Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.07.1999
LSG NRW: ärztliche verordnung, heilmittel, ärztliche behandlung, versorgung, verwaltungsakt, therapie, krankenversicherung, leistungserbringer, hersteller, rka
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 75/99
Datum:
08.07.1999
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 75/99
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 1 Kr 19/97
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 KR 21/99 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten zu 1), 3), 5), 6), 7) und 8) wird das Urteil
des Sozialgerichts (SG) Köln vom 21. Januar 1999 abgeändert. Die
Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die klagende KG verlangt von den beklagten Spitzenverbänden (VBen) und
Krankenkassen (KKen) die Aufnahme solcher, von ihr vertriebener Geräte in das
Hilfsmittelverzeichnis, mit denen Patienten im Wege der Heimbehandlung
Magnetfeldtherapie bei sich selbst anwenden können (konservative Therapie im
Gegensatz zur invasiven Magnetfeldtherapie, bei der dem Patienten eine Spule
implantiert wird). In einem Prospekt zum Gerät vom Typ M 65 heißt es dazu:
2
"Das Leihgerät für die Selbstbehandlung mit kontrollierter Dosierung durch
Therapieprogrammsteuerung. Mit Steckschlüssel können 30 verschiedene
Zusammenstellungen der Intensität (magnetische Flußdichte), der Frequenz und
Behandlungszeit ausgewählt werden. Die Entscheidung für ein spezielles
Therapieprogramm bezieht sich auf die ärztliche Verordnung."
3
Der seinerzeit bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gebildete Ausschuß
für Untersuchungs- und Heilmethoden hatte am 6.2.1980 in seiner Stellungnahme H-UH
0163 in Anbetracht der Magnetfeldtherapie erklärt, die Voraussetzungen nach § 368 e
der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien derzeit als nicht erfüllt anzusehen; eine
Überprüfung der Stellungnahme bleibe vorbehalten (Dt. Ärztebl 79. Jahrgang, Heft 19).
4
1982 befand der Ausschuß (unter H-HU 0165), es seien für die Magnetfeldtherapie bzw.
für die Behandlung mit elektrodynamischen Potentialen bei verzögerter
Knochenbruchheilung, Pseudarthrosen, Endoprothesenlockerung und idiopathischer
Hüftkopfnekrose die Voraussetzungen nach § 368 e RVO als erfüllt anzusehen; eine
5
Überprüfung der Stellungnahme bleibe vorbehalten (Dt. Ärztebl aaO).
Das Sozialgericht (SG) Köln weiß in einem Beschluss vom 18.3.1992 (S 19 Ka 5/92)
folgendes zu berichten: 1986 sei der Ausschuß zu dem Ergebnis gelangt, daß nur bei
Verwendung von Geräten mit implantierter Spule die Voraussetzungen des § 368 e
RVO erfüllt seien; in einem Verfahren wegen der Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes habe sich die KBV verpflichtet, eine Stellungnahme, daß konservative
Magnetfeldtherapie in ihrem therapeutischen Nutzen nicht hinreichend gesichert sei, bis
zum Abschluß des Hauptverfahrens unveröffentlicht zu lassen; zu einer
bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache sei es nicht gekommen, weil mit
dem Gesundheitsreformgesetz (GRG) entsprechende Kompetenzen auf die beklagten
SpitzenVBe und KKen übergegangen seien.
6
In den von den Beklagten am 4.12.1990 auf der Grundlage von § 92 Abs 1 S. 2 Nr 5 des
Sozialgesetzbuches (SGB) V beschlossenen Richtlinien über die Einführung neuer
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL) (BArBl 2/1991 S. 33) war die
Magnetfeldtherapie nicht aufgeführt.
7
Im von den Beklagten gemäß § 128 des Sozialgesetzbuches (SGB) V gemeinsam
erstellten Hilfsmittelverzeichnis sind zZt (und jedenfalls seit der Bekanntmachung vom
28.3.1995 im BAnz Nr 119 a v 29.6.1995) - ohne Anführung von Firmen und/oder
Markenbezeichnungen - unter der Produktgruppe "Elektrostimulationsgeräte" 09 (mit
Kennziffer 09.32.01) aufgeführt:
8
"Magnetfeldgeräte mit implantierter Spule - Magnetfeld-Therapiegeräte in Verbindung
mit implantierter Spule".
9
An Indikationen sind genannt:
10
- erheblich verzögerte Knochenbruchheilung unter Osteosynthese
11
- therapieresistente Pseudarthrosen
12
- und nachgewiesene Endoprothesenlockerung.
13
In der Definition zur Produktgruppe "Elektrostimulationsgeräte" heißt es aaO:
14
"Bei Elektrostimulationsgeräten handelt es sich um elektrisch betriebene Geräte, die
therapeutisch wirksam Strom erzeugen und ihn über sogenannte Elektroden dem
Körper zuführen ... Die Magnetfeldtherapie mit implantierter Spule ... realisiert
magnetisch induzierte, invasive Elektro-Osteostimulation durch externe Application ...
elektromagnetischer Wechselfelder auf implantierte Spulen (Überträger), die als
Elektroden mit dem zu behandelnden Knochenbereich verbunden sind. Nur für diese
Methode ... konnte bisher der nötige Beweis der Wirksamkeit wissenschaftlich eindeutig
belegt werden. Man nennt diese Methode auch die Elektro-Osteostimulation.
15
Für alle anderen konservativen Systeme der Magnetfeldtherapie fehlt bislang der zu
fordernde, wissenschaftlich eindeutig belegte Beweis ihrer Wirksamkeit und zwar bei
allen angegebenen Indikationen (vgl. Beschluss Bundesausschuß der Ärzte und KKen
vom 14.1.1992, veröffentlicht am 19.2.1992 im Bundesanzeiger (BAnz) Nr 34 aus 92, S.
1109)".
