Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.01.2004
LSG NRW: aufschiebende wirkung, hauptsache, gebühr, verwaltungsgerichtsbarkeit, rechtssicherheit, vorschlag, aufwand, auflage, verwaltungsakt, krankenversicherung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 16 B 102/03 KR
21.01.2004
Landessozialgericht NRW
16. Senat
Beschluss
L 16 B 102/03 KR
Sozialgericht Dortmund, S 15 RJ 5/03 ER
Krankenversicherung
rechtskräftig
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 18.08.2003 in der Fassung des
Teilabhilfebeschlusses vom 17.11.2003 dahin geändert, dass der
Streitwert auf 1680, 40 Euro festgesetzt wird.
Gründe:
I. Im Ausgangsverfahren hat die Antragstellerin begehrt, aufschiebende Wirkung ihres
Widerspruchs gegen den nach einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheid der
Antragsgegnerin vom 24.10.2002, geändert durch Bescheid vom 11.12.2002, mit dem
Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 6.721,60 Euro nachgefordert wurden,
anzuordnen. Die Antragstellerin hat am 25.06.2003 ihren am 22.01.2003 beim
Sozialgericht Dortmund erhobenen Antrag zurückgenommen.
Mit Beschluss vom 18.08.2003 hat das Sozialgericht entschieden, dass die Antragstellerin
die Kosten des Verfahrens trage, und den Streitwert zunächst auf 6.834,32 Euro
festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, im sozialgerichtlichen Verfahren sei auch in
vorläufigen Rechtsschutzverfahren der gesamte Forderungsbetrag der
Streitwertfestsetzung zugrundezulegen, da dem geringeren Interesse gegenüber dem
Hauptsacheverfahren bereits dadurch Rechnung getragen werde, dass nach Nr. 4210 des
Kostenverzeichnisses nach § 11 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) nur eine halbe
Gebühr zu erheben sei. Der Beschwerde der Antragstellerin vom 10.09.2003 hat das
Sozialgericht insoweit abgeholfen, als es mit Beschluss vom 17.11.2003 den Streitwert
entsprechend dem mit Änderungsbescheid vom 11.12.2002 eingeforderten Betrag auf
6721,60 Euro festgesetzt hat.
II. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
nach §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 20 Abs. 3
GKG Jansen/Straßfeld, SGG, § 197 Rdnr. 33), dies jedenfalls dann, wenn in einem
Rechtszug weder Antragsteller noch Antragsgegner zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) genannten Personen gehören (entsprechende Anwendung des § 197 a SGG).
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(SGG) genannten Personen gehören (entsprechende Anwendung des § 197 a SGG).
Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem
Antrag des Klägers (Antragstellers) für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach
Ermessen zu bestimmen. § 13 Abs. 2 GKG, der bestimmt, dass, soweit der Antrag eine
bezifferte Geldforderung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe
maßgebend ist, findet keine Anwendung. Denn § 20 Abs. 3 GKG verweist ausdrücklich nur
auf § 13 Abs. 1 GKG.
Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf
1680,40 Euro (und damit ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden
Streitwertes) festgesetzt. Maßgeblicher Gesichtspunkt dafür, der Streitwertfestsetzung
entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts nicht die Bedeutung des (etwaigen)
Hauptsacheverfahrens zugrundezulegen, ist, dass es in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes grundsätzlich nur um eine vorläufige Maßnahme geht, so dass der Wert in
der Regel nicht denjenigen der Hauptsache erreicht, sondern im Allgemeinen erheblich
unter jenem bleibt. Ausnahmsweise soll sich der Wert des vorläufigen Verfahrens aber dem
der Hauptsache nähern, etwa wenn das Gericht praktisch schon endgültig über die Sache
entscheiden muss (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 32. Auflage, § 20 Rdnr. 3 GKG, der
einen Streitwert von ½ - 1/3 für den Regelfall vorschlägt).
In der sozialgerichtlichen Praxis wird den vorstehenden Gesichtspunkten weitestgehend
Rechnung getragen, wobei allerdings häufig ohne nähere Begründung für den Streitwert
eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sehr unterschiedliche prozentuale
Absetzungen vom Streitwert eines entsprechenden Hauptsachverfahrens vorgenommen
werden (vgl. etwa LSG NRW, Beschluss vom14.10.2003 -L 15 B 27/03 U ER- [ 2/3 des
Streitwerts des Hauptsacheverfahrens bei einer Beitragsstreitigkeit]; LSG NRW, Beschluss
vom 25.04.2002 -L 5 B 54/01 KR- [1/2 - Beitragsstreitigkeit]; LSG NRW, Beschluss vom
27.03.2000 - L 16 B 46/99 KR- [3/4 - Wettbewerbsstreitigkeit]; LSG NRW, Beschluss vom
18.12.2002 -L 16 B 70/02 KR ER- [1/3 - Beitragsstreitigkeit]; Thüringer Landessozialgericht,
Beschluss vom 23.04.2002 -L 6 RJ 113/02- [1/2 - Zulassungsstreitigkeit]; SG Hamburg,
Beschluss vom 18.09.2002 - S 36 U 257/02- [1/10 - Beitragsstreitigkeit]; LSG Berlin,
Beschluss vom 5.06.2002 -L 15 B 24/02 KR ER- [voller Streitwert: Betrag des
Beitragsbescheides]; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.12.2002 -L 2 ER-U 18/02- =
NZS 2003, S. 388f [1/4 - Beitragsstreitigkeit]).
Da es im Rahmen der Ermessensentscheidung von § 13 Abs. 1 GKG nicht darum gehen
kann, einen absolut "richtigen" Streitwert zu ermitteln (vgl. Hartmann, a.a.O., Anhang I B zu
§ 13 GKG Rdnr. 2), wird eine Vereinheitlichung der Streitwertbemessung für
wünschenswert gehalten. Hierfür sprechen neben Gründen der Praktikabilität auch solche
der Rechtssicherheit.
Der Senat hält in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn es sich in der
Hauptsache um eine Beitragsstreitigkeit handelt, regelmäßig einen Streitwert von ¼ des
Hauptsachestreitwertes für angemessen (vgl. zum entsprechenden Vorschlag für Fälle des
§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" [StrWK]
in der Fassung von 1996 [NVwZ 1996,563ff.; außerdem abgedruckt etwa in: Hartmann,
a.a.O., Anh I B zu § 13 GKG]). Um einer ggf. zu weitgehenden Schematisierung
vorzubeugen, hält der Senat im Einzelfall zwar auch davon abweichende Streitwerte für
möglich (etwa bei ganz oder teilweiser Vorwegnahme der Hauptsache eine
Streitwertfestsetzung bis zur Höhe des Streitwertes der Hauptsache oder ganz erheblichen
Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation eines Betroffenen); vorliegend gibt es aber
keine Anhaltspunkte für eine abweichende Feststellung.
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Aus der Gebührenziffer 2210 des Kostenverzeichnisses nach § 11 Abs. 2 GKG ergibt sich
entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kein höherer Streitwert. Neben den bereits
dargelegten grundsätzlichen Erwägungen ist darauf hinzuweisen, dass die halbe Gebühr
dem regelmäßig geringeren Aufwand für die Gerichte Rechnung tragen dürfte. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt im Einzelfall nach § 13 Abs. 1 GKG ohne Rücksicht auf die in
den Gebührenziffern zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Erwägungen.
Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.08.2002 in der Fassung des
(Teilabhilfe-) Beschlusses vom 17.11.2003 war nach alledem abzuändern.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG, 177 SGG).