Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.04.2007
LSG NRW: krankenkasse, versorgung, hörgerät, krankenversicherung, behinderung, behandlung, zink, auflage, bräutigam, krankheit
Landessozialgericht NRW, L 9 SO 5/06
Datum:
19.04.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 9 SO 5/06
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 37 SO 228/05
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 9b SO 15/07 B
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 07.02.2006 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der
Klägerin die Aufwendungen für eine Hörhilfe in Höhe von 895,73 Euro
zu erstatten. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision
wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 895,73 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Hörhilfe, die Frau S (S)
erhalten hat.
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Die Klägerin gewährte der 1995 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Frau
S. (geb. 00.00.1933) bis 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und ab 1.1.2005 Grundsicherungsleistungen nach
dem Sozialgesetzbuch 12 - Sozialhilfe - (SGB XII). S. ist nicht Mitglied einer
gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung. Die Krankenbehandlung wurde ab
1.1.2004 nach § 264 Absatz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -
(SGB V) von der AOK Bochum übernommen. Diese trug im Januar 2004 zunächst auch
die Kosten einer Hörhilfe in Höhe von EUR 895,73, deren Erstattung sie mit
Leistungsaufstellung vom 18.10.2004 bei der Klägerin geltend machte. Sie wies den
Betrag am 26.11.2004 an.
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Die Klägerin meldete ihrerseits mit Schreiben vom 16.2.2005 einen Erstattungsanspruch
bei dem Beklagten mit der Begründung an, dieser habe die Kosten zu tragen, weil sie
Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht habe, für die der Beklagte zuständig sei.
Der Beklagte lehnte den Erstattungsanspruch mit der Begründung ab, es bestehe hierfür
keine Rechtsgrundlage (Schreiben vom 10.3.2005).
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Die Klägerin hat am 15.6.2005 Klage erhoben. Sie hat zu deren Begründung
vorgetragen, dass den Krankenkassen seit 1.1.2004 nur die Abwicklung der
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Krankenversorgung übertragen worden sei, so dass es sich bei den Leistungen selbst
weiterhin um solche der Krankenhilfe gemäß § 37 BSHG (in der bis zum 31.12.2004
geltenden Fassung - im Folgenden a.F.) gehandelt habe. Der örtliche Sozialhilfeträger
bediene sich insoweit nach § 264 Absatz 2 SGB V lediglich zur Durchführung dieser
Aufgaben Dritter - der Krankenkasse -, deren Aufwendungen zu erstatten seien. Die
Zuständigkeitsregelung des § 100 BSHG a.F. sei daher hinsichtlich der Gewährung
eines "größeren anderen Hilfsmittels", zu dem das Hörgerät vorliegend zu zählen sei,
unberührt geblieben. Für die Versorgung der Behinderten sei damit gemäß § 100
Absatz 1 Nr. 2 BSHG a.F. der überörtliche Träger der Sozialhilfe weiterhin zuständig
geblieben. Erstatte somit der örtliche Sozialhilfeträger der Krankenkasse die erbrachten
Aufwendungen, für die jedoch gemäß § 100 BSHG a.F. der überörtliche Leistungsträger
zuständig gewesen sei, so handele er als unzuständiger Träger und könne gemäß §
105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - (SGB X) die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Erstattungsregelung des § 264 Absatz 7
SGB V stelle als Sonderregelung eine selbstständige Bestimmung des endgültig zur
Tragung der Kosten der Krankenversorgung Verpflichteten dar. § 100 BSHG a.F. sei
daher nicht anwendbar. Anknüpfungspunkt für die Kostentragung sei danach die den
Anspruch auf Krankenversorgung auslösende Sozialhilfeleistung. Die
Krankenversorgung habe der Klägerin oblegen, weil sie Sozialhilfe gezahlt habe (§ 264
Abs. 2 SGB V).
