Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.05.2008
LSG NRW: stipendium, vergütung, unternehmen, berufliche ausbildung, praktische ausbildung, studienordnung, praktikant, projekt, student, versicherungspflicht
Landessozialgericht NRW, L 16 (5) R 2/07
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 (5) R 2/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 29 (3) R 207/05
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 12 R 4/08 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln
vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die
Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für einen von der
streitgegenständlichen Betriebsprüfung umfassten Teilzeitraum eines dreijährigen
Studiums des Beigeladenen zu 1) in einem sog. "dualen Studiengang" an der
Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in C. Bezüglich des zweiten Teilzeitraumes bis
zum Abschluss des Studiums des Beigeladenen zu 1) ist das diesbezüglich anhängige
Vorverfahren, betreffend die Feststellungen der Beklagten für den Folgezeitraum nach
weiterer Betriebsprüfung, ruhend gestellt.
2
Der am 00.00.1977 geborene Beigeladene zu 1) nahm am 27.09.1999 ein Studium zum
Dipl. Informatiker (FH) im sog. "dualen Studiengang Wirtschaftsinformatik" an der FHDW
in C auf, das er am 30.09.2002 erfolgreich beendete. Nach der maßgeblichen
Studienordnung gliederte sich das Studium der Wirtschaftsinformatik und
Betriebswirtschaft in insgesamt neun zwölfwöchige Trimester: sechs Trimester
Lehrveranstaltungen sowie drei berufspraktische Studientrimester. Außerdem waren
drei weitere betriebliche Phasen im Umfang von jeweils maximal zwölf Wochen in den
Studienablauf integriert.
3
In § 7 enthält die Studienordnung folgende Regelung zu den berufspraktischen
Studientrimestern:
4
(1) Von der Fachhochschule wird ein Praktikumsausschuss einberufen. Er ist für die
ordnungsgemäße Durchführung der berufspraktischen Studientrimester zuständig.
5
(2) Während der berufspraktischen Studientrimester werden den Studierenden in
6
geeigneten Betrieben praktische Erfahrungen und Kenntnisse vermittelt. Die
Ausbildungsinhalte der berufspraktischen Studientrimester werden im Einzelfall und
unter Berücksichtigung der angestrebten Studienschwerpunkte vom Praktikumsbetrieb
und den Studierenden vorgeschlagen und vom Praktikumsausschuss auf
Übereinstimmung mit den Studieninhalten geprüft. Im Falle einer Ablehnung der
Praktikumsinhalte durch den Praktikumsausschuss werden die Inhalte des Praktikums
vom Praktikumsausschuss und der Praxisstelle gemeinsam neu festgelegt. Für die
Durchführung der berufspraktischen Studientrimester benennt die Fachhochschule
jedem bzw. jeder Studierenden einen gemäß § 5 der Prüfungsordnung
prüfungsberechtigten Prüfer als Betreuer.
(3) Über die Ausbildungsinhalte und Ausbildungszeiten des berufspraktischen
Studientrimesters, in dem keine Projekt- oder Diplomarbeit angefertigt wird, ist ein
schriftlicher Bericht zu erstellen, der von der Praxisstelle bestätigt sein muss. Auf dieser
Grundlage des Berichtes entscheidet der Betreuer über die erfolgreiche Durchführung
des berufspraktischen Studientrimesters.
7
Nachdem der Beigeladene zu 1) eine Zusage der FHDW erhalten und sich durch den
Abschluss eines Studienvertrages zur Zahlung von monatlichen Studiengebühren in
Höhe von 1.100 DM verpflichtet hatte, benannte ihm die FHDW Betriebe, bei denen sich
der Beigeladene zu 1) um die Durchführung der obligatorischen Praktika bewerben
könne, u. a. die Klägerin. Mit dieser schloss er vor Beginn des Studiums einen sog.
