versicherter, der von seinem behandelnden Arzt vor die vermeindliche "freie Wahl"
zwischen der Inanspruchnahme einer kostenfreien "Kassenleistung" und einer Leistung
gegen Privatbezahlung gestellt wird, besitzt letztlich keine echte Entscheidungs- freiheit.
Er befindet sich vielmehr in einer Zwangssituation, denn lehnt er die vom sachkundigen
Arzt seines Vertrauens angebotene und empfohlene vermeindlich "bessere"
privatärztliche Leistung ab, läuft er Gefahr, den weiteren Zugang zu diesem Arzt seines
Vertrauens zu verlieren. Darüber hinaus wird er - wie bei Unterbreiten solcher
Behandlungsalternativen einkalkuliert - bereits um seiner Gesundheit willen
typischerweise auf die angebotene privatärztliche Behandlung nicht verzichten wollen.
Schon eine derartige Offerte des Vertragarztes trägt daher die Gefahr einer faktischen
Diskriminierung von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung in sich und
ist geeignet, das Naturalleistungsprinzip auszuhöhlen bzw. zu umgehen. Ausnahmen
von den grundsätzlichen Verboten von (zusätzlichen) Zahlungen der Versicherten sind
im SGB nur in wenigen Fällen vorgesehen. Eine entsprechende Regelung für den hier
betroffenen Bereich der ambulanten Operationen besteht dagegen nicht. Finanzielle
Aspekte wie die vermeindlich unzureichende Honorierung einer Einzelleistung im
Vertragsarztrecht berechtigen den Arzt nicht einem Versicherten gesetzlich
vorgesehene Leistungen nur außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung
zukommen zu lassen oder gänzlich zu verweigern. Der einzelne Vertragsarzt ist nicht
berechtigt durch gewillkürte Herauslösung einzelner Leistungen aus dem
137
vertragsärztlichen Behandlungsangebot das Gesamtsystem der vertragsärztlichen
Versorgung einschließlich ihrer Finanzierungsweise zu umgehen. Der Arzt, der die
Vergütung im vertragsärztlichen Bereich teilweise oder generell für unzureichend hält,
mag auf seine Zulassung verzichten und seine Dienstleistungen allein privatärztlich
anbieten (BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 36/00 R).
In Anwendung dieser aufgezeigten Grundsätze steht fest, dass der Beklagte und das
Sozialgericht zu Recht eine gröbliche Verletzung der kassen- bzw. vertragsärztlichen
Pflichten durch den Kläger angenommen haben. Auch nach den Feststellungen des
Senates ist das Vertrauensverhältnis jedenfalls zu den Krankenkassen derart
grundlegend gestört, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht
mehr zuzumuten ist und damit durch eine weitere Zulassung des Klägers die
Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wäre.
138
Aufgrund der vom Senat durchgeführten Ermittlungen steht fest, dass der Kläger in
erheblichem Maße seine Verpflichtung aus § 95 Abs. 3 SGB V, an der Sicherstellung
der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, verletzt hat. Die Verpflichtung zur
Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung beinhaltet insbesondere, die gesetzlich
Krankenversicherten im gesetzlich vorgeschriebenen Maße und mit den gesetzlich
vorgeschriebenen Mitteln zu behandeln.
139
Der Senat sieht eine gröbliche Pflichtverletzung des Klägers darin, dass er dieser
Verpflichtung in mehrfacher Hinsicht nicht nachgekommen ist.
140
1 a) Der Kläger hat noch im Oktober und November 1998 die Behandlung von
Versicherten der DAK und der BKK en ausdrücklich verweigert. In seinen in den Akten
befindlichen vordruckmäßigen Schreiben hat er mitgeteilt, dass er wegen des
(rechtmäßigen) Verhaltens dieser Krankenkassen bezüglich der Kostenerstattung die
Versicherten dieser Krankenkassen zukünftig nicht mehr behandeln werde. Für die
formularmäßige Mitteilung dieser Ansicht an andere Patienten/Versicherte bestand nicht
der geringste Anlass außer der Diskriminierung dieser Krankenkassen und dem
unverholenen Versuch des Klägers, durch veranlasste Gespräche von Versicherten mit
dem Leiter der Krankenkassenstelle "Wunder zu bewirken", d.h. mehr Geld für sich
herauszuholen. Ein derartiges Verhalten kann von den am System der gesetzlichen
Krankenversicherung Beteiligten keinesfalls toleriert werden, da ansonsten das System
kollabieren würde.