16
- Mit jenem Beschluss hatte der Bundesausschuß der Ärzte und KKen die Liste der
Methoden, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewandt
werden dürfen, ergänzt um "Magnetfeldtherapie ohne Verwendung implantierter Spulen"
(Nr 9 der Anlage 2 zu den vom Bundesausschuß gemäß § 92 Abs 1 S. 2 Nr 5 SGB V
erstellten NUB-RL). -
17
Mit seinem o.a. Beschluss vom 18.3.1992 hatte das SG einen Antrag einer Fa.
Mxxxxxxxxxx Vertriebsgesellschaft mbH (vertreten durch den Geschäftsführer der
Klägerin, Diplom-Physiker Kxxxx) vom 3.3.1992 abgelehnt, die Beklagten im Wege der
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, in der nächsten Ausgabe des
BAnz einen Zusatz zu veröffentlichen, daß ihm Rahmen der bestimmungsgemäßen
Behandlung die Magnetfeldtherapie mit Magnetodyngeräten von dem Verdikt in Ziffer 9
der Anlage zu den NUB-Richtlinien ausgenommen sei.
18
Das vorliegende Verfahren wurde eingeleitet mit einem Schreiben des "Instituts für
Medizinische Physik Dipl. Phys. xxxxxx Kxxxx, München" an den IKK- Bundesverband -
Geschäftsstelle Heil- und Hilfsmittel - vom 3.9.1996. Herr Kxxxx teilte mit:
19
das Institut erforsche, entwickle und vertreibe seit Anfang der 70-er Jahre
Magnetfeldtherapiegeräte zur Heimbehandlung (d.h. zur patienteneigenen Anwendung)
nach Anpassung und Einweisung in die Funktion des Gerätes; dieses Heilverfahren der
Biophysik diene der Therapie des Knochens bei ... ; die sog. i n v a s i v e Methode
dieses Verfahrens unter Verwendung einer implantierten Sekundärspule sei von jeher in
der kassenärztlichen Versorgung abrechnungsfähig, er beantrage nunmehr auch die
Aufnahme der Geräte für Magnetfeldtherapie ohne Verwendung implanierter Spulen zur
Heimbehandlung (k o n s e r v a t i v e Magnetfeldtherapie) in das Hilfsmittelverzeichnis;
die technischen und wirtschaftlichen Qualifikationen fänden sich im Anhang des
Antrags; das Verfahren der konservativen Magnetfeldtherapie sei im Jahre 1982 nach
Prüfung von Geräten der Marke "Magnetodyn" durch den Ausschuß für Untersuchungs-
und Heilmethoden der KBV nach § 368 e RVO in den Kreis der abrechnungsfähigen
Methoden aufgenommen worden; aufgrund der damals nicht genau definierten
Wirkungsweise der Geräte sei allerdings auch unseriösen Nachahmern ein
Betätigungsfeld eröffnet worden; dem habe der Beschluss des Bundesausschusses der
Ärzte und KKen vom 14.1.1992 entgegenwirken sollen; dieser habe jedoch fälschlich
die gesamte konservative Magnetfeldtherapie ausgeschlossen; inzwischen liege auch
weiteres Material vor, das die Wirksamkeit der Methode eindeutig belege; es handle
sich bei den Geräten um Hilfsmittel iS von § 33 SGB V, die dazu dienten, den Erfolg der
orthopädischen und chirurgischen Maßnahmen zur Wiederherstellung und Erhaltung
der Funktionen des Knochenskeletts zu sichern; es handle sich dabei nicht um
Heilmittel, da damit keine Dienstleistungen von entsprechend ausgebildeten Personen
erbracht würden (Hinw auf u.a. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und
Pflegeversicherung, § 33 Rdn 13 ff).
20
Dem Schreiben beigefügt waren u.a. Schreiben von
21
- Prof. Dr. Lxxxxxx, Gxxxxxxx, vom 19.6.1996
22
- Prof. Axxxxxx, Klinikum Ixxxxxxxxxx, vom 1.8.1996
23
- Dr. rer.-nat. Hxxx, Osteologisches Labor Txxxxxxx
24
- Prof. Rxxxxxxx, Universität Txxxxxxx, vom 30.4.1996
25
Die Geschäftsstelle "Heil- und Hilfsmittel" beim Bundesverband der IKK schaltet den
Medizinischen Dienst der SpitzenVBe der KKen ein. Dr. Kxxxx befand mit Datum des
27.2.1997 unter Bezug auf eine Stellungnahme eines Dr. Bxxxxxxx, nach wie vor sei die
Wirksamkeit der Therapie nicht nachgewiesen.
26
Der IKK-Bundesverband antwortete dem "Institut für medizinische Physik Dipl. Phys.
