Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2002

LSG NRW: gemeinschaftspraxis, genehmigung, berufsausübung, versorgung, gesetz im formellen sinn, rka, zusammenarbeit, gesellschaftsvertrag, labor, mitgliedschaft

Landessozialgericht NRW, L 10 KA 23/02
Datum:
21.08.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 10 KA 23/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 26 KA 18/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 49/02 R
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2002 wird
abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die
notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der
Beigeladenen zu 8) für beide Rechtszüge. Die Revision wird
zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob den Klägern die Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung
vertragsärztlicher Tätigkeit zu erteilen ist.
2
Der Kläger zu 2) war zunächst mit Genehmigung des Zulassungsschusses der
Kassenärztlichen Vereinigung (KV) O in der "überörtlichen ärztlichen
Berufsausübungsgemeinschaft Dr. M" mit dem Arztsitz I tätig. Diesen hat er sodann
nach E verlegt. Die Kläger sind seit dem 00.00.2000 am Arztsitz E, M1straße 00, in
Einzelpraxis als Ärzte für Laboratoriumsmedizin zugelassen und nehmen an der
vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 23.05.2000, von ihnen bezeichnet
mit "Antrag auf gemeinsame Berufsausübung in Gemeinschaftspraxis", stellten sie den
folgenden Antrag:
3
"Wir bitten, uns mit Wirkung ab dem 00.00.2000 die gemeinsame Berufsausübung in
Gemeinschaftspraxis an unserem Arztsitz E in den Praxisräumen M1straße 00, 00000 E,
zu genehmigen. Herr Prof. Dr. E1 wird der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft
Dr. M, I, spätestens zum 01.07.2000 beitreten. Wegen der Ausübung und der
Abgrenzung der ärztlichen Tätigkeiten der Gesellschafterärzte gilt das mit Schreiben
vom 21.03.2000 Ausgeführte entsprechend (Anlage)."
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In dem an den Zulassungsausschuss gerichteten Schreiben vom 21.03.2000 verweist
der Kläger zu 2) darauf, dass er mit der Verlegung des bisherigen Arztsitzes von I nach
E und der angestrebten Zulassung als Vertragsarzt im Bereich der KV X aus der
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vertragsärztlichen Versorgung der KV O ausscheide; zulassungsrechtlich bestünden
fortan ausschließlich Rechtsbeziehungen zur KV X, während die weiterhin am Arztsitz I
tätigen Mitgesellschafter der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ihren
gemeinsamen Sitz als Vertragsärzte in Gemeinschaftspraxis in I beibehalten würden.
Weiter hat der Kläger zu 2) in diesem Schreiben klargestellt, es sei nicht beabsichtigt,
mit den Gesellschaftern der I Laborarztpraxis Dr. M einen "überörtliche
Gemeinschaftspraxis" im Sinn des Vertragsarztrechts zu bilden; für den umgekehrten
Fall gelte gleiches. Sowohl er als auch die Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis Dr.
M würden davon ausgehen, dass sie jeweils ausschließlich an getrennten Arztsitzen in
E und I durch die jeweils dort zugelassenen Gesellschafter als Vertragsärzte tätig seien.
Demzufolge werde auch die Teilnahme am Abrechnungsverkehr unter separaten,
eigenständigen KV-Abrechnungsnummern für ihn - den Kläger zu 2) - mit dem Arztsitz E
und für die verbleibenden Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis Dr. M in I zu erfolgen
haben.
Im Verfahren auf Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung in
Gemeinschaftspraxis legten die Kläger die "Vereinbarung zur Aufnahme von
Gesellschaftern und zur Erweiterung der überörtlichen ärztlichen
Berufsausübungsgemeinschaft Dr. M vom 00.00.2000 vor, wonach sie Gesellschafter
der überörtlichen Berufausübungsgemeinschaft "Labor Dr. M" sind. Der mit "Vertrag
über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis" vom 00.00.1989 gegründeten
Gesellschaft waren 1999 der Kläger zu 2) und mit Vereinbarung vom 00.00.2000 der
Kläger zu 1) beigetreten. Im Vertrag vom 00.00.1989 haben die seinerzeitigen
Vertragspartner, bei denen es sich jeweils um Ärzte für Laboratoriumsmedizin handelt,
u.a. vereinbart, sich zur gemeinsamen Ausübung der kassenärztlichen Praxis und
privatärztlichen Tätigkeit zu verbinden, die bisher vom Dr. M ausgeübte Kassen- und
Privatpraxis ab dem 00.00.1989 als Gemeinschaftspraxis weiterzuführen und zu diesem
Zweck eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen (§ 1). Die
Gemeinschaftspraxis wird in dem im Eigentum von Dr. M stehenden Gebäude "Im C 00,
0000 I" ausgeübt (§ 2). In § 7 haben die Vertragspartner geregelt, dass die Führung der
Geschäfte und die rechtsgeschäftliche Vertretung nach außen durch Dr. M erfolgt; bei
Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung werde sich Dr. M mit den übrigen
Gesellschaftern nach Möglichkeit ins Benehmen setzen. Ferner bestimmt § 7, dass
abweichend von den Grundsätzen der Einzelgeschäftsführung und Vertretung der
Gemeinschaftspraxis durch Herrn Dr. M der Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, also
die Annahme einzelner Untersuchungsaufträge, die Durchführung der Untersuchung
einschließlich der hierzu notwendigen Anweisungen an das Hilfspersonal der Praxis
sowie die Stellung der Diagnose und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, jedem
Gesellschafter auch allein obliegt.
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Der Gesellschaftervertrag ist mit Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vom
00.00.2000, 00.00.2000 und der "Vereinbarung zur Aufnahme von Gesellschaftern und
zur Erweiterung der überörtlichen ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft Dr. M vom
00.00.2000 ergänzt worden. Die Vereinbarung vom 00.00.2000 haben die
Altgesellschafter Dr. M (Gesellschafter zu 1.), der Kläger zu 2) (Altgesellschafter zu 9.)
sowie weitere acht Altgesellschafter einerseits und drei beitretende Gesellschafter,
hierunter der Kläger zu 1), geschlossen. In der Vorbemerkung (Ziffer I 1 der
Vereinbarung) wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Altgesellschafter zu 1 bis 8 ihre
ärztliche Tätigkeit als niedergelassene Ärzte in I und der Altgesellschafter zu 9 als
niedergelassener Arzt in E ausüben. Die Zusammenarbeit der Gesellschafter regele
sich nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags vom 00.00.1989 nebst zugehörigem
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Schiedsvertrag sowie weiteren Beitrittvereinbarungen. In Ziffer I 4 dieser Vereinbarung
ist geregelt:
"Herrn Prof. Dr. E1 ist seit dem 00.00.2000 als Arzt für Laboratoriumsmedizin in E
niedergelassen. Er nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Praxis wird im
Gebäude M1straße 00 in E betrieben. Dort ist auch Herr Dr. O1 als niedergelassener
Vertragsarzt tätig.
