Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.05.2007

LSG NRW: anerkennung, versorgung, krankenversicherung, medizin, krankenkasse, neubewertung, erstellung, beiladung, anhörung, frequenz

Landessozialgericht NRW, L 5 KR 245/00
Datum:
24.05.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 245/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 1 KR 19/97
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 KR 10/07 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten zu 1), 3), 5), 6), 7) und 8) wird das Urteil
des Sozialgerichts Klöln vom 21.01.1999 geändert. Die Klage wird
abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird
zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob die beklagten Spitzenverbände der Krankenversicherung verpflichtet sind,
die von der Klägerin produzierten und vertriebenen Geräte der nicht-invasiven
Magnetfeldtherapie in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
2
Die Klägerin produziert und vertreibt seit den siebziger Jahren die von ihrem
Geschäftsführer zusammen mit einem Arzt entwickelten Geräte zur Elektrostimulation
des Knochen- und Bindegewebes mittels pulsierender Magnetfelder, mit dem Patienten
im Wege der Heimbehandlung Magnetfeldtherapie bei sich selbst anwenden können. In
dem vorliegenden Verfahren geht es nur noch um die Indikationsbereiche
"Beschwerden durch Lockerung der Gelenk-Endoprothese, Heilung von Spongiosa und
Tumormetastasen im Knochen, Osteotomien des Tibiakopfes und
Frakturheilungsstörungen (insbesondere verzögerte Frakturheilung und Pseudarthrose)
bei kleinem Frakturspalt". Die Magnetfeldtherapie mittels implantierter Spulen (invasive
Magnetfeldtherapie) ist als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
anerkannt (Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom
14.01.1992). Geräte für diese Behandlung sind im Hilfsmittelverzeichnis in der
Produktgruppe 09 - Elektrostimulationsgeräte - eingetragen.
3
In der Zeit vor 1992 war auch die nicht-invasive Magnetfeldtherapie mit dem N-
Verfahren als kassenärztlich abrechenbare Behandlungsmethode zugelassen. Mit
Beschluss vom 14.01.1992 hatte der (frühere) Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen jedoch den Katalog der nicht abrechnungsfähigen
Behandlungsmethoden um die Position "Magnetfeldtherapie ohne Verwendung
4
implantierter Spulen" unter Nr. 9 der Anlage 2 der (früheren) NUB-Richtlinien (BAnz
1992, Nr. 34; Nr. 9 der Anlage II der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung
i.d.F. vom 17.01.2006 - BAnz 2006, Nr. 48) erweitert und ausgeführt, die nicht-invasive
Magnetfeldtherapie könne nicht als Hilfsmittel (z.B. beim Physiotherapeuten) bzw die
benötigten Geräte könnten nicht als Hilfsmittel (zur Eigenbehandlung durch den
Patienten) zu Lasten der GKV verordnet werden.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hatte die Klägerin verlangt, das N-
Verfahren, das sich von den anderen Magnetfeldtherapien unterscheide, von dem
Ausschluss auszunehmen. Nach einem abweisenden Beschluss des Sozialgerichts
Köln vom 18.03.1992 (S 19 Ka 5/92 - SG Köln) verpflichtete sich der Bundesausschuss
in einem Vergleich vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 24.06.1992
(L 11 S(Ka) 10/92 LSG NRW), das N-Verfahren erneut zu überprüfen, insbesondere
festzustellen, ob durch die dadurch erzielten therapeutischen Wirkungen das Verfahren
nicht unter den am 14.01.1992 beschlossenen Ausschluss falle. Der Arbeitsausschuss
"Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" (NUB) befasste sich in seiner
Sitzung am 15.10.1992 mit dem N-Verfahren und kam nach Anhörung der geladenen
Sachverständigen zu der Ansicht, unabhängig davon, ob sich das N-Verfahren von
anderen Verfahren der Magnetfeldtherapie unterscheide, sei die therapeutische
Wirksamkeit nicht gesichert. Das Verfahren sei wissenschaftlich nicht nachvollziehbar,
die vorliegenden Studien hielten wissenschaftlichen Anforderungen nicht stand und
könnten eine therapeutische Wirkung am Patienten nicht zuverlässig belegen (s.
Ergebnisprotokoll vom 15.10.1992). Mit Beschluss vom 17.12.1992 stellte der
Bundesausschuss fest, dass auf der Grundlage des Beschlusses vom 14.01.1992 über
die Nichtanwendung der Magnetfeldtherapie auch das N-Verfahren als Verfahren der
Magnetfeldtherapie gelte und deshalb von der Anwendung in der kassen- und
vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Die Klägerin ist gegen diesen
Beschluss nicht rechtlich vorgegangen.