xxxxxx Kxxxx" mit Schreiben vom 24.3.1997: die SpitzenVBe gemeinsam erstellten ein
Hilfsmittelverzeichnis ... (§ 128 SGB V); sie entwickelten gemeinsam Qualitätsstandards
und veröffentlichten diese im Hilfsmittelverzeichnis (§§ 128, 139 SGB V) ... ;
Voraussetzung für die Aufnahme sei, daß der Hersteller die Tauglichkeit nachweise ...;
über die Aufnahme entschieden die SpitzenVBe gemeinsam, nachdem der
Medizinische Dienst die Voraussetzungen geprüft habe (§ 139 Abs 2 SGB V); ein
therapeutischer Nutzen sei insbesondere dann anzunehmen, wenn das Hilfsmittel auf
einer Therapiemethode basiere, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
anerkannt sei; sofern es auf einer neuen Methode beruhe, sei als Nachweis für den
therapeutischen Nutzen deren Anerkennung durch den NUB-Ausschuß des
Bundesausschusses der Ärzte und KKen erforderlich; neben den kassenärztlichen
Vereinigungen und kassenärztlichen Bundesvereinigungen seien allein die SpitzenVBe
der KKen berechtigt, dem NUB-Ausschuß eine neue Methode vorzuschlagen; allein zur
Information werde mitgeteilt, daß die SpitzenVBe der KKen von einer erneuten
Einschaltung des NUB-Ausschusses absähen, da keine neuen, ausreichenden
Nachweise vorgelegt worden seien, die den therapeutischen Nutzen der konservativen
Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodynverfahren belegten; die vorgelegten
Unterlagen hätten keine neuen Erkenntnisse erbracht; damit fielen die Geräte zur
konservativen Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodynverfahren weiterhin nicht in die
Leistungspflicht der GKV. Am 25.4.1997 hat Rechtsanwalt Dr. M. namens der KG,
vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter, Diplom-Physiker W. Kxxxx,
Klage gegen die SpitzenVBe der KKen, die Bundesknappschaft und die
Seekrankenkasse erhoben und vorgetragen: man sehe sich gehalten, nach § 88 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Untätigkeitsklage zu erheben, weil die Beklagten über
den klägerischen Antrag nicht entschieden hätten; die Beklagten hätten den Antrag
überhaupt nicht geprüft, sondern erklärt, es sei eine Vorabanerkennung durch den NUB-
Ausschuß erforderlich; die Klägerin fühle sich verletzt in ihren Rechten aus Art 3, 12 und
14 des Grundgesetzes (GG); im Hinblick auf Art 3, weil die invasive und die
konservative Methode unterschiedlich behandelt würden, obwohl beider Wirksamkeit
durch die gleichen wissenschaftlichen Nachweise abgesichert seien; seit den 70er
Jahren hätten die KKen von der Klägerin entwickelte Geräte für gehbehinderte
Versicherte - üblicherweise für 3 Monate - nach ärztlicher Verordnung zur
Heimbehandlung gemietet, bis der Beschluss des Bundesausschusses vom 14.1.1992
ergangen sei; die Klägerin habe daraufhin am 26.2.1992 einen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz gestellt; beim LSG Essen habe man erreicht, daß der Bundesausschuß
eine erneute Prüfung habe vornehmen müssen; nachdem der Bundesausschuß seine
falsche Entscheidung vom 14.1.1992 bestätigt habe (sicut am 17.12.1992 in Dt. Ärztebl
90 Heft 3 v 22.1.1993), habe die Klägerin gegen die Veröffentlichung dieser
Entscheidung im BAnz am 20.1.1993 den Erlaß einer einstweiligen Anordnung
beantragt; das Verfahren jedoch aus Kostengründen nicht mehr weiterbetrieben, da
auch ein Großteil der KKen die Kosten der Behandlung mit den Geräten der Klägerin im
Wege der konservativen Therapie nach wie vor erstatteten; der Stiftung Warentest habe
27
man gerichtlich verbieten lassen, im Buch " Die andere Medizin" zu behaupten, es lägen
keine kontrollierten Studien vor, die eine therapeutische Wirkung des Verfahrens
belegten. Die Klägerin legte dazu u.a. vor:
- Urteil des LG München I v. 15.11.1993 9 O 3543/92 in Sachen Kxxxx und xxxxxxxxxx-
Vertriebs-GmbH./. xxxxxxxx xxxxxxxxx
28
- nebst Gutachten des Dr. Gxxxxxx, Orthopädische Klinik am xxxxxxxxx vom 30.6.1993
29
- und Beschl. des OLG München v. 15.12.95 21 U 7125/93.
30
Die RL des Bundesausschusses nach § 92 SGB V - so weiter die Klägerin zur
Begründung der Klage - hätten Bindungswirkung nur in der kassenärztlichen
Versorgung, also nicht gegenüber den SpitzenVBen; die RL des Bundesausschusses
regelten nur die Verordnungsfähigkeit von Hilfsmitteln, nicht aber die von Heilmitteln;
das folge einerseits daraus, daß nur für Heilmittel in § 138 SGB bestimmt sei, daß neue
Heilmittel nur verordnet werden dürften, wenn der Bundesausschuß in den Heil- und
Hilfsmittel-RL eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe; und andererseits
daraus, daß die Prüfung der Verordnungsfähigkeit von Hilfsmitteln in den Heil- u
Hilfsmittel-RL ausschließlich den SpitzenVBen der KKen überlassen sei (Hinw auf A. II.
b 8 ); falsch sei auch die Auffassung, daß die Einstufung einer Behandlungsmethode
nach § 135 SGB V als nutzlos, die Aufnahme eines entsprechenden Hilfsmittels in das
Hilfsmittelverzeichnis ausschließe; das werde besonders deutlich daraus, daß der
Bundesausschuß nach § 135 SGB V in der Neufassung die Richtlinienkompetenz nur
hinsichtlich des therapeutischen Nutzens in der jeweiligen Therapierichtung habe,
folglich also den Einsatz eines Hilfsmittels nicht pauschal verwerfen könne; die
Beklagten hätten auch verfahrensfehlerhaft den Medizinischen Dienst informatorisch
gehört, der nicht auf dem neuesten Stand sei; die Beklagten hätten nach 5.1.2 des
Hilfsmittelkatalogs vom 1.1.1993 entweder dem Medizinischen Dienst einen Prüfauftrag
erteilen oder die Arbeitsgruppe Hilfsmittel einschalten müssen, der NUB-Ausschuß
habe hier nichts zu sichern.
31
Die Klägerin hat sich in erster Instanz ferner berufen auf
32
- den Aufsatz von Beuthien und Schmölz in MedR 96,99 "Rechtsstellung der
Unternehmen bei Aufnahme neuer Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis"
33
- ein Schreiben von Prof. Rxxxxxxx an die Stiftung Warentest vom 19.8.1997.
34
In der Sitzung des SG vom 13.8.1998 hat die Klägerin zu den Akten gegeben:
35
- einen Entwurf zur Aufnahme der Magnetfeldtherapie ohne implantierte Spule ins
Hilfsmittelverzeichnis
36
- ein Faszikel mit Aufsätzen über die streitige Methode
37
- deutsch und englisch
38
- einen Ordner (weiß) mit Kostenübernahmeerklärungen von KKen sowie Aufstellungen,
aus denen sich nach dem Dafürhalten der Klägerin ergibt, daß 1177 niedergelassenen
Ärzten die konservative Magentodyntherapie verordnen, und daß 355 Kliniken die
39
Geräte nutzen.