"Praktikantenvertrag zur Durchführung der betrieblichen Praktikumsphasen des dualen
Studiums an der FHDW zum Dipl.-Informatiker". Nach der Präambel sollte ein
Arbeitsverhältnis durch den Vertrag nicht begründet werden. Der Vertrag enthält u. a.
folgende Regelungen:
8
1. Ziel In der Zeit vom 01.10.1999 bis zum 30.09.2002 absolviert der Praktikant in dem
Unternehmen sechs Praktika von insgesamt zweiundsiebzig Wochen Dauer. Die
Praktika werden in Abstimmung mit der FHDW vom Unternehmen betreut. Beginn und
Ende der Einzelpraktika werden gemäß den Vorgaben der FHDW absolviert bzw.
schließen sich an die vorlesungsfreien Zeiten an.
9
2. Pflichten des Praktikanten (1) Der Praktikant verpflichtet sich, die im Rahmen des
Praktikums übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen und die für das Unternehmen
geltenden Ordnungen, insbesondere Arbeitsordnungen und
Unfallverhütungsvorschriften, zu beachten ...
10
(4) Im Krankheitsfall ist vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Krankheit
eine Arbeitsunfähigkeits-(AU-)Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzureichen.
11
3. Kündigung des Vertrages Der Praktikantenvertrag kann vorzeitig mit einer
Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. Die
Kündigung geschieht durch einseitige schriftliche Erklärung gegenüber dem anderen
Vertragspartner, im Falle der Kündigung durch das Unternehmen nach vorheriger
Anhörung der FHDW mit dem Ziel, eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit
einem anderen geeigneten Unternehmen zu erreichen.
12
5. Vergütung und Rückzahlungsverpflichtung (1) Die Praktikantentätigkeit wird mit
einem Betrag in Höhe von monatlich 1.100 DM brutto vergütet. (2) Für die
Vorlesungszeit an der FHDW gewährt das Unternehmen ein Stipendium in Höhe von
13
monatlich 1.100 DM brutto. (3) Wird nach erfolgreichem Studium ein Arbeitsverhältnis
zwischen den Vertragsparteien geschlossen, ermäßigt sich die
Rückzahlungsverpflichtung für jedes abgelaufene Jahr der Unternehmenszugehörigkeit
um 1/3, so dass 3 Jahre nach Ablauf des Studiums das vom Unternehmen gewährte
Stipendium abgegolten ist. (4) Wird das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des
Abgeltungszeitraumes von dem Praktikanten beendet, bleibt die
Rückzahlungsverpflichtung für den noch nicht abgegoltenen Teil des Stipendiums
erhalten. (5) Kommt es nach Ablauf des Studiums auf Wunsch des Unternehmens nicht
zu einem Arbeitsverhältnis oder endet der Vertrag vor Ende des Studiums durch
Kündigung des Unternehmens, besteht keine Rückzahlungsverpflichtung für das
gewährte Stipendium.
Nach dem von dem Beigeladenen zu 1) ausgefüllten Personalfragebogen sollte die
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit als Praktikant bei vierzig Wochenstunden liegen.
An die FHDW entrichtete der Beigeladene zu 1) während des dreijährigen Studiums
Studiengebühren in Höhe von monatlich 1.100 DM, die Klägerin zahlte durchgehend
monatlich den selben Betrag an den Beigeladenen zu 1) als Vergütung während der in
ihrem Betrieb abgeleisteten sechs Praktika, als Stipendium während der sechs
theoretischen Studienabschnitte.
