Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.01.2008
LSG NRW: verwaltungsakt, arbeitsförderung, anfechtungsklage, feststellungsklage, wiederholungsgefahr, mensch, behörde, auflage, beweisführung, vorschlag
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 08.01.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Köln S 20 AS 114/06
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 1 B 49/07 AS
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 08.06.2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 03.09.2007), ist
nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein
Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Annahme einer hinreichenden
Erfolgsaussicht genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar SGG, 8.
Auflage 2005, § 73a Rn. 7, m.w.N.). Danach ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben, wenn das Gericht den
Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für
zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und/oder in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung
überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. Rn. 7a).
Der Senat hat entgegen der Ansicht der Klägerin durchgreifende Zweifel, ob der Vorschlag der Beklagten vom
20.09.2006 einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X)
darstellt. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung übernimmt im Wesentlichen die zu § 19
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergangene Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), die bei einer
Heranziehung zu gemeinnützigen Arbeiten von einem Verwaltungsakt ausging (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1983 -
Az.: 5 C 66/82, BVerwGE 69, 97-101). Diese Rechtsprechung basierte auf der gängigen Praxis der Sozialämter,
Arbeitsgelegeheiten bei derselben Behörde zu schaffen. Wird eine Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz
2 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) hingegen bei einem Dritten vorgehalten, dürfte ein
Verwaltungsakt nur dann vorliegen, wenn der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine unmittelbare
Zuweisung vornimmt, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein solcher Bescheid kein Rechtsverhältnis zwischen dem
Hilfeempfänger und dem Dritten begründet (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 16, Rn. 233 f.).
Eine Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit kann in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 20.09.2006 nicht
gesehen werden. Denn sie hat der Antragstellerin ausdrücklich eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende
Arbeit vorgeschlagen, jedoch keine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Mithin
beinhaltet das Angebot lediglich den Nachweis der Gelegenheit zur Aufnahme einer zusätzlichen Arbeit bei dem
Träger "Mensch und Arbeit" (vgl. auch LSG NRW, Beschlüsse vom 25.05.2005 - Az.: L 9 B 14/05 AS ER und vom
23.01.2007 - L 1 B 54/06 AS ER, Juris). Derartige, vom Träger der Grundsicherung unterbreitete Vorschläge sind mit
den Vermittlungsvorschlägen im Recht der Arbeitsförderung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buchs des
Sozialgesetzbuches (SGB III) vergleichbar, bei denen es sich nach ständiger Rechtsprechung nicht um
Verwaltungsakte handelt (vgl. nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22.06.1977 - Az.: 7 RAr 131/75 - BSGE 44,
71 ff; Beschluss vom 21.10.2003 - Az.: B 7 AL 82/03 B - Juris). Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist
daher nicht statthaft.
Die Klage ist auch nicht als Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig. Denn es fehlt jedenfalls in der hier
vorliegenden Konstellation an einem Feststellungsinteresse, zumal die Klägerin bereits im Zeitpunkt der
Klageerhebung aufgrund des hier streitigen Vorschlages keinerlei Konsequenzen mehr zu befürchten hatte.
Selbst wenn man jedoch, der Auffassung der Klägerin folgend, in dem angefochtenen Angebot vom 20.09.2006 einen
Verwaltungsakt sähe, wäre zu berücksichtigen, dass die Beklagte den darauf basierenden Absenkungsbescheid vom
29.09.2006 bereits mit Bescheid vom 06.11.2006 - also deutlich vor Klageerhebung am 21.11.2006 - aufgehoben hat.
Angesichts dessen wäre davon auszugehen, dass sich mit der Aufhebung auch das die Grundlage des
Absenkungsbescheides bildende Angebot im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hätte. Im Hinblick auf eine
Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) wäre das erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis
nicht gegeben. Dabei könnte sich die Klägerin insbesondere nicht auf eine Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu Meyer-
Ladewig, a.a.O., § 131, Rn. 10b) stützen, da hierfür die abstrakte Möglichkeit, dass die Beklagte der Klägerin
(irgendwann) erneut eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 2 Satz 3 SGB II
anbieten kann, nicht ausreicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).