5
Sie beantragte mit Schreiben vom 03.09.1996 bei dem Beklagten zu 3), der
federführend für die Spitzenverbände Anträge auf Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis
bearbeitet, die Aufnahme der von ihr hergestellten Geräte M60 und M65 für die
Magnetfeldtherapie ohne Verwendung implantierter Spulen in das Hilfsmittelverzeichnis
Produktgruppe 09 - Elektrostimulationsgeräte. Sie machte geltend, der Beschluss des
Bundesausschusses vom 14.01.1992 betreffe lediglich die vertragsärztliche
Versorgung, nicht aber die Heimbehandlung durch den Patienten selbst. Bei der nicht-
invasiven Magnetfeldtherapie handele es sich nicht um eine Behandlungsmethode, die
der Beurteilung des Bundesausschusses unterliege, weil der Patient mit Hilfe des
Gerätes die medizinischen Maßnahmen selbst vornehme. Inzwischen liege weiteres
experimentelles und klinisches Studienmaterial vor, das die therapeutische Wirksamkeit
eindeutig belege. Die Klägerin fügte ihrem Antrag diverse Schreiben und
wissenschaftliche Expertisen bei. Der Beklagte zu 3) holte hierauf eine Stellungnahme
des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) ein. Dr. L
(MDS) teilte mit einem zweiseitigen Schreiben vom 27.02.1997 mit, die therapeutische
Wirksamkeit der konservativen Magnetfeldtherapie sei nach wie vor nicht ausreichend
belegt. Nach einer Besprechung der Arbeitsgruppe Hilfsmittel der Spitzenverbände der
Krankenkassen vom 19.03.1997 teilte der Beklagte zu 3) der Klägerin mit Schreiben
vom 27.03.1997 mit, für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis sei u.a. die
Anerkennung des therapeutischen Nutzens des Gerätes erforderlich. Sofern das
Produkt, für das ein Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis gestellt werde,
auf einer neuen Therapiemethode beruhe, sei als Nachweis des therapeutischen
6
Nutzens die Anerkennung der Therapie- bzw Behandlungsmethode durch den NUB-
Ausschuss notwendig. "Allein zur Information" werde mitgeteilt, dass die
Spitzenverbände von einer erneuten Einschaltung des NUB-Ausschusses absähen, da
keine neuen, ausreichenden Unterlagen vorlägen, die den therapeutischen Nutzen des
N-Verfahrens belegten.
Hiergegen hat die Klägerin mit einem bei dem Sozialgericht Köln am 25.04.1997
eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Richtlinien des
Bundesausschusses nach den §§ 92, 135 SGB V hätten für die Frage der Aufnahme der
Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis keine Bedeutung. Die Entscheidung des
Bundesausschusses vom 14.01.1992 sei fehlerhaft, da inzwischen neue Erkenntnisse
vorlägen, die die Wirksamkeit der streitigen Behandlungsmethode belegten. Das
Sozialgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 21.01.1999 verpflichtet, die von der
Klägerin für die konservative Magnetfeld-Therapie hergestellten Geräte vom Typ M60
und M65 in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
7
Auf die fristgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten zu 1), 3), 5), 6), 7) und 8) hat
der 16. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen die sozialgerichtliche
Entscheidung mit Urteil vom 08.07.1999 geändert und die Klage als unzulässig
abgewiesen, weil in dem Schreiben der Beklagten vom 27.03.1997 kein Verwaltungsakt
über die Nichtaufnahme der streitigen Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis zu sehen sei.
Im Übrigen sei die Entscheidung des Bundesausschusses für die Aufnahme in das
Hilfsmittelverzeichnis vorgreiflich, denn es mache keinerlei Sinn, Hilfsmittel in das
Verzeichnis aufzunehmen, von denen nicht von vornherein fest stehe, dass sie auch zu
Lasten der GKV verordnet werden könnten.
8
Auf die Revision hat das BSG die Entscheidung des 16. Senats durch Urteil vom
31.08.2000 aufgehoben und den Rechtsstreit an einen anderen Senat des
Landessozialgerichts zurückverwiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird
Bezug genommen (B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1).
9
Der Beklagte zu 3) hat - als Konsequenz des BSG-Urteils - zunächst vom MDS ein
Grundsatzgutachten zur nicht-invasiven Magnetfeldbehandlung eingeholt. In dem
Gutachten vom 26.06.2002 fand der MDS bezogen auf die orthopädischen Indikationen
einer nicht-invasiven konservativen Magnetfeldtherapie zwar hochwertige Studien, die
formal der Evidenzklasse I der BUB-Richtlinien (früher: NUB- Richtlinien) hätten
zugeordnet werden können. Die inhaltliche Prüfung der Unterlagen zeige jedoch eine
Reihe von Mängeln, so dass der Nutzen der nicht-invasiven Magnetfeldbehandlung als
nicht nachgewiesen angesehen werden könne. Aufgrund der teilweise erheblichen
methodischen Mängel, der Heterogenität der bisher untersuchten Krankheitsbilder, der
unterschiedlichen Anwendung von Magnetfeldern (Flussdichte, Frequenz,
Behandlungsdauer), der nicht aussagefähigen Zielparameter und insbesondere der
geringen Power der Einzelstudien seien weitere Untersuchungen zu fordern.
10
Mit Beschluss vom 16.01.2001 ist der frühere Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) zu dem Verfahren beigeladen
worden. Auf der Grundlage des Gutachtens des MDS vom 26.06.2002 hat der bei dem
Beigeladenen (damals) zuständige Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" in seiner
Sitzung am 25.07.2002 nach Befassung mit der Materie sodann entschieden, dass
keine Umstände vorlägen, die eine Neubewertung der Magnetfeldtherapie nach dem N-
Verfahren rechtfertigten.
11
Auf der Grundlage des zurückverweisenden Revisionsurteils vom 31.08.2000 (B 3 KR
21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) hat der Senat zunächst ein Gutachten zu den seit
der letzten Entscheidung des Bundesausschusses im Jahre 1992 vorliegenden neuen
Unterlagen von Prof. Dr. S, Oberarzt der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der K
Universität N, eingeholt. Der Sachverständige nennt in seinem Gutachten vom
07.01.2004, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird, fünf seit 1992
erschienene placebo-kontrollierte Studien. Die drei Studien von Kennedy (1993),
Mammi (1993) und Capanna (1994), entsprächen wissenschaftlich anerkannten
Kriterien, ließen eine Evidenz der Stufe 1 gemäß den BUB-Richtlinien erkennen und
zeigten einen signifikanten Effekt der Magnetfeldtherapie bezüglich der Therapie mit
gepulsten Magnetfeldern. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22.07.2004 hat
Prof. Dr. S ausgeführt, bei keiner der benannten Studien sei eine Magnetfeldbehandlung
nach dem N-Verfahren durchgeführt worden. Nur von physikalisch-technischer Seite
könne adäquat beantwortet werden, inwieweit die angewendeten Magnetfeldverfahren
hiermit übereinstimmten.