141
b) Der Kläger hat weiterhin gröblich pflichtwidrig Leistungen, die er bisher in seiner
Praxis im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit anbietet und erbringt (nämlich ambulante
Operationen), aus dem Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit als Sachleistung
ausgegliedert, lediglich als privatärztliche Leistung angeboten und diese den
Versicherten als Privatliquidation in Rechnung gestellt. Dass er die Rechnungsbeträge
nicht gegenüber den Versicherten, sondern deren Krankenkassen geltend gemacht und
einzutreiben versucht hat, bleibt unbeachtlich. Der Kläger hat in jedem Fall grob rechts-
und pflichtwidrig und besonders verwerflich gehandelt, weil er in Ausnutzung der
Notlage von kranken Versicherten dieses Verhalten allein gewählt hat, um "etwas mehr
aus dem System heraus zu holen"- wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat wörtlich ausdrücklich erklärt hat -.
142
Dieses Verhalten des Klägers war nicht gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BMV-Ä gerechtfertigt.
Nach dieser Vorschrift kann der Vertragsarzt vom Versicherten eine Vergütung fordern,
143
wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf
eigene Kosten behandelt zu werden und dies dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. Eine
derartige Fallgestaltung liegt jedoch nicht vor, da die Versicherten vor Beginn der
Behandlung nicht ausdrücklich verlangt haben, auf eigene Kosten behandelt zu werden,
sondern in die Praxis des Klägers gekommen sind, um als Versicherte der gesetzlichen
Krankenversicherung behandelt zu werden. Denn bei dem erstmaligem Aufsuchen des
Klägers haben alle Patientinnen ihren Krankenversicherungsausweis vorgelegt und
damit deutlich zum Ausdruck gebracht, eine Behandlung als gesetzlich
Krankenversicherte zu wünschen. Nach dem Plan des Klägers sollten diese Leistungen
gerade nicht auf eigene Kosten der Versicherten erfolgen, sondern letztlich über den
Umweg der sogenannten Kostenerstattung zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung erbracht werden.
c) Das besondere Ausmaß der groben Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Klägers
sieht der Senat darin, dass er die Zwangssituation seiner gesetzlich
krankenversicherten Patientinnen bewusst ausgenutzt hat, um sein Ziel, "etwas mehr
aus dem System herauszuholen", zu erreichen. Die Versicherten hatten bei der
Entscheidung hinsichtlich des Kostenerstattungsverfahrens keine wirklich freie
Wahlmöglichkeit. Die durch die Art und Weise der vom Kläger vorgenommenen
"Patienteninformation" war es den Versicherten nicht mehr möglich, eine wirklich freie
Entscheidung zu treffen. Die ihnen vorgelegten "Patienteninformation" waren
tendenziell abgefasst, teilweise inhaltlich unrichtig oder enthielten bewusst derart
verkürzte Darstellungen, dass sie als Basis für eine derart gravierende Entscheidung
ungeeignet waren.
144
Darüber hinaus hat der Kläger durch dieses "Informationsverfahren" auf die
Versicherten einen psychischen Druck der Gestalt ausgeübt, dass ihnen allein die Wahl
des Kostenerstattungsverfahrens übrig blieb. Er hat nämlich den Patientinnen
insbesondere suggeriert, dass ihnen bei der Behandlung als gesetzlich
Krankenversicherte Therapienachteile entstehen würden. Weiterhin hat er allein bei der
Entscheidung zugunsten der Kostenerstattung einen zeitlich nahen Operationstermin
angeboten. Soweit Patientinnen die Entscheidung zur Kostenerstattung nicht getroffen
haben, ist ihnen in schikanöser Art und Weise eine nicht unerhebliche Wartezeit in
Aussicht gestellt worden. Dieses Verhalten sieht der Senat als Drohung und faktische
Diskriminierung der gesetzlich krankenversicherten Patientinnen an, wie es auch bereits
das Sozialgericht gewürdigt hat.
145
Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung ist darin zu sehen, dass der Kläger die
gesetzlich Krankenversicherten hinsichtlich des ihnen allein zustehenden Wahlrechts in
keineswegs vertretbarem Maße beeinflusst hat. Diese Beeinflussung bei der
Entscheidung der Wahl der Kostenerstattung erfolgte durch den Kläger, obwohl ihm
aufgrund entsprechender Informationen seitens Bundesgesundheitsministeriums, der
Beigeladenen zu 5) und der gesetzlichen Krankenkassen bekannt war, dass das
alleinige Wahlrecht den Versicherten zu stand und der Vertragsarzt sich jedweder
Beeinflussung zu enthalten hatte. Dass der Kläger bewusst diese vertragsärztliche
Pflicht verletzt hat, zeigt sich insbesondere darin, dass er nicht nur den Patientinnen die
entsprechen den "Patienteninformationen" vorgelegt hat, sondern bereits vorgefertigte
formularmäßige Erklärungen von den Patientinnen unterschreiben ließ.
