Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.05.1997
LSG NRW (kläger, entschädigung, tätigkeit, erstellung, anlage, auskunft, höhe, die post, verfassungskonforme auslegung, hilfskraft)
Landessozialgericht NRW, L 7 Vs 124/96
Datum:
15.05.1997
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 7 Vs 124/96
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 20 Vs 302/94
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 9 BVs 32/97
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 11.07.1996 abgeändert und die Klage in Sachen M
abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Verfahrenszügen nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Entschädigung für vier vom Kläger erstattete
Befundberichte.
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I.
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Im April 1994 forderte der Beklagte vom Kläger, einem Arzt für Orthopädie,
Rheumatologie und Chirotherapie, einen Befundbericht über seine Patientin M für die
Zeit ab November 1991 in einem Schwerbehindertenverfahren an. Am 16.06.1994 ging
beim Beklagten ein vom 18.05.1994 datierter, dreiseitiger Befundbericht des Klägers
ein. Hierfür stellte der Kläger insgesamt einen Betrag von 76,-- DM in Rechnung und
zwar für
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ärztliche Auskunft 50,-- DM Schreibauslagen 12,-- DM Schreibauslagen für Abschriften
0,60 DM Portokosten 2,-- DM Aufwendungen für Hilfskräfte 11,40 DM 76,-- DM
========.
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Mit Bescheid vom 27.06.1994 setzte der Beklagte die Entschädigung gemäß Nr. 3 der
Anlage zu § 5 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen (ZSEG) i. d. F. bis zum 30.06.1994 (a.F.) auf insgesamt 43,90 DM
(30,-- DM ärztliche Auskunft, 13,90 DM Schreibauslagen plus Portokosten) fest.
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II.
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Unter dem 02.05.1994 erstattete der Kläger auf Anforderung des Beklagten einen
Befundbericht über seine Patientin J in einem Schwerbehindertenverfahren. Der
Befundbericht ging am 16.06.1994 beim Beklagten ein. Mit Bescheid vom 27.06.1994
setzte der Beklagte die Entschädigung gemäß Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. auf
insgesamt 40,80 DM (30,-- DM ärztliche Auskunft, 10,20 DM Schreibauslagen plus
Portokosten) statt der vom Kläger geforderten 57,90 DM fest. Er lehnte die Gewährung
einer höheren Entschädigung für die ärztliche Auskunft sowie den Ersatz von
Aufwendungen für Hilfskräfte ab.
8
III.
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Unter dem 28.04.1994 erstattete der Kläger für den Beklagten einen Befundbericht über
seine Patientin W in einem Schwerbehindertenverfahren an. Der Befundbericht ging am
16.06.1994 beim Beklagten ein. Mit Bescheid vom 27.06.1994 setzte der Beklagte die
Entschädigung gemäß Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. auf insgesamt 39,60 DM (30,-
- DM ärztliche Auskunft, 9,60 DM Schreibauslagen plus Portokosten) statt der vom
Kläger geforderten 50,70 DM fest. Er lehnte die Gewährung einer höheren
Entschädigung für die ärztliche Auskunft sowie den Ersatz von Aufwendungen für eine
Hilfskraft ab.
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IV.
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Unter dem 22.03.1994 erstattete der Kläger einen Befundbericht über seinen Patienten
K in einem Schwerbehindertenverfahren. Der Befundbericht ging am 15.06.1994 beim
Beklagten ein. Mit Bescheid vom 27.06.1994 setzte der Beklagte die Kosten gemäß Nr.
3 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. auf insgesamt 39,60 DM (30,-- DM ärztliche Auskunft,
9,60 DM Schreibauslagen plus Portokosten) anstatt der vom Kläger geforderten 55,70
DM fest. Er lehnte die Gewährung einer höheren Entschädigung für die ärztliche
Auskunft sowie den Ersatz von Aufwendungen für Hilfskräfte ab.