12
Nach Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 04.11.2004 hat der Senat die Verhandlung vertagt und den Physiker
Prof. Dr. H und Prof. Dr. T, Leiter des orthopädisch-unfallchirurgischen Zentrums des
Universitätsklinikums N, mit der Erstellung eines gemeinschaftlichen Gutachtens
beauftragt. Da die Sachverständigen sich nicht auf eine einheitliche gutachterliche
Einschätzung des Sachverhalts einigen konnten, wurden die Beweisfragen in zwei
getrennten Sachverständigengutachten beantwortet. Prof. Dr. T führt in seinem
Gutachten vom 28.03.2007, auf dessen Inhalt der Senat verweist, aus, in keiner der von
ihm für die Zeit seit 1992 ermittelten Studien, deren physikalisch-technischen Parameter
im Einzelnen genannt werden, sei das N-Verfahren angewandt worden. Bezogen auf
die streitigen Indikationsbereiche fand Prof. Dr. T weitere Studien, die er auswertete und
in denen er ua Hinweise dafür fand, dass die PEMF-Therapie einen positiven Einfluss
auf die Knochenheilung nach valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie haben
könne. Prof. Dr. H kommt in der abschließenden Stellungnahme seines Gutachtens vom
24.04.2007, auf welches der Senat gleichfalls Bezug nimmt, in einer Gesamtschau zu
dem Ergebnis, dass die Magnetfeldtherapie nach dem N-Verfahren eine sinnvolle
adjuvante Methode der therapeutischen Medizin sei.
13
Nach Einholung der gerichtlichen Sachverständigengutachten hat der Beklagte zu 3)
weiter die Ansicht vertreten, die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S, Prof. Dr. H
und Prof. Dr. T könnten den Nutzen einer N-Therapie nicht belegen. Auch nach den
Ausführungen von Prof. Dr. H bleibe unklar, welches die entscheidenden, für einen
Behandlungserfolg wichtigsten Einstellungen seien.
14
Die Beklagte zu 3) beantragt,
15
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.01.1999 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
16
Die Klägerin beantragt,
17
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.01.1999
mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten verurteilt werden, die von der
Klägerin für die konservative Magnetfeldtherapie hergestellten Geräte vom Typ M 60, M
18
65 sowie M 80 in das Hilfsmittelverzeichnis einzutragen, und zwar für die
Anwendungsgebiete
- Beschwerden durch Lockerung der Gelenkendoprothese - Einheilung von Spongiosa
(z.B. bei Achthrodese oder Spondylodese) und Tumormetastasen im Knochen -
Osteotomien des Tibiakopfes und - Frakturheilungsstörungen (insbesondere verzögerte
Frakturheilung und Pseudarthrose bei kleinem Frakturspalt),
19
hilfsweise den Sachverständigen Prof. Dr. H zu den Einwendungen der Beklagten zu 3)
in ihrem Schriftsatz vom 03.05.2007 zu hören,
20
hilfsweise die Revision zuzulassen.
21
Die Klägerin trägt vor, es gehe hier allein um die Magnetfeldtherapie mittels der von ihr
konkret genannten Magnetfeldtherapie-Geräte. Eine allgemeine Therapieform
"Magnetfeldtherapie ohne implantierte Spulen", die einer einheitlichen Begutachtung
zugänglich wäre, gebe es nicht. Eine pauschale Beurteilung eines Therapieverfahrens,
an dessen Umsetzung sich "zahlreiche unqualifizierte Mitbewerber" versuchten, sei
unzulässig. Die Klägerin bezieht sich auf weitere Literatur, aus der sich nach ihrer
Auffassung die Wirksamkeit der Behandlungsmethode ergebe. Entgegen der Annahme
in dem Gutachten von Prof. Dr. T vom 28.03.2007 komme es nicht darauf an, ob die von
ihr verwandten Geräte exakt die gleichen Feldstärken und Signalformen der von
Kennedy, Mammi und Capanna verwendeten Geräte erzeugen könnten. Es gehe
vielmehr um die Frage, ob bei Einsatz ihrer Geräte ein vergleichbarer therapeutischer
Effekt zu erwarten sei. Diese Frage habe Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom
24.04.2007 eindeutig bejaht. Die beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen hätten
kein Anlass, erneut einen Antrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss auf
Anerkennung des N-Verfahrens zu stellen. Dies liege daran, dass das BSG in seiner
Entscheidung vom 31.08.2000 (B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) klargestellt
habe, dass die Tätigkeit des Bundesausschusses oder die Stellung irgendwelcher
Anträge durch die Beiladung in diesem Verfahren obsolet geworden sei und die
Entscheidung des Gerichts diejenige des Bundesausschusses ersetze.
22
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich dem Antrag der Beklagten zu 3)
angeschlossen. Das BSG (Urt. v. 03.08.2000 - B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr.
