Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.10.2003
LSG NRW: hauterkrankung, berufliche tätigkeit, eintritt des versicherungsfalles, berufskrankheit, erwerbsfähigkeit, minderung, masseur, entstehung, hautkrankheit, belastung
Landessozialgericht NRW, L 15 U 43/02
Datum:
14.10.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 15 U 43/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 18 U 165/98
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln
vom 7. September 2001 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung
des Bescheides vom 24. November 1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1998 verurteilt, dem Kläger für
den Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis zum 30. April 1995 Verletztenrente in
Höhe von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren. Die Beklagte trägt die
außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Rechtsstreit wird um die Gewährung von Verletztenrente wegen einer
Hauterkrankung geführt.
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Der 1944 geborene Kläger erlernte den Beruf des Elektroinstallateurs, diente von 1963
bis 1975 als Zeitsoldat bei der Bundesmarine und schulte dann zum Masseur und
medizinischen Bademeister um. In diesem Beruf war er als selbstständiger, bei der
Beklagten versicherter Unternehmer tätig. Seine praktische handwerkliche Arbeit als
Masseur und medizinischer Bademeister stellte er zum 01.07.1992 ein und übt seitdem
in seiner Praxis verwaltende und beratende Tätigkeiten aus. Im April 1992 zeigte der
Chefarzt der Dermatologischen Klinik des C Krankenhauses in G Prof. Dr. M bei der
Beklagten an, beim Kläger bestünden an den Fingern und Fingerkanten
hyperkeratotische, rhagadiforme Erytheme; es bestehe ein Anhalt für eine beruflich
bedingte Hauterkrankung; bei Sensibilisierungen gegenüber berufstypischen
Substanzen nachgewiesen worden seien. Im September 1992 erstattete Prof. Dr. M eine
Berufskrankheitenanzeige. Die Beklagte zog Unterlagen über hautärztliche
Behandlungen des Klägers bei und holte ein Gutachten von dem Dermatologen Dr. X
aus C vom 19.09.1993 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden
Hautveränderungen an den Händen im Sinne einer Dyshidrosis lamellosa sicca, diese
Hauterkrankung habe ausschließlich anlagebedingte Ursachen, ein ursächlicher
Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Sinne der wesentlich mitwirkenden
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Ursache bestehe nicht. Der Staatliche Gewerbearzt stimmte dieser Beurteilung zu. Die
Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.01.1994 Entschädigungsleistungen wegen einer
Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren vertrat die Ärztin für Dermatologie und
Allergologie Dr. S aus L nach Aktenlage die Auffassung, sowohl der Verlauf der
Hauterkrankung als auch die klinische Ausprägung der Hauterscheinungen und der
fehlende Nachweis von beruflich bedingten Kontaktsensibilisierungen spreche gegen
eine primär beruflich bedingte Hauterkrankung. Der Widerspruch wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 20.09.1994 zurückgewiesen.
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Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Köln (S 7 U 80/94). Das
Soialgericht holte ein Gutachten von den Hautärzten Prof. Dr. G und Dr. L aus N vom
23.05.1995 ein, die beim Kläger ein geringgradiges dyshidrosiformes Handekzem sowie
eine schwache Kontaktallergie gegenüber verschiedenen Berufsstoffen
diagnostizierten. Sie vertraten die Auffassung, die Hauterkrankung sei beruflich bedingt;
durch jahrelange Belastung der Haut mit Schmierölen und Fetten und der Notwendigkeit
intensiver Hautreinigung bei der Marine und dann fast 20jähriger Hautbelastung mit
Massageölen und der Notwendigkeit, sich bis zu 50mal täglich die Hände zu waschen,
sei es zur Aufquellung und Entfettung der Haut, zu Juckreiz und Ekzematisation
gekommen. Der intensive Kontakt auch tieferer Hautschichten mit Berufsstoffen habe
dann auch bereits zur leichten Sensibilisierung gegen verschiedene Stoffe geführt, die
beruflich relevant seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 %. Die
Beklagte befragte daraufhin Prof. Dr. U aus E nach Aktenlage. Dieser vertrat die
Auffassung, beim Kläger bestehe ein subakutes bis akutes dyshidrosiformes
Handekzem im Bereich beider Hände. Zwischen dieser Hauterkrankung und der
beruflichen Tätigkeit bestehe insofern ein Zusammenhang, als bei einer gering
ausgeprägten atopischen Diathese eine über Jahre erfolgte Abnutzung der Haut zur
Entstehung des atopischen Handekzems geführt habe. Die Hauterscheinungen wiesen
zwar eine anlagebedingte Komponente auf, für ihr Auftreten sei aber letztlich die
langjährige Feuchtarbeit verantwortlich gewesen. Die Hauterkrankung sei schwer und
wiederholt rückfällig. Die durch sie bedingte MdE werde mit 20 % eingeschätzt.