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Herr Prof. Dr. E1 und Herr Dr. O1, sowie die übrigen Vertragsbeteiligten sind
übereingekommen, dass Herr Prof. Dr. E1 Gesellschafter der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft "Labor Dr. M" werden soll. Er wird seine Praxis gegen
Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Gesellschaft einbringen und seine
beruflichen Aktivitäten fortan nach näherer Maßgabe dieser Vereinbarung
ausschließlich als Gesellschafter der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft
"Labor Dr. M ausüben"."
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Ziffer III bestimmt, dass der Kläger zu 1) seine bestehende Laborarztpraxis nebst
Kundenstamm, Anlage- und Umlaufvermögen, vorhandenem Personal sowie
sämtlichen schuldrechtlichen Vereinbarung mit Dritten in die Gesellschaft einbringt.
Nach Ziffer IV 2 ist der Kläger zu 1) bis auf Weiteres am materiellen Aktiv- und
Passivvermögen der Gesellschaft nicht beteiligt. An einem etwaigen Geschäftswert
(Goodwill) wird der Kläger zu 1) frühestens mit dem am 00.00.2002 beginnenden
Geschäftsjahr beteiligt. Nach Ziffer IV 3 a) sollen die beitretenden Gesellschafter jeweils
bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres feste Gesellschafter-
Tätigkeitsvergütungen als Vorab-Gewinne erhalten. Diese Gewinnbeteiligung wird für
das Geschäftsjahr 2000 pro rata temporis ausgezahlt. Längstens bis zum 31.12.2003
verändert sich der den Gesellschaftern zugewiesene Vorabgewinn wie folgt: 2/3 werden
als Gesellschafter-Tätigkeitsvergütung gewährt; die verbleibende Differenz von 1/3
verändert sich in dem Ausmaß, in dem sich der Umsatz der Gesellschaft gegenüber
dem jeweils letzten, vorausgegangenen Geschäftsjahr erhöht oder vermindert. In Ziffer
IV 5 b) sind die Stimmrechtsverhältnisse geregelt. Hiernach hat der Altgesellschafter Dr.
M 39 Stimmen, weitere 4 Altgesellschafter haben jeweils 14 Stimmen, den sonstigen
acht Gesellschaftern sind jeweils 3 Stimmern eingeräumt. Sind mindestens 5
Altgesellschafter nach Ablauf von 6 Monaten mit einer Mehrheit von 75 % der
Gesellschaftsanteile der Auffassung, dass die Zusammenarbeit mit dem Kläger zu 1)
beendet werden soll, scheidet dieser zum Ablauf des dritten Monats nach Erhalt der
Mitteilung des entsprechenden schriftlichen Beschlusses der
Gesellschafterversammlung hin aus der Gesellschaft aus (Ziffer IV 6 a). Die Gesellschaft
soll nach Ziffer V 2 der Vereinbarung möglichst zum 00.00.2002 in eine
Partnergesellschaft umgewandet werden.
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Die Tätigkeit der Kläger innerhalb der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft Dr.
M ist zulassungsrechtlich mangels Antrags nicht genehmigt. Im Beschluss des
Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk B I
vom 00.00.2000 über die Zulassung des Klägers zu 2) heißt es hierzu, die
Berufsausübungsgemeinschaft, die zwischen Dr. O1 und der Gemeinschaftspraxis der
Dres. M pp. I bestehe, sei lediglich zur Kenntnis zu nehmen, der Zusammenschluss sei -
abweichend von etwaigen berufsrechtlichen Bestimmungen - nach geltendem
Vertragsarztrecht nicht relevant.
11
Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk B I
12
lehnte den Antrag der Kläger auf Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung
vertragsärztlicher Tätigkeit als Fachärzte für Laboratoriumsmedizin in 00000 E-Mitte,
M1straße 00, mit Beschluss vom 00.00.2000 ab. Zu prüfen sei u.a., ob landesrechtliche
Vorschriften über die ärztliche Berufsausübung einer Genehmigung entgegenstünden
bzw. durch den Gemeinschaftspraxisvertrag berufliche Belange gewahrt würden. Dies
setze die Vorlage eines schriftlichen Vertrags voraus. Das hätten die Antragsteller unter
Hinweis auf den vorgelegten zivilrechtlichen Vertrag über die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft verweigert.
Am 00.00.2001 haben die Kläger folgende, als Ergänzungsvereinbarung bezeichnete
Regelung getroffen und dem Beklagten vorlegt:
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" Vorbemerkung Herr Dr. O1 und Herr Prof. Dr. E1 sind Gesellschafter der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft Dr. M, I. Ihre laborärztliche Tätigkeit üben sie
ausschließlich am Arztsitz E aus. Sie sind als Vertragsärzte in E zugelassen und
streben die Genehmigung zur gemeinsamen ärztlichen Berufsausübung im Sinne von
33 Abs. 2 Ärzte-ZV an.
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Ergänzend zu den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft und den jeweiligen Beitrittsvereinbarungen wird hierzu
folgendes festgelegt:
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1. Mit dem Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der
vertragsärztlichen Tätigkeit an unserem gemeinsamen Arztsitz in Dortmund werden wir
im vertragsärztlichen Bereich unter folgender Bezeichnung auftreten:
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Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. med. E1, Dr. med. O1 Ärzte für Laboratoriumsmedizin
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2. Die Praxis wird nach Zusammenlegung mit gemeinsamen Personal in den
bisherigen, angemieteten Räumlichkeiten in dem Anwesen M1straße 00 in E ausgeübt.
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3. Die einschlägigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft nebst sämtlicher Ergänzungsvereinbarungen und
Beschlüsse gelten entsprechend für die vertragsärztlichen Beziehungen zwischen uns.
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4. Wir verpflichten uns gegenseitig, Auflagen der Zulassungsgremien, die im
Zusammenhang mit der beantragten Genehmigung der gemeinsamen vertragsärztlichen
Tätigkeit stehen, unverzüglich umzusetzen. Diese umfassende Verpflichtung gilt
unmittelbar auch im Sinne eines Angebots auf Abschluss einer entsprechenden
öffentlich-rechtlichen Vereinbarung/Zusage gegenüber den zuständigen
Zulassungsgremien oder der Landesärztekammer."
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Mit Beschluss desselben Datums hat der Beklagte den Widerspruch der Kläger
zurückgewiesen. Zur Begründung führte er aus, jedenfalls der Kläger zu 1) übe zur Zeit
seine ärztliche Tätigkeit nicht in "eigener Praxis" aus. Er habe seine Laborarztpraxis
nebst Kundenstamm, Anlage- und Umlaufvermögen, vorhandenem Personal sowie
sämtlichen bestehenden schuldrechtlichen Vereinbarungen mit Dritten in die
Gesellschaft eingebracht und sei bis auf weiteres am materiellen Aktiv- und
Passivvermögen nicht beteiligt. Er werde frühestens ab dem am 00.00.2002
beginnenden Geschäftsjahr an etwaigen bestehenden oder zukünftig entstehenden
stillen Reserven der Gesellschaft sowie an einem etwaigen Geschäftswert beteiligt.