1) gehe davon aus, dass bei einer generell nicht in der vertragsärztlichen Versorgung
zugelassenen Methode auch eine zu der betreffenden Methode gehörende einzelne
Leistung nicht erbracht werden dürfe. Nur im Falle eines Systemversagens sei eine
Ausnahme von diesen Grundsätzen zu machen. Hiervon könne jedoch nicht die Rede
sein, weil der zuständige Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" Mitte Juli 2002 das
anhängige Verfahren zum Anlass genommen habe, erneut über die Magnetfeldtherapie
zu beraten. Auch die jetzt vorhandene Studienlage rechtfertige in keiner Weise die
Annahme eines "Systemversagens", da keine Studien vorlägen, die den Anforderungen
an einen Wirksamkeitsbeleg nach § 18 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen
Bundesausschusses genügten.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der Streitakten des Verfahrens L 11 S(Ka) 10/92 - LSG NRW - sowie der
Verwaltungsakten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
24
Entscheidungsgründe:
25
Die zulässigen Berufungen der Beklagten zu 1), 3), 5), 6), 7) und 8) sind begründet. Das
Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.01.1999 ist zu ändern.
26
Zwar war die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bei dem Sozialgericht
Köln nach der bindenden rechtlichen Bewertung (§ 170 Abs. 5 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) in dem zurückverweisenden Revisionsurteil vom
31.08.2000 (B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) zulässig. Das sozialgerichtliche
Urteil ist jedoch zu ändern. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die von ihr für
die nicht-invasive Magnetfeld-therapie hergestellten Geräte vom Typ M60, M65 sowie
M80 für die Anwendungsgebiete "Beschwerden durch Lockerung der
Gelenkendoprothese, Einheilung von Spongiosa (z.B. bei Achtrodese oder Spondylose
und Tumormetastasen im Knochen, Osteotomien des Tibiakopfes und
Frakturheilungsstörungen, insbesondere verzögerte Frakturheilung und Pseudarthrose
bei kleinem Frakturspalt)" in das Hilfsmittelverzeichnis einzutragen sind.
27
Grundlage für die Aufnahme neuer Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis war bis zum
31.03.2007 die Regelung des § 139 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches des
Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Hiernach ist
Voraussetzung für die Aufnahme neuer Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis, dass der
Hersteller die Funktionstauglichkeit und den therapeutischen Nutzen des Hilfsmittels
sowie seine Qualität nachweist. Nach § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB V entscheiden die
Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich über die Aufnahme in
das Hilfsmittelverzeichnis, nachdem der Medizinische Dienst die Voraussetzungen
geprüft hat. Im Wesentlichen inhaltsgleich bestimmt mit Wirkung seit 1.4.2007 § 139
Abs. 3 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)
vom 26.03.2007 (BGBl. I 413), dass die Aufnahme eines Hilfsmittels in das
Hilfsmittelverzeichnis auf Antrag des Herstellers erfolgt. Das Hilfsmittel ist aufzunehmen,
wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der
Qualitätsanforderungen nach § 139 Abs. 2 SGB V und - soweit erforderlich - den
medizinischen Nutzen nachgewiesen hat. Auf der Grundlage des zurückverweisenden
Revisionsurteils ist davon auszugehen, dass es sich bei den
Magnetfeldtherapiegeräten, deren Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis die Klägerin
anstrebt, um Hilfsmittel i.S.d. §§ 33, 128 und 139 SGB V handelt, weil Magnet-
feldtherapiegeräte den Erfolg einer Heilbehandlung bei Anwendung durch den
Versicherten selbst sicherstellen sollen.
28
Die bei einer Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis zugrunde zu legenden
Anforderungen hat das BSG in seinen - den Senat bindenden - Gründen des Urteils vom
31.08.2000 (B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) festgelegt und in der zeitlich
nachfolgenden Entscheidung vom 28.09.2006 (B 3 KR 28/05 R - juris) konkretisiert.
Dabei ist das BSG von einer objektiv berufsregelnden Tendenz der Entscheidung über
die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ausgegangen. Die Beklagte dürfe die
Anforderungen hierfür nicht intern oder willkürlich festlegen. Sie müsse sich vielmehr an
den Aufgaben und Zielen der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren. Die
Vorgaben müssten dazu dienen, die Krankenbehandlung nach dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des
medizinischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) sicherzustellen (BSG, Urteil vom
28.09.2006 - B 3 KR 28/05 R - juris) und sich an den Aufgaben und Zielen der
29
Krankenbehandlung der Versicherten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft
unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots orientieren. Das Gesetz beschreibe die
insoweit maßgebenden Kriterien in § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V im Hinblick auf die
Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden; für die Bewertung von
Hilfsmitteln könne nichts anderes gelten. Das Verfahren zur Aufnahme neuer Hilfsmittel
müsse rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht werden. Lege ein Antragsteller
wissenschaftliche Studien über ein neues Hilfsmittel oder neue Studien zu einem
bereits bekannten Hilfsmittel vor, werde die Krankenkasse ihrer Amtsermittlungs- und
Begründungspflicht nicht gerecht, wenn sie lediglich eine pauschale Stellungnahme des
MDS einhole und sich hierauf beziehe. Erforderlich sei eine fachlich fundierte
Auseinandersetzung mit den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen. Sachgerecht
und erforderlich erscheine eine Bewertung nach Evidenzstufen, wie sie für ärztliche
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach den hierzu gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz
2 Nr. 5, 135 Abs. 1 SGB V ergangenen Richtlinien über die Bewertung ärztlicher
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vorgesehen sei, weil insoweit gleiche
Maßstäbe gelten müssten (BSG, Urteil vom 31.08.2000 - B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500
§ 139 Nr 1).