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Gegen die vier Bescheide vom 27.06.1994 legte der Kläger Widerspruch ein. Die
Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994 ab. Er
führte aus, die Entschädigung für die ärztlichen Auskünfte seien nach dem
vorgegebenen Rahmen von 10,-- DM bis 30,-- DM angemessen. Eine Erhöhung des
Entschädigungsbetrages wegen einer außergewöhnlichen umfangreichen oder zur
außergewöhnlichen Zeit notwendigen Tätigkeit komme nicht in Betracht. Eine
Entschädigung für die Auwendungen für Hilfskräfte sei gesetzlich nicht vorgesehen.
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Am 27.12.1994 hat der Kläger in den vier Sachen M , J , W und K Klage vor dem
Sozialgericht Dortmund erhoben.
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Er hat vorgetragen, in den drei Sachen M , J und K sei eine Überschreitung des
Höchstsatzes von 30,-- DM für eine ärztliche Auskunft gerechtfertigt, da er eine
außergewöhnlich umfangreiche Tätigkeit zu einer außergewöhnlichen Zeit verrichtet
habe. Wegen großen Arbeitsanfalles fertige er die umfangreichen Befundberichte für
den Beklagten grundsätzlich nach Beendigung der Praxistätigkeit, in den
Abendstunden, zur Nachtzeit oder an Sams-, Sonn- und Feiertagen, also zu
außergewöhnlichen Zeiten, an. In allen vier Sachen stehe ihm außerdem gemäß § 8
ZSEG oder in dessen analoger Anwendung eine Entschädigung für das Tätigwerden
seiner Sprechstundenhilfe bei der Erstellung der Befundberichte in Höhe von jeweils
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11,40 DM als notwendige Aufwendungen zu. Zur Vorbereitung und Versendung eines
Befundberichtes sei das Tätigwerden einer Sprechstundenhilfe erforderlich. Sie habe
die Post zu öffnen, mit einem Eingangsstempel zu versehen, die Karteikarte aus drei
Krankenblattarchiven herauszusuchen und nach der Erstellung des Befundberichtes
wieder einzuordnen, den Befundbericht postfertig zu adressieren, zu kuvertieren, zu
frankieren und zur Post zu bringen. Für diese Verrichtungen entstehe ein Zeitaufwand
von insgesamt einer halben Stunde. Unter Berücksichtigung der einer
Sprechstundenhilfe zu zahlenden Vergütung einschließlich aller Lohnnebenkosten
ergäbe sich ein Kostenaufwand von 11,35 DM pro Befundbericht. Dabei sei auch zu
berücksichtigen, daß er aufgrund seines Patientenklientels in weitaus häufigerem Maß
als der Schnitt seiner Kollegen vom Beklagten in Anspruch genommen werde. Seine
eine relativ andauernde und ständige Inanspruchnahme durch den Beklagten sei mit der
Tätigkeit eines Sachverständigen gleich zusetzen.
Mit Urteil vom 11.07.1996 hat das Sozialgericht Dortmund den Beklagten verurteilt, unter
Änderung der Bescheide vom 27.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.11.1994 für den Befundbericht in Sachen M eine Entschädigung 53,90 DM und
in Sachen J eine Entschädigung von insgesamt 40,50 DM zu zahlen. Im übrigen hat es
die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Gegen das am 12.08.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.09.1996 Berufung
eingelegt. Gleichfalls hat der Beklagte gegen das am 15.08.1996 zugestellte Urteil am