14
Am 16.08.2001 führte die Beklagte gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch
(SGB IV) eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch, betreffend den Prüfzeitraum vom
01.01.1996 bis zum 31.12.2000. Mit Bescheid vom 13.05.2002 stellte die Beklagte nach
Anhörung der Klägerin fest, dass das Studium des Beigeladenen zu 1) integrierter
Bestandteil eines Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisses sei und die
Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung nicht ausschließe. Dafür
spreche, dass der Beigeladene zu 1) durchgehend eine Zahlung in Höhe von 1.100 DM
erhalten und sich vertraglich gegenüber der Klägerin verpflichtet habe, über einen
Zeitraum von drei Jahren nach Beendigung des Studiums für die Klägerin tätig zu
werden bzw. die gewährten Zahlungen zu erstatten. Es habe sich bei den
Ausbildungszeiten im Betrieb der Klägerin nicht nur um sog. Zwischenpraktika
gehandelt, bei denen eine in den Betrieb verlagerte schulische Ausbildung vorliege und
die deshalb beitragsfrei seien. Vielmehr absolvierten Studenten der FHDW ihr Studium
im Rahmen eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnisses und seien daher als zur
Berufsausbildung Beschäftigte bzw. Arbeitnehmer anzusehen. Zwar sei für das duale
Studium ein blockartiger Wechsel zwischen praxisbezogener Ausbildung und Studium
typisch. Dennoch erhalte der Student/Praktikant durchgehend eine monatliche
Vergütung. Daraus folge die die Sozialversicherungspflicht begründende Bindung an
den Arbeitgeber. Für die Zeit vom 01.10.1999 bis zum 31.12.2000 seien 3.666,98 EUR
nachzuentrichten.
15
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der
Beigeladene zu 1) lediglich eine Vergütung/ein Stipendium in Höhe der von der privaten
FHDW geforderten Studiengebühren erhalten habe. Eine monatliche, auch die
Vorlesungszeiten umfassende Auszahlung habe die Weiterleitung der Studiengebühren
vereinfachen sollen. Da es sich um ein anerkanntes Studium handele und die
vorgeschriebenen Betriebspraktika zwingender Bestandteil des Studiums seien, komme
eine Versicherungspflicht während des Gesamtzeitraumes nicht in Betracht. Es handele
sich gerade nicht um ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis mit integriertem Studium.
Weder liege eine anerkannte berufliche Ausbildung vor noch habe vor Aufnahme des
Studiums eine Verbindung zum Praktikumsbetrieb bestanden.
16
Wegen eines anhängigen Parallelverfahrens bei dem erkennenden Senat (Az.: L 16 KR
192/02, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW)) ruhte das Vorverfahren
zunächst. Nach Rücknahme der Revision in dem Parallelverfahren (Az. des
Bundessozialgerichts (BSG): B 12 KR 33/03 R) durch die dortige beklagte
Krankenkasse, die auch die unselbständige Anschlussrevision des dortigen Klägers
erledigte, befragte die Beklagte den Beigeladenen zu 1) zu den Einzelheiten des
Studiums. Dieser teilte unter dem 22.04.2005 mit, er sei seit Beendigung des Studiums
als Angestellter für die Klägerin tätig. Der Praktikumsvertrag sei am 29.08.1999
abgeschlossen worden, die Mitteilung der FHDW, dass er das Studium aufnehmen
könne, datiere vom 19.05.1999. Rückzahlungen der Vergütung/des Stipendiums habe
er nicht leisten müssen. Wegen der Anschlusstätigkeit sei diese Verpflichtung seit dem
15.11.2005 entfallen. Er habe das Studium durch die von der Klägerin gewährten
Zahlungen finanziert, seinen Lebensunterhalt durch Unterhaltszahlungen seiner Eltern.
Als Praktikant habe er montags bis freitags gearbeitet, und zwar regelmäßig 40
Wochenstunden. Der das anschließende Arbeitsverhältnis regelnde Vertrag stamme
vom 25.09.2002. Danach sei er als Anwendungsentwickler im Bereich Lotus
Notes/Dominio Anwendungsentwicklung angestellt worden. Die monatliche Vergütung
habe zu Beginn bei 2.800 EUR, nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit bei 2.950
EUR gelegen.