Die Klägerin hat in der Sitzung vom 13.8.1998 vor dem SG beantragt,
40
1. den Bescheid vom 24.3.1997 aufzuheben,
41
2. die Beklagten zu verpflichten, die Magnetfeldtherapiegeräte der Klägerin vom Typ M
60 und M 65 in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
42
Der beklagte IKK-Bundesverband hat vor dem SG beantragt,
43
die Klage abzuweisen.
44
Er hat in erster Instanz geltend gemacht, die Klage sei weder zulässig noch begründet;
bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis
handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um schlichtes
Verwaltungshandeln; das Hilfsmittelverzeichnis entfalte keine unmittelbaren
Rechtswirkungen gegenüber dem Hilfsmittelhersteller; es diene nur der Information für
Versicherte, KKen und Leistungserbringer; der Versicherte könne Anspruch auch auf
Hilfsmittel haben, die nicht im Verzeichnis aufgeführt seien (BSG Urt. v. 25.10.1995 3
RK 30/94; v. 20.3.1996 6 RKa 62/94); die SpitzenVBe seien im Rahmen der §§ 128, 139
SGB V an die Entscheidung des Bundesausschusses gebunden (§ 92 Abs 7 SGB V );
die RL hätten Normcharakter (BSGE 67,251, 253); der Auffassung der Klägerin zur
Unterscheidung von Heil- und Hilfsmitteln könne nicht gefolgt werden; Hilfsmittel, die
nicht verordnet werden dürften, seien auch nicht abrechnungsfähig; dies folge
unmittelbar aus § 12 Abs 1 S. 1 SGB 1. Halbs. SGB V iVm § 3 Abs 1
Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und gelte auch für die in den Heil- u Hilfsmittel-RL
ausgeschlossene Magnetfeldtherapie ohne die Verwendung implantierter Spulen.
45
Die Beklagte zu 1) hat in erster Instanz schriftsätzlich erklärt, sie schließe sich der
Klageerwiderung des IKK-Bundesverbandes vollinhaltlich an.
46
Die Beklagte zu 2) hat in erster Instanz schriftsätzlich erklärt, sie beziehe sich auf die
zutreffenden Ausführungen des IKK-Bundesverbandes und weise ergänzend auf die
Entscheidung des BSG vom 29.9.1997 8 RKn 27/96 = SozR 3-2500 § 33 Nr 25 hin.
47
Die Beklagte zu 4) hat in erster Instanz schriftsätzlich erklärt, sie schließe sich der vom
federführenden IKK-Bundesverband erstellten Erwiderung an und werde von einer
eigenen Stellungnahme absehen.
48
Die Beklagte zu 5) hat in erster Instanz schriftsätzlich erklärt, sie wolle sich selbst
vertreten, sie beantrage, die Klage abzuweisen; sie schließe sich der Erwiderung des
federführenden IKK-Bundesverband vollinhaltlich an.
49
Die Beklagte zu 6) hat sich in erster Instanz wie die übrigen Beklagten schriftsätzlich mit
einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
50
Die Beklagte zu 7) und 8) haben in erster Instanz schriftsätzlich sie bezögen sich auf die
Klageerwiderung des IKK-Bundesverbandes.
51
Mit Urteil vom 21. Januar 1999 hat das SG Köln ohne mündliche Verhandlung
52
entschieden, der Bescheid vom 24.3.1997 werde aufgehoben; die Beklagten würden
verpflichtet, die von der Klägerin für die konservative Magnetfeldtherapie hergestellten
Geräte vom Typ M 60 u M 65 in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Zur
Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagten hätten mit Verwaltungsakt vom
24.3.1997 über die Nichtaufnahme der Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis entschieden;
der Anspruch der Klägerin auf Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis sei aus 139 Abs 2
SGB V begründet; für die Kammer stehe es fest, daß der Nachweis für den
therapeutischen Nutzen der Geräte erbracht sei; dies sei dem Gutachten des Dr.
Gxxxxxx vom 30.6.1993 in Sachen Stiftung Warentest zu entnehmen; wie § 34 Abs 4
SGB V zu schließen sei, reiche es aber für die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis
schon, daß der therapeutische Nutzen umstritten sei.
Gegen das Urteil des SG - zugestellt am 16. bzw. 17.3.1999 - haben die Beklagten zu
1), 3), 5), 6), 7) und 8) bis zum 19.4.1999 (Montag) Berufung eingelegt. Sie nehmen
Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte zu 1) hat mitgeteilt, im Bereich
der AOK-Bayern sei zwar eine entsprechende Erprobungsregelung diskutiert worden,
zu der es aber nicht gekommen sei. Die zu 4) beklagte Seekrankenkasse hat sich in
zweiter Instanz nicht geäußert. Der zu 2) beklagte Bundesverband der
Betriebskrankenkassen hat am 26.5.1999 mitgeteilt, wie die Berufungskläger sei er der
Auffassung, daß das Urteil des SG Köln vom 21.1.1999 nicht rechtens sei.
53
Für die Beklagten zu 1), 2) und 4) ist zur mündlichen Verhandlung am 8.7.1999 niemand
erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist sämtlichen Beklagten am 14.6.1999
zugegangen. Mit der Terminsnachricht ist daraufhingewiesen worden, daß auch in
Abwesenheit von Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne.
54
Die Beklagten und Berufungsklägerinnen zu 3), 5), 6), 7) und 8) beantragen,
55
das Urteil des SG Köln vom 21. Januar 1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
56
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
57
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere insoweit, als es das SG in
seinem Urteil - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - nicht zum Gegenstand seiner
Erörterungen gemacht hat.
58
Wegen des Sachverhaltes im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten und bereits
erwähnten Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.
59
Entscheidungsgründe:
60
Obgleich für die Beklagten zu 1), 2) und 4) zur mündlichen Verhandlung niemand
erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beteiligten sind
- mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am
8.7.1999 geladen worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 SGG, § 126 SGG; BSG in
SozR Nr 5 zu § 110 SGG).
