Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.11.2008
LSG NRW: wiederaufnahme, erlass, nichtigkeit, rechtskraft, zivilprozessordnung, beendigung, auflage, rechtsgrundlage, krankenversicherung, datum
Landessozialgericht NRW, L 16 B 55/08 KR ER
Datum:
13.11.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 55/08 KR ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 9 KR 39/08 ER
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 16.06.2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
1
I.
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Die Antragstellerin (ASt´in) wendet sich gegen die Versagung einstweiligen
Rechtsschutzes im Jahr 2003. Sie klagt auf "Feststellung der Nichtigkeit" des
Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Köln vom 15.12.2003, S 9 KR 255/03 ER. Die ASt
´in hatte am 24.11.2003 vor dem SG Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf
eine vorzeitige ambulante Rehabilitationsmaßnahme erfolglos beantragt (S 9 KR 255/03
ER, abweisender Beschluss vom 15.12.2003). Die von ihr hiergegen erhobene
Beschwerde blieb erfolglos (L 16 B 118/03 KR ER, Beschluss vom 17.03.2004). Im
anschließenden Hauptsacheverfahren ist die Klage rechtskräftig abgewiesen worden
(Urteil SG Köln vom 31.05.2005 - S 9 KR 828/04 -; Beschluss des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 11.12.2006 - L 11 KR 28/05 -; Beschluss des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.03.2007 - B 1 KR 4/07 B -).
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Mit Schreiben vom 12.02.2008 hat sie vor dem SG Köln "Klage zur Feststellung der
Nichtigkeit des Urteils AZ. S 9 KR 255/03 ER nach SGB X § 44" erhoben.
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Mit Beschluss vom 16.06.2008 hat das SG den Antrag zurückgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, es bestehe für die beantragte Feststellung weder ein nach §
86b Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlicher Anordnungsanspruch noch ein
Anordnungsgrund.
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Gegen diese Entscheidung hat die ASt´in am 07.07.2008 Beschwerde eingelegt und im
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.11.2008 beantragt,
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den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.06.2008 zu ändern und das frühere
Verfahren SG Köln - S 9 KR 255/03 ER - wieder aufzunehmen.
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Die Antragsgegnerin (AG´in) beantragt,
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die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln
vom 16.06.2008 zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage sowie des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakten der Beklagten
sowie auf die vom Senat beigezogenen Verfahrensakten des SG Köln S 9 KR 828/04, S
18 (11) SF 2/08, S 5 KR 636/04 ER, S 9 KR 848/04 ER und S 9 KR 34/08 Bezug
genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
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II.
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Die Beschwerde der ASt´in gegen den Beschluss des SG Köln vom 16.06.2008 ist nicht
begründet. Zu Recht, allerdings mit unzutreffender Begründung, hat das SG den Antrag
zurückgewiesen. Bereits der Antrag auf Wiederaufnahme einer abweisenden
Entscheidung über einen Antrag auf einstweilige Anordnung ist nicht statthaft und damit
unzulässig.
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Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses des SG Köln vom
16.06.2008 war entgegen der Ansicht des SG nicht auf eine neue Entscheidung im
einstweiligen Rechtsschutz, sondern auf eine inhaltliche Überprüfung im Rahmen eines
Wiederaufnahmeverfahrens gerichtet. Rechtsgrundlage hierfür ist die Vorschrift des §
179 Abs 1 und 2 SGG, die aufgrund des insoweit abweichenden Wortlautes zu § 578
Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich auch jeden, eine Gerichtsinstanz
abschließenden, nicht anfechtbaren Beschluss mit umfasst (Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 179 Rn 3). Zu entscheiden ist in diesen
Fällen nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss (BSG, Beschluss vom 06.11.1997 -
12 BK 66/97 - juris.de -).
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Unabhängig davon, ob die ASt´in überhaupt Nichtigkeitsgründe im Rahmen ihres
Antrags nach § 179 Abs 1 SGG in Verbindung mit § 579 ZPO schlüssig behauptet hat
(dazu: BSG, Beschluss vom 02.07.2003 - B 10 LW 8/03 B - juris.de -), handelt es sich
bei der hier angefochtenen Entscheidung des SG Köln nicht um einen solchen, eine
Instanz abschließenden Beschluss (BSG, Beschluss vom 06.11.1997, am angegebenen
Ort (aaO); BVerwG, Beschluss vom 17.10.1983 - 2 WBW 1/83 - BVerwGE 76, 127 -;
Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 179 Rn 3b und § 86b Rn 19).
Entscheidungen über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs 2 SGG stellen keine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens nach § 179
SGG dar und sind somit einer Wiederaufnahme nicht fähig. Für eine solche
Wiederaufnahme fehlt es schon an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, das stets
auch bei Wiederaufnahmeanträgen gegeben sein muss. Die ASt´in hat jederzeit die
Möglichkeit, bei veränderten Umständen erneut einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung zu stellen; eines Wiederaufnahmeverfahrens bedarf es hierfür
nicht. Hinzu kommt, dass im hier zur Entscheidung stehenden Fall dem
Wiederaufnahmeverfahren zudem die Rechtskraft (§ 141 SGG) des
Hauptsacheverfahrens entgegensteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 und
193 SGG.
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Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden, §
177 SGG.
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