13.09.1996 Berufung eingelegt.
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Der Kläger macht u.a. geltend, die Erstellung der vom Beklagten angeforderten
Befundberichte, 233 Anforderungen in den Jahren 1994 bis 1996, sei mit einem
erheblichen Arbeitsaufwand für sein Praxispersonal verbunden. Die vom Beklagten
gezahlte Entschädigung sei nicht kostendeckend, vielmehr sei seine Tätigkeit nach dem
ZSEG, insbesondere im Hinblick auf den damit für sein Praxispersonal verbundenen
Arbeitsaufwand mit einer erheblichen Kostenunterdeckung verbunden. Eine
Zurechnung des Arbeitsaufwandes seines Praxispersonals zu den allgemeinen
Praxiskosten sei daher unzumutbar und unverhältnismäßig und nicht mehr mit Art. 12
Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar. Deshalb sei eine verfassungskonforme erweiternde
Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F. dahingehend geboten, daß die
Inanspruchnahme von Hilfskräften bei der Erstellung eines Befundberichtes mit der
einer Hilfskraft bei der Erstellung eines Gutachtens gleichgesetzt und entsprechend
entschädigt wird.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 11. Juli
1996 sowie der vier Bescheide vom 27. Juni 1994 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28. November 1994 zu verurteilen, für den Befundbericht
in Sachen M eine Entschädigung in Höhe von 76,-- DM, für den Befundbericht in
Sachen J eine Entschädigung in Höhe von 57,90 DM, für den Befundbericht in Sachen
W eine Entschädigung in Höhe von 50,70 DM und für den Befundbericht in Sachen K
eine Entschädigung in Höhe von 55,70 DM zu zahlen und die Berufung des Beklagten
zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 11. Juli 1996 die Klage
in der Sache M abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
22
Der Beklagte trägt vor, bei der Erstellung des Befundberichts M handele es sich um
keine außergewöhnliche umfangreiche Tätigkeit. Nach seinen Entscheidungskriterien
läge eine solche Tätigkeit nur vor, wenn der für eine Entschädigung nach dem
Höchstsatz zugrundegelegte Zeitaufwand von einer Stunde deutlich, d. h. um
mindestens 50 % überschritten werde, also im Ergebnis für die Erstellung des
Befundberichtes mehr als 1,5 Stunden aufgewendet worden sei. Es könne nicht davon
ausgegangen werden, daß für die Erstellung des Befundberichtes in der Sache M mehr
als eine Stunde vom Kläger benötigt worden sei. Denn der Bericht sei auf Grundlage
zweier Untersuchungen auf orthopädischem Fachgebiet durch den Kläger ohne
Auswertung von Fremdbefunden erstellt worden. Der Zeitaufwand für das Sichten der
Unterlagen sei offen sichtlich gering gewesen. Weiterhin sei im Anforderungsschreiben
des Versorgungsamtes hinreichend dargelegt, daß Leistungen nur im Sinne der Nr. 3
Satz 1 der Anlage zu § 5 ZSEG verlangt, und daher nur innerhalb des Rahmens von
10,-- DM bis 30,-- DM entschädigt werden. Wenn der Kläger eine außergewöhnliche
umfangreiche Tätigkeit verrichtet habe, habe dieser eine über die von ihm in Erfüllung
seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht verlangten konkreten umrissenen Leistung
hinausgehenden Leistung ohne Rechtsgrund im Sinne der §§ 812 ff. BGB erbracht, die
im übrigen nicht kondiziert werden könne (vgl. § 814 1. Alt. BGB analog).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vier Gebührenakten des Beklagten in Sachen M, J, W und K
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
26
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
27
I.
28
Der angefochtene Bescheid vom 27.06.1994 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom
28.11.1994 in Sachen M ist rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höhere
Entschädigung für den Befundbericht vom 18.05.1994 zu.
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Der Beklagte hat zu Recht keinen höheren Betrag als 30,-- DM für die ärztliche Auskunft
des Klägers festgesetzt. Nach Nr. 3 Satz 1 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. beträgt die
Entschädigung für die Ausstellung eines Befundberichtes oder die Erteilung einer
schriftlichen Auskunft ohne gutachterliche Äußerung 10,-- DM bis 30,-- DM. Bei der
Einordnung in diesem Entschädigungsrahmen ist die Zeilenzahl des Berichtes, die von
dessen äußerer Gestaltung abhängig ist, nicht vorrangig entscheidungserheblich,
sondern das Ausmaß der aus dem Inhalt zu schließenden Arbeit, die mit der Erstattung
verbunden war. Dies orientiert sich regelmäßig an Art und Umfang der Beschreibung
sowie u.a. auch danach, ob neben den eigenen Unterlagen auch Unterlagen anderer
Ärzte ausgewertet worden sind. Zudem ist zu berücksichtigen, daß der
Entschädigungsrahmen für Befundberichte aller ärztlichen Fachgebiete gilt.
Erfahrungsgemäß erfordern etwa Berichte, die nach einer umfangreichen internen
Diagnostik erstattet sind, eine umfangreichere Darstellung der erhobenen Befunde (vgl.