17
Unter Berücksichtigung der o. g. Angaben wies die Beklagte den Widerspruch der
Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2005 als unbegründet zurück. Das duale
Studium des Beigeladenen zu 1) sei im Rahmen einer betrieblichen Berufsausbildung
oder eines Arbeitsverhältnisses absolviert worden. Deshalb unterliege dieses der
Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Die Beschäftigung, nicht das Studium, habe im Vordergrund gestanden. Dafür spreche
insbesondere, dass der Beigeladene zu 1) durchgehend, also auch während der
theoretischen Studienabschnitte, eine Vergütung erhalten habe. Stipendien privater
Arbeitgeber seien steuerpflichtiger Arbeitslohn und nur dann sozialversicherungsfrei,
wenn sie nicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gezahlt würden und die
Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Einkommenssteuergesetz (EStG) vorlägen. Danach
dürfe der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer
Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet werden. Anderenfalls liege beitragspflichtiger
Arbeitslohn vor. Der Beigeladene zu 1) habe jedoch die Vergütung nur gegen
Arbeitsleistung während der Praktika erhalten.
18
Mit der am 02.08.2005 zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin
ergänzend geltend gemacht, der Zeitraum des gesamten dreijährigen Studiums des
Beigeladenen zu 1), zumindest aber die Vorlesungszeiten, sei/en
sozialversicherungsfrei gewesen. Auch die betrieblichen Praktika, die zwingend
vorgeschrieben gewesen seien, habe die Studien- und Prüfungsordnung der FHDW
maßgeblich zeitlich und inhaltlich beeinflusst. Es habe insoweit strikte Vorgaben
gegeben; anderenfalls wären die Praktika nicht anerkannt worden. Dies mache deutlich,
dass das Studium im Vordergrund gestanden habe und der Beigeladene zu 1) seinem
gesamten Erscheinungsbild nach als Student anzusehen gewesen sei.
19
Die Klägerin hat beantragt,
20
den Bescheid der Beklagten vom 13.05.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 aufzuheben.
21
Die Beklagte hat beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen
Bescheid bezogen. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass das Studium
integrierter Bestandteil des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. Diese Beurteilung
entspreche der Einschätzung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum dualen
Studium, aber auch dem Urteil des BSG vom 10.12.1998 (Sozialrecht -SozR- 3-2500 § 6
Nr. 16) zum berufsintegrierten Studium mit Teilzeitbeschäftigung während des
Semesters und Vollzeitbeschäftigung während Semesterferien, das auf den
vorliegenden Fall übertragbar sei. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, dass die
Durchführung der Praktika in der Hand der FHDW gelegen habe. Zu einem intensiven
Kontakt mit dem Betrieb der Klägerin sei es offensichtlich nicht gekommen;
insbesondere hätten keine praxisbegleitenden Lehrveranstaltungen stattgefunden.
24
Die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) haben keine eigenen Anträge gestellt. Die
Beigeladene zu 2) hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen,
ebenfalls jedoch ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
25
Mit Urteil vom 14.02.2007 hat das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom
13.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 aufgehoben.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen darauf abgestellt, es habe im
streitgegenständlichen Zeitraum bis Ende 2000 kein Beschäftigungsverhältnis
bestanden. Im Kern fehle es aufgrund der konkreten Ausgestaltung des
Praktikumsvertrages an einem synallagmatischen Austausch von Leistungen (Arbeit
gegen Geld). Weder liege, bezogen auf die Rechte und Pflichten in den einzelnen
Zeitintervallen, ein Beschäftigungsverhältnis vor noch ergebe sich der Charakter des
Beschäftigungsverhältnisses aus einer künftigen Bindung an das Unternehmen. Der
Beigeladene zu 1) sei seinem Erscheinungsbild nach durchgehend Student gewesen.
Er habe sich auch in den fachpraktischen Zeiten ausschließlich an Studieninhalten
orientiert, die von der FHDW durch die Studienordnung und die tatsächliche Gestaltung
vorgegeben gewesen seien.