146
d) Eine weitere Pflichtverletzung ist darin zu sehen, dass der Kläger die gesetzlich
krankenversicherten Patientinnen bewusst falsch über das Kostenerstattungsverfahren
147
informiert hat. In der Zeit von Mitte 1997 bis Ende 1998, als alle gesetzlich
Krankenversicherten gemäß § 13 Abs. 2 SGB V das Kostenerstattungsverfahren wählen
konnten, hat der Kläger nicht nur - wie oben dargestellt - die Wahlentscheidung der
Versicherten beeinflusst, sondern die Versicherten auch hinsichtlich Ausmaß und
Umfang ihrer Wahlentscheidung falsch informiert. Der Kläger hat nämlich in seinen
"Patienteninformationen" - entgegen seiner Kenntnis - nicht darauf hingewiesen, dass
Art und Umfang der Kostenerstattung der Satzungsautonomie der jeweiligen
Krankenkasse obliegt und in der Höhe durch die vertragsärztliche Vergütung begrenzt
ist. Nach Abschaffung des generellen Wahlrechts zum 01.01.1999 hat der Kläger in
keinesfalls ausreichendem Maße dargestellt, dass eine Kostenübernahmeverpflichtung
der gesetzlichen Krankenkassen nur dann besteht, wenn die begehrte erforderliche
Leistung von Vertragsärzten oder ermächtigten Ärzten nicht erbracht werden kann.
Dabei hat er es ferner unterlassen, darauf hinzuweisen, dass er selbst als Vertragsarzt
wie auch viele andere Vertragsärzte diese Leistung erbringen kann und damit
grundsätzlich ein Fall des sogenannten Systemversagens nicht vorliegt.
e) Eine besonders gröbliche Pflichtverletzung sieht der Senat darin, dass der Kläger
Krankenversicherte benutzt hat, um dem System der vertragsärztlichen Versorgung
Schaden zuzufügen und "mehr aus dem System herauszuholen". Er hat die
Krankenversicherten durch die Art und Weise seiner "Patienteninformation" unter Druck
gesetzt. Dies zeigt sich exemplarisch an der Schilderung der Versicherten F. gegenüber
ihrer Krankenkasse, die im Termin zur mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten
nochmals erörtert worden ist. Der Kläger hat weiterhin die Versicherten, die aufgrund
ihrer Erkrankung sich in einer psychisch angespannten Situation befunden haben,
instrumentalisiert, um seine eigenen Interessen gegenüber dem System der
gesetzlichen Krankenversicherung und der vertragsärztlichen Versorgung
durchzusetzen. Er hat dabei insbesondere nicht die Interessen der gesetzlich
krankenversicherten Patientinnen in erster Linie gesehen, denn jedwede notwendige
Behandlungen hätte er ihnen auch als gesetzlich Versicherte zukommen lassen. Wie
das Verhalten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung deutlich gemacht
hat, hat er neben gewissen berufspolitischen Interessen ganz überwiegend seine
eigenen finanziellen Interessen damit verfolgt, nämlich sein Interesse auf eine höhere
Vergütung von durchschnittlich 1.400,-- DM gegenüber durchschnittlich 660,-- DM pro
Operation im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Dies ist für den Senat
insbesondere deshalb nicht nachvoll- ziehbar, weil speziell von den Krankenkassen
zum Zwecke der Förderung ambulanten Operierens zusätzliche Finanzmittel
aufgebracht worden sind. Dies hat sich z. B. darin gezeigt, dass der Punktwert für
ambulantes Operieren durchgängig gestützt worden ist.