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Allerdings habe er auch keine finanzielle Einlage zu erbringen. Dr. M sei von den
Altgesellschaftern beauftragt und bevollmächtigt, mit dem Kläger zu 1) namens der
Gesellschaft verbindliche Vereinbarungen abzuschließen, die ihm jeweils bis zum Ende
des laufenden Geschäftsjahres eine feste Gesellschafts-Tätigkeitsvergütung als
Vorabgewinn zusicherten. Der Gewinn-Vorab werde von Dr. M persönlich garantiert. Für
die Beschlussfassung in sämtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft, ausgenommen
der Aufnahme und Kündigung von Gesellschaftern, der Gewinnverteilung sowie der
Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder sonstige die Gesellschafterstellung von
Gesellschaftern berührende Entscheidungen, auch soweit diese Abfindungsansprüche
beträfen, werde anstelle der maßgeblichen prozentualen Beteiligung (entsprechend den
Gesellschaftsanteilen) auf Stimmrechtsverhältnisse abgestellt, die z.B. Dr. M 39
Stimmen, einigen Altgesellschaftern je 14 Stimmen und u.a. dem Kläger zu 1) 3
Stimmen zubilligten. Mit einer Mehrheit der Altgesellschafter könne ein Ausscheiden
des Klägers zu 1) beschlossen werden. Danach sei ein gravierendes Einwirkungsrecht
auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit insbesondere des Klägers zu 1)
seitens der Altgesellschafter und insbesondere des Dr. M auch hinsichtlich der
Gewinnverteilung festzustellen. Damit sei die Unabhängigkeit des Klägers zu 1) in
seinen fachlichen Entscheidungen in unzulässiger Weise gefährdet.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Die Kläger haben u.a.
vorgetragen: Die Mitgliedschaft in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit
den in I praktizierenden Ärzten beeinträchtige sie in der eigenverantwortlichen
Gestaltung ihrer ärztlichen Tätigkeit nicht. Die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen
ordneten schon jetzt dem Kläger zu 2) eindeutig Geschäftsführung und Vertretung der
Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher am Arztsitz E anstehender Fragen zu. Die in I
niedergelassenen Gesellschafter würden auf die ärztliche Tätigkeit der Kläger in E
keinen Einfluss ausüben. Die Mitgliedschaft in der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft verschaffe ihnen den Zugang zu Untersuchungen für
Einsender außerhalb des vertragsärztlichen Bereiches. Dies gelte insbesondere für
Krankenhäuser und Kliniken aus dem Einzugsbereich der Praxen, die schon zuvor
Auftraggeber des Labors in I gewesen seien. Das langjährig gewachsene Know-how
und die Vielzahl schon bestehender Verbindungen zu Einsendern der überörtlichen
Gemeinschaftspraxis im gesamten Sgebiet ermöglichten es ihnen, in der
vergleichsweise kurzen Zeit seit Einrichtung ihrer jeweiligen Einzelpraxen ein sehr
weitreichendes Untersuchungsspektrum am Arztsitz E aufzubauen und vorzuhalten. Sie
hätten den alleinigen Zugriff auf die räumlichen und sachlichen Mittel der Praxis in E.
Allein sie würden die Mitarbeiter ihrer Praxen einstellen und nur sie hätten die fachliche
Weisungsbefugnis über das nichtärztliche Personal am Praxisstandort E. Ausschließlich
sie gewährleisteten die ordnungsgemäße und eigenverantwortliche
Leistungserbringung. Sie würden das mit der Aufnahme einer freiberuflichen
Niederlassung in eigener Praxis verbundene wirtschaftliche Risiko tragen. Sie seien
eigenständig und gesamtschuldnerisch haftende Vertragspartner aus sämtlichen
schuldrechtlichen Verpflichtungen der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft. Ihr
Haftungsrisiko gehe damit im Außenverhältnis über die Haftung für am Laborstandort E
begründete Verbindlichkeiten hinaus. Im Innenverhältnis würden sie ebenso wie die
übrigen Gesellschafter für in Ausübung ihrer Tätigkeit begangene schuldhafte
Fehlleistungen gegenüber ihren Mitgesellschaftern allein und ohne
Freistellungsansprüche haften. Da sie nur am Arztsitz E als niedergelassene Ärzte tätig
seien, dort die Geschäfte führten und entsprechend die Gesellschaft verträten, komme
eine Mithaftung der am Arztsitz I tätigen Gesellschafter für von ihnen in E begangene
schuldhafte Fehlleistungen im Innenverhältnis nicht in Betracht. Der
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eigenverantwortlichen, freiberuflichen Tätigkeit in eigener Praxis stehe auch nicht
entgegen, dass sie mit den von Dr. M insoweit vertretenen Mitgesellschaftern eine
Gesellschaftervereinbarung abgeschlossen hätten, die ihnen für eine Übergangsphase
weitestgehend unabhängig von den am Standort E erwirtschafteten Ergebnissen eine
Mindestgewinnbeteiligung als Gewinn-Vorab im Sinne einer Gesellschafter-
Tätigkeitsvergütung gewähre. Dem liege zugrunde, dass es die Gesellschafter der
überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft übereinstimmend für unangemessen
hielten, sie - die Kläger - allein mit den vollen wirtschaftlichen Anlaufverlusten und
Aufbaukosten der neu gegründeten und nach dem gemeinsamen Willen aller
Gesellschafter aufzubauenden Praxis zu belasten. Die persönliche Garantie des Dr. M
für den vereinbarten Gewinnanspruch des Klägers zu 1) beruhe auf einer langjährigen
persönlichen Bekanntschaft.
Die Kläger haben beantragt,
23
den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 16.01.2001 zu verurteilen, über
ihren Antrag zur Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
24
Der Beklagte hat beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses bezogen und im Übrigen die
Auffassung vertreten, dass jedenfalls der Kläger zu 1) seine vertragsärztliche Tätigkeit in
der geplanten Gemeinschaftspraxis nicht eigenverantwortlich und selbstständig
ausüben könne.
27
Die Beigeladenen zu 1) bis 7) haben keine Anträge gestellt.
28
Die Beigeladene zu 8) hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
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Sie hat darauf verwiesen, dass die Kläger die Genehmigung einer überörtlichen
Gemeinschaftspraxis erstrebten, eine solche Form der ärztlichen Berufsausübung mit
dem Vertragsarztrecht jedoch nicht vereinbar sei.
31
Mit Urteil vom 23.04.2002 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund den Beklagten unter
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verurteilt, über den Antrag der Kläger auf
Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis am Arztsitz E, M1straße 00, unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hierzu hat es im
wesentlichen ausgeführt: Die Kläger seien ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen
Einbindung in eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft in freier Praxis tätig.
Landesrechtliche Vorschriften stünden der beantragten Genehmigung nicht entgegen.
Soweit Ärzte - wie die Kläger - regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen tätig
seien, könnten sie sich zu einer Berufsausübungsgemeinschaft auch derart
zusammenschließen, dass jeder der Gemeinschaftspartner seine ärztliche Tätigkeit an
einem den Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit bildenden Praxissitz ausübe. Eine
räumliche Begrenzung auf den jeweiligen KV-Bezirk sei nicht vorgesehen. Entgegen
der Auffassung der Beigeladenen zu 8) gehe es nicht um die Genehmigung einer KV-
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übergreifenden Gemeinschaftspraxis mit verschiedenen Arztsitzen sondern lediglich um
die Genehmigung einer "klassischen" Gemeinschaftspraxis (nur) der Kläger am Arztsitz
E mit gemeinsamer ärztlicher Tätigkeit. Die Besonderheit liege ausschließlich in der
zivilrechtlichen Eingliederung der Kläger in die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft. Dies ändere nichts an der vertragsärztlichen
Begrenzung der Gemeinschaftspraxis auf den Standort E und die beiden Kläger.
