Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.09.2006
LSG NRW: asthma bronchiale, diabetes mellitus, medizinische rehabilitation, grauer star, innere medizin, psychische störung, kur, diagnose, psychiater, krankenkasse
Landessozialgericht NRW, L 11 (2) KR 81/05
Datum:
04.09.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 11 (2) KR 81/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 26 KR 748/04
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
14.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch
im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme.
2
Im März 2004 beantragte der Kläger, der seit 1989 eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit bezieht, eine stationäre Maßnahme in Wyk/Föhr und gab an, zuletzt
auf Kosten der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) eine derartige
Rehabilitationsmaßnahme im Herbst 1996 auf der Insel Norderney in Anspruch
genommen zu haben. Der Antrag war gestützt auf eine ärztliche Bescheinigung des
Internisten Dr. C, der eine derartige Kur aus gesundheitlichen Gründen (Asthma
bronchiale, Diabetes mellitus, Depression und Psychosomatisierung) für erforderlich
hielt. Als Ziel der Maßnahme nannte Dr. C die Intensivierung der Physiotherapie,
Atemgymnastik, Inhalations- und Trainingstherapie. Den Antrag lehnte die Beklagte mit
Bescheid vom 18.03.2004 ab. Ihre medizinische Beraterin habe mitgeteilt, dass
zunächst die Möglichkeiten am Wohnort auszuschöpfen seien, hier sei insbesondere an
Krankengymnastik, Physio- bzw. Ergotherapie zu denken.
3
Seinem dagegen gerichteten Widerspruch fügte der Kläger ein ärztliches Attest des Dr.
C bei, in dem dieser ausführte, dass auf Grund der Diagnose "persistierendes Asthma
bronchiale, Stufe II" nach den derzeit geltenden medizinischen Richtlinien die
Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitation indiziert sei. In deren
Rahmen könne ein umfassendes ergänzendes Konzept umgesetzt werden, das in
physiotherapeutischen Maßnahmen, Gesundheitsschulungen,
Gesundheitserziehungen, inhalativen Maßnahmen sowie optimalen klimatischen
Umgebungsbedingungen bestehe, und bisher in Deutschland nicht ambulant
4
durchsetzbar sei. Daraufhin bot die Beklagte mit Schreiben vom 05.04.2004 eine
Kostenbeteiligung an einer ambulanten Vorsorgeleistung an. Ihre medizinische
Beraterin habe ihr mitgeteilt, dass gegebenenfalls eine ambulante Kompaktkur zu
befürworten sei. Die Notwendigkeit einer ständigen Präsenz eines Arztes während der
Anwendungen könne hingegen nicht gesehen werden. Auch die Gehstrecken zu den
Anwendungen seien dem Kläger zumutbar. Im weiteren Verlauf ließ die Beklagte noch
ein Gutachten des MDK vom 24.05.2004 erstellen, in dem Dr. N nach einer körperlichen
Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangte, es sei weder eine ambulante
noch eine stationäre Reha-Maßnahme notwendig, da die ambulanten Maßnahmen am
Wohnort nicht ausgeschöpft worden seien. Dies gelte insbesondere für die
medikamentöse Therapie hinsichtlich derer jedoch der Verdacht bestehe, dass hier eine
absolute Noncompliance seitens des Klägers vorliege. Im Übrigen seien Zweifel am
Leidensdruck des Klägers zu äußern, denn er habe eine vor zwei Jahren genehmigte
Kur nicht angetreten. Auf Grund des Ergebnisses der Begutachtung hielt die Beklagte
daraufhin ihr Angebot zur Beteiligung an einer ambulanten Kur nicht weiter aufrecht
(Schreiben vom 27.05.2004) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
13.08.2004 zurück.
Hiergegen richtete sich die am 26.08.2004 erhobene Klage, zu deren Begründung der
Kläger im Wesentlichen die Auffassung vertrat, auf Grund der bei ihm vorliegenden
Erkrankungen (Asthma bronchiale Stufe II/Mischbild COPD, vegetative Dystonie,
Depressionen, Diabetes mellitus, grauer Star, Loch im Fuß), die einen Grad der
Behinderung (GdB) von 60 bedingten, sei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme
notwendig. Die ambulanten Maßnahmen am Wohnort seien ausgeschöpft.
5
Der Kläger hat beantragt,
6
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.03.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.08.2004 zu verurteilen, dem Kläger eine stationäre
Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
7
Die Beklagte hat beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Ihrer Auffassung nach lagen beim Kläger die Voraussetzungen weder für die
Gewährung einer stationären noch einer ambulanten Reha-Maßnahme vor. Zur
Begründung verwies die Beklagte auf eine ergänzende Stellungnahme des S N vom
31.01.2005, die nach Auswertung der im Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen
der behandelnden Ärzte erstellt worden war.
