Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.03.2003

LSG NRW: mitgliedschaft, bfa, freiwillig versicherter, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, freiwillige versicherung, beitragsschuld, beendigung, krankengeld, satzung, fälligkeit

Landessozialgericht NRW, L 16 KR 187/02
Datum:
20.03.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 187/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 44 KR 252/01
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 18. Juli 2002 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom
16. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.
August 2001 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die der Klägerin
entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin
bei der beklagten Krankenkasse wegen Beitragsverzuges.
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Die Klägerin bezog bis zum 01.02.2001 Krankengeld. Mit Bescheid vom 05.02.2001
bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin ab dem
01.09.2000 Versichertenrente in Höhe von monatlich 1.385,45 DM, die abzüglich des
Kranken- und Pflegeversicherungsanteils (95,59 DM bzw. 11,77 DM) in Höhe von
1.278,09 DM an die Klägerin gezahlt wurde. Die Beklagte stufte die Klägerin als
freiwilliges Mitglied durch Bescheid vom 19.02.2001 nach monatlichen Einnahmen von
1.493,33 DM (1.385,45 DM Grundrente zuzüglich Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsanteil) mit einem monatlichen Betrag von 194,14 DM nach der
Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ein. Gleichzeitig meldete sie der BfA die ab dem
02.02.2001 bestehende freiwillige Versicherung. Daraufhin berechnete letztere mit
Bescheid vom 28.03.2001 den monatlichen Zahlbetrag neu ab dem 02.02.2001 mit
1.490,75 DM und für die Zeit vom 01.09.2000 bis 30.04.2001 eine Nachzahlung von
630,38 DM.
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Mit Schreiben vom 02.05.2001, der Klägerin am 05.05.2001 zugestellt, wies die
Beklagte letztere darauf hin, dass das Beitragskonto inzwischen einen
Beitragsrückstand von zwei Monaten ausweise. Die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter
in der Krankenversicherung ende kraft Gesetzes mit Ablauf des nächsten Zahltages,
wenn die fälligen Beiträge für zwei Monate trotz Hinweises auf die Folgen nicht
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entrichtet würden. Die Beendigung der Mitgliedschaft könne nur vermieden werden,
wenn zum Zeitpunkt der "letzten Zahlungsfrist" der gesamte Beitragsrückstand
beglichen worden sei. Andernfalls ende die Mitgliedschaft einschließlich sämtlicher
Rechte mit dem Ende der Zahlungsfrist. Als letzte Zahlungsfrist und zugleich Ende der
Mitgliedschaft wurde der 15.05.2001 angegeben, der rückständige Beitrag für Februar
und März mit 417,08 DM berechnet, zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 3,--
DM und Mahngebühren in Höhe von 8,-- DM. Nachdem die Klägerin die Zahlungen
nicht geleistet hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.05.2001 das Ende der
Mitgliedschaft der Klägerin fest.
Die Klägerin bat mit Schreiben vom 29.05.2001 um Fortsetzung der Mitgliedschaft, weil
sie die Beitragszahlungen aufgrund eines Besuches ihrer Mutter im Sauerland
vergessen habe, und legte am 28.06.2001 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid
vom 28.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Die Klägerin hat am 28.09.2001 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, ihr sei infolge
einer erheblichen Einschränkung ihrer Nierenfunktion mit inzwischen bestehender
Dialysepflicht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden. Von der Rente sei
zunächst der Krankenversicherungsbeitrag direkt ab gezogen worden, was sich erst mit
der freiwilligen Versicherung geändert habe. Diese Änderung sei für sie jedoch nicht
nachzuvollziehen gewesen. Die Bescheide der BfA seien mißverständlich gewesen,
weil in ihnen noch ein Abzug der Krankenversicherungsbeiträge vermerkt gewesen sei.
