Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.01.2002
LSG NRW: ärztliche behandlung, versorgung, notfall, behandlungskosten, krankenversicherung, nichtvertragsarzt, vertrauensschutz, zukunft, karenzzeit, krankenkasse
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 12/01
17.01.2002
Landessozialgericht NRW
16. Senat
Urteil
L 16 KR 12/01
Sozialgericht Köln, S 5 KR 53/99
Krankenversicherung
rechtskräftig
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
22. November 2000 wird zurückgewiesen. Aussergerichtliche Kosten
sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung der Behandlung durch einen zur vertragsärztlichen
Versorgung nicht zugelassenen Arzt.
Der 1934 geborene Kläger war von April 1977 bis ...2000 bei der Beklagten freiwillig
versichert. In Behandlung des Dr. med. B ..., ambulante Tagesklinik für chronische
Erkrankungen/Krebserkrankungen in K ..., befindet er sich seit 1989.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.03.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die
Übernahme ärztlicher Leistungen bei Dr. B ... sei ihr zukünftig nicht mehr möglich.
Kostenerstattung könne nur gewährt werden, wenn die Privat-Behandlung von einem
Vertragsbehandler durchgeführt werde, was bei Dr. B ... jedoch nicht der Fall sei.
Mit seinem hiergegen am 07.04.1999 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend,
die Beklagte wisse seit über 10 Jahren, dass er schulmedizinische (allopathische)
Medikation wegen der Nebenwirkungen nicht vertrage. Während all dieser Jahre habe die
Beklagte die Privatliquidationen problemlos bezahlt. Mit weiterem Bescheid vom
11.05.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie gebe ihm Gelegenheit, sich bis
31.07.1999 einen geeigneten Vertragsarzt zu suchen. Im übrigen wies die Beklagte den
Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.1999 zurück. Auch
Versicherte, die anstelle von Sachleistungen Kostenerstattung wählten, könnten nur Ärzte
in Anspruch nehmen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Ein Notfall
liege bei dem Kläger nicht vor. Eine homöopathische und naturheilkundlich ausgerichtete
Behandlung wegen der bei ihm vorliegenden Erkrankungen könne ebenso von
Vertragsärzten zu Lasten der Kasse erbracht werden und stelle eine Behandlungsmethode
dar, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei.
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Hiergegen hat der Kläger am 02.09.1999 Klage erhoben. Er hat ergänzend vorgebracht, er
habe sich zunächst bei der Vorgängerin des Dr. B ..., Frau Dr. G ..., in homöopathischer und
naturheilkundlicher Behandlung befunden. Die Behandlung sei dann nach der
Praxisübernahme durch Dr. B ... fortgesetzt worden. Es stelle sich deshalb die Frage, ob
ihm die Beklagte nach 20-jähriger Kostenerstattung für die von ihm einzig vertragene
Behandlung einen Arztwechsel in die von ihm nicht vertragene schulmedizinische
Medikation abverlangen könne. Er hat weitere Rezepte und Rechnungen vorgelegt, die die
Zeit bis ...2000 betreffen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger erklärt, er
habe zwischenzeitig die Krankenkasse gewechselt und sei jetzt bei einer Kasse versichert,
die die Kosten für die Behandlung des Dr. B ... übernehme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.1999 und Änderung des
Bescheides vom 11.05.1999, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17.08.1999, zu verurteilen, ihn von den Kosten für die Behandlung bei Dr. B ... in der Zeit
vom 01.08.1999 bis zum 29.02.2000 nach Vertragssätzen freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten und vorgetragen, sie habe
dem Kläger ausreichend Gelegenheit bzw. Zeit gegeben, sich einen Vertragsarzt zu
suchen, der die homöopathische bzw. naturheilkundliche Therapie anbiete. Die bisherigen
Behandlungskosten seien von ihr in Unwissenheit darüber erstattet worden, dass Herr Dr.