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Daraufhin schlossen die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am
13.11.1995 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die Hautkrankheit
des Klägers als Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit Nr. 5101 der
Anlage zur BKV anzuerkennen, sobald der Kläger sämtliche hautgefährdenden
Tätigkeiten endgültig und nicht nur vorübergehend aufgegeben habe; der Eintritt des
Versicherungsfalles und die Feststellung der gesundheitlichen Folgen, die die
Berufskrankheit hinterlassen habe, werde gesondert festgelegt und es werde
hinsichtlich des nach § 580 RVO noch festzustellenden Zeitpunkts des Rentenbeginns
geprüft, in welcher Höhe die Folgen der Berufskrankheit eine MdE hinterlassen hätten.
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In der Folgezeit holte die Beklagte weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte ein,
befragte den Kläger und seine Mitarbeiter zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und
holte schließlich eine Stellungnahme des Hautarztes Dr. L1 vom 31.10.1997 zur
Einstufung der berufsbedingten MdE ein. Dieser Arzt kam zu dem Ergebnis, die
krankhaften Hautveränderungen seien ausweislich der Befundberichte des Hautarztes
des Klägers offensichtlich mittlerweile vollständig abgeheilt. Bei tatsächlicher Aufgabe
der schädigenden Tätigkeit als Masseur seien bis maximal ein Jahr danach noch
berufsbedingte Hautveränderungen denkbar; darüber hinaus bestehende
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Hautveränderungen seien nicht mehr berufsbedingt. Da keine Hautveränderungen mehr
vorliegen und auch keine relevanten beruflich bedingten Sensibilisierungen bestünden,
seien die Auswirkungen der Berufskrankheit nach den Empfehlungen der
Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
mit einer MdE um 0 % zu bewerten.
Die Beklagte erkannte daraufhin mit Bescheid vom 24.11.1997 beim Kläger eine
Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV an, lehnte aber die Gewährung von
Verletztenrente mit der Begründung ab, die Erkrankung habe keine rentenberechtigende
MdE zur Folge, die beruflich verursachte Hauterkrankung sei nach Aufgabe der
gefährdenden beruflichen Tätigkeit abgeheilt; die weiterhin bestehenden
Hauterscheinungen seien Folge der beim Kläger festgestellten anlagebedingten
atopischen Hautkonstitution.
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Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine weitere gutachtliche Stellungnahme
des Hautarztes Dr. X1 vom 24.04.1998 ein, der die Auffassung vertrat, nach Aufgabe der
beruflichen Tätigkeit sei der beruflich bedingte Anteil der Hauterkrankung durch
Meidung der schädigenden Noxen vollständig abgeheilt. Das weiterbestehende
dyshidrosiforme Ekzem bei atopischer Diathese sei als anlagebedingte, schicksalhafte
Hauterkrankung zu bewerten und zeige einen typischen wechselhaften und
eigendynamischen Verlauf. Die wegen der Berufskrankheitsfolgen bestehende
Minderung der Erwerbsfähigkeit werde ab 01.07.1992 über ein Jahr mit 10 % und
danach mit 0 % bewertet. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 10.06.1998 zurück.