Ein Einstufungsbescheid der Beklagten liege ihr nicht vor, so dass schon deshalb
fraglich sei, ob die entsprechende Beiträge überhaupt fällig gewesen seien. Auch habe
die BfA ihr erstmals am 01.05.2001 einen Rentenbetrag in Höhe von 1.490,75 DM
ausgekehrt. Schließlich könne der letzte Tag Nachfrist nicht mit dem für die Beendigung
der Mitgliedschaft maßgeblichen Zahltag zusammenfallen.
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Mit Urteil vom 18.07.2002 hat das SG die auf Fortsetzung der Versicherung gerichtete
Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 05.08.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.09.2002
Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Beklagte habe der Beitragseinstufung ein
Einkommen zugrunde gelegt, das im Februar und März 2001 nicht erzielt worden sei,
weil die BfA erstmals Ende April 2001 den höheren (ohne den Beitragsanteil
verminderten) Rentenbetrag überwiesen habe. Des Weiteren habe sie erst Anfang
Februar das für Januar 2001 zustehende Krankengeld ausgezahlt erhalten, so dass sie
faktisch den Beitrag für den Monat Februar aus dem Krankengeld habe bezahlen
müssen. Renteneinkommen, auf welches Beiträge zu leisten gewesen seien, habe sie
erstmals Ende März 2001 erhalten. Auch der von der BfA ausgekehrte
Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.09.2000 bis 31.03.2001 ergebe einen
monatlichen Betrag von 1.278,09 DM, also einen um die Beitragsanteile verminderten
monatlichen Zahlbetrag. Unter diesen Umständen müsse aber davon ausgegangen
werden, dass die Beklagte die Beitragsanteile durch die BfA erhalten habe.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des SG Dortmund vom 18.07.2002 zu ändern und den Bescheid der
Beklagten vom 16.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2001
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat eine Auskunft der BfA eingeholt, wonach die Nachzahlung der
Beitragszuschüsse vom 02.02.2001 bis 30.04.2001 in Höhe von 630,39 DM im März
2001 an die Klägerin ausgezahlt worden sei (Gutschrift auf das Konto der Klägerin am
04.04.2001).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Die auf die Anfechtung des Feststellungsbescheides der Beklagten über die
Beendigung der Mitgliedschaft beschränkte Berufung ist zulässig und ausreichend,
wenn wie hier allein zu entscheiden ist, ob der Beendigungsgrund des § 191 Nr. 3
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) gegeben
ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 191 Nr. 2 S. 3).
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Nach letzterer Vorschrift endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten
Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen
nicht entrichtet wurden. Die Beiträge sind nach § 17 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der
Beklagten monatlich zu entrichten. Laufende Beiträge, die geschuldet werden, sind
spätestens am 15. des Monats (Zahltag) fällig, der dem Monat folgt, für den der Beitrag
gilt (§ 17 Abs. 1 Satz 2). Der Umstand, dass die Klägerin nach ihrem unwiderlegten
Vortrag den Einstufungsbescheid über den Beginn ihrer freiwilligen
Krankenversicherung nicht erhalten hat, steht der Beitragsschuld grundsätzlich nicht
entgegen, denn Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen nach § 22 Abs. 1
SGB IV - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -, sobald ihre im Gesetz
oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 17 Abs. 1 Satz
2 der Satzung der Beklagten übernimmt bezüglich der Fälligkeit nur die gesetzliche
Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
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Allerdings ist die Höhe des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrages, des sen
Zahlung allein dem Versicherten obliegt (§ 252 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 250 Abs. 2 SGB
V), für diesen nicht ohne Weiteres feststellbar, weil nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V und
der damit übereinstimmenden Satzungsbestimmung der Beklagten bei der
Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen
Mitglieds zu berücksichtigen ist. Ohne Kenntnis der erstmaligen Einstufung der
Krankenkasse wird der Versicherte daher regelmäßig nicht in der Lage sein, den
satzungsmäßigen Beitrag zu entrichten. Ob daher die Fälligkeit der Beitragsschuld vor
Zugang des ersten Einstufungsbescheides trotz der Bestimmungen der §§ 22 Abs. 1, 23
Abs. 1 SGB IV gehemmt ist, kann jedoch dahinstehen, denn jedenfalls war aufgrund der
besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts der Hinweis auf das mögliche
Ende der Mitgliedschaft nicht ausreichend, um der Warnfunktion des § 191 Nr. 3 SGB V
zu genügen.