In dem zurückverweisenden Revisionsurteil geht das BSG weiter davon aus, dass die
Aufnahme der von der Klägerin benannten Magnetfeldtherapiegeräte in das Hilfsmittel-
verzeichnis nicht schon mit dem Hinweis der Erfassung der Magnetfeldtherapie ohne
Verwendung implantierter Spulen in der Anlage 2 ("Methoden, die nicht als
vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden dürfen") der
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung abgelehnt werden dürfe. Die
Erstellung und Fortentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses sei allein Aufgabe der
Spitzenverbände der Krankenkassen; die Bundesausschüsse der Ärzte und
Krankenkassen wirkten daran unmittelbar nicht mit. Allerdings könnten die
Spitzenverbände trotz ihrer Autonomie bei der Erstellung des Hilfsmittelverzeichnisses
nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren
Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen, wenn die Magnetfeldtherapie nicht
als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden dürfe. Erst
wenn fest stehe, dass der Bundesausschuss zur Änderung seiner Richtlinien verpflichtet
sei, könne auch eine Verpflichtung der Beklagten bestehen, die zur Durchführung der
Behandlungsmethode erforderlichen Hilfsmittel in das Verzeichnis aufzunehmen, weil
auch die Krankenkassen an die Empfehlungen des Bundesausschusses zu neuen
Behandlungs- und Untersuchungsmethoden rechtlich gebunden seien. Sodann führt
das BSG weiter aus, dass das Landessozialgericht - nach Beiladung des für den Erlass
der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V zuständigen Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen nach § 75 Abs. 2 SGG - die von der Beklagten versäumte
sachgerechte Überprüfung der von der Klägerin mit der Antragstellung vorgelegten
Unterlagen mit sachverständiger Hilfe nachzuholen habe (BSG, Urteil vom 31.08.2000 -
B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1).
30
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann den Ausführungen des BSG nicht entnommen
werden, dass das Kompetenzgefüge zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss
und den Spitzenverbänden einerseits und zwischen der gemeinsamen
Selbstverwaltung und den Gerichten andererseits aufgehoben werden sollte. Das BSG
hat insbesondere nicht entschieden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss nicht
mehr zu einer Entscheidung über den therapeutischen Nutzen des N-Verfahrens
berufen ist oder der Erlass einer dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorbehaltenen
31
Richtlinie nach § 92 SGB V durch eine Beiladung des Gemeinsamen
Bundesausschusses in einem einzelnen Rechtsstreit zwischen den Spitzenverbänden
der Krankenkassen und Hilfsmittelherstellern ersetzt werden könnte. Unter weiterer
Berücksichtigung der späteren, auf ein Urteil des er-kennenden Senats im
Hilfsmittelbereich (LSG NRW, Urt. v. 20.09.2005 - L 5 KR 35/02 - ) ergangenen
Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 28.09.2006 (- B 3 KR 28/05 R - juris), ist
vielmehr davon auszugehen, dass die im Revisionsurteil vom 31.08.2000 geforderte
"sachgerechte Überprüfung" bzw "abschließende Überprüfung der sachlichen
Richtigkeit" die Einbeziehung des Gemeinsamen Bundesausschusses in das Verfahren
erfordert und eine Verpflichtung der Spitzenverbände der Krankenkassen bestehen
kann, einen für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ggf vorgreiflichen Antrag auf
Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V zu stellen
und das Hilfsmittel - nach einer positiven Entscheidung durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss - in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
Die Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses für Richtlinien nach § 92
SGB V darf auch bei einer mit einem Hilfsmittel verknüpften neuen Untersuchungs- und
Behandlungsmethode nicht unterlaufen werden. Dies kann der zustimmenden
Bezugnahme auf die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zur Bindungswirkung der
Empfehlungen des Bundesausschusses nach § 135 SGB V in dem Revisionsurteil
entnommen werden. Hinsichtlich des Kompetenzkonflikts zwischen den für die
Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 139 Abs. 2 SGB V
a.F. bzw § 139 Abs. 3 SGB V zuständigen Spitzenverbänden der Krankenkassen und
dem Bundesausschuss wird ein sachlicher Vorrang der Richtlinien bestätigt (Meydem,
SGb 2001, 332, 334). Unter Hinweis auf das zurückverweisende Revisionsurteil vom
31.08.2000 (B 3 KR 21/99 - SozR 3-2500 § 139 Nr 1) führt das BSG in der weiteren
Entscheidung vom 28.09.2006 (B 3 KR 28/05 R - juris) ausdrücklich aus, dass zunächst
die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss nach § 135 SGB V herbeizuführen sei, ehe das der Durchführung
einer neuen Methode dienende Hilfsmittel überhaupt in das Hilfsmittelverzeichnis
aufgenommen werden könne (BSG, Urt. v. 28.09.2006 - B 3 KR 28/05 R - juris Rz 32).
Der Senat sieht sich insofern in seiner Rechtsansicht bestätigt, dass in der hier
vorliegenden Fallgestaltung einer mit einem Hilfsmittel verbundenen, bisher nicht
anerkannten Behandlungsmethode eine eigenständige Prüfung des therapeutischen
Nutzens des Hilfsmittels durch die Spitzenverbände der Krankenkassen, die sich
notwendigerweise auf den therapeutischen Nutzen der Methode insgesamt erstrecken
müsste, abzulehnen ist. Sie widerspricht der gesetzlichen Konzeption, wonach die
Frage, ob eine neue Behandlungsmethode den von der GKV geforderten
Qualitätsstandard entspricht, ausschließlich durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss entschieden werden soll (LSG NRW, Urt. v. 20.09.2005 - L 5 KR
35/02 - Rz 29 juris).
32
Der 3. Senat des BSG sah sich in dem zurückverweisenden Revisionsurteil wegen der
beanstandeten, den Anforderungen des § 20 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches --
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nicht genügenden
Sachaufklärung mit unzureichender Würdigung der eingereichten wissenschaftlichen
Unterlagen veranlasst, auf die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegebene
Antragsbefugnis der Spitzenverbände der Krankenkassen hinzuweisen (BSG, Urt. v.