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Mit seiner Klage zum Sozialgericht Köln hat der Kläger vorgetragen, er habe Anspruch
auf Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert
sei. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. G und Dr. L. Das Sozialgericht
hat ein Gutachten von Prof. Dr. G1 aus C1 vom 01.12.1998 eingeholt. Dieser hat beim
Kläger ein mäßig ausgeprägtes Handekzem diagnostiziert, das ganz eindeutig Folge
der beruflichen Tätigkeit sei. Dafür spreche das zeitgleiche Erstauftreten der Erkrankung
mit der beruflichen Einwirkung degenerativ-toxisch kumulativ wirkender Faktoren. Zuvor
sei der Kläger stets hautgesund gewesen. Die berufskrankheitsbedingte Minderung der
Erwerbsfähigkeit betrage bis zur Untersuchung durch Prof. Dr. G am 30.04.1995 20 %,
ab 01.05.1995 10 %.
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Die Beklagte hat diesem Gutachten unter Vorlage einer Stellungnahme des Prof. Dr. T,
Leiter der dermatologischen Abteilung der Universität P vom 16.02.1999 widersprochen.
Zwar sei das Vorliegen einies atopischen Handekzems des Klägers erstmals während
seiner Berufstätigkeit aufgetreten und mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf seine
Tätigkeit als Masseur und medizinischer Bademeister zurückzuführen; nach Meidung
der beruflichen Einflüsse sei die Barrierefunktion des Hautorgans aber nach Ablauf
eines Zeitraums von einem Jahr wiederhergestellt gewesen. Wichtig sei hierbei die
Feststellung, dass das Handekzem, nachdem es kurzfristig nach Beendigung der
Tätigkeit 1992 bereits im Rahmen eines Urlaubs abgeheilt gewesen sei, insbesondere
jedoch auch im Sommer 1993, also ein Jahr nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit
abgeheilt sei; der sich hieran anschließende rezidivierende Verlauf mit dem Auftreten
eines atopischen Handekzems sei als Ausdruck eines anlagebedingten, schicksalhaft
atopischen Geschehens zu bewerten; das Auftreten von Hauterscheinungen über den
Zeitraum eines Jahres nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit hinaus könne nicht in
die Bewertung der MdE mit einfließen. Bis zum 30.06.1993 liege eine MdE um 20 % vor,
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danach um 0 %. Prof. Dr. G1 ist in einer ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.1999
bei der von ihm vertretenen Auffassung verblieben und hat darauf hingewiesen, der
Kläger sei zwar Träger eines anlagebedingten atopischen Reaktionsverhaltens; diese
Atopie prädestiniere zwar zu Hauterscheinungen, rufe diese aber nicht selbst hervor.
Der Kläger sei vom Zeitpunkt seiner Geburt 1944 bis zum Erstauftreten von
Hauterscheinungen 1991 trotz seiner Konstitution stets hautgesund gewesen. Aufgrund
der beruflichen Belastung sei dann ein degenerativer Barriereschaden eingetreten. Es
gebe unter diesen Umständen keine überzeugende Begründung dafür, warum ein durch
berufliche Einflüsse hervorgerufener Barriereschaden nach Fortfall der primären
Manifestationsfaktoren nach einem Jahr beseitigt sein soll. Prof. Dr. T und Prof. Dr. G1
haben in weiteren Stellungnahme ihre Auffassungen jeweils bekräftigt.
Die Beklagte hat das vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben, ihm für
die Zeit vom 01.07.1992 bis 30.06.1993 Verletztenrente nach einer MdE um 20 % zu
zahlen.
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Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 07.09.2001, auf dessen Begründung im einzelnen
Bezug genommen wird, im wesentlichen gestützt auf die Gutachten des Prof. Dr. T die
Klage abgewiesen.
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Seine Berufung stützt der Kläger auf die Beurteilung durch die Sachverständigen Prof.
Dr. G und Prof. Dr. G1 sowie auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Prof.