61
Die Berufung der Beklagten zu 1), 3), 5), 6), 7) und 8) ist begründet. Das Urteil des SG
vom 21.1.1999 war zu ändern und die Klage abzuweisen, denn die von der Klägerin
62
gegen die beklagten VBe und KKen erhobene Klage war unzulässig, und dieser Mangel
ist im Laufe des Verfahrens auch nicht behoben worden.
I.
63
Das SG und - nach ihrem erstinstanzlichen Antrag - auch die Klägerin halten dafür, die
Beklagten hätten mit Bescheid vom 24.3.1997 nach § 139 Abs 2 S. 2 SGB V über die
Nichtaufnahme der streitigen Geräte der Klägerin ins Hilfsmittelverzeichnis entschieden,
gegen diesen Verwaltungsakt sei die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1
SGG) gegeben, und - weil keine Widerspruchsstelle für die Beklagten bestimmt sei -
auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 ff SGG) zulässig.
64
1.
65
Dem SG könnte vielleicht darin gefolgt werden, daß es sich bei einer Entscheidung
nach § 139 Abs 2 S. 2 SGB V um einen von betroffenen Hilfsmittelherstellern im Wege
der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt handelt (so Hauck/Kranig, Rdn 5 zu
§ 128 SGB V). Ansonsten wäre auch eine entsprechende Anwendung von § 92 Abs 3 S.
1 SGB V in Betracht zu ziehen (vgl. BSG Urt. v. 16.7.96 1 RS 1/94 = BSGE 79,41 =
SozR 3-2500 § 34 Nr 5 zur Übersicht nach § 93 SGB V). Dem SG könnte auch darin
gefolgt werden, daß in solchen Fällen die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens
mangels Einrichtung einer Widerspruchsstelle entbehrlich ist. Den
darüberhinausgehenden Ausführungen des SG konnte der Senat nicht folgen.
66
2.
67
Nach § 54 Abs 1 S. 2 SGG ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist,
zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die
Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. Diese
Rechtsschutzbehauptung muß freilich schlüssig dargetan sein. Daran fehlt es hier
allerorten. Auf diese veränderte Betrachtung sind die Beteiligten beginnend mit Fax des
Gerichts vom 5.7.1999 hingewiesen worden und dazu Stellung zu nehmen, hatten sie
auch in mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gelegenheit. Es ist nämlich schon
nicht die Klägerin, die Mxxxxxxxxx KG, Adressat des Schreibens vom 24.3.1997,
sondern das anfragende "Institut für Medizinische Physik, Dipl.-Phys. Kxxxx, Mxxxxxx".
Auch wenn Herrn Kxxxx Eigner des Instituts wie der KG sein sollte, besteht hier keine
Identität mit der klagenden juristischen Person, vertreten durch Herrn Kxxxx. Es liegt
auch keine rechtliche Drittwirkung vor, und eine wirtschaftliche Drittbeeinträchtigung
macht die schon so besehen unzulässige Klage nicht zulässig (BSG Beschl. v.
17.3.1999 B 1 KR 3/98 BH - Klage eines Nichtvertragsarztes aus dem Recht des
Versicherten).
68
3.
69
Es sind zudem nicht die Beklagten, die der Klägerin mit Schreiben vom 24.3.1997
geantwortet haben, sondern die beim IKK Bundesverband eingerichtete
"Geschäftsstelle Heil- u. Hilfsmittel", an die die Klägerin sich auch gewandt hatte, oder -
so man will - der IKK-Bundesverband. Dieser hat jedenfalls unmittelbar auch nicht über
die Nichtaufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis entschieden. Nach allgemeinen
Erläuterungen zu den §§ 128, 139 SGB V und dem Satz "Allein zu Ihrer Information
teilen wir Ihnen mit, daß die SpitzenVBe der KKen von einer erneuten Einschaltung des
70
NUB-Ausschusses absehen, da ...", erschöpft sich die unmittelbare Entscheidung des
IKK-Bundesverbandes vielmehr darin, als IKK-Bundesverband in dieser Angelegenheit
nichts weiteres zu unternehmen. Soweit man aus der Antwort insgesamt mit dem SG
den Schluß ziehen könnte, es sei incident auch die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis
abgelehnt, so verbietet sich dieser Schluß hier deshalb, weil weder die beim IKK-BVB
angesiedelte "Geschäftsstelle Heil- und Hilfsmittel" noch der IKK-Bundesverband selbst
zu dieser Entscheidung autorisiert ist, weil diese Entscheidung den beklagten
SpitzenVBen und KKen insgesamt vorbehalten ist (vgl. Beuthien u Schmölz in MedR
96,99 mit Hinw auf den 4. Abschnitt des Hilfsmittelkatalogs vom 1.1.1993), und weil dies
der Klägerin aus ihrer Sicht als Erklärungsempfängerin auch klar sein mußte - nach den
Erläuterungen im Schreiben vom 24.3.1997 ("die SpitzenVBe gemeinsam erstellen ein
Hilfsmittelverzeichnis") und angesichts der Tatsache, daß die Klägerin sich nicht nur mit
Anschreiben der "richtigen" Stelle auch als durchaus sachkundig dargestellt hatte. Ohne
jeden Zweifel hat die Klägerin das Schreiben auch nicht als Ablehnung der Aufnahme
ihrer Mittel ins Hilfsmittelverzeichnis aufgefaßt, sonst hätte sie nämlich nicht, sachkundig
vertreten, Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erhoben. Auch so besehen ist die Klage
unzulässig, weil die mit dem Klagevorbringen nach Wechsel von der Untätigkeits- zur
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage behauptete Beschwer nicht schlüssig dargetan
ist.
4.
71
Diese Mängel des Verfahrens konnten auch nicht geheilt werden. Soweit es möglich
erscheint Schriftsätze/Klageabweisungsanträge als
Verwaltungsakte/Widerspruchsbescheide aufzufassen (vgl. dazu die berechtigten
Bedenken von Zeihe, Das SGG und seine Anwendung, Anm 5 b) vor § 54 SGG), so
konnten die schriftsätzlichen Erklärungen, Klageabweisungs- und/oder
Berufungsanträge der Beklagten hier ersichtlich nicht als gemeinsame Entscheidung
aller VBe und KKen verstanden werden, wie sie in §§ 128, 139 SGB V gefordert ist.
