Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2007

LSG NRW: arbeitslosenhilfe, unechte rückwirkung, altersrente, arbeitsmarkt, öffentlich, arbeitsentgelt, zukunft, verfügung, anpassung, heizung

Landessozialgericht NRW, L 20 AS 43/07
Datum:
20.08.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 20 AS 43/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 37 AS 365/05
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 18.11.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im
Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Januar bis
einschließlich Juni 2005.
2
Die Klägerin ist im September 1944 geboren. Sie erhielt bis zum 07.02.2002
Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe, zuletzt in Höhe von 181,58 EUR
wöchentlich (entsprechend monatlich 786,85 EUR). Im Januar 2002 gab die Klägerin
gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die Erklärung ab, dass sie Arbeitslosenhilfe
unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB III) beziehen wolle.
3
Die Klägerin beantragte im September 2004 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese bewilligte der
Klägerin mit Bescheid vom 23.11.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005
Leistungen in Höhe von monatlich 534,41 EUR. Der Leistungsbetrag setzte sich aus der
Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR und den Kosten für Unterkunft und Heizung von
insgesamt 189,41 EUR zusammen. Unter dem 15.01.2005 legte die Klägerin gegen
diesen Bewilligungsbescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass sie
Leistungen der Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428
SGB III bezogen habe. Es sei ihr von der Bundesagentur für Arbeit ausdrücklich
zugesichert worden, dass sie Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe bis zum Bezug einer
abschlagsfreien Altersrente beziehen könne. Durch die Einführung von
Arbeitslosengeld II zum 01.01.2005 werde ihr diesbezügliches Vertrauen enttäuscht.
Der neue Leistungsanspruch des Arbeitslosengeldes II liege unter der bisherigen
4
Leistungshöhe der Arbeitslosenhilfe. Sie beantrage die Weitergewährung der ihr bis
zum 31.12.2004 zugestandenen Leistungen. Die vom Gesetzgeber bewirkte
Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verletze den aus dem Rechtsstaatsprinzip
abgeleiteten allgemeinen Vertrauensschutz (Artikel 20 Grundgesetz - GG -) sowie den
Eigentumsschutz (Artikel 14 GG).
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom
02.08.2005 als unbegründet zurück.
5
Die Klägerin hat am 26.08.2005 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie noch einmal
ihre Auffassung vertieft, dass sie auf den Fortbestand der Regelung des § 428 SGB III
vertraut habe. Da die Arbeitslosenhilfe am vorbezogenen Einkommen orientiert
gewesen sei, habe sie der Sicherung der sozialen Stellung gedient, was durch das SGB
II nicht mehr erreicht werden könne, da sich die Leistungen nicht am letzten Einkommen,
sondern am Bedarf orientierten. Zudem handele es sich bei der gemäß § 428 SGB III
getroffenen Vereinbarung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. An diesem müsse
sich die Beklagte festhalten lassen.
6
Die Klägerin hat beantragt,
7
den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.08.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01.01.2005
weiterhin Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Arbeitslosenhilfe entsprechend den
bis zum 31.12.2004 geltenden Vorschriften über den Bezug von Arbeitslosenhilfe zu
gewähren.
8
Die Beklagte hat beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Sie hat ihre Auffassung vertieft, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei, und
zur Begründung auf die bis dahin ergangene sozialgerichtliche Rechtsprechung
verwiesen, die ihre Auffassung stütze.
11
Mit Urteil vom 18.11.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen
die Entscheidung des Gesetzgebers, die Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe
aufzuheben, nicht bestünden. Der Wegfall der Arbeitslosenhilfe begegne auch im
Hinblick auf den Eigentumsschutz des Artikel 14 Abs. 1 GG keinen Bedenken. Ein
Anspruch auf höhere Leistungen ergebe auch nicht aus den Grundsätzen des
Vertrauensschutzes. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen ihr und der
Bundesagentur für Arbeit sei nicht abgeschlossen worden.
12
Gegen das am 13.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.01.2006 Berufung
eingelegt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass sich aus der mit ihr getroffenen
Vereinbarung ein schützenswertes Vertrauen gebildet habe, bis zum Rentenbeginn
Arbeitslosenhilfe zu erhalten. Im Gegenzug habe sie auf weitere Vermittlungstätigkeiten
der Arbeitsverwaltung verzichtet. Es sei mit ihr eine Vereinbarung öffentlich-rechtlicher
Natur abgeschlossen worden, für den ein Grund zur Anpassung oder zur Kündigung
nicht gegeben sei.