Dr. U.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.09.2001 zu ändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 24.11.1997 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 10.06.1998 zu verurteilen, ihm über den 30.06.1993
hinaus bis zum 30.04.1995 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Der Senat hat ein Gutachten von Prof. Dr. N, Klinik und Poliklinik für Dermatologie der
Universität L, vom 17.02.2003 eingeholt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis,
auch nach dem 30.06.1993 liege ein beruflich bedingtes kumulativ-toxisches
Handekzem bei atopischer Diathese vor. Die dadurch bedingte Minderung der
Erwerbsfähigkeit betrage im Zeitraum vom 01.07.1993 bis 31.05.1996 20 %, ab
01.06.1996 bis auf weiteres 10 %. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen,
dass eine deutliche Sensibilisierung gegen einen Duftstoffmix als sehr wahrscheinlich
anzusehen sei. Gegen eine beruflich erworbene Allergie spreche nicht, dass diese
Stoffe auch in Hautpflegemitteln des täglichen Gebrauchs vorkämen. Beim Kläger seien
Ekzeme an den Händen aufgetreten, wo er sehr wahrscheinlich intensiven Kontakt mit
solchen Stoffen gehabt habe und die Barriere der Haut durch Feuchtarbeit geschädigt
gewesen sei. Es sei nicht ungewöhnlich, dass zuerst durch Feuchtarbeit ein
Barriereschaden entstehe und sich hierauf ein allergisches Kontaktekzem aufpfropfe.
Die berufliche bedingte kontaktallergische Komponente des Handekzems sei in der
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Auswirkung aber geringgradig. Es handele sich um auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
wenig relevante Stoffe, von daher spiele die allergische Komponente des Handekzems
zur Abschätzung der Höhe der MdE keine Rolle. Die berufliche Tätigkeit des Klägers sei
die überwiegende Ursache für die Entstehung des Handekzems. Insofern müsse das
gesamte Ekzem bei der Festlegung der MdE als beruflich bedingt berücksichtigt
werden, weil der Kläger in dem Zustand geschützt sei, der vorberuflich bestanden habe.
Wolle man nachträglich den beruflichen bedingten kumulativ-toxischen Anteil von einem
anlagemäßigen atopischen Handekzem bei der MdE-Bestimmung getrennt bewerten,
so sei dies nur dann möglich, wenn man eine Berufskrankheit im Sinne der
Verschlimmerung annehme. Eine Verschlimmerung setze aber das Vorhandensein von
vorberuflichen Hauterscheinungen an der Hand voraus, eine atopische Anlage reiche
zu dieser Annahme nicht aus. Er folge der Argumentation des Sachverständigen Prof.
Dr. G1.
Die Beklagte hat diesem Gutachten widersprochen: Prof. Dr. T vertrat die richtige
Auffassung; dafür spreche der Verlauf der Hauterkrankung; die Hauterscheinungen
seien nach Tätigkeitsaufgabe zweimal vollständig abgeheilt, wenn dies aber geschehe,
so bleibe die Frage, wieso die nachfolgend auftretenden Hauterscheinungen weiterhin
Ausdruck des beruflich bedingten Handekzems sein sollten.
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Prof. Dr. N ist in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30.06.2003 bei seiner
Auffassung geblieben und hat ausgeführt, es sei im vorliegenden Fall nicht möglich,
einen Wechsel von einem kumulativ-toxischen Handekzem bei Atopie zu einem
atopischen Handekzem mit eigendynamischen Verlauf zu beweisen oder zu begründen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs-
und Prozessakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Ihm steht für den streitbefangenen
Zeitraum bis zum 30.04.1995 Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente zu.
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Die Ansprüche des Klägers bestimmen sich noch nach den Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (RVO). Das am 01.01.1997 in Kraft getretene Siebte Buch
des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) findet keine Anwendung, weil der Versicherungsfall
vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und nur Leistungen für Zeiträume vor dem
31.12.1996 geltend gemacht werden (Artikel 36 des Unfallversicherungs-
Einordnungsgesetzes, §§ 212 ff. SGB VII). Nach § 581 Abs. 1 Satz 1 wird
Verletztenrente gewährt, so lange in Folge des Arbeitsunfalls - als solcher gilt nach §
551 Abs. 1 Satz 1 auch eine Berufskrankheit - die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um
wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit im Sinne
von § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit Nr. 5101 der Anlage zur BKV vor, nämlich eine
schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller
Tätigkeiten gezwungen hat, die für ihre Entstehung, Verschlimmerung oder das
Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können. Dies hat die Beklagte im
angefochtenen Bescheid bindend festgestellt.