Zunächst schon deshalb nicht, weil sich die beklagte Bundesknappschaft in erster
Instanz damit begnügt hat, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden zu erklären; vor allem aber, weil sich sämtliche übrigen Beklagten auf
das Vorbringen des federführenden IKK-Bundesverbandes berufen haben, das im Kern
eben auf die Meinung hinauslief, eine gemeinsame Entscheidung der VBe und KKen
sei vorliegend entbehrlich, weil erstens der Heilmittelhersteller keinen Anspruch auf ihre
Herbeiführung habe, und weil zweitens eine Entscheidung nach § 139 Abs 2 SGB V für
die streitigen Mittel solange nicht in Betracht komme, wie der ihrer Anwendung
zugrundeliegenden Methode das Verdikt des Bundesausschusses der KKen u n d Ärzte
entgegenstehe. So hat schließlich der beklagte IKK-Bundesverband vor dem Senat
auch bekundet, die Klageabweisungsanträge seien nicht mit den übrigen Beteiligten
abgesprochen worden, das habe sich vielmehr nacheinander so ergeben.
72
Lag mithin der von der Klägerin behauptete, sie nach ihrem Klagevorbringen und ihren
erst- und zweitinstanzlichen Anträgen beschwerende Verwaltungsakt bis zum Schluß
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vor, so kam es nicht mehr darauf an,
daß grundsätzlich zwar der Mangel des Fehlens eines Widerspruchsbescheides, nicht
aber das Fehlen eines Verwaltungsaktes vor Klageerhebung geheilt werden kann, sieht
man von Ausnahmefällen ab, wie sie die Rechtsprechung zum Versorgungsrecht
annimmt (vgl. BSG Urt. v. 13.3.1985 9a RV 47/83 und v. 15.8.1996 9 RVs 10/98).
73
II.
74
Da die Berufung schon deshalb begründet war, weil die Klage als unzulässig
abzuweisen war, hatte der Senat über die materielle Rechtsauffassung der Beteiligten
und des SG nicht mehr zu entscheiden. Zur Klarstellung wird jedoch darauf
hingewiesen, daß auch die materielle Rechtsauffassung des SG, die zur Verurteilung
der Beklagten nach dem Antrag der Klägerin geführt hat, Bestand nicht würde haben
können:
75
1.
76
§ 139 SGB V kann nur in Kongruenz zu § 128 SGB V interpretiert werden. Nach den
Materialien (BT-Drucks 200/88 S. 207 zu § 148 E) sollte der spätere § 139 SGB V
ausschließlich und schlicht die wirtschaftlich und medizinisch einwandfreie Leistung
sicherstellen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes dient § 139 SGB V, wiewohl auch zur
Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes im weiten Sinn des § 12 SGB V geschaffen (§
139 Abs 1 S. 1 SGB V), zunächst der Sicherung von "Qualität und Funktion" der
Leistung (Abs 2 S. 1 aaO). Soweit hier auch der "therapeutische Nutzen" angesprochen
ist, so nur in Bezug auf die Umsetzung der ärztlichen Vorgabe, die ihrerseits durch das
Recht der Leistungserbringer bestimmt ist, wie dies etwa in den §§ 92, 135 SGB V und
im BMV-Ä geregelt ist. Eben diese Beschränkung der Überprüfung durch die
SpitzenVBe u. KKen ergibt sich - dies ignoriert das SG - aus § 128 SGB V ( "die von der
Leistungspflicht umfaßten Hilfsmittel") und der hierarchischen Ordnung im Recht des
GKV, die entgegen anscheinend der Auffassung der Klägerin Arzt und nichtärztliche
Leistungserbringer nicht gleichordnet, sondern "alles" dem Arzt unterordnet, soweit
dieser nicht seinerseits den für ihn geltenden Regelungen unterworfen ist, die wiederum
nach der vom BSG mit Urteil vom 20.3.1996 (6 RKa 62/94 = BSGE 78,70 = SozR 3-
2500 § 92 Nr 6) eingeleiteten Rechtsprechung entgegen früherer Sicht der für die
Krankenversicherung zuständigen Senate das Recht des Versicherten als Rahmenrecht
einschränken.
77
2.
78
Soweit das SG ausführt, für die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis reiche es aber
schon, daß der therapeutische Nutzen umstritten sei ... aus § 34 Abs 4 SGB V - dem
möglichen Ausschluß von Hilfsmitteln mit umstrittenen therapeutischen Nutzen durch
den Bundesminister - sei zu schließen, daß ein umstrittener therapeutischer Nutzen der
Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis nicht entgegenstehe, so ist dies unschlüssig schon
deshalb, weil sich die Möglichkeit des Ausschlusses durch den Bundesminister nach 34
Abs 4 SGB V nicht notwendig nur auf im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführte Mittel
beziehen muß. Möglicherweise ist in der dazu ergangenen Verordnung tatsächlich auch
kein im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführtes Mittel verzeichnet, wie etwa die in der
Verordnung aufgeführten Afterschließbandagen, Penisklemmen und
Handgelenksriemen.
79
3.