13
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
14
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.11.2005 aufzuheben und die Beklagte
unter Abänderung des Bescheides vom 23.11.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 zu verurteilen, ihr ab 01.01.2005 bis
30.06.2005 weiterhin Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Arbeitslosenhilfe unter
Anrechnung der erbrachten Leistungen zu gewähren.
15
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen.
17
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
18
Die Beteiligten haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden sind.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug
genommen. Der Inhalt war Gegenstand der Beratung.
20
Entscheidungsgründe:
21
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§§ 153 Abs. 1,124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
22
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
23
Insbesondere wird die für die Zulässigkeit der Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
SGG notwendige, im Streit stehende Leistungssumme von über 500,00 EUR erreicht.
Die Klägerin bezog zuletzt Arbeitslosenhilfe in Höhe von 181,58 EUR wöchentlich, was
monatlich (x 13: 3) 786,85 EUR und nicht den in der Klageschrift angegebenen 778,20
EUR entspricht. Demgegenüber hat die Klägerin ab 01.01.2005 nur noch Leistungen in
Höhe von 534,41 EUR erhalten, so dass sich ein monatlicher Differenzbetrag von
252,44 EUR ergeben hat.
24
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.
25
Der angefochtene Bescheid vom 23.11.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten im
Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat ihr für den streitigen Zeitraum
Januar bis Juni 2005 jedenfalls nicht weniger Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für Arbeitssuchende nach dem SGB II bewilligt, als ihr zustanden.
26
Ansprüche auf Arbeitslosengeld II in Höhe der zuletzt der Klägerin bewilligten
Arbeitslosenhilfe nach oder unter entsprechender Anwendung der §§ 190ff. SGB III in
der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung stehen der Klägerin nicht zu.
Arbeitslosenhilfe kann ab 01.01.2005 nicht mehr gezahlt werden, weil die
entsprechenden Vorschriften nicht mehr gelten. Das Vierte Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I, Seite 2954) hat die §§ 190ff.
SGB III mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben. Die Ersetzung des Anspruchs auf
27
Arbeitslosenhilfe nach § 199ff. SGB III durch Regelungen des SGB II mit Wirkung vom
01.01.2005 hat der 11b. Senat des BSG zu Recht als verfassungsgemäß erachtet (vgl.
BSG, Urteile vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, B 11b AS 9/06 R, Urteil vom
21.03.2007, B 11b AL 43/06 R), dem der 7b. Senat des BSG (Urteil vom 29.03.2007, B
7b AS 4/06 R) gefolgt ist. Auch der Senat teilt die Meinung des BSG, wie er bereits im
Urteil vom 18.06.2007 (L 20 AS 88/06) ausgeführt hat. Auch nach erneuter Überprüfung
hält er an seiner Auffassung fest.
Der Regelungsgehalt dieser sog. "58er-Regelung" im SGB III beschränkt sich allein auf
den Verzicht auf die Voraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft für den Bezug
von Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Die Regelung konnte also allenfalls ein
Vertrauen darauf begründen, dass der Arbeitslose (voraussichtlich bis zur
Inanspruchnahme von Altersrente) von der Leistungsvoraussetzung der
Arbeitsbereitschaft entlastet wird; aufgrund einer entsprechenden Übergangsregelung in
§ 65 Abs. 4 SGB II wurde im Rahmen des Arbeitslosengeld II sichergestellt, dass
Arbeitslose, die im Vertrauen auf § 428 SGB III ihre Arbeitsbereitschaft beendet hatten,
ihre Lebensplanung nicht ändern müssen.
28
Über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 428 SGB III hinaus ist ein
besonderer Vertrauensschutz für den betroffenen Personenkreis auch nicht etwa aus
verfassungsrechtlichen Gründen geboten:
29
Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III unterfiel, da die Arbeitslosenhilfe
nicht auf eigenen Beitragszahlungen beruhte, sondern aus Steuermitteln finanziert
wurde, von vornherein nicht der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz
(GG). Daher konnte ein Arbeitslosenhilfeempfänger - auch nicht derjenige, der eine
Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III unterzeichnet hatte - von vornherein keine
eigentumsgeschützte Rechtsposition erwerben.