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Durch die Folgen dieser Berufskrankheit war die Erwerbsfähigkeit des Klägers im
streitbefangenen Zeitraum vom 01.07.1993 bis 30.04.1995 um 20 v.H. gemindert. Der
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Kläger litt in diesem Zeitraum an einem dyshidrosiformen bzw. dyshidrotischen - d. h. mit
Bläschenbildung verbundenen - Handekzem. Zu dieser Diagnose kamen alle Hautärzte,
die den Kläger im fraglichen Zeitraum untersucht oder behandelt haben. Diese
Erkrankung ist mit der dafür erforderlichen Wahrscheinlichkeit zumindest im Sinne einer
wesentlichen Teilursache auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen.
Insbesondere durch langjährige Feuchtarbeit und die kumulative Einwirkung
subtoxischer Berufssubstanz- en ist es mit Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung der
Barrierefunktion der Hornschicht des Hautorgans gekommen, worauf die gerichtlichen
Sachverständigen Prof. Dr. G1, Prof. Dr. N und der beratende Arzt der Beklagten Prof.
Dr. T für den Senat überzeugend hinweisen. Beim Kläger besteht zwar auch ein
anlagebedingtes atopisches Reaktionsverhalten, das zur Entstehung der
Hauterkrankung beigetragen hat. Die Atopie ist aber nicht die allein wesentliche
Ursache der Hauterkrankung des Klägers. Eine Atopie geht mit einer allgemeinen
herabgesetzten Reaktionsschwelle gegenüber Umweltreizen jeglicher Art einher.
Atopiker sind infolge dessen nur zur Ausübung trockener, sauberer Tätigkeiten in der
Lage, die keine Belastung durch chemische oder physikalische Potenziale mit sich
bringen und möglichst nicht mit mentalem Stress verbunden sind. Eine solche Atopie
prädestiniert zwar zu Hauterscheinungen, ruft sie aber nicht hervor. Insoweit müssen
weitere Faktoren hinzutreten, damit Hauterscheinungen manifest werden. Die atopische
Reaktionslage war im Falle des Klägers nicht so stark oder so leicht ansprechbar, dass
es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher
äußerer Einwirkungen bedurft hätte. Dagegen spricht entscheidend, dass der Kläger
vom Zeitpunkt seiner Geburt bis zum Erstauftreten von Hauterscheinungen 1991
während 47 Jahren stets hautgesund war. Der Senat folgt hinsichtlich der Annahme der
haftungsausfüllenden Kausalität der übereinstimmenden Beurteilung durch die
gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. G, Prof. Dr. G1 und Prof. Dr. N sowie der
beratenden Ärzte der Beklagten Prof. Dr. U und Prof. Dr. T (jedenfalls hinsichtlich des
Zeitraums von einem Jahr nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit).
Der Senat hat es letztlich dahingestellt bleiben lassen, ob zusätzlich auch noch eine
beruflich erworbene Kontaktallergie gegenüber Duftstoffen und Kathon vorliegt. Prof. Dr.
G, Prof. Dr. G1 und Prof. Dr. N jedenfalls hinsichtlich der Sensibilisierung gegen
Duftstoffmixen bejahen dies. Prof. Dr. U und Prof. Dr. T halten diesen Zusammenhang
für nicht wahrscheinlich und eine Exposition gegenüber solchen Berufsstoffen auch
nicht für bewiesen. Angesichts der geringen Verbreitung dieser Allergene und der nicht
sehr ausgeprägten klinischen Allergisierung wirkt sich allerdings eine solche
Allergielage nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. N
nicht auf die Einschätzung der berufskrankheitsbedingten MdE aus.
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Soweit die von der Beklagten nach Aktenlage gehörten Dermatologen Dr. L1, Dr. X1
und Prof. Dr. T die Auffassung vertreten, die über den 30.06.1993 hinaus bestehende
Hauterkrankung sei anlagebedingt, vermag dies nicht zu überzeugen.
