Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.02.2010

LSG NRW (aufschiebende wirkung, antragsteller, sgg, beschwerde, aussicht, zpo, antrag, grund, sanktion, pauschale)

Landessozialgericht NRW, L 7 B 289/09 AS
Datum:
10.02.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 7 B 289/09 AS
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 11 AS 70/09 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2009 geändert. Dem Antragsteller
wird für die Durchführung des erstinstanzlichen vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt I T aus C gewährt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1
Die gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde des
Antragstellers ist zulässig und begründet. Denn das Sozialgericht (SG) Aachen hat mit
dem angegriffenen Beschluss vom 24.06.2009 seinen Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten) zu Unrecht
abgelehnt.
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1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in
Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die
beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Die Rechtsverfolgung des Antragstellers, der die Kosten der Prozessführung nicht
aufbringen kann, bot hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn ein Obsiegen des
Antragstellers im vorläufigen Rechtsschutzverfahren war nicht von vornherein
auszuschließen; jedenfalls bedurfte der Sachverhalt weiterer Aufklärung.
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Das SG hat das Begehren des Antragstellers zu Recht in der Weise ausgelegt, dass er
gemäß § 86b Abs. 1 SGG begehrt hat, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs
(bzw. der dann sodann erhobenen Klage) gegen den Sanktionsbescheid der
Antragsgegnerin vom 02.04.2009 anzuordnen.
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Diesem Antrag fehlte es entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht von vornherein
an jeglicher Erfolgsaussicht. Denn gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Zweites Buch
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Sozialgesetzbuch (SGB II) ist eine Sanktion dann nicht zulässig, wenn der
Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Der Antragsteller
hat bereits auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 mit
Schreiben vom 16.03.2009 ein Attest seiner behandelnden Ärzte Dres. N vom
16.03.2009 vorgelegt, wonach der Antragsteller vom 02.02.2009 bis zum 12.02.2009
"wegen akuter Rückenschmerzen" arbeitsunfähig erkrankt war. Weiter heißt es dort: "In
dieser Zeit war der Patient nicht in der Lage, eine Tätigkeit im Gartenbau auszuführen (
...)."
Es war damit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsteller sich auf
einen wichtigen Grund i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen konnte, der es
rechtfertigte, die ihm seitens der Antragsgegnerin angebotene Arbeitsgelegenheit nicht
aufzunehmen.
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Sofern das SG ausgeführt hat, der Antragsteller habe dort wegen seiner
Rückenschmerzen zwar nicht arbeiten können, es sei ihm aber möglich gewesen, sich
dort (jedenfalls) vorzustellen, überzeugt dies nicht. Der Senat konnte offenlassen, ob
den Antragsteller eine derartige ("abgeschwächte") Mitwirkung oblag. Jedenfalls fehlte
es dann an einer zutreffenden Rechtsfolgenbelehrung. Denn das Schreiben vom
28.01.2009 belehrt den Antragsteller unter der Rubrik "Grundpflichten" darüber, dass es
ihm obliege, "eine zumutbare ( ...) Arbeitsgelegenheit ( ...) aufzunehmen oder
fortzuführen". Dem Antragssteller wird nicht aufgegeben, in jedem Fall - auch bei ärztlich
attestierter Arbeitsunfähigkeit - zu erscheinen; über die in einem solchen Fall
eintretenden Rechtsfolgen belehrt das Schreiben den Antragsteller nicht. Im Übrigen
dürfte es aus praktischer Sicht in einer derartigen Konstellation Sinn machen, dass der
Grundsicherungsträger selbst das weitere Vorgehen überlegt und bestimmt (z.B.
Meldeaufforderung gemäß § 59 SGB II an den Hilfebedürftigen), nicht dagegen der
Träger der Maßnahme (hier das Baubetriebsamt der Stadt C).
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Ob die pauschale Rechtfolgenbelehrung der Antragsgegnerin im Allgemeinen den
rechtlichen Vorgaben entspricht, konnte der Senat deshalb offenlassen; nach der
Rechtsprechung des BSG muss die Rechtsfolgenbelehrung konkret, verständlich, richtig
und vollständig sein (BSG vom 16.12.2008, B 4 AS 60/07 R, BSGE 102, 201; BSG vom
17.12.2009, B 4 AS 30/09 R, hierzu Terminbericht Nr. 70/09 des BSG vom 17.12.2009).
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2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a
Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
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3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
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