Rechtsbeziehungen bestünden sowohl bei einer Tätigkeit in Einzelpraxen als auch bei
der gemeinsamen Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis nur zwischen den Klägern und der
Beigeladenen zu 8). Es sei nicht zu beanstanden, dass die Kläger ihre vertragsärztlicher
Tätigkeit am Arztsitz in E auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages der
überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft gestalten. Für eine (verdeckte)
Arbeitnehmerstellung würden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. Im
Übrigen sei das Vorgehen der Zulassungsgremien und der Beigeladenen zu 8)
inkonsequent: Einerseits werde zur Begründung der Genehmigungsversagung für die
Gemeinschaftspraxis die Freiberuflichkeit jedenfalls des Klägers zu 1) verneint,
andererseits seien die Kläger unmittelbar zuvor, von der Beigeladenen zu 8)
unangefochten, in Kenntnis der Einbindung in die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen worden.
Diese Entscheidung greift die Beigeladene zu 8) fristgerecht mit der Berufung an. Sie
macht geltend: Die Kläger hätten bislang nicht durch Vorlage eines auf den
Vertragsarztsitz E bezogenen Gemeinschaftspraxisvertrags dokumentiert, dort eine
"klassische" Gemeinschaftspraxis bilden zu wollen. Demzufolge könne die konkrete
Ausgestaltung der gemeinschaftlichen Berufsausübung im Hinblick auf
vertragsarztrechtliche Anforderungen nicht geprüft werden. Unzutreffend sei die
Auffassung des SG, die Eingliederung der Kläger in die Gemeinschaftspraxis I sei rein
zivilrechtlicher Natur. Ausweislich der Berufsordnung der Ärztekammer X könnten Ärzte
nur jeweils einer Berufsausübungsgemeinschaft angehören. Die Vereinbarungen über
die Mitgliedschaft der Kläger in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft würden
verdeutlichen, dass sie ihre laborärztliche Tätigkeit unmittelbar in den rechtlichen
Rahmen dieser Gemeinschaft einbringen wollen. Die "zivilrechtliche Eingliederung" der
Kläger in die Berufsausübungsgemeinschaft M sei im Ergebnis auf die Mitgliedschaft in
eine überörtlichen Gemeinschaftspraxis gerichtet, die nach vertragsarztrechtlichen
Grundsätzen nicht genehmigungsfähig sei.
33
Die Beigeladene zu 8) beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2002 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
35
Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1) bis 3) schließen sich dem Antrag des
Beigeladenen zu 8) an.
36
Die Kläger beantragen,
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die Berufung der Beigeladenen zu 8) gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 23.04.2002 zurückzuweisen.
38
Sie tragen vor: Bei der von ihnen angestrebten gemeinsamen Berufsausübung am
Arztsitz E handele es sich nicht um eine eigenständige Berufsausübungsgemeinschaft,
39
die neben die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft der Kläger mit den am
Arztsitz I tätigen Gesellschaftern trete. Sowohl sie als auch die übrigen Gesellschafter
würden nicht in Frage stellen, dass die Befugnis zur gemeinsamen vertragsärztlichen
Tätigkeit durch den individuellen Zulassungsstatus auch territorial begrenzt werde.
Eines über den bereits vorgelegten Vertrag der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft hinausgehenden Vertrages bedürfe es nicht. Selbst
wenn ein solcher zweiter Vertrag erforderlich wäre, stünde dieser nicht in Widerspruch
zur Berufsordnung. Ansonsten wären überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften nur
noch zwischen Einzelpraxen möglich. Das könne nicht gewollt sein. Angesichts des Art.
12 GG sei es geboten, zwischen der arztrechtlichen Möglichkeit, sich zu einer
überörtlichen Gesellschaft zusammenzuschließen, und den vertragsarztrechtlichen
Einschränkungen praktische Konkordanz herzustellen. Sie - die Kläger - würden im
Übrigen ärztlich weisungsunabhängig und eigenverantwortlich handeln und auch über
personelle und sächliche Mittel allein disponieren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.
40
Entscheidungsgründe:
41
Die Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 4) bis 7) entscheiden. Die
Beteiligten sind auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
42
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beigeladenen zu 8) ist
begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten erweist sich im Ergebnis als
rechtmäßig. Demgemäss hätte das SG die Klage abweisen müssen.
43
I.
44
Nach § 33 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV), zuletzt geändert durch in Art.
9 Nr. 26 a) und Nr. 26 b) des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21.12.1992
(BGBl. I S. 2266 ff.), bedarf die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit unter
Vertragsärzten der vorherigen Genehmigung durch den Zulassungsausschuss. Die
Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Versorgung der Versicherten
beeinträchtigt wird oder landesrechtliche Vorschriften über die ärztliche Berufsausübung
entgegenstehen.
45
Die Regelung des § 33 Ärzte-ZV beruht zwar auf der Ermächtigungsgrundlage des § 98
Abs. 1 iVm § 98 Abs. 2 Nr. 13 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -
(SGB V). Dennoch ist § 33 Ärzte-ZV im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle nur am
Grundgesetz (GG), nicht aber an dieser Ermächtigungsnorm zu messen. Der
Verordnungsgeber hatte auf Grund der durch § 368c Reichsversicherungsordnung
(RVO) eingeräumten Ermächtigung die "Zulassungsordnung für Kassenärzte" (ZOÄ)
vom 28.05.1957 (BGBl. I. S. 572) in Kraft gesetzt. Sie hatte Verordnungscharakter.
Durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) ist die
Verordnung inhaltlich an das SGB V angepasst und nunmehr als
Zulassungsverordnung für Kassenärzte bezeichnet worden. Weitere Änderungen
erfolgten u.a. durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl. I S.
2266, 2305 ff.), das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten
und des Kinder- und Jugendlichentherapeuten vom 16.06.1998 (BGBl. I S. 1311 ff)
46
sowie das 2. GKV-NOG vom 23.06.1997 (BGBl. I S. 1520) und schließlich das GKV-
Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626, 2654).
Rechtstechnisch hat die Änderung der Verordnung durch Gesetz zur Folge, dass die
geänderten Teile der Verordnung nunmehr selbst Gesetzeskraft erlangen. Das betrifft
auch § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV, denn § 33 Abs. 2 Satz 1 beruht auf einer Änderung durch Art.