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Der Verlauf der Erkrankung zeigt, dass auch über den 30.06.1993 hinaus beim Kläger
Handekzeme vorgelegen haben, ohne dass diese sich im Erscheinungsbild wesentlich
unterschieden haben. Dies zeigen insbesondere die von der Beklagten beigezogenen
Krankenblattunterlagen des Dr. S1, der im Zeitraum von April 1993 bis Juni 1996 immer
wieder deutliche krankhafte Befunde der Hände dokumentiert hat. Insbesondere notierte
er am 10.05.1993 ein nässendes rissiges Ekzantem beider Hände und am 07.07.,
04.08., 06.09., 06.10. und 10.11.1993 einen unveränderten Befund. Zu einer über einen
längeren Zeitraum anhaltenden Abheilung der Ekzeme ist es im Sommer 1993 nicht
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gekommen. Der Kläger hat gegenüber Dr. X anamnestisch angegeben, während eines
zweimaligen vierzehntägigen Segelurlaubs in der Ostsee in den Monaten Juli/August
1992 und 1993 seien seine Hauterscheinungen nach vier bis fünf Tagen "total weg"
gewesen. Diese Erscheinungsfreiheit habe aber nur bis zur Rückkehr an den Wohnort
angehalten, bereits drei Tage später habe ein Rückfall eingesetzt. Bei einer derart
kurzen Erscheinungsfreiheit von knapp zwei Wochen vermag es nicht einzuleuchten,
dass die zuvor berufsbedingte Hauterkrankung danach allein wesentlich anlagebedingt
sein soll. Es gibt auch keine gesicherte dermatologische Erkenntnis, dass
berufsbedingte Handekzeme innerhalb eines Jahres nach Aufgabe der gefährdenden
Tätigkeit abheilen. Prof. Dr. G1, ehemals Vorstand der dermatologischen Klinik der
Universität C1 am St. K-Hospital, kommt unter Auswertung der Verlaufsdauer von 195
Patienten mit berufsbedingten Handekzemen zu dem Ergebnis, dass nur in 36,8 % der
Fälle die Ekzeme innerhalb eines Jahres nach Aufgabe der Tätigkeit abgeheilt waren. In
Übereinstimmung damit verweist Prof. Dr. N in seiner ergänzenden Stellungnahme vom
30.06.2003 auf dermatologischer Literatur, wonach persistierende, chronische
Handekzeme auch bei berufsbedingten Ekzemen in 35 bis 80 % noch nach Jahren
bestehen bleiben, auch wenn der Beruf aufgegeben worden ist.
Im Übrigen hat die Beklagte mit dem am 13.11.1995 vom Kläger angenommenen
Vergleichsvorschlag vom 17.08.1995 die Hautkrankheit des Klägers als Berufskrankheit
anerkannt, sobald der Kläger sämtliche hautgefährdenden Tätigkeiten endgültig und
nicht nur vorübergehend aufgegeben hat. Dieser im gerichtlichen Verfahren S 7 U 80/94
vor dem Sozialgericht in Köln geschlossene Vergleich kann nur dahingehend ausgelegt
werden, dass die vom gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. G im April 1995
festgestellte Hautkrankheit gemeint ist. Damit ist es der Beklagten verwehrt, hinsichtlich
dieser Hautkrankheit die haftungsausfüllende Kausalität in Frage zu stellen.
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Hinsichtlich der berufskrankheitsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit folgt der
Senat der übereinstimmenden Beurteilung durch die Sachverständigen Prof. Dr. G, Prof.
Dr. G1 und Prof. Dr. N, denen auch Prof. Dr. U zugestimmt hat und Prof. Dr. T
hinsichtlich der MdE-Bemessung auch nicht widersprochen hat. Diese Einschätzung
entspricht den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und
Umweltdermatologie (ABD) und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger die
Einschätzung der MdE bei Berufskrankheiten der Haut. Danach beträgt die Minderung
der Erwerbsfähigkeit bei mittelgradigen Hauterscheinungen auch ohne Auswirkungen
einer Allergie 20 %.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2
SGG sind nicht erfüllt.
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