26
Gegen das ihr am 14.03.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.04.2007
Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auch unter Berücksichtigung des
Ergebnisses der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme auf ihren bisherigen
Vortrag.
27
Die Beklagte beantragt,
28
das Urteil des SG Köln vom 14.02.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.
29
Die Klägerin beantragt,
30
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
31
Sie erachtet das angefochtene Urteil als zutreffend und trägt ergänzend vor, der
Beigeladene zu 1) sei in keiner Weise in den Betrieb eingegliedert gewesen und habe
keinen inhaltlichen oder formalen Vorgaben unterlegen. Vielmehr hätten sich die Inhalte
32
der Praktika ausschließlich an den Vorgaben der FHDW orientiert. Ihr Interesse, das
Studium des Beigeladenen zu 1) in Form eines dreijährigen Stipendiums zu fördern,
habe darin gelegen, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums einen Mitarbeiter
erhalten zu können, der über Kenntnisse im Bereich "lotus notes" verfügt habe. Solche
Kenntnisse seien auf dem freien Arbeitsmarkt in der Regel nicht verfügbar. Auch seien
das Leistungsvermögen und das persönliche Verhalten des Beigeladenen zu 1) nach
sechs Praktika in ihrem Betrieb bekannt gewesen. Aus diesen Erwägungen könne aber
keine Sozialversicherungspflicht des Stipendiums abgeleitet werden.
Der Senat hat eine schriftliche Auskunft der FHDW eingeholt. Unter dem 07.02.2008 hat
Prof. Dr. P für die FHDW C mitgeteilt, die im Studienverlauf vorgesehenen
berufspraktischen Studientrimester bzw. betrieblichen Praxisphasen seien von den
Studierenden in geeigneten Unternehmen zu absolvieren. Die Inhalte würden im
Einzelfall und unter Berücksichtigung der angestrebten Studienschwerpunkte vom
Praktikumsbetrieb und dem Studierenden vorgeschlagen und vom
Praktikumsausschuss der FHDW auf Übereinstimmung mit den Studienzielen geprüft.
Es sollten praktische Erfahrungen und Kenntnisse erworben werden können. Die
FHDW gehe davon aus, dass der Praktikant im üblichen Umfang laut Tarifvertrag oder
ähnlichen vertraglichen Bestimmungen in den Praxisphasen anwesend sei. Die
berufspraktischen Studientrimester und die betrieblichen Praxisphasen seien laut
Studien- und Prüfungsordnung Teil der Hochschulausbildung.
33
Ergänzend hat der Senat den Beigeladenen zu 1) umfassend zu den Umständen des
Studiums und des Inhalts der Praktika im Betrieb der Klägerin befragt. Dieser hat
angegeben, während zweier Trimester, in denen er seine Projekt- bzw. Diplomarbeit
habe anfertigen müssen, sei er ausschließlich mit der Lösung der von der FHDW
gestellten Aufgabe beschäftigt gewesen. Auch während der übrigen fachpraktischen
Trimester habe er sich mit der Vertiefung der Studieninhalte und mit dem Erwerb von
Kenntnissen befasst, nicht mit der Mitarbeit an konkreten Projekten, die für die Klägerin
verwertbar gewesen seien. Er habe keinen Weisungen und keinen Vorgaben der
Klägerin unterlegen. Bezüglich der Arbeits- und Anwesenheitszeiten habe er sich - ohne
entsprechende Vorgaben der Klägerin - an die betrieblichen Gegebenheiten angepasst,
wobei es auch für die fest angestellten Anwendungsprogrammierer keine festen
Vorgaben bezüglich ihrer Anwesenheit im Betrieb der Klägerin gegeben habe. Zu den
Betreuern der FHDW habe während der Praktika durchgehend Kontakt bestanden. Die
Klägerin habe sich zu keinem Zeitpunkt über den konkreten Studienverlauf und -erfolg
informiert oder nachgefragt, ob er den Anforderungen des Studiums entspreche.