9 Nr. 26 a) des Gesetzes vom 21.12.1992 während § 33 Abs. 2 Satz 3 auf Art. 9 Nr. 26 b)
dieses Gesetzes zurückzuführen ist (BGBl. I S. 2266). Zwar hat der Gesetzgeber
mehrfach, u.a. in Art 55 GRG, Art. 24 GSG und Art. 10 des GKV-
Gsundheitsreformgesetzes 2000, die Rückkehr der mittels Gesetzes geänderten Teile
der Ärzte-ZV zum Verordnungsrang bestimmt (hierzu Schiller in Schnapp/Wigge,
Handbuch für das Vertragsarztrecht, 2002, § 5d Rdn. 3). Mit diesen Artikelvorschriften
wird es dem Verordnungsgeber indessen nur gestattet, die kraft Gesetz
vorgenommenen Änderungen mittels Verordnung zu ändern oder zu ergänzen. Solange
dies nicht erfolgt, stellt der entsprechende Teil der Ärzte-ZV - wie § 33 Abs. 2 - ein
Gesetz im formellen Sinn dar.
Die verfassungsmäßige Ermächtigungsnorm (§ 98 Abs. 1 iVm § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB
V) bestätigt das grundsätzliche Recht der Vertragsärzte, die vertragsärztliche Tätigkeit
gemeinsam auszuüben. Entsprechend begrenzt sie die Regelungsbefugnis des
Verordnungsgebers. § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV trägt dem Rechnung, indem eine Versagung
der Genehmigung nur zulässig ist, soweit gesetzlich geschützte öffentliche Interessen,
nämlich die Versorgung der Versicherten unter Beachtung der allgemeinen Vorschriften
über die ärztliche Berufsausübung dies erfordern (BSG vom 22.04.1983 - 6 RKA 7/81 -).
Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, denn die hierin liegende Beschränkung der
Berufsausübung ist bereits dann zulässig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls
dafür bestehen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sind
insoweit ausreichend, sofern die Regelung für die Betroffenen zumutbar und nicht
übermäßig belastend ist. Das ist der Fall. Dass bei der gemeinsamen Ausübung der
vertragsärztlichen Tätigkeit die Grundsätze des freien Berufs und die sich aus der
Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ergebenden Grenzen beachtet
werden, kann ohne Bedenken als vernünftiger Grund des Gemeinwohls im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden (vgl. BSG vom
14.07.1965 - 6 RKa 1/63 - zu § 33 ZOÄ a.F.).
47
II.
48
Angesichts der von den Beteiligten geäußerten unterschiedlichen Auffassungen zur
Frage, was Gegenstand des Antrags der Kläger und damit der Entscheidung der
Zulassungsgremien ist, stellt der Senat klar: Streitgegenstand ist der Antrag der Kläger,
ihnen mit Wirkung ab dem 00.00.2000 die gemeinsame Berufsausübung in
Gemeinschaftspraxis an ihrem Arztsitz E, M1straße 00, 00000 E, zu genehmigen
(Schreiben vom 00.00.2000). Dem entspricht der Tenor des Beschlusses des
Zulassungsausschusses vom 21.06.2000. Auch der Antrag vor dem SG bezieht sich nur
auf die Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis der Kläger. Soweit das SG den
Beklagten verurteilt hat, über den Antrag der Kläger auf Genehmigung einer
Gemeinschaftspraxis am Arztsitz E, M1straße 00, erneut zu entscheiden, liegt auch dem
zugrunde, dass es nur um eine Gemeinschaftspraxis zwischen den Klägern geht.
Unmissverständlich deutlich wird dies anhand der Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils. Denn hierin führt das SG aus, dass es nicht um die
Genehmigung einer KV-übergreifenden Gemeinschaftspraxis mit verschiedene
Arztsitzen, sondern nur um die Genehmigung einer "klassischen" Gemeinschaftspraxis
49
(nur) der Kläger am Arztsitz E gehe. Der Senat tritt dem bei. Abgesehen von den
gestellten Anträgen hat der Kläger zu 2) im Schreiben vom 21.03.2000, das dem Antrag
vom 23.05.2000 als Anlage beigefügt war, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er
nicht beabsichtige, mit den Gesellschaftern der I Laborarztpraxis M eine "überörtliche
Gemeinschaftspraxis" im Sinn des Vertragsarztrechts zu bilden. Die Zulassungsgremien
haben dies nicht näher geprüft und sind demgemäss - entsprechend dem Inhalt der
gestellten Anträge - davon ausgegangen, dass die Kläger die Genehmigung für eine
"klassische" Gemeinschaftspraxis in E begehren.
III.
50
Der Beklagte musste die Genehmigung versagen, weil 1. die Versorgung der
Versicherten beeinträchtigt wird und 2. landesrechtliche Vorschriften über die ärztliche
Berufsausübung entgegenstehen.
51
Zu 1.
52
Gesetzliche und/oder untergesetzliche Regelungen zur Ausfüllung des Begriffs
"Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten" existieren nicht. Die Vorschrift steht
indes sowohl sprachlich als auch inhaltlich in Zusammenhang mit § 116 Abs. 1 SGB V.
Danach können Krankenhausärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung
ermächtigt werden, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der
Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder
Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt ist. Das ist
der Fall, wenn ein quantitativ-allgemeiner oder qualitativ-spezieller Bedarf gegeben ist
(z.B. BSG vom 12.09.2001 - B 6 KA 86/00 R -). Es liegt nahe, diesen Ansatz auf die
Auslegung des § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV zu übertragen (vgl. auch Heinemann/Liebold,
Kassenarztrecht, Ärzte-ZV § 33 E 256). Ermittlungen hierzu haben die
Zulassungsgremien nicht durchgeführt. Indessen ist dies nicht entscheidungserheblich,
denn die Versorgung der Versicherten ist auch dann gefährdet, wenn die
antragstellenden Ärzte nicht nachweisen, dass sie im Verhältnis zueinander und
bezogen auf die Versicherten ihre vertragsärztlichen Rechte und Pflichten geregelt
haben. Um diesen Nachweis zu erbringen, bedarf es der Vorlage eines
Gemeinschaftspraxisvertrags. Zwar erlaubt es der im Privatrecht geltende Grundsatz der
Vertragsfreiheit auch Ärzten, das Nähere über die gemeinsame Berufsausübung zu
bestimmen (BSG vom 22.04.1983 - 6 RKA 7/81 - m.w.N.). Zulassungsrechtlich
genehmigungsfähig ist jedoch nur eine solche Gemeinschaftspraxis, die den
Anforderungen genügt, die auf Grund berufs- und vertragsarztrechtlicher Bestimmungen
an diese Form der ärztlichen Berufsausübung gestellt werden (Wigge in
Schnapp/Wigge § 5 e Rdn. 27; vgl. auch Burghardt/Dahm in MedR 1999, 485, 486 zur
Ärzte-ZV als Gesetz iSd § 134 BGB). Berufsrecht und Vertragsarztrecht schränken die
zivilrechtliche Privatautonomie insoweit ein (vgl. Kapitel D Nr. 7 BO iVm § 1 Abs. 3
PartGG). Vertragsarztrechtlich muss u.a. vereinbart werden: Bezeichnung der
Gemeinschaftspraxis, Haftungsregelungen, Sicherstellung der freien Arztwahl,
Verantwortlichkeit für die fachliche und sachliche Praxisführung, Sicherstellung der
persönliche Leistungserbringung, Regelungen über Sprechstundenzeiten, Urlaub und
Vertretung sowie Zuständigkeit für Personalangelegenheiten. Ferner muss aus der
Vereinbarung ersichtlich sein, dass und welche Regelungen die Vertragspartner über
die Abrechnung und Leistungserbringung getroffen haben (Transparenz des
Leistungsgeschehens), um der KV im Rahmen der ihr obliegenden
Überwachungsfunktion u.a. die Überprüfung zu ermöglichen, welcher Vertragspartner
53
die jeweilige Leistung erbracht hat, und ob dieser die personenbezogenen
Leistungsqualifikationen erfüllt (vgl. BSG vom 22.04.1983 - 6 RKa 7/81 -). Schließlich
muss aus dem Vertrag deutlich werden, dass die Gesellschafter ihre vertragsärztliche
Tätigkeit persönlich in freier Praxis ausüben (vgl. § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV), selbstständig
tätig sind und das Unternehmerrisiko tragen (hierzu BSG vom 28.01.1999 - B 3 KR 2/98
R - und vom 16.03.1973 - 6 RKA 23/71 -).