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Dieser Hinweis muss eindeutig und bestimmt sein (BSG SozR 3-2500 § 191 Nr. 2 S. 5).
Dazu mag es in der Regel ausreichend sein, dass die noch offene Beitragsschuld der
Höhe nach richtig angegeben und auf die Rechtsfolgen der Nichtzahlung hingewiesen
wird (BSG a.a.O.). Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass für den Versicherten
eindeutig erkennbar wird, dass die errechnete Beitragsschuld noch vollständig von ihm
in der bezeichneten Frist zu tilgen ist. Daran fehlt es hier, weil für die Klägerin aufgrund
der Bescheide der BfA unklar bleiben musste, inwieweit Beitragszahlungen erfolgt bzw.
rückabgewickelt worden waren. Die BfA hat der Klägerin für die hier maßgeblichen
Monate Februar und März 2001 sowie noch für den Monat April 2001 einen um den
Krankenversicherungsbeitragsanteil gekürzten Rentenbetrag ausgezahlt. Erst für Mai
2001 ist am 27.04.2001 der ungekürzte Betrag von 1.490,75 DM ausgezahlt worden.
Auch der Bescheid der BfA vom 28.03.2001 weist die ungekürzte Rente erst ab
letzterem Zeitpunkt aus.
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Zwar enthielt dieser Bescheid auch den Hinweis, dass sich ab dem 02.02.2001 das
Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsverhältnis ändere und damit auch der
Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag. Es fehlte aber ein Hinweis darauf, dass für
die vergangenen Monate nunmehr der Beitrag allein von der Klägerin nachzuzahlen
war. Der gleichzeitig im Verfügungssatz des Bescheides genannte Nachzahlungsbetrag
von 630,39 DM, der rechnerisch unter dem Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsbeitrag für drei Monate (3 x 191,13 DM + 3 x 23,55 DM) minus
einem Tag blieb, war ausgewiesen worden für die Zeit von September 2000 bis April
2001, ohne dass eine nähere Zuordnung dieses Betrages aus der Berechnungsanlage
zum Bescheid vom 28.03.2001 hervorging.
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Ebensowenig enthielt der von der Beklagten der Klägerin mit Datum vom 13.02.2001
übersandte Fragebogen einen eindeutigen Hinweis, wie sich ab dem 02.02.2001 das
Beitragsverhältnis gestaltete, und über die Zahlungspflicht der Klägerin, insbesondere
hinsichtlich des von der BfA gezahlten Zuschusses zur Krankenversicherung. Unter
diesen Umständen war der im Schreiben der Beklagten vom 02.05.2001 genannte
Beitragsrückstand von 417,08 DM für die Zeit vom 02.02. bis 31.03.2001 für die Klägerin
nicht nachvollziehbar. Die für die Nachentrichtung dieses Betrages gesetzte Frist von 10
Tagen ab dem Zugang des Schreibens war auch zu kurz bemessen, um der Klägerin
ausreichend Zeit zu lassen, diese Fragen zu klären. Damit konnte aber nicht mehr mit
Ablauf des 15.05.2001, sondern frühestens mit Ablauf des nächsten Zahltages, dem
15.06.2001, die Mitgliedschaft enden (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung,
Rdn. 11 zu § 191). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin aber am 05.06.2001 den
Beitragsrückstand vollständig ausgeglichen, so dass die Wirkung des § 191 Nr. 3 SGB
V nicht mehr eintreten konnte.
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Auf die Berufung der Klägerin musste daher das Urteil des SG geändert und der Klage
stattgegeben werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht
erfüllt.
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