30
Daneben verstößt die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe mit Ablauf des 31.12.2004 auch
nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Die bereits mit dem Vierten
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I, 2954)
verabschiedete Neuregelung griff nicht in Tatbestände ein, die bereits in der
Vergangenheit lagen, sondern traf Regelungen nur mit Wirkung für die Zukunft (ab
01.01.2005). Selbst wenn es sich insoweit - was letztlich offen bleiben kann - um eine
sog. unechte Rückwirkung des Gesetzes (d.h. um seine Einwirkung auf gegenwärtige,
noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft und eine damit einhergehende
nachträgliche Entwertung einer Rechtsposition) handeln sollte, genügte diese unechte
Rückwirkung den insoweit zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Regelungen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, sind grundsätzlich zulässig und
genügen dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das
schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten
Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt. Eine
Erwartung von Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten,
bis zur Altersrente Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Arbeitslosenhilfe zu
beziehen, ist jedoch nicht überwiegend schutzwürdig. Denn § 428 SGB III konnte (s.o.)
allenfalls ein Vertrauen darauf erzeugen, bis zur Altersrente von der
Leistungsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet zu werden; allein dieser
Bedeutungsgehalt kommt auch der Erklärung nach § 428 SGB III zu. Allerdings
erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass ältere Arbeitslose wie die Klägerin ihre
Entscheidung, sich dem Arbeitsmarkt subjektiv nicht mehr zur Verfügung zu stellen,
31
auch in der Erwartung getroffen haben, Leistungen in Höhe der bisherigen
Arbeitslosenhilfe würden bis zum Eintritt in die Altersrente weiter gezahlt. Dieses - sich
allein als Reflex aus der bisherigen Rechtslage ergebende - Vertrauen ist jedoch
allenfalls eingeschränkt schutzwürdig, da der fragliche "Besitzstand" den Arbeitslosen
nur in beschränktem Umfang gesichert erscheinen durfte. Denn wegen des Charakters
als bedürftigkeitsabhängige, aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung stand ein
einmal entstandener Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und seine Höhe von vornherein
unter dem Vorbehalt der weiterhin bestehenden Bedürftigkeit nach Maßgabe der §§ 190
Abs. 1 Nr. 4, 193, 194 a.F. SGB III. Dabei stellte das Gesetz sowohl bei der
Berücksichtigung von Vermögen als auch bei der Anrechnung von Einkommen nicht
allein auf die Person des Arbeitslosen ab, sondern auch auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse anderer Personen (z.B. des Ehepartners). Doch selbst bei unveränderter
Bedürftigkeit des Leistungsbeziehers war die Anbindung der Höhe der Arbeitslosenhilfe
an das zuletzt erzielte Entgelt im Vergleich zur Bemessung des Arbeitslosengeldes
deutlich gelockert. Eine wesentliche Durchbrechung der Anknüpfung der
Leistungsbemessung an das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt ergab sich aus § 200 Abs. 2
damaliger Fassung SGB III, wonach eine Anpassung des Bemessungsentgelts an das
tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu erfolgen hatte, auf die die Agentur
für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken
hatte, wenn der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person lagen, nicht mehr das
maßgebliche Arbeitsentgelt erzielen konnte. Diese fiktive Bemessung nach § 200 Abs. 2
a.F. SGB III war auch bei Veränderungen des Leistungsvermögens nach Vollendung
des 58. Lebensjahres durchzuführen. Zudem wurde das Bemessungsentgelt nach
Maßgabe des § 200 Abs. 3 und 4 a.F. SGB III jeweils nach Ablauf eines Jahres nach
Entstehung des Anspruches um drei Prozent abgesenkt. Diese pauschale
Verminderung des Bemessungsentgelts sollte den im Laufe von Langzeitarbeitslosigkeit
eintretenden Qualifikationsverlust pauschal berücksichtigen; sie erstreckte sich
ebenfalls auf Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die das 58. Lebensjahr bereits vollendet
hatten. Der Gesetzgeber hat im Übrigen durch eine Vorlaufzeit von einem guten Jahr
zwischen Verkündung des Gesetzes vom 24.12.2003 und seinem Inkrafttreten am
01.01.2005 dem Bedürfnis betroffener Arbeitsloser, ihre Lebensführung auf die neue
Rechtslage einzustellen, Rechnung getragen; er war deshalb nicht etwa gehalten, eine
zeitlich weiterreichende Übergangsregelung zu treffen. So hätte auch die Klägerin
bereits ab Ende 2003 etwa ihre Erklärung nach § 428 SGB III widerrufen, ihre wieder
bestehende Arbeitsbereitschaft erklären und um Wiederaufnahme der
Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit bitten können. Hätte sie sich dem
Arbeitsmarkt wieder uneingeschränkt zur Verfügung gestellt, hätte sie das gesamte
Instrumentarium der Vermittlungs- und Fördermöglichkeiten der aktiven
Arbeitsmarktpolitik nutzen können. Im Übrigen ist es zwar zutreffend, dass die Agentur
für Arbeit im Anschluss an eine Erklärung nach § 428 SGB III ihre
Vermittlungsbemühungen einstellte und die Betroffenen damit möglicherweise jeglichen
Kontakt zum Arbeitsmarkt verloren haben. Gemessen daran, dass die Vergünstigung
des § 428 SGB III jedoch gerade dem hohen Anteil der älteren Arbeitnehmer an der
Gesamtzahl der Arbeitslosen und ihren (im hier fraglichen Zeitraum) unverändert
geringen Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt Rechnung getragen hat, handelte es
sich jedoch lediglich um die Beendigung eines (typischerweise) auch aus Sicht der
Betroffenen ohnehin nicht vielversprechenden Vermittlungskontakts zur Arbeitsagentur.