Der Senat sieht hierin weder einen abschließenden noch vollständigen Katalog.
Maßgebend ist eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles. Diese
Wertung allerdings führt zum Ergebnis, dass die von den Klägern vorgelegten Verträge
den genannten Anforderungen nicht genügen. Die Vereinbarung vom 00.00.2001 regelt
nur die Bezeichnung der angestrebten Gemeinschaftspraxis und den Praxissitz,
verweist im Übrigen auf den Gesellschaftsvertrag der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft. Organisation und Praxisablauf betreffende Regelungen
sind weder hierin noch in der Ergänzungsvereinbarung vom 00.00.2000 enthalten. Der
Vertrag vom 00.00.1989 enthält zwar Vertretungs-, Urlaubs-, Sprechstundenregelungen
und Regelungen über Personalangelegenheiten; diese sind jedoch auf die 1989
errichtete Gemeinschaftspraxis M in I zugeschnitten und auf das Verhältnis der Kläger
untereinander nicht anwendbar. Gleichermaßen haben die Kläger für die von ihnen
angestrebte Gemeinschaftspraxis keinerlei haftungsrechtliche Regelungen getroffen
worden. § 12 des Vertrags vom 25.11.1989 ist auf die seinerzeit gegründete
Gemeinschaftspraxis M zugeschnitten und im Verhältnis der Kläger untereinander im
Hinblick auf die beantragte Gemeinschaftspraxis nicht anwendbar. Soweit die
Mitgesellschafter der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft unter dem
19.08.2002 bestätigt haben, dass der Kläger zu 1) seit dem 00.00.2001 in allen das
Labor am Standort E und dessen Rechtsbeziehungen gegenüber Dritten betreffenden
Angelegenheiten zur alleinigen Geschäftsführung befugt und vertretungsberechtigt ist,
führt dies nicht weiter. Hieraus folgt, dass dem Kläger zu 1) diese Rechtsstellung zum
Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides (16.01.2001) noch nicht
eingeräumt war. Im übrigen sind derartige Erklärungen nicht ausreichend. Den
Zulassungsgremien sind (verbindliche) Verträge zur Prüfung vorzulegen.
54
Soweit die Kläger meinen, es bedürfe eines dies alles regelnden Vertrages nicht, weil
es sich bei der erstrebten Gemeinschaftspraxis nicht um eine gesonderte Praxis
handele, die neben die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft trete, trägt auch dies
ihr Vorbringen nicht. Selbst wenn diese Auffassung richtig wäre, müsste jedenfalls der
Vertrag vom 00.00.1989 nebst Zusatzvereinbarungen den aufgezeigten Anforderungen
genügen. Das ist indes - wie dargestellt - nicht der Fall.
55
Der Einwand der Kläger, den Zulassungsgremien stehe kein eigenes Prüfungsrecht
hinsichtlich der Frage zu, ob berufliche Belange gewahrt sind, geht fehl. Zwar hat auch
die Ärztekammer eine entsprechende Prüfung anhand der vorzulegenden Verträge
vorzunehmen (§ 24 BO). Eine Ausschlussfunktion dergestalt, dass nunmehr die
Zulassungsgremien gehindert sind, die Verträge zu prüfen, ist hiermit indessen nicht
verbunden. Die Zulassungsgremien sind vielmehr verpflichtet, sich einen schriftlich
fixierten Gesellschaftsvertrag über die gemeinsame Praxisausübung und über die
Regelung der gemeinsamen beruflichen Tätigkeit vorlegen zu lassen. Anderenfalls
können sie die von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV geforderte Prüfung, ob und inwieweit die
Versorgung der Versicherten beeinträchtigt wird, nicht ordnungsgemäß durchführen.
Überdies ist das Vorhandensein eines Gesellschaftsvertrags Voraussetzung für das
Bestehen einer Gemeinschaftspraxis und damit der Genehmigungsfähigkeit dieser Form
56
der Berufsausübung (BSG vom 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R -).
Damit ergibt sich: Die Genehmigung war schon deswegen zu versagen, weil die
gemeinsame Ausübung der vertragärztlichen Tätigkeit durch die Kläger die Versorgung
der Versicherten beeinträchtigen wird. Soweit die Zulassungsgremien hierzu - ohne
Begründung - eine andere Auffassung vertreten haben, können die Kläger hieraus
nichts herleiten. Dem Beklagten ist, jedenfalls soweit es um die Frage geht, ob und
inwieweit die vorgelegten Verträge den aufgezeigten rechtlichen Anforderungen
genügen, kein Beurteilungsspielraum eingeräumt.
57
IV.
58
Unabhängig hiervon steht in der vom Senat vorzunehmenden rechtlichen Wertung des
Streitstoffes im Vordergrund, dass die begehrte Gemeinschaftspraxis schon deswegen
nicht genehmigungsfähig ist, weil dem landesrechtliche Vorschriften über die ärztliche
Berufsausübung entgegenstehen.
59
1. Nach Kapitel D Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 BO der Ärztekammer X dürfen Ärzte für die
Berufsausübungsgemeinschaft nur solche Gesellschaftsformen wählen, welche die
eigenverantwortliche und selbstständige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung
wahren. Solche Gesellschaftsformen sind die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§
705 ff. BGB) für die Gemeinschaftspraxis und die Partnerschaftsgesellschaft für die
Ärztepartnerschaft (Satz 2). Ärzte dürfen nur einer Berufsausübungsgemeinschaft
angehören; ausgenommen ist nur die Kooperation mit einem Krankenhaus oder
vergleichbaren Einrichtungen (Satz 4). § 22 BO bestimmt hierzu: Zur gemeinsamen
Berufsausübung sind die in Kapitel D Nrn. 7 bis 11 geregelten
Berufsausübungsgemeinschaften von Ärztinnen und Ärzten (Gemeinschaftspraxis,
Ärztepartnerschaft), Organisationsgemeinschaften unter Ärztinnen und Ärzten (z.B.
Praxisgemeinschaft, Apparategemeinschaft) und die medizinischen
Kooperationsgemeinschaften sowie der Praxisverbund zugelassen.