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BSG, Urteil vom 08.10.1987, 9 RVs 13/86; LSG Urteil vom 23.10.1991, L 4 S 21/91;
Urteil vom 17.09.1987, L 7 V 37/87). Der Beklagte hat bei der Entschädigung des
Klägers für den Befundbericht vom 18.05.1994 den Höchstsatz von 30,-- DM in Ansatz
gebracht, so daß der Entschädigungsrahmen der Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F.
ausgeschöpft ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegen die Voraussetzungen für eine
höhere Entschädigung nach Nr. 3 Satz 2 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. nicht vor.
Danach erhält ein Arzt für eine außergewöhnliche umfangreiche Tätigkeit eine
Entschädigung bis zu 60,-- DM. Vorliegend kann offenbleiben, ob die Auffassung des
Be klagten zutrifft, daß eine außergewöhnliche umfangreiche Tätigkeit des Klägers nicht
von dem im formularmäßigen Auskunftsersuchen erteilten Auftrag umfaßt und damit
nicht zu entschädigen ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.05.1986, 9a RVs 13/83; Urteil
vom 26.11.1991, 9a RV 25/90). Denn ein außergewöhnlich umfangreicher
Arbeitsaufwand des Klägers, der eine Überschreitung des Höchstsatzes rechtfertigt, ist
in Sachen M nicht feststellbar. Zwar überschreitet der Bericht vom Umfang her deutlich
den vom Vordruck vorgegebenen Rahmen. Der Bericht beschränkt sich aber auf die
Mitteilung der vom Kläger als Orthopäde auf seinem Fachgebiet bei zwei
Konsultationen der Patientin M erhobenen klinischen und röntgenologischen Befunde,
die keine Untersuchung von überdurchschnittlichem Umfang betreffen. In ihm werden
teilweise Angaben über Befunde und Diagnosen wiederholt. Auch sind keine
Auswertung von Befundunterlagen anderer Ärzte enthalten. Die Angabe der
behandelten Leiden, die klinischen Befundbeschreibungen mit Bewegungsausmaßen
sowie die Auswertung der gefertigten Röntgenaufnahmen, die sich auf einen
übersichtlichen Behandlungszeitraum beziehen, lassen nicht auf einen
außergewöhnlich umfangreichen Arbeitsaufwand des Klägers schließen, wenn von
einer ordnungsgemäß geführten Patientenkartei ausgegangen wird. Die Verwertbarkeit
des Befundberichtes durch den ärztlichen Dienst des Beklagten stellt kein Kriterium für
die Bestimmung des Entschädigungsrahmens dar.
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Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Klägers, daß eine Anwendung des in Nr.
3 Satz 2 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. vorgesehenen Entschädigungsrahmen auf alle
Fälle der ärztlichen Auskunfterteilung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung
geboten ist. Insoweit nimmt der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des
erstinstanzlichen Gerichts Bezug, die er sich zu eigen macht. Ergänzend ist
hinzuzufügen, daß der Gesetzgeber den Entschädigungsrahmen der Nr. 3 S. 1 der
Anlage zu § 5 ZSEG mit Wirkung zum 01.07.1994 auf 20,-- DM auf 40,-- DM erhöht und
somit den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen hat. Eine
Differenzierung im Entschädigungsrahmen nach der Anzahl der vom Beklagten
angeforderten Befundberichte ist nicht vorgesehen, entscheidend ist jeweils der für den
einzelnen Befundbericht aufgewendete Arbeitswand, so daß ein Anknüpfungspunkt für
die vom Kläger geforderte verfassungskonforme Auslegung des Nr. 3 S. 1 der Anlage zu
§ 5 ZSEG nicht gegeben ist.