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Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7.2.2006 abgewiesen. Es hat sich der
Auffassung der Beklagten angeschlossen und die Berufung zugelassen. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
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Gegen das am 24.2.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.3.2006 eingelegte
Berufung der Klägerin. Sie trägt zu deren Begründung im Wesentlichen vor, nach ihrer
Auffassung enthalte § 264 SGB V keine gesonderte Zuständigkeitsregelung für die
Kosten einer Krankenbehandlung, sondern setze diese voraus und nehme auf diese
Bezug, weil sich ein Aufwendungsersatzanspruch stets gegen den für bestimmte
Hilfeleistungen zuständigen Träger richte. Anderenfalls würde § 264 SGB V zu der
Konsequenz führen, dass der örtliche Träger der Sozialhilfe für alle Hilfevariationen der
Krankenhilfe die Kosten zu tragen habe. Die Zuständigkeitsregelungen des BSHG (ab
1.1.2005 des SGB XII) wären damit hinfällig. Entgegen der Auffassung des Beklagten
sei es vorliegend um die Versorgung einer Bedürftigen mit einem größeren Hilfsmittel im
Sinne des § 100 Absatz 1 Nr. 2 BSHG a.F. gegangen, so dass dies in der Form der
Eingliederungshilfe geschehen und daher der Beklagte leistungszuständig sei. Sie - die
Klägerin - sei auf Grund der Ausführungsgesetze zum BSHG/SGB XII lediglich zunächst
tätig geworden und habe daher nach § 5 Ausführungsgesetz zum BSHG einen
Anspruch auf Kostenersatz. An der sachlichen Zuständigkeitsregelung zwischen dem
örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger im Verhältnis zur Krankenkasse habe § 264
SGB V nichts geändert.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7.2.2006 abzuändern und den Be- klagten
zu verurteilen, ihr Aufwendungen für eine Hörhilfe in Höhe von EUR 895,73 zu erstatten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Anspruch der Klägerin nach § 105
SGB X bestehe nicht, weil sie nicht als "unzuständiger Leistungsträger" in Vorleistung
getreten sei. Vielmehr habe die Klägerin ihre Zuständigkeit erkannt und deswegen die
Kostenerstattung nach § 264 SGB V durchgeführt. Bei § 264 Absatz 7 SGB V handele
es sich um eine abschließende, eine Zuständigkeit regelnde Sondervorschrift
gegenüber § 100 BSHG a.F., die den örtlichen Sozialhilfeträger zur Tragung der Kosten
einer Krankenbehandlung verpflichte. Die Krankenkasse sei nämlich nicht in der Lage,
hinsichtlich der einzelnen Leistungsarten zu differenzieren und danach einen
endgültigen zuständigen Leistungs - und Erstattungsträger zu ermitteln. Auch wenn die
Klägerin aber als unzuständiger Leistungsträger gehandelt hätte, käme keine Erstattung
durch den Beklagten in Betracht, weil nach § 105 Absatz 3 SGB X in Verbindung mit
Absatz 1 eine Leistungspflicht gegenüber dem Träger der Sozialhilfe nur von dem
Zeitpunkt ab in Betracht käme, von dem an diesem die Leistungsverpflichtung bekannt
gewesen sei. Damit sei der zuständige Träger der Sozialhilfe nach dem BSHG nur für
die Zukunft erstattungspflichtig. Die Klägerin habe jedoch die Kosten bereits im
November 2004 angewiesen, während sie den Erstattungsanspruch erst im Februar
2005 geltend gemacht habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Klägerin ist auf Grund ausdrücklicher Zulassung durch das
Sozialgericht zulässig (§ 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Sie ist auch begründet. Der
Beklagte hat die entstandenen Kosten der Hörhilfe für die Bedürftige, Frau S, in Höhe
von EUR 895,73 zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 5 Abs. 1 des
Gesetzes zur Ausführung des BSHG für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-BSHG
NRW vom 15.06.1999 - GVBl. S 393) in der Fassung vom 09.05.2000 (GVBl. S. 462)
bzw. des gleichlautenden § 5 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch
Zwölftes buch (SGB XII) - Sozialhilfe - für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB XII
NRW) vom 16.12.2004 (GVBl. S 2170) i.V.m. § 91 Abs. 1 SGB X.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist zunächst festzuhalten, dass § 264 Absatz 7
SGB V in der Fassung ab 1.1.2004 (durch das Gesetz zur Modernisierung der
Gesetzlichen Krankenversicherung - GKV - Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003,
BGBl I, Seite 2190), nicht regelt, welcher Sozialhilfeträger - der örtliche oder
überörtlichen - letztlich zur Tragung der Kosten für einzelne Kranken - und
Eingliederungshilfen verpflichtet ist. Die Neufassung des § 264 SGB V bezweckte eine
leistungsrechtliche Gleichstellung von Empfängern von Sozialhilfeleistungen nach dem
BSHG/SGB XII mit gesetzlich Krankenversicherten, für deren Behandlung die
Regelungen und die Steuerungsinstrumente zur Gewährleistung einer zweckmäßigen,
wirtschaftlichen und das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreitenden
Versorgung und vor allem der Leistungsrahmen der in der gesetzlichen
Krankenversicherung versicherten Personen gelten sollen (vgl Begründung BT -
Drucksache 15/1525, Seite 140 f, zu Nr. 152 - § 264 SGB V). Der Sozialhilfeträger tritt
nur noch als Kostenträger der gewährten Gesundheitsleistungen auf, ist aber im
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Gegensatz zur Zeit bis 31.12.2003 nicht mehr auch Leistungserbringer (vgl
Kostorz/Wahrendorf in ZFSH/SGB 2004,387/394; Zeitler in NDV 2004, 45, 46; Hauck in
Hauck/Noftz, SGB V, K § 264 Rn 8). Eine abschließende Zuständigkeitsregelung für die
Kostentragung im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfeleistungen wird nicht
getroffen. Es findet vielmehr nach § 264 Abs. 7 SGB V eine Kostenerstattung zwischen
den Krankenkassen und den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe statt. In
der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525, S 147) wird von der Erstattung der
Aufwendungen nach Absatz 7 zwischen der Krankenkasse und den jeweiligen -
Sozialhilfeträgern gesprochen. Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es an
jeglichen Anhaltspunkten, dass hier im Wege einer "Paketlösung oder
Komplettbündelung" nicht nur die Modalitäten der Erbringung von
Krankenbehandlungsleistungen für Hilfeempfängern, sondern aus "Vereinfachungs-
gründen" die Zuständigkeitsverteilung zwischen den örtlichen und überörtlichen
Sozialhilfeträger nach dem BSHG/SGB XII aufgehoben und zu Gunsten des
überörtlichen Leistungsträgers beseitigt werden sollte. Es liegt auch auf der Hand, dass
dies nicht beabsichtigt sein konnte, weil es gesetzlich den Ländern vorbehalten
gewesen ist, das interne Verhältnis zwischen örtlichen und überörtlichen Trägern mit der
entsprechenden Kostenzuständigkeit zu regeln. Die Erstattungsregelungen, auf die
unten eingegangen wird, würden anderenfalls auch weitgehend überflüssig.
Damit richtet sich ein Erstattungsbegehren zwischen dem örtlichen und überörtlichen
Sozialhilfeträger nach den im BSHG/SGB XII und den hierzu erlassenen
landesgesetzlichen Regelungen, die als speziellere Vorschriften einschlägig sind (vgl
Mergler/Zink, BSHG, Stand August 2004, Einführung in das Kostenerstattungsrecht,
Abschnitt 9 BSHG - vor § 103 - Rn 8 - 11 mwN; Bräutigam in Fichtner, BSHG, 2. Auflage
2003, vor § 103 Rn 4 - 12).
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Der Senat braucht bei deren Anwendung nicht die Frage zu entscheiden, ob die bis
31.12.2004 geltende Rechtslage des BSHG oder diejenige ab 1.1.2005 des SGB XII mit
den entsprechenden Landesgesetzen anzuwenden ist. Diese Zweifelsfrage ergibt sich
vorliegend daraus, dass die Kosten noch im Jahr 2004 entstanden und von der Klägerin
der Krankenkasse erstattet worden sind, die Klägerin ihrerseits den Erstattungsanspruch
gegenüber dem Beklagten als überörtlichen Sozialhilfeträger erst im Jahr 2005 geltend
gemacht hat. Welches Recht auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, kann
dahinstehen, weil bis 31.12.2004 (BSHG) und ab 1.1.2005 (SGB XII) letztlich inhaltlich
dasselbe materielle Recht für die Frage einer Kostenerstattung zwischen dem örtlichen
und überörtlichen Sozialhilfeträger nach dem BSHG und SGB XII gegolten hat. Es
handelt sich hierbei bis zum 31.12.2004 um §§ 99, 100 BSHG in Verbindung mit dem
Landesrecht NRW - § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 1 und der
Verordnung zur Ausführung des BSHG (AV - BSHG vom 15.6.1999 (GVBl NRW Seite
386) in der Fassung der Verordnung vom 20.6.2003 (GVBl NRW Seite 320). Für die Zeit
ab 1.1.2005 findet § 97 SGB XII in Verbindung mit § 5 Absatz 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 4 und
der Ausführungsverordnung zum Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) - Sozialhilfe -
des Landes NRW (AV - SGB XII NRW/GVBl Seite 2171).
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Von diesen Vorschriften ausgehend hat die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der
Hörgerätkosten für die Hilfebedürftige, Frau S. Die Klägerin ist zunächst als örtlicher
Sozialhilfeträger, der Frau S zu versorgen hatte, auf Leistung in Anspruch genommen
worden, so dass er als örtlicher Träger die notwendigen Maßnahmen zu treffen und die
geltend gemachten Kosten zu zahlen hatte. Zu diesem Zeitpunkt ist offen gewesen - wie
der vorliegende Rechtsstreit und die Auffassung des Beklagten zeigen -, ob der
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überörtliche oder der örtliche Träger sachlich zur Leistungserbringung verpflichtet
gewesen ist (§§ 5 Absatz 1, 4 Absatz 1 AG - BSHG NRW/AG - SGB XII NRW). Die
Klägerin hat somit nach §§ 5 Absatz 1 AG - BSHG/SGB XII NRW in entsprechender
Anwendung des § 91 Absatz 1 Satz 1 und 2 sowie des Absatz 3 SGB X einen Anspruch
auf Erstattung ihrer Aufwendungen geltend machen können. Ihr Begehren ist nach den
vorgenannten Rechtsgrundlagen auch begründet.