60
2. Diese berufsrechtlichen Vorschriften sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Ärztekammer ist zum Erlass einer Berufsordnung (Satzung) befugt, denn die darin
geregelten Berufspflichten konkretisieren lediglich Generalklauseln des
Heilberufsgesetzes und haben keinen statusbildenden Charakter (vgl. OVG Nordrhein-
Westfalen vom 16.11.1973 - XIV A 1038/71VG -).
61
3. Der Senat sieht eine überörtliche Gemeinschaftspraxis für nicht patientenbezogene
Fachgebiete (vgl. Kapitel D Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 BO) ungeachtet des § 24 Ärzte-ZV
vertragsarztrechtlich grundsätzlich als zulässig an. Er tritt den Ausführungen des SG
Detmold in dem den Beteiligten überreichten Urteil vom 28.06.2002 - S 12 KA 8/01 - bei.
Einem Zusammenschluss von Gemeinschaftspraxen zu einer überörtlichen
Gemeinschaftspraxis in diesen Fachgebieten stehen aber die o.g. berufsrechtliche
Regelungen entgegen (vgl. Schiller in Schnapp/Wigge § 5 d Rdn. 42). Die Kläger
gehören bereits der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft M an. Nach Kapitel D
Nr. 8 Abs. 1 Satz 4 BO ist ihnen - berufsrechtlich - die Mitgliedschaft in einer anderen
Berufsausübungsgemeinschaft, also der zwischen ihnen avisierten
Gemeinschaftspraxis in E, M1straße 00, verwehrt. Anders zu beurteilen wäre dies
allenfalls dann, wenn die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft M lediglich den
Charakter einer Vertriebs- oder Betriebsgesellschaft hätte (hierzu Wigge in
Schnapp/Wigge § 5 e Rdn. 42,43; Peters,Kommentar zum SGB V, § 98 Rdn. 41; Hess in
62
Kasseler Kommentar, SGB V, § 98 Rdn. 46). Derartige Kooperationsformen sind als
Organisationsgemeinschaft im Sinn des § 22 BO grundsätzlich zulässig. Da Kapitel D
Nr. 8 Abs. 1 Satz 4 BO nur die Berufsausübungsgemeinschaften (Gemeinschaftspraxis,
Ärztepartnerschaft) betrifft, ist es Ärzten jedenfalls insoweit nicht verwehrt, mehreren
Organisationsgemeinschaften anzugehören. Die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft M ist dem indes nicht zuzurechnen. Es handelt sich um
eine Gemeinschaftspraxis.
Kennzeichnend für eine Gemeinschaftspraxis ist, dass die ärztliche Tätigkeit
vergesellschaftet ist, also der einzelne Arzt Leistungen an seinen Patienten nicht für sich
sondern für die Gesellschaft erbringt (vgl. Wigge in Schnapp/Wigge § 5 e Rdn. 14). Das
ist der Fall, denn durch Ziffer I 4 der Vereinbarung vom 00.00.2000 hat sich der Kläger
zu 1) verpflichtet, seine beruflichen Aktivitäten ausschließlich als Gesellschafter der
überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft "Labor Dr. M" auszuüben. Hierzu hat der
Kläger zu 1) seine bestehende Laborarztpraxis nebst Kundenstamm, Anlage- und
Umlaufvermögen sowie vorhandenem Personal und schuldrechtlichen Vereinbarungen
mit Dritten in die bestehende Gesellschaft eingebracht und ist Mitgesellschafter
geworden. Zivilrechtlich liegen damit die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit
zweier Ärzte in Form einer Gemeinschaftspraxis vor. Vertragsarztrechtlich für eine
Gemeinschaftspraxis bestimmend ist darüber hinaus grundsätzlich die gemeinsame
Ausübung ärztlicher Tätigkeit durch mehrere Ärzte des gleichen oder ähnlichen
Fachgebietes in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung,
gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie gemeinsamem Personal auf
gemeinsame Rechnung (BSG vom 22.04.1983 - 6 RKa 7/81 -; BSG vom 14.07.1965 - 6
RKA 1/63 -; vgl. auch BSG vom 19.08.1992 - 6 RKa 36/90 - zur Beendigung
gemeinsamer vertragsärztlicher Tätigkeit; Wigge aaO Rdn.4 ff). Die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft M erfüllt diese Anforderungen (gemeinsame Räume etc.)
ersichtlich nicht. Dies ist indessen unschädlich. Nach Anlage D Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 BO
ist eine Berufsausübungsgemeinschaft zwar nur an einem Vertragsarztsitz zulässig.
Sind die betreffenden Ärzte nach ihrem typischen Fachgebietsinhalt jedoch - wie hier -
regelmäßig nicht patientenbezogen tätig, dürfen sie sich auch derart zu einer
Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließen, dass jeder der
Gemeinschaftspartner seine ärztliche Tätigkeit an einem Praxissitz ausübt, der den
Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit bildet (Anlage D Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 BO). Soweit § 22
BO abschließend bestimmt, dass eine Berufsausübungsgemeinschaft (nur) als
Gemeinschaftspraxis oder als Partnerschaftsgesellschaft geführt werden kann, steht
Anlage D Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 BO dem nicht entgegen. Denn die hiernach erlaubte
Ausnahme bezieht sich nur auf den Vertragsarztsitz, nicht aber auf die
Gesellschaftsform. Hieraus folgt, dass berufsrechtlich unter den Voraussetzungen
Anlage D Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 BO auch eine ärztliche Gemeinschaftspraxis zulässig ist,
in der es an einigen, das Merkmal der "Gemeinsamkeit" bestimmenden
Voraussetzungen (gemeinsame Karteiführung und Abrechnung usw.) im Sinn der
aufgezeigten Rechtsprechung des BSG fehlt. Berufsrechtliche und
vertragsarztrechtliche Mindestvoraussetzung bleibt aber, dass die zivilrechtliche
Gesellschaftsgestaltung die Absicht der Vertragspartner indiziert, die vertragsärztliche
Tätigkeit gemeinsam ausüben zu wollen. Das ist der Fall, weil die Kläger ihre bisherige
Tätigkeit vergesellschaftet haben. Sie haben sich vertraglich verpflichtet, ihre
vertragsärztliche Tätigkeit mit den Gesellschafter-Ärzten des Labors Dr. M gemeinsam
auszuüben (zum Merkmal der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit vgl.
auch Burghardt/Dahm in MedR 1999, 485 ff), allerdings an mehreren Arztsitzen. Denn
nach Ziffer I 1 der Vereinbarung vom 00.00.2000 regelt sich die Zusammenarbeit
63
zwischen den beitretenden Gesellschaftern und den Altgesellschaftern nach Maßgabe
des Gesellschaftsvertrags vom 00.00.1989, der wiederum in dem mit
"Gesellschaftszweck" überschrieben § 1 ausdrücklich bestimmt, dass sich die
Vertragspartner zur gemeinsamen Ausübung der kassenärztlichen Praxis verbinden.