Während der fachtheoretischen Abschnitte habe keinerlei Kontakt zur Klägerin
bestanden. Aus seiner Sicht sei das nach dem Studium gezahlte Gehalt im Hinblick auf
das zuvor geleistete Stipendium nicht geringer als üblich ausgefallen.
34
Der Senat hat außerdem den damaligen Leiter der Abteilung "Systemintegration" der
Klägerin, N L, als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, der Beigeladene zu 1)
sei erst nach Abschluss seines Studiums in konkrete Projekte der Klägerin einbezogen
worden. Als Studierenden hätten ihm zum einen entsprechende Kenntnisse und
Fertigkeiten gefehlt, zum anderen sei dessen Mitarbeit an Kundenaufträgen aber auch
wegen der im Verhältnis zu den Laufzeiten solcher Projekte sehr kurzen
Praktikumsabschnitte von nur drei Monaten ausgeschlossen gewesen. Der Beigeladene
zu 1) habe sich während der Praktika vielmehr mit dem Erwerb von Wissen beschäftigt;
für die Klägerin verwertbare Tätigkeiten habe er in dieser Zeit nicht erbracht. In den
beiden Semestern, in denen er die Projekt- bzw. Diplomarbeit habe anfertigen müssen,
35
sei er ohnehin mit diesen Aufgaben vollständig ausgelastet gewesen. Eine zeitliche und
organisatorische Einbindung in den Betrieb der Klägerin habe er während der Praktika
des Beigeladenen zu 1) nicht feststellen können. In welchem Umfang Kontakt zur
FHDW bestanden habe, sei ihm, dem Zeugen, nicht mehr in Erinnerung.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der
Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte
Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
36
Entscheidungsgründe:
37
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht
begründet. Das SG hat zu Recht und mit bereits eingehender Begründung durch Urteil
vom 14.02.2007 den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 13.05.2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 aufgehoben; denn diese sind
rechtswidrig.
38
Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ist § 28p Abs. 1
S.1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern,
ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im
Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß
erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der
Meldungen alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach S. 5 der
Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und
Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung.
39
Aufgrund des rechtlichen Rahmens und der konkreten tatsächlichen Gestaltung hat der
Beigeladene zu 1) während der Theorie- und Praxisphasen nicht der
Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung nach §
20 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), in der gesetzlichen
Rentenversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und
im Arbeitsförderungsrecht nach § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
unterlegen. Er ist während der fachtheoretischen und -praktischen Studientrimester im
hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht Beschäftigter im Sinne des § 7
Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gewesen; denn es fehlt an der Ausübung nicht
selbständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV)
bzw. an dem diesem gleichgestellten Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder
Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV). Vielmehr
hat Beitragsfreiheit von Studenten in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 6
Abs. 1 Nr. 3 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 5 Abs. 3 SGB VI und im
Arbeitsförderungsrecht nach § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III bestanden.