B ... kein Vertragsbehandler sei. Sie habe im März 1999 erst hiervon Kenntnis erhalten.
Das Sozialgericht hat von Dr. B ... einen ausführlichen Befundbericht mit kurzer
gutachtlicher Stellungnahme zu den Fragen des Gerichts vom 30.11.1999 eingeholt. Auf
den ärztlichen Bericht des Dr. B ... vom 21.01.2000 wird verwiesen.
Mit Urteil vom 22.11.2000, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 28.12.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.01.2001 Berufung
eingelegt. Das erstinstanzliche Gericht würdige die Tatsache nicht ausreichend, dass er
allopathische Medikation nicht vertrage und deshalb seit 20 Jahren in homöopathischer-
naturheilkundlicher Behandlung und praxisspezifischer Medikation stehe. Er bezweifle die
fachliche Kompetenz der Kammer zu beurteilen, ob dieses Behandlungskonzept auch
vertragsärztlich hätte erbracht werden können. Rechtlich nicht nachvollziehbar sei für ihn,
dass die Beklagte nahezu acht Jahre über den angeblichen Stichtag (01.01.1993) hinaus
sämtliche Liquidationen bezahlt habe, um dann willkürlich die Zahlung zu verweigern. Das
Sozialgericht habe den Aspekt des Bestandsschutzes nicht ausreichend geprüft. Dass eine
Stoffwechselempfindlichkeit auf allopathische Medikamente objektiv erklärbar sei, werde in
jüngster Zeit - wie sich dies aus dem vorgelegten Artikel aus med-online 2/2001 ergebe -
auch wissenschaftlich belegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.11.2000 abzuändern und nach dem
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erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen
weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der geltend gemachte Anspruch bereits
daran scheitert, dass der Kläger einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassenen Arzt in Anspruch genommen. Auch im Rahmen der Kostenerstattung des §
13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)
können freiwillige Mitglieder von Krankenkassen nur zwischen zugelassenen oder
ermächtigten Ärzten wählen. Dies ergibt sich aus § 76 Abs. 1 SGB V, der auch im Falle der
Kostenerstattung bei freiwillig Versicherten gilt (siehe hierzu ausführlich BSG, Urteil vom
10.05.1995 - 1 RK 14/94 - SozR 3-2500 § 13 Nr. 7). Insoweit sieht der Senat zur
Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung als unbegründet zurückweist, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Insbesondere handelt es sich um vorliegend auch nicht um eine Notfallbehandlung im
Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch der Kläger macht nicht geltend, es habe sich
um eine aus medizinischen Gründen notwendige sofortige ärztliche Behandlung durch den
einzig erreichbaren Nichtvertragsarzt gehandelt. Der Umstand, dass der Kläger die
langjährige homöopathisch-naturheilkundliche Behandlung und praxisspezifische
Medikation durch Dr. B ... fortsetzen möchte, stellt jedenfalls keinen Notfall im Sinne
vorstehender Regelung dar.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Tätigkeit des zur
vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassenen Dr. B ... löse vorliegend allein deshalb
den Kostenerstattungsanspruch aus, da die Beklagte bis zum Beginn des streitigen
Zeitraumes die Behandlungskosten übernommen habe. Denn der Beklagten war eine
Abkehr von ihrer bisherigen Praxis nicht nur erlaubt. Sie war vielmehr von Gesetzes wegen
gehalten, die Regelungen des vertragsärztlichen Versorgungssystems auch für freiwillige
Mitglieder einzuhalten. Der Kläger kann sich demgegenüber weder auf Bestandsschutz
noch Vertrauensschutz berufen, allzumal die Beklagte die in dem angefochtenen Bescheid
vom 24.03.1999 für die Zukunft angekündigte Handhabung noch zusätzlich durch die
Gewährung einer Karenzzeit bis 31.07.1999 ausgesetzt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1
und 2 SGG.