Eine Bestätigung dafür, dass die Kläger ihre vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam mit
den Altgesellschaftern ausüben wollen, folgt schließlich auch aus ihrem Vortrag, gerade
die besonderen technisch-wissenschaftlichen/medizinischen Anforderungen an die
Einrichtung und den Betrieb leistungsfähiger Labore würden nachhaltig für eine
überörtliche Verbindung leistungsfähiger Praxen sprechen, erst hierdurch werde es
möglich, dem Versicherten die Vorteile innerfachlicher Spezialisierung zukommen zu
lassen und neueren Entwicklungen aus der labormedizinischen Forschung zeitnah in
die medizinische Diagnostik umzusetzen.
Der Einwand der Kläger, es handele sich bei der von ihnen angestrebten gemeinsamen
Berufsausübung an ihrem gemeinsamen Arztsitz E nicht um eine weitere, eigenständige
Berufsausübungsgemeinschaft, die neben die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft tritt, führt nicht weiter. Diesem gedanklichen Ansatz
würde zugrunde liegen, dass sie lediglich innerhalb der überörtlichen
Berufsausübungsgemeinschaft M tätig werden wollen und keine weitere "klassische"
Gemeinschaftspraxis (in E) gegründet werden soll. Die Kläger würden jedoch auch
dann - vertragsarztrechtlich - ihren derzeitigen Status (Zulassung in Einzelpraxis)
ändern und die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam ausüben. Lediglich das
begleitende zivilrechtliche Gesellschaftsverhältnis (hierzu BSG vom 19.08.1992 - 6 RKa
36/90 -) wäre bei diesem Verständnis ein anderes. Hiernach würden die Kläger eine
gemeinsame Berufsausübung in E, M1straße 00, anstreben; die im Antrag bezeichnete
Gemeinschaftspraxis wäre dann die der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft M.
Einem solchermaßen verstandenen Antrag würde zwar nicht Kapitel D Nr. 8 Abs. 1 Satz
4 BO entgegenstehen, denn es ginge nunmehr nur um die Tätigkeit in einer
Berufsausübungsgemeinschaft. Indessen haben die Zulassungsgremien hierüber
angesichts der gestellten Anträge und des eigenen Vorbringens der Kläger bislang nicht
entschieden. Das aber wäre erforderlich, denn auch eine gemeinsame Berufsausübung
in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist genehmigungsbedürftig. Die
Ausnahmeregelung des Kapitel D Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 BO befreit nicht unmittelbar
patientenbezogen tätige Ärzte nur von dem Erfordernis, dass auch eine
Berufsausübungsgemeinschaft einen gemeinsamen Praxissitz haben muss.
64
Selbst wenn der Senat zugunsten der Kläger annehmen würde, die Zulassungsgremien
hätten hierüber entschieden, ergäbe sich nichts anderes. Dann hätte der Beklagte den
Antrag der Kläger auf Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher
Tätigkeit in E, M1straße 00, deswegen zu Recht abgelehnt, weil der
Gesellschaftsvertrag vom 00.00.1989 nebst Ergänzungen das Verhältnis der Kläger
untereinander - bezogen auf den Praxissitz E - nur unzureichend regelt und angesichts
der aufgezeigten Defizite jedenfalls die Versorgung der Versicherten beeinträchtigt ist.
Der Senat hat Zweifel, ob diese Form der Berufsausübung angesichts der vorgelegten
Verträge genehmigungsfähig ist. So war der Kläger zu 1) jedenfalls bis zum 00.00.2001
nicht am Geschäftswert der überörtlichen Gemeinschaftspraxis beteiligt (Ziffer IV 2 der
Vereinbarung vom 00.00.2000). Dies jedoch ist unabdingbar, weil anderenfalls keine
Nachbesetzung möglich ist ( LSG NRW in MedR 1999, 237; BSG vom 29.09.1999 - B 6
KA 1/99 R -; vgl. auch Möller in MedR 1999, 493, 495; a.A. Butzer in MedR 2001, 611).
Im Übrigen ist in § 7 Absatz 1 des Vertrags vom 00.00.1989 vereinbart, dass der
Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, also die Annahme einzelner
65
Untersuchungsaufträge, die Durchführung der Untersuchung einschließlich der hierzu
notwendigen Anweisungen an das Hilfspersonal der Praxis sowie die Stellung der
Diagnose und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, jedem Gesellschafter auch allein
obliegt. Aus der Verwendung des Begriffspaares "auch allein" folgt im Umkehrschluss,
dass diese Befugnisse "auch" dem in § 7 mehrfach genannten Altgesellschafter Dr. M
eingeräumt sind. Im Ergebnis haben die Vertragspartner damit bei Gründung der
Gemeinschaftspraxis 1989 geregelt, dass (auch) Dr. M im vertraglich definierten
Kernbereich eines jeden Gesellschafters tätig werden kann. Eine gemeinsame
Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit auf einer solchen Grundlage ist schon im Ansatz
nicht genehmigungsfähig, denn hierdurch wird die Unabhängigkeit der anderen
Gesellschafter-Ärzte in ihren fachlichen Entscheidungen beeinträchtigt. Nachfolgende
Vereinbarungen haben dieses Defizit perpetuiert. Hinsichtlich der Zusammenarbeit der
Gesellschafter-Ärzte untereinander verweist die Vereinbarung vom 00.00.2000
ausdrücklich auf den Gesellschaftsvertrag vom 00.00.1989. Gleichermaßen nimmt die
Vereinbarung vom 00.00.2001 - umfassend - auf den Gesellschaftsvertrag vom
00.00.1989 Bezug. Soweit sich aus etwaigen Gesellschafterbeschlüssen, die dem
Senat allerdings nicht vorliegen, etwas anderes ergeben sollte, wäre dies rechtlich nicht
beachtlich. Ob die begehrte gemeinsame Berufsausübung in Gemeinschaftspraxis den
rechtlichen Anforderungen des Berufs- und Vertragsarztrechts genügt, lässt sich - wie
dargelegt - nur durch Vorlage entsprechender vertraglicher Vereinbarungen belegen.
Letztlich kann dies offen bleiben, weil der Antrag schon aus den aufgezeigten anderen
Gründen nicht genehmigungsfähig ist.
3. Eine Genehmigung unter Auflagen (hierzu BSG vom 22.04.1983 - 6 RKa 7/81 -)
kommt nicht in Betracht. Zwar können die inhaltlichen Defizite der vorgelegten
Vereinbarungen möglicherweise - vertragsarztrechtlich - durch entsprechende Auflagen
kompensiert werden, so dass die Genehmigung jedenfalls nicht daran scheitert, dass
die Versorgung der Versicherten beeinträchtigt wird. Allerdings sieht es der Senat als
fragwürdig an, wenn auf diesem Wege den Zulassungsgremien nicht nur für einzelne
Defizite, sondern gleichsam umfassend auferlegt wird, unzureichende
Vertragsgestaltungen durch Auflagen zu korrigieren, um Genehmigungsfähigkeit
herzustellen. Dies kann dahinstehen, denn jedenfalls das berufs- und
vertragsarztrechtliche Verbot, mehr als einer Berufsausübungsgemeinschaft
anzugehören, lässt sich durch Auflagen nicht beseitigen.
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Die Berufung der Beigeladenen zu 8) musste demnach Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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