40
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die praktische Ausbildung, die der
Beigeladenen zu 1) absolviert hat, in der Studienordnung der FHDW vorgeschrieben ist
(§ 5 Abs. 4, § 7 der Studienordnung) und damit auf einer öffentlich-rechtlichen
Grundlage beruht. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1232 Nr. 26; SozR
3-2500 § 5 Nr. 15) sind Praktika nur dann Teile des Studiums und damit
Unterrichtsveranstaltungen, wenn das maßgebende Hochschul- oder
41
Fachhochschulrecht die Praktika ausdrücklich als Teile des Studiums bezeichnet und
deren Durchführung in der Hand der Hochschule liegt oder wenn die Praktika durch
Hochschulrecht bzw. durch die Hochschule selbst geregelt und gelenkt werden, etwa
von der Hochschule praxisbegleitende Lehrveranstaltungen angeboten werden, die
Ausbildungsstellen der Anerkennung durch die Hochschule bedürfen. Dies ist
vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall. Die rechtlichen Vorgaben
bestimmen in § 7 Abs. 2 der Studienordnung der FHDW, dass die Ausbildungsinhalte
der Praxisquartale im Einzelfall und unter Berücksichtigung der angestrebten
Studienschwerpunkte vom Praxisbetrieb und den Studierenden vorgeschlagen und vom
Praxisausschuss auf Übereinstimmung mit den Studienzielen geprüft werden; im Falle
einer Ablehnung der Inhalte der Praxisphase durch den Praxisausschuss werden die
Inhalte der Praxisphase vom Praxisausschuss und der Praxisstelle gemeinsam neu
festgelegt. Der Beigeladene zu 1) sowie die Klägerin haben zu der tatsächlichen
Ausgestaltung übereinstimmend und glaubhaft ausgeführt, der Inhalt der Ausbildung
des Beigeladenen zu 1) in den Praxisquartalen sei vorab jeweils mit der FHDW
abgestimmt worden und der Betrieb, vor allem aber der Beigeladene zu 1) selbst hätten
während der Praxisphasen zu Mitarbeitern der FHDW oder deren Praxisausschuss bzw.
zum Betreuer Kontakt gehabt. Rahmenvereinbarungen oder ein Kooperationsvertrag
zwischen der FHDW und der Klägerin haben zwar nicht bestanden. Vor dem Senat
haben jedoch sowohl die Vertreterin der Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) erklärt,
die FHDW habe auf die Gestaltung und Abwicklung der Praktika Einfluss genommen.
Während zweier Trimester sei der Beigeladene zu 1) ausschließlich mit der Anfertigung
der vorgegebenen Arbeiten befasst gewesen, ansonsten habe er die
Ausbildungsinhalte vorab mit der FHDW abstimmen und diese genehmigen lassen
müssen. Die Aufgaben habe ausschließlich der Beigeladene zu 1) selbst, orientiert an
den Vorgaben der FHDW, ausgesucht. Aus den vorstehend dargelegten tatsächlichen
Verhältnissen, die sich grundlegend von dem im Jahre 2003 von dem erkenndenden
Senat entschiedenen Fall (Urt. vom 26.06.2003, Az.: L 16 KR 192/02, Neue Zeitschrift
für Sozialrecht (NZS) 2004, 146) unterscheiden, wird deutlich, dass im hier zu
beurteilenden Fall des Beigeladenen zu 1) eine Regelung und Lenkung der praktischen
Ausbildung seitens der FHDW erfolgt ist. Die Ausgestaltung der Praxisphasen ist den
Vorgaben der Studienordnung unterordnet gewesen. Während der Praxisphasen ist der
Beigeladene zu 1) auch seinem Erscheinungsbild nach Student gewesen, eine
Voraussetzung, die nach ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere BSG SozR 3-
2200 § 172 Nr. 2; zur Rechtsentwicklung und "Erscheinungsbild-Theorie" siehe die
Anmerkung zu diesem Urteil: Trenk-Hinterberger, Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 1993,
371) zu dem Merkmal einer hochschulrechtlichen förmlichen Einschreibung hinzutreten
muss. In den Praxisphasen ist das Erscheinungsbild des Beigeladenen zu 1)
ausschließlich durch das Studium geprägt gewesen, dieses war als Hauptsache
anzusehen. Der Beigeladene zu 1) hat dem Unternehmen nicht nur in den Trimestern, in
denen er die Projekt- bzw. Diplomarbeit anzufertigen hatte, sondern auch in den übrigen
vier Trimestern für betriebliche Belange nicht zur Verfügung gestanden. Er war weder in