31.08.2000 - B 3 KR 21/99 R - Rz 22 - juris). § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass
neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und
vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden
33
dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes
der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen
zur Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens, zur notwendigen
Qualifikation der Ärzte und zu den erforderlichen Aufzeichnungen abgegeben hat. Die
Spitzenverbände der Krankenkassen sind also kraft Gesetzes berechtigt und
verpflichtet, auf eine Aktualisierung der Richtlinien hinzuwirken. In gleicher Weise, wie
es dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht freigestellt ist, ob und wann er sich mit
einem Antrag auf Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode
befasst, steht es auch nicht im Belieben der antragsberechtigten Körperschaften und
Verbände, ob überhaupt ein Verfahren vor dem Bundesausschuss in Gang gesetzt wird
(BSG, Urt. v. 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3- 2500 § 135 Nr. 4, Seite 21).
Wird das Verfahren vor dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht
oder nicht ordnungsgemäß betrieben und ist dies auf eine willkürliche oder sachfremde
Untätigkeit bzw Verfahrensverzögerung zurückzuführen, nimmt das BSG im Verhältnis
zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse ein sog. Systemversagen an. Dies
kann dazu führen, dass der Versicherte ausnahmsweise einen
Kostenerstattungsanspruch hat (vgl z.B. BSG, Urt. v. 27.03.2007 – B 1 KR 25/06 R -
m.w.N.; BSG, Urt. v. 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R - m.w.N. ). Ein Systemversagen wird
insb. gesehen, wenn die einschlägigen Richtlinien einer den Anforderungen des § 2
Abs. 1 Satz 3 SGB V genügenden Krankenbehandlung widersprechen, die erfordert,
dass Qualität und Wirksamkeit der streitbefangenen Leistungen dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, welche sich wiederum
in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen haben
müssen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -). Es kann dahingestellt bleiben,
ob der Gedanke des Systemversagens auf das Verhältnis zwischen den
Spitzenverbänden der Krankenkassen und die Hilfsmittelhersteller übertragen werden
kann. Selbst wenn der Gesichtspunkt des Systemversagens auch im Verhältnis
zwischen den Spitzenverbänden und den Hilfsmittel-herstellern - mit welcher
Rechtsfolge auch immer - rechtlich beachtlich wäre, fehlt es im Zeitpunkt der
Entscheidung des Senats (vgl zum Prüfungszeitpunkt: BSG, Urt. v. 28.09.2006 - B 3 KR
28/05 R) an der Grundvoraussetzung eines pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten.
34
Die Beklagte zu 3) als nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V antragsberechtigte Stelle muss
sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gedrängt fühlen, einen Antrag auf
Anerkennung des N-Verfahrens nach § 135 Abs. 1 SGB V bei dem Gemeinsamen
Bundesausschuss zu stellen. Die Beklagte zu 3) hat zunächst aus dem BSG-Urteil vom
31.08.2000 (B 3 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) die Konsequenz gezogen, dass
die - nur zweiseitige - Stellungnahme des Dr. L (MDS) vom 27.02.1997 keine
ausreichende Auswertung der von der Klägerin mit dem Antrag auf Aufnahme in das
Hilfsmittelverzeichnis vorgelegten umfangreichen Unterlagen darstellte und den MDS
mit der Fertigung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten des MDS vom
26.06.2002 wird festgestellt, dass die Bewertung der Herstellerunterlagen (keine
klinischen Studien der Evidenzklassen I und IIa), aber auch die Ergebnisauswertung der
Publikationen nach wie vor den therapeutischen Nutzen der nicht-invasiven
konservativen Magnetfeldtherapie nach den Bewertungs-Kriterien der BUB-Richtlinien
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht ausreichend belegen
würden. Den Verfahren der Magnetfeldtherapie lägen verschiedene
Behandlungsmodalitäten, vor allem hinsichtlich physikalischer Magnetfeldparameter,
Signalform und Behandlungsdauer, zugrunde. Zudem habe sich die
35
Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) aufgrund experimenteller Studien kritisch
zu dem elektrophysiologischen Behandlungsansatz positioniert. Auch sei eine von der
Orthopädischen Universitätsklinik Aachen publizierte Übersicht und Metaanalyse zu
dem Ergebnis gekommen, dass der Einsatz von pulsierenden elektromagnetischen
Feldern (PEMF) bei orthopädischen Krankheitsbildern bislang wissenschaftlich nicht
ausreichend belegt sei. Vor diesem Hintergrund kann der Senat kein "Systemversagen"
in dem Umstand erblicken, dass der zuständige Arbeitsausschuss des Gemeinsamen
Bundesausschusses in seiner Sitzung am 25.07.2002 (ohne Vorliegen eines förmlichen
Antrags) beschlossen hat, dass eine Neubewertung des früheren Beschlusses zur nicht-
invasiven konservativen Magnetfeldbehandlung bei orthopädischen Indikationen nicht
angezeigt sei. Entsprechend musste sich auch die Beklagte zu 3) nicht zu einem
weiteren Einwirken auf den Bundesausschuss durch eine Antragstellung nach § 135
Abs. 1 Satz 1 SGB V gedrängt fühlen, da ausreichend valide Unterlagen für eine
Neubewertung des N-Verfahrens fehlten.