148
Wenn dennoch Krankenkassen in der Vergangenheit ihren Versicherten
Kostenerstattung auf die Privatrechnungen der Praxis des Klägers gewährt haben,
entlastet das den Kläger nicht. Jedenfalls hat das Sozialgericht Düsseldorf in den im
Berufungsverfahren noch anhängigen Entscheidungen vom 09.01.2002 zutreffen
entschieden, um Ansprüche aus § 13 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V wegen des Verhaltens
von Vertragsärzten im Rahmen der Aktion Phoenix nicht bestanden, siehe L 11 KA
38/02 und L 11 KA 39/02. Darin zeigt sich allenfalls das Bemühen der Krankenkassen,
jedenfalls ihre Versicherten aus Kulanz- und/oder Wettbewerbsgründen nicht mit
Nachteilen zu belasten. Auch in der Zeit der "geregelten Kostenerstattung" vom
01.07.1997 bis 31.12.1998 bestanden Ansprüche nur in Höhe der Aufwendungen im
Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, d. h. auf durchschnittlich 660,- DM. Dass die
Forderung weiterer Geldbeträge unter Berufung auf ein selbst geschaffenes
149
Systemversagen i. S. d. § 13 Abs. 3 SGB V rechtsmissbräuchlich ist, hat der Senat
bereits ausgeführt. Den Eigenvergleich des Klägers mit dem Sachleistungssystems
eines Krankenhauses in seinen Mahnschreiben hält der Senat für fernliegend, wenn
nicht sogar für anmaßend.
Um diese eigenwirtschaftlichen Interessen zu erreichen, hat der Kläger durch das
Einwirken auf die Versicherten, das Kostenerstattungsverfahren zu wählen, die
Versicherten in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren mit den jeweiligen gesetzlichen
Krankenkassen getrieben und/oder selbst als angeblicher Vertreter der
Versicherteninteressen aus abgetretenem Recht Verfahren gegen die gesetzlichen
Krankenkassen geführt. Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit derartigen Verfahren
allein deshalb überzogen worden, weil der Kläger Ansprüche der Versicherten aus § 13
Abs. 3 SGB V konstruiert hat, in dem er ein vermeindliches Systemversagen allein
dadurch geschaffen hat, dass er entgegen seiner vertragsärztlichen Pflicht Leistungen
im System nicht mehr angeboten hat. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass der
Kläger bei Ausnutzung dieses selbst geschaffenen Systemversagens grob
rechtsmißbräuchlich gehandelt hat.
150
f) Die Störung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung und der gesetzlichen
Krankenversicherung seitens des Klägers zeigt sich auch darin, dass er andere
Systembeteiligte provokativ mit unnützen Verfahren überzogen hat. So hat er in einem
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes versucht, letztlich auf
Satzungsbestimmungen einer gesetzlichen Krankenkasse einzu- wirken. Es bedarf
keiner weiteren Ausführungen, dass in einem derartigen Verhalten ein massiver Verstoß
gegen vertragsärztlichen Pflichten zu sehen ist. Das Ausmaß der Pflichtverletzung wird
dadurch besonders deutlich, dass der Kläger - wie das Sozialgericht Düsseldorf im
Beschluss vom 26.08.1998 ausdrücklich ausgeführt hat - aus erheblichen
wirtschaftlichen Eigeninteressen auf einvermeintliches Wahlrecht der Versicherten
Einfluß genommen hat. Das Verhalten des Klägers führte auch dazu, dass weitere
Auseinandersetzungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung und der
vertragsärztlichen Versorgung notwendig wurden. So haben Krankenkassen ihren
Anteil an der Gesamtvergütung um die Kosten gekürzt, die Ihnen aufgrund des
Verhaltens des Klägers (und anderer Ärzte) entstanden sind. Dies hat dazu geführt,
dass die Beigeladene zu 5) in vier dem Senat bekannten Verfahren die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit angerufen hat, um ihre Ansprüche auf eine ungekürzte
Gesamtvergütung geltend zu machen. Das Verhalten hat weiter dazu geführt, dass die
Krankenkassen gezwungen waren, diese Auslagen als sogenannte sonstige Schäden
im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltend zu machen. Auch dadurch sind
weitere Rechtsstreitigkeiten entstanden, wie sich aus den beigezogenen Prozeßakten
ergibt.