80
Noch weniger überzeugen kann es, wenn das SG ausführt, richtig sei zwar, daß es sich
bei der Entscheidung des Bundesausschusses über neue Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden nach § 92 SGB V einerseits und der Entscheidung der
SpitzenVBe über die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis andererseits um von einander
unabhängige Zulassungsverfahren handle; richtig sei auch, daß sich die
81
Entscheidungen des NUB- Ausschusses auf die vertragsärztliche Abrechnungsfähigkeit
auswirkten; Gesetzgeber und Rechtsprechung hätten aber durchaus Instrumente zur
Verfügung gestellt, um die sich scheinbar widersprechenden Entscheidungen in ihren
gegenläufigen Auswirkungen im Leistungsfall und als verhaltenssteuerndes Instrument
wieder zur Deckung zu bringen: sei die Anwendung eines Hilfsmittels in seinem
therapeutischen Nutzen umstritten und sei deshalb zwar die Aufnahme ins
Hilfsmittelverzeichnis erfolgt, jedoch die Einführung als neue Methode unterblieben, weil
der therapeutische Nutzen zu Unrecht als nicht nachgewiesen oder umstritten
angesehen gewesen sei, bestehe unter Umständen die Möglichkeit, unmittelbar im
Verhältnis zum Bundesausschuß eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, jedenfalls
aber im Leistungsverhältnis incident zu klären, ob hier ein Systemversagen iS der
Rechtsprechung des BSG vorliege (Hinw auf BSG Urt.v. 16.9.1997 1 RK 28/95 = BSGE
81,54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4).
Man muß sich nur einmal vor Augen führen, wohin diese Auffassung führen könnte: dem
Hersteller, der laut SG in solchen Fällen die unmittelbare rechtliche Klärung
herbeiführen kann, wird möglicherweise mit dem Urteil des BSG vom 1.10.1990 (6 RKa
22/88 = SozR 2200 § 368 p Nr 2) entgegengehalten, daß seine Klage gegen den
Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen zulässig, aber nicht begründet ist, weil
er nicht Adressat der RL ist und durch sie auch im Wettbewerb nicht diskriminiert wird;
alsdann wird ihm womöglich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bescheinigen,
daß rechtlich geschützte Positionen der Hersteller nicht betroffen sind (vgl. die
Entscheidungen v. 20.9.1991 (1 BvR 1621/89 = DieLeistg 92,237 = SGb 93,118; 1 BvR
879/90 = SozR 3-2500 § 34 Nr 1 = NJW 92,735); 1 BvR 1455/90 = SGb 92,605 zu § 34
und jüngst zu § 93 SGB V Entsch. v. 25.2.1999 1 BvR 1472/91 u 1510/91); und
schließlich muß ja der Bundesausschuß nicht einmal jede therapeutisch wirksame
Methode akzeptieren (vgl. Beuthien aaO S. 112 ff) und könnte womöglich etwa
einwenden, daß Heimbehandlung, auch wenn sie auf ärztliche Verordnung erfolgt, die
Gefahr unkontrollierten, unsachgemäßen Gebrauchs in sich birgt.
82
Der Versicherte hingegen, müßte sich unter Umständen mit dem Urteil des BSG vom
16.9.97 (aaO) entgegenhalten lassen, ihm sei gegenüber den Richtlinien nach § 92
SGB V der Einwand abgeschnitten, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig, und
soweit ihm das SG mit dem BSG aaO auf ein "Systemversagen" sich zu berufen
gestatten will, erhebt sich die Frage, worin ein solches Versagen wohl zu erblicken sein
könnte, wenn sich der zuständige Ausschuß seit 1980 laufend und regelmäßig mit der
streitigen Methode befaßt? Sicherlich nicht allein darin, daß er nach Ansicht der
Klägerin zu dem falschen Ergebnis gelangt ist.
83
Es greifen also nicht einmal die vom SG zur Lösung der allein von ihm selbst
geschaffenen Diskrepanz zur Verfügung gestellten Instrumente. Und tatsächlich geht es
ja auch um etwas ganz anderes: es macht keinerlei Sinn, Hilfsmittel ins Verzeichnis
aufzunehmen, von denen nicht von vornherein feststeht, daß sie auch zu Lasten der
GKV verordnet werden können. Und damit nicht unnütz Mittel ins Verzeichnis
aufgenommen werden, hat der Gesetzgeber den Satz in § 128 SGB V eingefügt, den
das SG nicht beachtet hat.
84
III.
85
Mit der Berufung greift die Klägerin im wesentlichen die Argumente auf, die sie schon in
erster Instanz vorgetragen hat, von denen das SG aber - ausgehend von seiner
86
Rechtsauffassung - keinen Gebrauch machen mußte. Nach dieser Argumentation
unterscheidet sich die rechtliche Bewertung von Heil- und Hilfsmitteln in der Weise, daß
die Verordnungsfähigkeit von Hilfsmitteln den SpitzenVBen und die von Heilmitteln dem
Bundesausschuß der Ärzte und KKen überlassen sei, mit der Folge, daß der Ausschluß
der konservativen Magnetfeldtherapie durch den Beschluss des Bundesausschusses
vom 14.1.1992 der Aufnahme der bei ihrer Anwendung benötigten Geräte nach § 128
SGB V nicht entgegenstehen könnte.
Auch dieser Auffassung wird man von der Systematik und vom Ergebnis her kaum
folgen können.
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Die Zuordnung von Mitteln zur Gruppe der Heilmittel oder zur Gruppe der Hilfsmittel ist
rechtlich nicht nur schwierig, sondern mitunter auch unmöglich; jedenfalls sind die
Grenzen fließend, und es können sich je nach der Zweckbestimmung unterschiedliche
Ergebnisse ergeben (vgl. Kasseler-Kommentar, § 32 Rdn 7 ff). So kann etwa ein
Therapietandem je nach ärztlichem Plan Heilmittel, Sicherungshilfsmittel oder auch ein
die Behinderung ausgleichendes Hilfsmittel sein. Auch hier könnte sich vielleicht je
nach Indikation eine unterschiedliche Zuordnung ergeben. Die von der Klägerin in
Bezug genommen Einteilung in den Richtlinien (Heilmittel = nur
Dienstleistungen/Sachleistungen = Hilfsmittel) dient nur der Vereinfachung und ist mit
Gesetz und Materialien nicht in Einklang zu bringen (vgl. § 124 SGB V "Heilmittel, die
als Dienstleistungen abgegeben werden ..."; BT-Drucks 200/88 S. 173; Krauskopf, § 27
Rdn 24 u § 32 Rdn 2; BSG Urt. v 10.5.1995 1 RK 18/94 = SozR 3-2500 § 33 Nr 15 -
antiallergene Matratzen als Heilmittel).
