Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.12.2005
LSG NRW: klagerücknahme, gebühr, hauptsache, ermessen, winter, beendigung, anschluss, krankenversicherung, rechtskraft, datum
Landessozialgericht NRW, L 16 B 39/05 KR
Datum:
22.12.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 39/05 KR
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 5 KR 311/03
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Köln vom 09. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Ansatz von Gebühren nach
Nrn. 4110 und 4118 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes (GKG) in der bis zum 30.06.2004 gültigen Fassung (KV a.F.)
dem Grunde und hilfsweise der Höhe nach, weil die Klage zurückgenommen worden
sei und sich die Beschlussgebühr (Nr. 4118) nicht nach dem Streitwert der Hauptsache
richte (Anschluss an Hinweis des Bezirksrevisors).
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Soweit sich die Beschwerde gegen den Ansatz der Gebühren dem Grunde nach richtet,
ist sie gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F., der hier gemäß § 72 Nr. 1 GKG i.d.F.
KostRMoG noch anzuwenden ist, zulässig, denn die Beschwer der Klägerin beträgt
mehr als 50,- Euro.
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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
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Die Gebühr nach Nr. 4110 KV a.F. entfällt bei Zurücknahme der Klage vor Ablauf des
Tages, an dem ein Beweisbeschluss, die Anordnung einer Beweiserhebung oder ein
Gerichtsbescheid unterschrieben ist und früher als eine Woche vor Beginn des Tages,
der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war. Die Klägerin hat entgegen ihrer
Ansicht die Klage nicht zurückgenommen, sondern "die Klage für erledigt erklärt"
(Schriftsatz vom 08.03.2004). Diese Erklärung steht der Zurücknahme der Klage i.S.d. §
197a Abs. 1 Satz 2 SGG, § 155 Abs. 2 VwGO, Nr. 4110 KV a.F. nicht gleich. Bis zur
Einführung des § 197a SGG durch das 6. SGG?ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2144)
unterschieden die Kostenbestimmungen des SGG nicht nach Beendigung des
Verfahrens durch Klagerücknahme und durch Erledigungserklärung. In der
höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die prozessualen Wirkungen der einseitigen
Erledigungserklärung allerdings schon früher unterschiedlich interpretiert worden (vgl.
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die Nachweise bei Hauck, SGb - Die Sozialgerichtsbarkeit - 2004, 407, 408). Jedenfalls
mit Einführung des § 197a SGG kann die Erledigungserklärung nicht mehr der
Klagerücknahme gleichgestellt werden (so auch Hauck a.a.O.).
§ 197a Abs. 1 SGG ordnet auch die entsprechende Anwendung der §§ 155 Abs. 2 und
161 Abs. 2 VwGO an. Nach ersterer Vorschrift hat derjenige, der die Klage zurücknimmt,
die Kosten zu tragen; nach letzterer Bestimmung ist über die Kosten bei Erledigung des
Rechtsstreits nach billigem Ermessen durch das Gericht zu entscheiden. Angesichts
dieser unterschiedlichen Kostenfolgen ist es daher geboten, Klagerücknahme und
Erledigungserklärung jedenfalls bei nicht nach § 183 SGG kostenprivilegierten
Beteiligten unterschiedlich zu behandeln. Während die Klagerücknahme nach § 102
Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt mit der Kostenfolge des § 155
Abs. 2 SGG, ändert die einseitig erklärte Erledigung des Rechtsstreits den Gegenstand
dahin, dass nunmehr Feststellung der Erledigung der Hauptsache begehrt wird (vgl.
Hauck a.a.O. S. 410 m.w.N.). Letztere wird erst durch die Zustimmung der Beklagten
erledigt, was zur entsprechenden Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO führt.
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Dass die Klägerin mit ihrer Erledigungserklärung nicht die Klage i.S.d. § 155 Abs. 2
VwGO zurücknehmen wollte, ergibt sich schon daraus, dass sie gleichzeitig beantragt
hat, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Auf letzteren Sachverhalt ist die
Gebührenprivilegierung der Nr. 4110 KV a.F. nicht anwendbar (so auch
Oestereich/Winter/Hellstab, Kommentar zum GKG, Rdn. 7 zu Nrn. 2110, 2111; Rdn. 2 zu
Nrn. 4110 bis 4118). Das Gericht muss in letzterem Fall unter summarischer Prüfung
des gesamten Sachverhaltes entscheiden, wer die Kosten zu tragen hat, während eine
solche Prüfung im Rahmen des § 155 Abs. 2 VwGO entbehrlich ist. Schon dieses
Tätigwerden des Gerichts rechtfertigt es nicht, von der Gebühr abzusehen. Darüber
hinaus würden Kläger und Beklagte unterschiedlich behandelt, weil im Rahmen der
Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO die Gebührenprivilegierung nur dem Kläger
zugute kommen könnte, da er allein eine Erklärung i.S. einer Klagerücknahme abgeben
kann.
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Auch die Gebühr nach Nr. 4118 KV a.F. entfällt im Rahmen der Entscheidung nach §
197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO nicht. Anderes folgt auch nicht aus
der Entscheidung des Senats vom 25.01.2005 - L 16 B 189/04 KR -. In letzterem Fall
hatte die Klägerin die Klage zurückgenommen, so dass § 197a Abs. 1 Satz 2 SGG zum
Tragen kam, auf den sich der Gebührentatbestand der Nr. 4118 KV a.F. nicht bezieht.
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Soweit sich die Beschwerde gegen die Höhe der Beschlussgebühr richtet, ist sie
unzulässig. Der Bezirksrevisor hat bereits mit Schreiben vom 19.08.2005 die
Kostenbeamtin angewiesen, die Kostenrechnung insoweit zu berichtigen. Daher ist die
Beschwer der Klägerin insoweit und damit das Rechtsschutzbedürfnis für eine
Entscheidung durch das Beschwerdegericht entfallen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GKG a.F.; § 177 SGG).
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