Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007

LSG NRW: berufliche eingliederung, vorläufiger rechtsschutz, hauptsache, schule, ausbildung, heilpraktiker, obsiegen, verfügung, beratung, gewährleistung

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 30.10.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dortmund S 38 AS 142/07 ER
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 B 183/07 AS
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 09.08.07 wird
zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt L F aus B wird abgelehnt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 03.09.2007), ist nicht
begründet.
Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) Eingliederungshilfen nach § 16 SGB II für ein Vollzeitstudium bei der Deutschen C-schule für
Naturheilverfahren GmbH in E zu gewähren.
Nach § 86b Abs.2 S.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger
Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei
Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§§ 86b
Abs.2 S.4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung [ZPO] ). Können ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere
und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht
mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend
zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage aus, ist auf der Grundlage einer an der
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen
Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -
1 BvR 569/05- NVwZ 2005, 927).
Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben können die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches derzeit
nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden.
Ausführlich und überzeugend hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf einschlägige
Rechtsprechung der Obergerichte dargelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Eingliederungshilfen
nach § 16 SGB II in Betracht kommt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen,
insbesondere die Darlegungen zu den Ermessensspielräumen der Antragsgegnerin, Bezug genommen werden kann.
Auch die Beschwerdebegründung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine Ermessensreduzierung auf Null auch nur
ansatzweise rechtfertigen könnten. Dass ein Zivildienst in einem Altenheim sowie die eigenständige Leitung von
Sportstudios derartige medizinische Kenntnisse vermittelt, dass für eine berufliche Eingliederung des Antragstellers
allein noch ein Vollzeitstudium an der Q-schule für Naturheilverfahren in Betracht kommt, kann kaum ernsthaft
vertreten werden. Auch die Hinweise auf die Motivationslage des Antragstellers vermögen die Antragsgegnerin nicht in
der Weise zu binden, dass nur noch die Finanzierung der derzeit angestrebten Ausbildung zum Heilpraktiker
ermessensfehlerfrei wäre. Denn bei einer anderen Beurteilung würde sich eine Ermesssensreduzierung auf Null im
Rahmen der Anwendung des § 16 SGB II immer schon dann ergeben, wenn der Antragsteller darlegt, nur zu der
angestrebten Bildungsmaßnahme motiviert zu sein. Schon diese Überlegung verdeutlicht, dass eine
Ermessensreduzierung auf Null nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände vorliegen kann, für deren Annahme
der vorliegende Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte bietet.
Der Vortrag des anwaltlich vertretenenen Antragstellers, die Antragsgegnerin habe ihm keine Alternativen aufzeigen
können und daher ermessensfehlerhaft gehandelt, als sie die begehrte Maßnahme ablehnte, verkennt, dass selbst bei
Vorliegen eines diesbezüglichen Ermessensfehlers nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung
bestünde, was im vorliegenden Eilverfahren ebenfalls nicht zu der begehrten Verpflichtung der Antragsgegnerin führen
könnte. Zudem bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin insoweit tatsächlich ermessensfehlerhaft
handelte, denn sie hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Antragsteller Terminen zur Beratung fernblieb und
Bildungsangebote nicht genutzt hat, ohne dass er hiergegen substantiierte Einwendungen erhoben hätte. Auch die
diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss werden in der Beschwerdebegründung nicht angegriffen.
Nimmt aber der Antragsteller wiederholt und ohne triftige Begründung Termine und Bildungsangebote nicht wahr, mit
denen die Antragsgegnerin die berufliche Eingliederung des Antragstellers fördern will, so kann er anschließend nicht
überzeugend behaupten, man habe ihm keine beruflichen Alternativen aufgezeigt.
Angesichts dieser Überlegungen bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller in der Hauptsache
obsiegen wird, so dass für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit
ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Die von dem Antragsteller in der Sache begehrte
Vorwegnahme der Hauptsache ist daher nicht zu rechtfertigen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der
Antragsteller sein Begehren nunmehr wohl auf die Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der begehrten
Ausbildung beschränkt. Denn auch insoweit stehen der Antragsgegnerin die o.g. Ermessensspielräume zur
Verfügung.
Bei dieser Sachlage muss die genaue Klärung der von den Antragstellern aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen
Fragen ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Aus den vorgenannten Gründen war die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu versagen
(§§ 73a SGG, 114 ZPO).
Die Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss war ebenfalls zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.