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Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung von 50,-- DM
läßt sich auch nicht aus § 5 Abs. 3 S. 2 ZSEG a. F. ableiten. Danach kann sich die
gesamte Entschädigung nach § 5 Abs. 1 ZSEG a. F. bis zu 50,-- DM erhöhen, wenn die
Tätigkeit eines sachverständigen Zeugen, vorliegend des Klägers, zu
außergewöhnlicher Zeit notwendig wird. Dies setzt voraus, daß ein sachverständiger
Zeuge die Leistung gerade zu einem außergewöhnlichen Zeitpunkt - etwa am Sonntag,
am allgemeinen Feiertag, zur Nachtzeit - erbringen mußte. Bei einem frei
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praktizierenden Arzt kann die Tatsache, daß er einen Befundbericht außerhalb der
üblichen Sprechstunden fertigt, nicht als besonderer Umstand angesehen werden, der
eine Erhöhung der Entschädigung nach § 5 Abs. 3 S. 2 ZSEG a. F. rechtfertigt (vgl. LSG
NW, Urteil vom 17.09.1987, L 7 V 37/87; Urteil vom 20.11.1986, L 7 V 168/85). Als
Selbständiger kann der Kläger die Zeit für die Erstellung eines angeforderten
Befundberichtes selbst einteilen, ein Erfordernis zur Fertigung des Berichtes zu
außergewöhnlichen Zeiten hat nicht bestanden.
Der Beklagte hat in seinem Auskunftsersuchen die Übersendung des Berichtes vom
18.05.1994 auch nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verlangt.
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Neben den vom Beklagten übernommenen Schreibkosten von 12,90 DM und den
Portokosten von 1,-- DM hat der Kläger keinen weiteren Anspruch auf
Aufwendungsersatz gegenüber dem Beklagten.
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Nach den Angaben des Beklagten sind dem Kläger für die Übersendung des
Befundberichtes Portokosten in Höhe von 1,-- DM tatsächlich entstanden. Den Anfall
von höheren Portokosten hat der Kläger aber nicht nachgewiesen.
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Der Kläger kann auch keinen Aufwendungsersatz für die Tätigkeit seiner
Sprechstundenhilfe bei der Erstellung eines Befundberichtes in Höhe von 11,40 DM
verlangen. Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F., wonach einem
Sachverständigen die Aufwendungen für Hilfskräfte ersetzt werden, findet nach ihrem
Wortlaut auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, da der Kläger für den Beklagten
nicht als Sachverständiger, sondern als sachverständiger Zeuge tätig gewesen ist.
Aufwendungen, die bei der Erstellung eines Befundberichtes, d. h. der schriftlichen
Aussage eines sachverständigen Zeugen, entstehen, werden nicht nach § 8 ZSEG a. F.,
sondern nur nach § 11 ZSEG a. F. ersetzt. Dieser sieht aber die Erstattung von
Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Hilfskräften bei der Erstellung von
Befundberichten nicht vor (vgl. zu der Problematik des Aufwendungsersatzes für
Hilfskräfte bei der Erstellung von Befundberichten BSG, Urteil vom 09.11.1987, 9a RVs
3/86; vom 09.03.1988, 9/9a RVs 9/87; Urteil vom 26.11.1991, 9a RV 25/90; Meyer-
Höver, ZSEG, 18. Auflage, § 5 Rdz. 11, § 11 Rdz. 32.2, Nr. 3 der Anlage zu § 5 Rdz. 2).
Der Zeitaufwand, den ein Arzt für die Vorbereitung und handschriftliche Abfassung
eines Befundberichtes benötigt, wird durch die Entschädigung nach § 5 Abs. 1 ZSEG a.
F. pauschal abgegolten, unabhängig davon, ob er sich bei einzelnen Arbeitsschritten
aus Zeitersparnisgründen einer Hilfskraft bedient. Entgegen der Auffassung des Klägers
kann der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F. im Wege
der verfassungskonformen Auslegung nicht dahingehend erweitert werden, daß der
Beklagte ihm wegen seiner relativ andauernden und ständigen Inanspruchnahme als
sachverständiger Zeuge Aufwendungsersatz wie bei der Tätigkeit eines
Sachverständigen, insbesondere in bezug auf die Aufwendung für Hilfskräfte, zu zahlen
hat. Neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift steht einer solchen Auslegung
schon entgegen, daß die vom Kläger angeführten Tätigkeiten seiner Sprechstundenhilfe
zum überwiegenden Teil nicht der einer Hilfskraft i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F.