Insgesamt genießen deshalb die Interessen der Klägerin am Fortbezug von Leistungen
in Höhe der früheren Arbeitslosenhilfe keinen Vorrang gegenüber den - auch
finanziellen - Belangen der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber durfte vielmehr in seine
Überlegungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in Anbetracht der Größe des
betroffenen Personenkreises und der Dauer des mutmaßlichen Bezuges bis zum Eintritt
einer abschlagsfreien Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres auch die älteren
Arbeitslosen einbeziehen, ohne sich dem durchgreifenden Vorwurf auszusetzen, den
Betroffenen individuelles Fallmanagement zu verwehren.
Im Übrigen wäre gerade eine - letztlich mit dem Begehren der Klägerin verknüpfte -
Bevorzugung der älteren Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III
abgegeben haben, durch eine entsprechende weiterreichende Übergangsregelung
verfassungsrechtlich fragwürdig. Denn sie könnte zu einer sachlich kaum zu
rechtfertigenden (Art. 3 Abs. 1 GG) Privilegierung derjenigen älteren Arbeitslosen
führen, die diese Erklärung abgegeben haben. Wenn, worauf die Argumentation der
Klägerin jedoch beruht, gerade wegen dieser Erklärung ein Vertrauensschutz
hinsichtlich Art und/oder Höhe der bis zum 31.12.2004 bezogenen Entgeltersatzleistung
beansprucht werden könnte, würden diejenigen über 58jährigen Arbeitslosen, die in der
Arbeitsvermittlung verblieben waren, für ihre Arbeitsbereitschaft gleichsam bestraft.
32
Auch ist dem Vorbringen der Klägerin, als Folge der Unterzeichnung der Erklärung nach
§ 428 SGB III sei von einer auch von der Beklagten einzuhaltenden vertraglichen
Regelung (§ 54 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) auszugehen, nicht zu folgen.
Der Regelungsgehalt der sog. "58er Regelung" beschränkt sich allein darauf, dass auf
die Anspruchsvoraussetzungen der subjektiven Arbeitsbereitschaft verzichtet wird. Ziel
der Regelung war durchgehend, den älteren Arbeitslosen Leistungen unter erleichterten
Voraussetzungen zu verschaffen, nicht jedoch eine Garantie unveränderter
Leistungsfortzahlung nach Dauer und Höhe zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom
23.11.2006, B 11b AS 25/06 R RdNr. 31f.) Gleiches würde gelten, wenn man von einer
der Beklagten zuzurechnenden Zusicherung nach § 34 SGB X ausgehen würde. Der in
der Erklärung formulierte Satz "Wenn Sie den Antrag stellen, werden Arbeitslosengeld
oder Arbeitslosenhilfe bis zur Zuerkennung der Altersrente weitergezahlt" ist bei
verständiger Würdigung nicht dahingehend zu verstehen, dass ein Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe bis zum Tage des Rentenbeginns bestehen solle.
33
Auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten sind die Leistungen nach dem SGB II
nicht zu erhöhen. Neben der Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR gibt der
Bewilligungsbescheid auch hinsichtlich der Kosten der Unterkunft zu keinen Bedenken
Anlass. Nach den von der Klägerin gemachten Angaben beliefen sich die Kosten für die
von ihr selbst bewohnte Eigentumswohnung auf 189,41 EUR (58,00 EUR Heizung,
113,89 EUR Nebenkosten, 17,52 EUR Grundsteuer).
34
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
35
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
36