Auch die Sachaufklärung des Senats ergibt keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine
entsprechende Handlungspflicht der Beklagten zu 3). Der zunächst vom Senat
beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S hat in seinem Gutachten vom 07.01.2004 die
Aussage, dass die von der Klägerin hergestellten Geräte für die Indikation
"Hüftprothesenlockerung, Osteotomien des Tibiakopfes und Transplantateinheilung
nach Resektion von Knochen-tumoren" nützlich sein könnten, ausdrücklich unter den
Vorbehalt gestellt, dass die Geräte die physikalischen Voraussetzungen der in den
genannten Studien von Kennedy (1993), Mammi (1993) und Capanna (1994)
angewandten Magnetfeldtherapie erfüllen. Zwar lasse sich aus den Studien unter
strikter Beibehaltung der Ein- und Ausschlusskriterien und der Behandlungsparameter
eine Evidenz der Stufe 1 nach den BUB-Richtlinien erkennen. Eine Evidenz für andere
Formen der Magnetfeldtherapie mit anderen physikalischen-technischen Parametern
ergebe sich hieraus jedoch nicht, da eine einheitliche Evidenz bei völlig
unterschiedlichen Anwendungsformen der Magnetfeldtherapie (z.B. Frequenz,
Feldstärke, Magnetflussdichte) nicht zu erwarten sei.
36
Insofern hat der Senat bei der Bewertung der Wirksamkeit des N-Verfahrens die
Unterschiede des N-Verfahrens zu anderen Formen der Magnetfeldtherapie, insb. mit
der PEMF (Pulsierende Elektromagnetische Felder) -Therapie zu berücksichtigen. Nach
der Aufstellung von Prof. Dr. S und den Angaben der Klägerin handelt es sich bei dem
N-Verfahren mit den Therapieeinheiten M 60, M 65 und M 80 um eine niederfrequente
Therapie (Frequenz: 2 - 20 Hz), während die z.B. den Studien von Mammi und Capanna
zugrunde liegenden Untersuchungen mit 75 Hz durchgeführt wurden (Untersuchung von
Kennedy mit 15 Hz). Die Signalform (Pulsform) in den Geräten der Klägerin M 60, M 65
und M 80 ist sinusförmig (Verwendung von Dreieckimpulsen bei den Studien von
Kennedy, Mammi und Capanna). Auch sind die täglichen Behandlungen bzw. die
Gesamtbehandlungsdauer deutlich kürzer (täglich ein- bis dreimal 45 Min, je nach
Indikation über 3 bis 5 Monate bei dem N-Verfahren). Mit der Technik der PEMF-Geräte
(15 bzw. 75 Hz puls-bursts) werde - so Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 24.04.2007
– bei gleicher Indikationsstellung (verzögerte Knochenheilung, Prothesenlockerung)
eine tägliche Behandlungszeit von 8 bis 10 Stunden und eine
Gesamtbehandlungsdauer von 6 bis 9 Monaten benötigt. Eine mit den Geräten der
Klägerin durchgeführte Studie liegt nicht vor. Da die Sachverständigen zudem betonen,
dass der komplexe Wirkungsmechanismus zwischen den elektrischen und
magnetischen Feldwirkungen auf der molekularen und zellularen Ebene mit den
biologisch-chemischen Strukturen bisher nur sehr eingeschränkt untersucht und
37
überhaupt erfassbar sei (so Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 24.04.2007), sieht der
Senat schon aus diesem Grund nicht, dass sich die Beklagte zu 3) zu einer
Antragstellung hätte gedrängt fühlen müssen.
Unabhängig von der fehlenden Vergleichbarkeit der physikalisch-technischen
Behandlungsparameter hat Prof. Dr. S die gegen die Studien von Kennedy, Mammi und
Capanna vorgebrachten Einwände nicht überzeugend widerlegt. So hat er bei seiner
Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.11.2004 hinsichtlich der
Studie von Kennedy nur eine begrenzte Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie gesehen,
da sie nur auf den Knochen einwirke. Bei zementierten Hüftendoprothesen sei Grund
der Lockerung die fehlende Haftung der Prothese am Zement, nicht am Knochen. Dem
von Prof. Dr. X/Dr. L in ihrer Stellungnahme vom 11.2.2004 vorgebrachten Einwand,
dass es nur zu einer vorübergehenden Besserung der aktiv behandelten Patienten
gekommen und eine Verzögerung erneuter Operationen nicht durch Daten belegt sei, ist
Prof. Dr. S nicht entgegengetreten. Auch Prof. Dr. H hat seine Angabe, dass bei 50 %
der therapierten Patienten der Zeitraum bis zu einer Revisionsoperation der
Hüftgelenkprothesen um bis zu 5 Jahre verlängert werde, nicht näher belegt.
38
Hinsichtlich der Studie von Mammi wird angezweifelt, ob röntgenologische
Anhaltspunkte für eine Knochenheilung durch Magnetfeldtherapie ohne Ermittlung des
klinischen Funktionsbefundes ausreichen, um die Wirksamkeit des N-Verfahrens zu
beurteilen. Die hier von Dr. X/Dr. L geäußerte Kritik ist zu berücksichtigen, zumal auch in
Berichten des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur pulsierenden
Stoßwellenbehandlung die Validität des Heilungserfolges einer Frakturbe-handlung
bzw Pseudarthrosenbehandlung allein auf der Grundlage von Röntgenbildern mit der
Argumentation angezweifelt wird, dass trotz knöcherner Durchbauung des Defekts
Achsenfehlstellungen, Extremitätenverkürzungen oder Drehfehler für den Patienten zu
einer erheblichen Funktionsminderungen der Extremität führen könnten. Dieser
Einwand betrifft auch die von der Klägerin erwähnte weitere CDRH (Center of Device
und Radiological Health) - Studie zu Therapien von Wirbelversteifungen (2004), die auf
einer rein radiologischen Auswertung des Anteils der röntgenologisch durchbauten
Spondylosen beruht. Insofern folgt der Senat den Ausführungen in dem
Grundsatzgutachten des MDS vom 26.06.2002, wonach die Wirksamkeit einer
Behandlung nicht nur an röntgenologi-schen Anhaltspunkten festmacht werden kann,
sondern auch das klinische Befinden des Patienten im Hinblick auf seine
Funktionsfähigkeit (Gehen, Stehen, Gelenkbeweglichkeit,Schmerz) zu ermitteln ist. Die
von Prof. Dr. S in der mündlichen Verhandlung vom 4.11.2004 geschilderten Probleme
bei der Einschätzung des klinischen Funktionsbe-fundes hält der Senat nicht für
überzeugend.