entsprechen. Aufwendungen für den Einsatz für Büro- und Schreibkräfte können von
einem Sachverständigen nur insoweit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F. geltend gemacht
werden, als die Büro- und Schreibkräfte Arbeiten ausführen, für die Schreibauslagen
nach § 8 Abs. 1 Nr. 2a ZSEG a.F. nicht erstattet werden und es sich nicht um Arbeiten
handelt, deren Aufwand bereits als Gemeinkosten durch die geltend gemachte
Leistungsentschädigung des Sachverständigen abgegolten werden. Es muß sich um
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eine von den sonstigen Verrichtungen der Büro- und Schreibkraft aussonderbare, auf
die Vorbereitung bzw. Erstellung eines konkreten Gutachtens bezogene Tätigkeit
handeln (vgl. Meyer-Höver a. a. O., § 8 Rdz. 23; OLG Koblenz, Beschluss vom
14.01.1993, 5 W 7/93, Juristisches Büro 1994, 563; OLG Düsseldorf, Beschluss vom
27.03.1990, 10 W 18/90, juristisches Büro 1990, 1047). Mit den Schreibauslagen nach §
8 Abs. 1 Nr. 2a ZSEG a. F. wird der mit der Fertigung des schriftlichen Gutachtens
(Zusammenstellung, Korrigieren, Binden, Übersenden) verbundene Sach- und
Materialaufwand, einschließlich der damit verbundenen Personalkosten abgegolten.
Neben der Schreibauslagenpauschale kann ein Sachverständiger keine
Aufwandsentschädigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F. für eine von ihm durch
Stenogrammaufnahme des Gutachtens, für die Korrektur, zum Ordnen, zum Heften und
zum Verschicken des Gutachtens beschäftigte Hilfskraft gewährt werden (vgl. Meyer-
Höver, a. a. O., § 8 Rdz. 31.2, 31.3; OLG Koblenz a. a. O.). Da der Kläger eine
Schreibauslage in Höhe von 4,-- DM gemäß §§ 11, 8 Abs. 1 Nr. 2a ZSEG a. F. pro Seite
des Befundberichtes erhalten hat, ist der von ihm geltendgemachte Aufwand für den
Einsatz seiner Sprechstundenhilfe beim Versenden des Befundberichtes einschließlich
des dabei angefallenen Materialaufwandes durch die Schreibauslage mitabgegolten.
Desweiteren handelte es sich bei der Bearbeitung der Eingangspost um eine übliche
Büroarbeit der Sprechstundenhilfe, die nicht auf die Vorbereitung oder Erstellung eines
konkreten Befundberichtes bezogen ist und somit nicht den Erfordernissen der Tätigkeit
einer Hilfskraft i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F. entspricht. Selbst wenn die Aus- und
Einsortierung der Karteikarten und archivierten Unterlagen durch die
Sprechstundenhilfe als eine auf die Erstellung eines konkreten Befundberichts
bezogene Tätigkeit aufgefaßt wird (ablehnend LSG NW, Urteil vom 20.11.1986, L 7 V
168/85), sind diesen Arbeiten bei einer ordnungsgemäßen Führung der Patientenkartei -
auch wegen der Angabe der jeweiligen Krankenkasse des Patienten auf dem
Auskunftsersuchen des Beklagten - nicht sehr zeitaufwendig. Diese geringfügige
Belastung des Klägers mit Personalkosten begründet nicht die Notwendigkeit einer
erweiternden Auslegung des Anwendungsbereiches von § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG a. F., da
diese Kostentragung durch den Kläger nicht als unzumutbar anzusehen ist. Die
Erstellung von Befundberichten stellt nur einen sehr geringen Teil der beruflichen
Tätigkeit des Klägers dar, so daß auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG es
aus Gemeinwohlgründen gerechtfertigt ist, daß der Kläger für seine in der Erfüllung der
öffentlich-rechtlichen Pflicht als Zeuge erbrachte Leistung eine Entschädigung erhält,
die nicht immer kostendeckend ist. Eine erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung, wie
sie das Bundesverfassungsgericht bei der gesetzlich angeordneten
Gebührenermäßigung bei Notaren - durchschnittlich 12 % aller Amtshandlungen -
angenommen hat, ist beim Kläger nicht feststellbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom
01.03.1978, 1 BVerfG 786/70, BVerfGE 47, 285).
II.