den Betrieb eingebunden und noch war er während der gesamten Praxisquartale
weisungsgebunden. Auch hat er nicht an für die Klägerin verwertbaren Projekten
mitgearbeitet. Wenn er nicht ohnehin durch die Anfertigung von Projekt- und
Diplomarbeit aus den betrieblichen Abläufen herausgezogen war, hat er nach eigenen
Angaben an der Erweiterung seiner Kenntnisse auf bestimmten Gebieten gearbeitet, die
allenfalls in der Zukunft für die Klägerin verwertbar gewesen sind. Er hat nicht einmal an
Kundenbesuchen teilgenommen. Diese Feststellungen des Senats fußen auf den
übereinstimmenden Darlegungen der Klägerin, des Beigeladenen zu 1) sowie des
Zeugen N. Der Senat sieht es aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse als festgestellt
an, dass der Beigeladene zu 1) während der gesamten Praxisphasen nicht abhängig
beschäftigt gewesen ist. Die gezahlte Vergütung hat ihrem Sinn und Zweck nach viel
eher einem Stipendium entsprochen. Das BSG hat insoweit erst jüngst (Urt. vom
23.01.2008, Az.: B 10 LW 1/07 R, www.juris.de, zur Veröffentlichung vorgesehen in
SozR 4) entschieden, dass ein Stipendium kein dem Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen vergleichbares und damit kein sozialversicherungspflichtiges
Einkommen darstellt. Dieser Einschätzung schließt sich der erkennende Senat
vollinhaltlich an. Damit geht auch die Rückzahlungsverpflichtung konform, die der
Beigeladenen zu 1) hätte erfüllen müssen, wenn er nicht über zumindest drei Jahre im
Anschluss an das Studium bei der Klägerin tätig gewesen und dieser Umstand auf
seinem Verschulden beruht hätte.
Ebenso wie vorliegend die absolvierten Praktikumsphasen Teil einer
Hochschulausbildung sind, haben in den theoretischen Studienblöcken die
Voraussetzungen für eine Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1)
nicht vorgelegen. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass der Praktikantenvertrag
eine Vergütung auch für die Studienquartale umfasst, die in dem Praktikantenvertrag als
Stipendium bezeichnet wird. Dennoch begründet dieser Vertrag für die reinen
Studienphasen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) nicht gegenseitige
Rechte und Pflichten, wie sie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bestehen.
Der Verpflichtung des Unternehmens zur Zahlung einer durchgehenden Vergütung
stehen keine entsprechenden Pflichten des Studenten gegenüber. Der Beigeladene zu
1) hat auch tatsächlich während der Studienzeit nicht der Weisungsbefugnis des
Betriebes unterlegen; die Klägerin hat nicht einmal nach dem Verlauf bzw. Erfolg des
Studiums gefragt. Gegen eine Einordnung als abhängige Beschäftigung spricht auch
der Terminus technicus "Stipendium", der deutlich macht, dass der Betrieb zwar das
Studium finanziell - faktisch durch Übernahme der Studiengebühren - unterstützen, sich
in dessen Belange aber nicht einmischen wollte und dies auch nicht getan hat.
Schließlich spricht gegen eine Einbettung des Studiums in ein Arbeitsverhältnis des
Beigeladenen zu 1) zu der Klägerin, dass der Zeitpunkt der Immatrikulierung wesentlich
früher lag als die erste Praxisphase und der dieser vorausgehende Abschluss des
Praktikantenvertrages. Der Beigeladene zu 1) hat angegeben, dass ihm die Liste mit
potentiellen Praktikumsbetrieben erst nach der Einschreibung bei der FHDW
ausgehändigt worden sei. Dem Studium hat damit gerade nicht ein die gesamte
Ausbildung erfassender betrieblicher Ausbildungsvertrag zugrunde gelegen, der neben
der Ausbildungsvergütung andere betriebliche Leistungen zubilligt hat. Aus diesem
Grund hat es sich hier auch nicht um einen "praxisbezogenen (berufsintegrierten)
Studiengang" im Sinne der Einschätzung der Spitzenverbände gehandelt.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
43
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der hier vorzunehmenden Abgrenzung
zum Studenten, Praktikanten und Beschäftigten im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG
grundsätzliche Bedeutung beimisst.
44