39
Bezogen auf die Studie von Capanna zur Einheilung von fremden Knochenmaterial
nach Knochenresektion bei bösartigen Tumormetastasen im Knochen durch PEMF-
Behandlung weisen Prof. Dr. S und Prof. Dr. X/Dr. L darauf hin, dass zwischen der
wesentlichen Kontroll- und der Interventionsgruppe bei der Rate an Frakturheilungen
kein signifikanter Unterschied bestehe, vielmehr nur für eine zahlenmäßig kleine
Subgruppe (Patienten mit Chemotherapie gegen Patienten ohne Chemotherapie) ein
signifikanter Effekt festgestellt worden sei, der einen Hinweis darauf liefere, dass bei
solchen schwerstkranken Patienten die Magnetfeldtherapie hilfreich sein könne.
40
Auch die weiteren Sachverständigengutachten von Prof. Dr. T1 und Prof. Dr. H haben
keine eindeutigen Erkenntnisse erbracht, durch welche die Beklagte zu 3) sich hätte
41
gedrängt fühlen müssen, auf eine Anerkennung des N-Verfahrens hinzuwirken. In
Ergänzung zu der Studie von Kennedy weist Prof. Dr. T ergänzend auf eine Studie von
Konrad (Evidenzstufe IIb) hin. Auch hier habe sich nur eine subjektive
Beschwerdebesserung für die Dauer der Behandlung, in der
Röntgenverlaufsbeobachtung jedoch keine Veränderung der radiologischen
Lockerungszeichen gefunden. Zur Studie von Capanna führt Prof. Dr. T1 aus, dass sich
weder die knöcherne Einheilung des Fremdknochenmaterials erhöht noch die Zeit bis
zur Verheilung eines allogenen Knochentransplantats an den Resektionsrändern durch
den Einsatz der in den Studien verwendeten PEMF-Signalen signifikant verkürzt habe.
Die Studien von Linovitz (u.a. 2002: zum Einfluss von kombinierten magnetischen
Feldern neuartiger Form auf posterolaterale Wirbelsäulenversteifungen ohne
Instrumentierung als adjuvantes Vorgehen bei der Versteifung der Wirbelsäule) hält der
Sachverständige nur für begrenzt aussagekräftig, da die Indikationen, wegen derer die
Patienten operiert worden seien, nicht genannt würden. Die Aussagekraft der Studie von
Simonis et al (2003) zur Behandlung von Frakturheilungsstörungen an der Tibia mit der
PEMF-Therapie, nach der in der Kontroll-Gruppe 50 % und in der Verum-Gruppe 89%
der Pseudarthrosen heilten, wird dadurch eingeschränkt, dass in der Placebo-Gruppe
deutlich mehr Raucher (81%) eingeschlossen waren als in der Verum-Gruppe (44%).
Zwar sieht Prof. Dr. H bei dem Indikationsbereich "Lockerung der Endoprothese" durch
die nach 1992 erstellten Arbeiten von Otter et al (1998), Rubin et al (1993), Rispoli et al
(1998) und Konrad et al (1996) Anhaltspunkte für eine besondere osteogene
Wirksamkeit der bei dem N-Verfahren verwendeten Signalformen und Frequenzen. Es
seien vor allem niederfrequente kontinuierliche sinusförmige Signale im
Frequenzbereich unter 120 Hz wirksam. Seine in der abschließenden Stellungnahme
abgegebene Gesamtschau, dass die Methode der Magnetfeldtherapie nach dem N-
Verfahren mit den in Rede stehenden Geräten eine sinnvolle adjuvante Methode der
therapeutischen Medizin sei, misst der Sachverständige jedoch - ebenso wie Prof. Dr. S
- ausdrücklich nicht an den strengen Maßstäben der evidenzbasierten Medizin, die nach
Richtlinien zu den Methoden vertragsärztlicher Versorgung die Grundlage der
Bewertung bilden. Vor diesem Hintergrund erscheint die in dem Schreiben des
beigeladenen Gemeinsamen Bundesausschusses vom 11.05.2007 enthaltene
Feststellung vertretbar, dass keines der eingereichten Gutachten ausreichende positive
Nachweise der Wirksamkeit im Sinne der evidenzbasierten Medizin liefere, die eine
Aufnahme der Magnetfeldtherapie oder einzelner ihr zugehöriger Untergruppen
erforderlich erscheinen lasse. Entsprechend sieht der Senat auch keine Verpflichtung
der Beklagten zu 3), auf eine Anerkennung des N-Verfahrens hinzuwirken, und die eine
Magnetfeldtherapie nach dem N-Verfahren ermöglichenden Geräte vom Typ M 60, M 65
sowie M 80 in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Eine weitere Sachaufklärung hat
der Senat nicht für notwendig befunden.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
43
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
44