88
Für das SG ist unstreitig, daß es sich bei den hier zu beurteilenden Geräten um
Hilfsmittel handelt. So selbstverständlich ist das freilich nicht. Das BSG (15.4.97 1 RK
4/96 = BSGE 80,181) hat die Magnetfeldtherapie ebenso selbstverständlich als
Heilmittel aufgefaßt - freilich für den Fall, daß sie durch einen nichtärztlichen
Leistungserbringer erbracht wird. Folgte man nun der Klägerin hieße das: wenn es der
Arzt via nichtärztlichem Leistungsbringer verschreibt, ist das Mittel keine
Kassenleistung, weil die RL entgegenstehen; wenn es der Arzt zum Hausgebrauch
verschreibt, gehört es ins Verzeichnis und die Kasse muß zahlen.
89
Die Klägerin selbst ordnet die Geräte den Hilfsmitteln iS der 1. Mögl des § 33 Abs 1 S. 1
SGB V zu (zur Sicherung der ärztlichen Behandlung). Solche Mittel sind quasi-Heilmittel
im Gegensatz zu den Heilmitteln, die auf einen Behinderungsausgleich gerichtet sind (§
33 Abs 1 S. 1 2. Mögl SGG), als die eigentlichen Hilfsmittel aufgefaßt werden und wohl
ganz überwiegend die sind, die ins Verzeichnis gehören. Die Unterschiedlichkeiten in
den §§ 138, 139 SGB V, daß es einerseits nur für Hilfsmittel, aber nicht für Heilmittel -
zusätzlich zu den Richtlinien nach § 92 SGB V - ein Verzeichnis in der Zuständigkeit der
Kassen gibt, und daß andererseits nur für neue Heilmittel, aber nicht für neue Hilfsmittel
bestimmt ist, daß ihre Verordnung von der Anerkennung des Bundesausschusses der
Ärzte und KKen abhängig ist, hat ihre Ursache im wesentlichen nur darin, daß Heilmittel
wie auch Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 S. 1 SGB 6. Mögl SGB V a r z t n ä h e r sind als
Hilfsmittel der üblichen Art (also die nach § 33 Abs 1 S. 1 2. Mögl SGB V). Die
Sehfähigkeit wird jeweils nur einmal bei Verordnung der Brille geprüft -
Sicherungshilfsmittel und Heilmittel wie etwa die Durchführung von Krankengymnastik
sollten laufend auf ihre Übereinstimmung mit der zielgerichteten Therapie des Arztes
überprüft werden. Jedenfalls ändern diese Unterschiedlichkeiten nichts daran, daß jede
Maßnahme in der Krankenversicherung arztgebunden ist, und daß der
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Bundesausschuß die Standards - so § 92 Abs 1 S. 1 Nr 6 SGB V ausdrücklich - in RL
setzt, die gleichermaßen gelten für Heil- und Hilfsmittel. Demgemäß bedurfte es einer
dem § 138 SGB V entsprechenden Vorschrift für die Versorgung mit neuen Hilfsmitteln
nicht, weil die Qualitätssicherung der zugrundeliegenden Methode bei die Behinderung
ausgleichenden Mitteln idR bereits über §§ 92, 135 SGB V abgedeckt ist, und weil für
die im wesentlichen verbleibende bloße Prüfung der wirtschaftlich und medizinisch
einwandfreien Leistung nach § 139 SGB V der Sachverstand von Kassen und
Medizinischem Dienst ausreichend erschien, während die Qualitätsprüfung der
arztunmittelbareren Therapie in Form der Versorgung mit Heilmitteln (und idR auch mit
die ärztliche Behandlung sichernden Hilfsmitteln) sowohl in Anbetracht der
zugrundeliegenden Methode als auch in Form der speziellen Einwirkung des Arztes
durch das Heilmittel dem geballterem Sachverstand von Krankenkassen u n d
Vertragärzten überantwortet ist.
Die Klägerin beruft sich demgegenüber auch ohne Erfolg auf Schwerdtfeger (in NZS
98,49,52;97) der dem BSG zunächst darin folgt, daß § 92 SGB V dem Bundesausschuß
die Kompetenz zur generell-abstrakten Konkretisierung des Rahmenrechts des
Versicherten generalklauselartig überläßt, um dann zu konstatieren, daß es sich bei §
128 SGB V um eine von der grundsätzlichen Regelung abweichende lex specialis
insofern handle, als diese Vorschrift die Kompetenz zur Erstellung des
Hilfsmittelverzeichnis nicht dem Bundesausschuß, sondern den SpitzenVBen der KKen
zuweist. Schwerdtfeger verkennt dabei, daß es sich so besehen nicht um eine lex
specialis handeln kann, weil das Hilfsmittelverzeichnis der SpitzenVBe - im Gegensatz
zu etwa den NUB-RL - jenes Rahmenrecht des Versicherten unberührt läßt,
insbesondere seine Ansprüche aus den §§ 27 ff SGB V nicht einzuschränken vermag
(vgl. die Urteile des 8. Senats v. 29.9.97 8 RKn 27/96 = SozR 3-2500 § 33 Nr 25; v.
13.5.98 8 RKn 13/97).
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Soweit dieser Senat aaO allerdings behauptet, die ärztliche Verordnung (vgl. §§ 72 ff
SGB V u § 30 BMV-Ä) sei nicht Voraussetzung für die Versorgung mit einem Heilmittel;
der Arztvorbehalt des § 15 Abs 1 S. 2 SGB V gelte insoweit nicht, kann offen bleiben,
inwieweit, das, was dieser Senat lediglich einem früheren Urteil des BSG zur
Ersatzbrille entnimmt (BSGE 36,146,149), tatsächlich allgemein Gültigkeit hat. Darauf
kommt es hier nämlich nicht entscheidend an, denn auch dieser Senat geht nicht davon
aus, daß Hilfsmittel, die nicht Gegenstand einer vertragsärztlichen Versorgung sind, zu
Lasten der GKV beansprucht werden können.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
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Der Senat hat Anlaß gesehen, die Revision wegen grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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