10
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.06.2005 abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung sei § 11 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches
(SGB) V, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen. Die Beweisaufnahme habe
ergeben, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten vor Ort nicht ausgeschöpft
seien, so dass die Beklagte unter Beachtung des in § 12 Abs. 1 SGB V normierten
Wirtschaftlichkeitsgebotes eine ambulante oder stationäre Reha-Maßnahme nicht
erbringen dürfe. Das Asthma bronchiale des Klägers sowie seine Zuckerkrankheit seien
am Besten zu bekämpfen, wenn er sich ernstlich zur Aufgabe des Rauchens und zur
strikten und disziplinierten Einhaltung der ärztlichen Vorgaben entschließe, welche
ihrerseits die Medikation des Klägers erweitern könnten. Darüber hinaus komme
11
alternativ eine ambulante Atemgymnastik in Betracht, die am Wohnort bislang unstreitig
nicht durchgeführt worden sei. An der Behauptung des Klägers, seit April 2004 nicht
mehr zu rauchen, habe der Gutachter des MDK Zweifel geäußert, weil die Finger des
Klägers nach wie vor nikotinverfärbt seien. Auch der den Kläger behandelnde
praktische Arzt Dr. S habe noch im Dezember 2004 in seinem Befundbericht erwähnt,
dass der Kläger den Nikotinmissbrauch unbedingt beenden müsse. Im Ergebnis habe
dieser Arzt den Ausführungen des MDK zugestimmt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 26.07.05, zu deren Begründung er
sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ferner legt der Kläger ein weiteres
Attest des Dr. C vom 1. August 2005 vor, nach dem wegen der Diagnose Mischbild
chronische obstruktive Lungenkrankheit, Asthma bronchiale Stufe II" nach den derzeit
geltenden medizinischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
der American Thoracic Society die Durchführung einer stationären medizinischen
Rehabilitation indiziert sei.
12
Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seiner Schriftsätze,
13
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2005 abzuändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 18.03.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.08.2004 zu verurteilen, ihm eine stationäre
Rehabilitationsmaßnahme zu bewilligen.
14
Die Beklagte beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,
15
die Berufung zurückzuweisen.
16
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht sich zur
Begründung ihrer Auffassung die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils zu eigen.
17
Das Gericht hat die Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. Langensiepen
(Neurologe und Psychiater), Dr. C (Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie) und Dr.
S (praktischer Arzt) angefordert und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines
Gutachtens des Internisten, Allergologen, Umweltmediziners und Arztes für Lungen- und
Bronchialheilkunde Dr. B. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 06.04.2006, die
beigezogenen Unterlagen sowie den Vortrag der Beteiligten im Übrigen, deren Inhalt
Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, wird Bezug genommen.
18
Entscheidungsgründe:
19
Der Senat konnte über die zulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche
Verhandlung entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat (§ 153 Abs. 4 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Die Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört
worden.
20
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch den
angefochtenen Bescheid vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.08.2004 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
21
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer stationären
22
Rehabilitationsmaßnahme. Gemäß § 11 Abs. 2 SGB V haben Versicherte auch
Anspruch auf Leistungen zur medizinische Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde
und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder
Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu lindern, auszugleichen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Sofern bei Versicherten eine
ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V
beschriebenen Ziele zu erreichen, kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen
erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für
die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine
bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit
medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen
Einrichtungen erbringen (§ 40 Abs. 1 SGB V). Reicht die Leistung nach Abs. 1 nicht aus,
kann die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in
einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht (§ 40
Abs. 2 SGB V). Im Fall des Klägers ist die Durchführung einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme medizinisch nicht notwendig und darf daher von der
Beklagten unter Beachtung des in § 12 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots
nicht erbracht werden. Hierauf hat das Sozialgericht bereits zutreffend nach
Durchführung von Ermittlungen und Auswertung von deren Ergebnissen hingewiesen.
Die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen ist durch das im Berufungsverfahren
eingeholte Gutachten des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde, Internisten,
Allergologen und Umweltmedizin Dr. B vom 06.04.2006 bestätigt worden. Der
Sachverständige, der den Kläger untersucht hat, hat die erhobenen Befunde und
gestellten Diagnosen schlüssig dargelegt und die darauf beruhende Beurteilung
überzeugend begründet. Die Feststellungen sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei,
so dass der Senat keine Veranlassung hat, den Vorschlägen des Sachverständigen
nicht zu folgen. Danach ist davon auszugehen, dass beim Kläger auf Seiten des
Fachgebiets des Sachverständigen ein Mischbild COPD/Asthma mittlerer Schwere
sowie ein Diabetes mellitus vorliegen. Fachfremd hat der Sachverständige darüber
hinaus noch eine psychische Störung und ein Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert.
Unter Auswertung seiner Untersuchungsergebnisse und der Unterlagen der
behandelnden Ärzte des Klägers gelangt Dr. B zu der Feststellung, dass zurzeit und bis
auf Weiteres eine stationäre Reha-Maßnahme nicht angezeigt sei. Vielmehr sei eine
Aufarbeitung und Therapie der psychischen Störung des Klägers bei einem Psychiater
notwendig, um die Probleme im Rahmen eines medizinischen Gesamtkonzepts
berücksichtigen zu können. Danach könne eine ambulante Reha mit den Maßnahmen
der Raucherentwöhnung und einer sich anschließenden Asthmaschulung durchgeführt
werden. Erst dann stellt sich die Frage, ob Status und psychische Verfassung des
Klägers eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll erscheinen ließen. Insofern
stimmt der Sachverständige den Feststellungen des MDK-Arztes Dr. N in seinem
Gutachten vom 31.01.2005 zu.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
24
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
25