151
2) Diese Pflichtverletzungen sind in besonderem Maße als gröblichst anzusehen, weil
der Kläger sie über einen Zeitraum von mehreren Jahren bis in das Jahr 2000 begangen
hat, obwohl er bereits seit September 1997 wusste, dass ein derartiges Verhalten mit
den Pflichten eines Vertragsarztes nicht zu vereinbaren ist. Die Beigeladene zu 5) hat
bereits im September 1997 in der KVNO-aktuell auf das alleinige Wahlrecht des
Versicherten und die Verpflichtung des Vertrags- arztes, dieses Wahlrecht nicht zu
beeinflussen, hingewiesen. Darüber hinaus ist der Kläger auch von Seiten des
Bundesministeriums für Gesundheit in zwei persönlichen Gesprächen mit dem
damaligen Minister auf die Rechtswidrigkeit eines derartigen Verhaltens hingewiesen
worden. Der Kläger kann sich auch nicht auf die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 HVM der
152
Beigeladenen zu 5) berufen, denn diese ist bereits durch Aufsichtsanordnung vom
28.01.1998 mit Sofortvollzug beanstandet worden. Diese Anordnung des
Sofortvollzuges ist durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit Beschlüssen vom
17.05. und 21.10.1998 bestätigt worden. In zwei Urteilen des erkennenden Senates vom
09.03.1998 ist der Kläger in ihm persönlich betreffenden Verfahren auf die
Pflichtwidrigkeit eines solchen Verhaltens vorsorglich und überdeutlich hingewiesen
worden. Weitere ausdrückliche Hinweise erhielt der Kläger in einem Schreiben der
Beigeladenen zu 5) vom 25.06.1998, in einem Schreiben des Beigeladenen zu 6) vom
14.09.1998 sowie in der bereits genannten Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf
vom 26.08.1998. Wenn der Kläger trotz dieser zahlreichen und eindeutigen Hiweise
sein Verhalten bis in das Jahr 2000 fortsetzt, so ist festzustellen, dass der Kläger die
Interessen der gesetzlich Krankenversicherten, der Krankenkassen und der
Beigeladenen zu 5) unbeachtet gelassen und allein seine eigenwirtschaftlichen
Interessen verfolgt hat. Dabei hat er bewusst ganz erhebliche Störungen im System der
gesetzlichen Krankenversicherung und der vertragsärztlichen Versorgung in Kauf
genommen.
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG in seiner Entscheidung vom
14.03.2000 - B 6 KA 67/00 - an, dass ein Vertragsarzt nicht erfolgreich einwenden kann,
dass ihn kein Verschulden hinsichtlich des Pflichtverstoßes anzulasten sei, weil seine
Auffassung derjenigen einer Kassenärztlichen Vereinigung und derjenigen von Autoren
in der Fachliteratur entspreche. Seine Auffassung, er müsse seine Rechtsansichten
zunächst einmal durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfen lassen können,
entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Der Umstand, dass ein vertragsärztlicher
Pflichtverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch an Gewicht, dass der Betroffene in
Unkenntnis war und/oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw. dass zur
Zulässigkeit einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche
Rechtsprechung vorlag. Angesichts des Umstandes, dass er mit seinem Handeln
bewusst und provokativ elementare Grundsätze des Systems der gesetzlichen
Krankenver- sicherung in Frage stellte, musste dem Arzt auch als sozialrechtlichen
Laien ohne weiteres klar sein, dass die Rechtslage keineswegs zu seinen Gunsten
eindeutig war, selbst wenn juristische und politische Vertreter seiner Interessen ihn in
seiner Ansicht verstärkt haben sollten. Allein schon das Bestehen gegensätzlicher
Auffassungen und das Wissen um das Fehlen einer höchstrichterlichen Klärung musste
den gleichwohl ausschließliche seine Interessen verfolgenden Arzt vor Augen führen,
dass er zumindest dem Risiko unterliegt, pflichtwidrig zu handeln und der Gefahr von
Disziplinarmaßnahmen ausgesetzt zu sein bzw. gar mit einer Entziehung seiner
Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung belegt zu werden. Ihm ist ergänzend
anzulasten, entgegen dem die Leistungserbringer mit einschließenden Gebot des
Zusammenwirkens bei der Leistungserbringung nicht zunächst versucht zu haben, die
Richtigkeit seiner Position im Vorfeld von geplanten Aktivitäten und in Kooperation mit
Leistungsträgern und Kassenärztlichen Vereinigungen klären zu lassen; er hat
stattdessen allein aus eigennützigen Motiven - dann aber auch konsequent auf eigenes
Risiko - einen von ihm persönlich inizierten atypischen Weg zur Durchsetzung seiner
Interessen beschritten und dabei Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung
finanziell unter Druck gesetzt und gegen die Krankenkassen instrumentalisiert. Bei einer
derartigen Vorgehensweise muss sich das Vorliegen eines Pflichtverstoßes jedem an
der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt ohne weiteres aufdrängen.
153
Unter Berücksichtigung dieser vom Senat festgestellten Summierung gröblichster
Pflichtverletzungen steht für den Senat fest, dass auch unter Berücksichtigung des
154
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die vom Beklagten getroffene
Zulassungsentziehung rechtmäßig ist.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum
01.01.2002.
155
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht
vor.
156