Die Klägerin ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe nach § 99 BSHG/§ 97 Abs. 1 SGB XII
für die Sozialhilfe insoweit sachlich zuständig, als nicht der überörtliche Träger
zuständig ist. Hier besteht die Zuständigkeit des Beklagten als überörtlichen Träger
sowohl nach § 100 Absatz 1 Nr. 2 BSHG in Verbindung mit § 81 Absatz 1 Nr. 3 BSHG
und § 1 Absatz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 81 Absatz 1 Nr. 3 (vom
12.5.1975 - BGBl. I Seite 1109/BGBl III FNA 2170 - 1 - 16 in der Fassung des Gesetzes
vom 21.12.2000 (BGBl I Seite 1983) BSHG und nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 AV BSHG
NRW, weil die Hilfebedürftige, Frau S., das Hörgerät als Behinderte erhalten hat und
dieses wegen des Überschreitens des Anschaffungspreises von EUR 180,- als
"größeres anderes Hilfsmittel" anzusehen ist (ab 1.1.2005: § 97 Absatz 1 und Absatz 2
Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Nr. 4 AV - SGB XII NRW), so dass es
eine Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 40 BSHG/54 SGB XII darstellt. Dass bei
der hilfebedürftigen Frau S eine wesentliche Behinderung vorgelegen hatte und sie
somit im Sinn der §§ 39 Absatz 1 BSHG/53 Abs. 1 SGB XII Behinderte gewesen ist ,
ergibt sich aus § 1 Nr. 5 der Verordnung nach § 47 des BSHG/nach § 60 des 12. Buches
SGB (Eingliederungshilfe - Verordnung) vom 1.2.1975 (BGBl I 433) in der Fassung vom
19.6.2001 (BGBl 1046) und 27.12.2003 (BGBl I 3022, 3 1059) - BGBl III/FNA 2170 - 1 -
6, weil zu Gunsten des dort genannten Personenkreises die Wesentlichkeit der
Behinderung stets unwiderlegbar vermutet wird (vgl Wahrendorf, aaO, § 53 SGB XII Rn
9; Mensinger in Fichtner, aaO, § 39 BSHG Rn 4).
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Es trifft zwar zu, dass die gesetzliche Krankenkasse nach §§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3, §
33 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowohl für Behinderte als auch für Nichtbehinderte einheitlich
in ihrer Zuständigkeit die Versorgung mit einem derartigen Hilfsmittel als Kranken-
behandlung erbringt. Gleichwohl stellt das Hörgerät vorliegend deswegen nicht eine
vom örtlichen Träger zu tragende Hilfeleistung bei Krankheit im Sinne der §§ 37 ff
BSHG/48 ff SGB XII dar, weil das Recht der Sozialhilfe zwischen einer
Leistungserbringung für Nichtbehinderte und für Behinderte -
Krankenhilfe/Eingliederung - in den genannten Bestimmungen differenziert. Hieraus
ergibt sich, dass die Eingliederungsbestimmungen bei Erfüllung ihrer Voraussetzungen
als speziellere Normen der Krankenhilfe vorgehen, zumal die Eingliederungshilfe die
umfassendere Hilfeleistung darstellt (vgl Beschluss OVG Hamburg vom 17.11.1995 –Bs
IV 210/95, FEVS 46, 480 ff. ; Wahrendorf, aaO, § 48 SGB XII Rn 8; Mergler/Zink, aaO,
Rn 34; Wenzel in Fichtner, aaO, § 37 Rn 8). Frau S. hat somit einen Anspruch auf
Versorgung mit einem Hörgerät im Rahmen der Eingliederungs-hilfe, so dass der
Beklagte als überörtlicher Träger letztlich sachlich verpflichtet ist, diese Aufwendungen
zu tragen und der Klägerin der geltend gemachte Aufwendungsersatz nach § 5 Absatz 1
AG - BSHG/SGB XII i.V.m. § 91 Abs. 1 SGB X zusteht.
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Da die Klägerin somit bereits nach den Vorschriften des BSHG/SGB XII sowie der
hierzu ergangenen Ausführungsgesetze/-verordnungen einen Anspruch auf Erstattung
der von ihr verauslagten Kosten für das Hörgerät der Frau S hat, lässt es der Senat
offen, ob darüber hinaus auch ein Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X in Betracht
hätte kommen können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193, 197a SGG.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 160
Absatz 2 SGG nicht vorliegen.
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Der Streitwert wird entsprechend dem wirtschaftlichen Wert des geltend gemachten
Anspruchs auf EUR 895,73 festgesetzt (§ 197 a SGG, 63 Absatz 1, 52 GKG).
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