Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2010

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Landessozialgericht NRW, L 16 B 44/09 KR
Datum:
16.02.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 44/09 KR
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 44 KR 53/09
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Dortmund vom 10.06.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
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Die zulässige, insbesondere statthafte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom
23.2.2009, Az.: L 13 R AS 3835/08 PKH-B, www.juris.de) Beschwerde ist nicht
begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
(PKH) für das anhängige Klageverfahren, mit dem u. a. ein Anspruch auf
implantologische Leistungen bei zahnlosem Kiefer geltend gemacht wird.
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Die Bewilligung von PKH setzt gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung
(ZPO) voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf
Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn
das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in
tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl.
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 73a
RdNr. 7 mwN). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch
nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH gewährt werden (vgl.
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 81, 347; BVerfG, Neue Juristische
Wochenschrift (NJW) 1997, 2102 f), und zwar auch dann, wenn das Gericht die
Rechtsfrage ungünstig beurteilt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH) NJW 1998, 82; BGH
NJW 2000, 2098).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klage bietet keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg, wie das SG zutreffend entschieden hat. Insbesondere ergeben sich
aus den in der Akte befindlichen medizinischen Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür,
dass bei dem Kläger eine Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen
vorliegen könnte - hier in der einzig in Betracht kommenden Konstellation der "nicht
willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich,
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z.B. Spastiken" im Sinne des Abschnitts VII. der Richtlinien für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-
Richtlinien Zahnärzte) iVm §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a, 28 Abs. 2 S. 9 und § 92 Abs. 1 S. 1,
S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Zwar spricht vieles dafür, dass bei
dem Kläger eine Abneigung gegen Fremdkörper im Mundbereich besteht, auf die er mit
entsprechendem, auch heftigem Würgereiz reagiert, der auch durch die diagnostizierte
Refluxoesophagitis ausgelöst zu werden scheint. Jedoch vermag der Senat darin - in
Übereinstimmung mit den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK) in dem Gutachten vom 23.10.2009 - gerade keine
muskuläre Fehlfunktion im Mund- und Gesichtsbereich zu erkennen, wie sie bei den
beispielhaft in der Ausnahmeindikation benannten Spastikern auftritt. Bei diesen ist
typischerweise die Lippe bzw. die vordere Zunge in der Öffnungsbewegung durch eine
motorische Unruhe destabilisiert, während bei dem Kläger die vegetativ oder
psychomotorisch bedingte Störung der Schlundmuskulatur zuzuordnen sein dürfte,
mithin dem Halsbereich (siehe insoweit Hessisches Landessozialgericht, Urt. vom
02.07.2009, Az.: L 1 KR 197/07, www.juris.de, mwN). Entgegen der Rechtsauffassung
des Klägers sind die in den o. g. Richtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen eng zu
interpretieren und lassen eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu
(Bundessozialgericht (BSG) Sozialrecht (SozR) 3-2500 § 28 Nr. 5). Mit dem BSG
(Beschl. vom 23.05.2007, Az.: B 1 KR 27/07 B, www.juris.de, mwN) ist der Senat der
Auffassung, dass § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V und die darauf beruhende, o. g. Richtlinie
verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in Fällen entspricht, in denen die gesetzlich
ausgeschlossene Art der Zahnersatzversorgung als einzig medizinisch sinnvolle
Leistung in Betracht kommt.
Soweit der Kläger die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt hat,
lassen sich daraus ebenfalls keine hinreichenden Erfolgsaussichten des anhängigen
Klageverfahrens ableiten; denn weitere Ermittlungen drängen sich nach der derzeitigen
Sach- und Rechtslage nicht auf; sie erscheinen auf der Grundlage der bereits
vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht weiterführend.
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Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten
werden, § 177 SGG.
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