38
Dem Kläger steht in Sachen J für den Befundbericht vom 02.05.1994 kein höherer
Anspruch auf Entschädigung als der ausgeurteilte Betrag von 41,50 DM zu.
39
Eine Erhöhung der vom Beklagten in Ansatz gebrachten Pauschalentschädigung von
30,-- DM für diesen Befundbericht nach Nr. 3 S. 1 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. ist nicht
gerechtfertigt. Die Tätigkeit des Klägers mußte weder zu einer außergewöhnlichen Zeit
i. S. v. § 5 Abs. 3 S. 2 ZSEG a. F. erbracht werden, noch ist der Befundbericht
außergewöhnlich umfangreich i. S. v. Nr. 3 S. 2 der Anlage u § 5 ZSEG a. F ... Dieser
Befundbericht, dessen Umfang nur knapp den Rahmen des Vordruckes überschreitet,
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läßt nicht auf einen außergewöhnlichen umfangreichen Arbeitsaufwand des Klägers
schließen, wenn von einer ordnungsgemäß geführten Patientenkartei ausgegangen
wird. Der Bericht beschränkt sich auf eine knappe, mit dem jeweiligen Datum versehene
Wiedergabe der von der Patientin J bei zwei Konsultationen geäußerten Beschwerden
und der vom Kläger als Arzt für Orthopädie in seinem Tätigkeitsbereich erhobenen
klinischen und röntgenologischen Befunde mit Bewegungsausmaßen.
Ein weiterer Anspruch auf Aufwendungsersatz, insbesondere für Aufwendungen für
Hilfskräfte, als der Betrag von 11,50 DM für Schreib- und Portokosten, ist nicht gegeben.
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III.
42
In Sachen W kann der Kläger für den Befundbericht vom 28.04.1994 keinen höheren
Entschädigungsanspruch als den vom Beklagten festgesetzten Betrag von 39,60 DM
geltend machen.
43
Neben den vom Beklagten in Ansatz gebrachten Höchstsatz von 30,-- DM als pauschale
Entschädigung nach § 5 Abs. 1 ZSEG a. F. und den übernommenen Schreib- und
Portokosten in Höhe von 9,90 DM kann der Kläger keinen weiteren Aufwendungsersatz
wegen Inanspruchnahme einer Hilfskraft verlangen.
44
IV.
45
In Sachen K steht dem Kläger kein höherer Entschädigungsanspruch als der vom
Beklagten festgesetzte Betrag von 39,60 DM zu.
46
Eine Erhöhung der vom Beklagten in Ansatz gebrachten pauschalen Entschädigung
von 30,-- DM nach Nr. 3 S. 1 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F. ist nicht gerechtfertigt. Die
Tätigkeit des Klägers mußte weder zu einer außergewöhnlichen Zeit i. S. v. § 5 Abs. 3
S. 2 ZSEG a. F. erbracht werden, noch ist der Befundbericht vom 22.03.1994
außergewöhnlich umfangreich i. S. v. Nr. 3 S. 2 der Anlage zu § 5 ZSEG a. F ... Der
zweiseitige Bericht beschränkt sich auf die Wiedergabe der vom Patienten K bei einer
Konsultation geäußerten Beschwerden, den klinischen Befundbeschreibungen der
Wirbelsäule, oberen und unteren Extremitäten mit Bewegungsmaßen sowie der
Auswertung der röntgenologischen Befunde bezüglich der Wirbelsäule, des rechten
Schultergelenkes und des Beckens. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der
Bericht das Ergebnis einer orthopädischen Untersuchung des gesamten Halte- und
Bewegungsapparates des Patienten wiedergibt, lassen die klinischen
röntgenologischen Befundbeschreibungen einschließlich der gestellten Diagnosen
nicht auf eine so außergewöhnliche umfangreiche Tätigkeit des Klägers schließen, die
zu einer Überschreitung des Höchstmaßes von 30,-- DM führen kann, wenn von einer
ordnungsgemäß geführten Patientenkartei ausgegangen wird.
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Neben den vom Beklagten übernommenen Schreib- und Portokosten in Höhe von 9,90
DM steht dem Kläger kein weiterer Aufwendungsersatz für die Inanspruchnahme einer
Hilfskraft zu.
48
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Anlaß, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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