Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.05.2007

LSG NRW: kuba, sozialhilfe, verwaltungsverfahren, republik, wiederaufnahme, kontaktaufnahme, bande, stadt, fahrtkosten, rechtskraft

Landessozialgericht NRW, L 20 B 42/07 SO ER
Datum:
10.05.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 42/07 SO ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 2 SO 52/07 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Duisburg vom 17.04.2007 wird zurückgewiesen. Kosten
sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1
I.
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Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, ihm 500,00 EUR für einen "Liebesflug" nach Kuba zu gewähren.
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Der Antragsteller ist seit Juni 1999 mit einer Kubanerin verheiratet. Seine Ehefrau lebt
zusammen mit den gemeinsamen Kindern der Geburtsjahrgänge 2000 und 2005 in
Kuba. Der Antragsteller lebt in Deutschland und bezieht Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Neben den
Kosten für Unterkunft und Heizung zahlt der Leistungsträger nach dem SGB II, die
ARGE Duisburg, dem Antragsteller eine Regelleistung in Höhe von monatlich 345,00
EUR.
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Im Verfahren S 35 AS 6/06 hat das Sozialgericht Duisburg mit Urteil vom 22.11.2006
eine Klage des Antragstellers abgewiesen, die darauf zielte, die ARGE Duisburg zur
Übernahme der Kosten für einen Flug nach Kuba einschließlich einer
Kommunikationspauschale i.H.v. insgesamt 569,00 EUR zu verurteilen. Das
Sozialgericht hat auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 - B 7b
AS 14/06 R verwiesen. Danach komme die Übernahme von Fahrtkosten (bzw.
Flugkosten) im Rahmen der Ausübung des elterlichen Umgangsrecht allenfalls nach §
73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch den Sozialhilfeträger in Betracht.
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Mit seinem Antrag führte der Antragsteller u.a. aus, er benötige 500,00 EUR für einen
sofortigen "Liebesflug" nach Kuba zu seinen zwei Kindern zur fürsorglichen Ausübung
des Umgangsrechts. Er sei mittellos und leide an der Isolationsfolter im Wege sozialer
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Ausgrenzung durch die Stadt E und müsse sofort in die Republik Kuba, um seine
"poligermanischen Gefährtinnen" und zwei Kinder vor dem "US-Dollar-Kapitalterror" zu
schützen und die "Weltrevolution" zu verteidigen. Nur er könne dies; seine Kinder
könnten nicht mehr warten, und er könne auch nicht mehr warten.
Mit Beschluss vom 17.04.2007 hat das Sozialgericht Duisburg den Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen. Zwar komme nach der
Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - die
Übernahme von der Kosten für Ausübung des Umgangsrechts nach § 73 SGB II
grundsätzlich in Betracht. Dies gelte nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts
jedoch nicht bei außergewöhnlich hohen Kosten; auch hinsichtlich der Ausübung des
Umgangsrechts mit Kindern sei über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung
von Scheidungsfolgekosten möglich. Setze man diese Ausführungen des
Bundessozialgerichts auf den Fall des Antragstellers um, in dem sich die Kosten für
eine einmalige Ausübung des Umgangsrechts bereits auf 500,00 EUR Flugkosten
beliefen, so handele es sich um außergewöhnliche hohe Kosten, welche den Einsatz
öffentlicher Mittel nicht mehr rechtfertigten. Dies gelte um so mehr, als das
Umgangsrecht u.U. auch mehrfach jährlich auszuüben wäre, um einen ausreichenden
Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern zu gewährleisten. Die dadurch
anfallenden beträchtlichen Kosten rechtfertigten nicht mehr den Einsatz öffentlicher
Mittel. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Sozialgerichts
Bezug genommen.
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Hiergegen hat der Antragsteller am 18.04.2007 Beschwerde eingelegt, der das
Sozialgericht mit Beschluss vom 19.04.2007 nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller
trägt u.a. vor, wer die "geizigen Dummköpfe" des Sozialgerichts Duisburg gegen sich
habe, verdiene Vertrauen. Von früh auf suche man nach seinen Kindern, sei ganz und
gar begehrlich, schreie nach seinen Gefährtinnen, habe nicht, was man wolle. Er
benötige 500,00 EUR für einen "Liebesflug" nach Kuba zu seinen zwei Kindern,
wenigstens 80,00 EUR bis London. Durch die psycho-ökonomische Notsituation der
"verfassungswidrigen Isolationsfolter des kapitalistischen Regimes" gegen ihn seien
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund erfüllt. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf das Beschwerdevorbringen Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin schließt sich demgegenüber der Bewertung des Sozialgerichts in
dem angefochtenen Beschluss an und trägt ergänzend vor, der Antragsteller habe nichts
dahingehend vorgetragen, dass eine Entscheidung im Verfahren auf Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes unerlässlich sei. Darüber hinaus habe man im Rahmen
des anhängigen Hauptsacheverfahrens inzwischen geprüft, ob der Antragsteller
überhaupt Antragsunterlagen in den Hausbriefkasten der Antragsgegnerin eingelegt
habe. Es sei festgestellt worden, dass entsprechende Unterlagen nicht vorlägen. Auch
ein Verwaltungsverfahren sei dementsprechend nicht durchgeführt worden.
Verwaltungsvorgänge existierten nicht. Das aktuelle Hauptsacheverfahren sei jedoch
zum Anlass genommen worden, nunmehr eine Prüfung hinsichtlich der Kosten des
Umgangsrechts für den Antragsteller einzuleiten. Eine Entscheidung sei insoweit noch
nicht ergangen.
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II.
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Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.
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Das Sozialgericht hat aus zutreffenden Gründen einen Anordnungsanspruch des
Antragstellers verneint. Die Übernahme von Kosten für die Aufrechterhaltung (oder
Wiederaufnahme) des Kontakts mit seinen zwei in Kuba lebenden Kindern aus Mitteln
der Sozialhilfe würde bei Kosten von 500,00 EUR je einmaliger Kontaktaufnahme den
Rahmen sprengen, der der Allgemeinheit, welche die Leistungen der Sozialhilfe
aufzubringen hat, noch zumutbar aufgebürdet werden könnte.
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Aus entsprechenden Erwägungen kann offen bleiben, ob die Möglichkeit einer
Übernahme von Kosten für den Umgang mit Kindern als Leistung nach dem SGB XII,
die das Bundessozialgericht in der vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung
für Fälle eines Umgangs mit Kindern aus einer geschiedenen Ehe grundsätzlich, aber in
gewissen Grenzen bejaht, für Fälle der Kontakthaltung zu ehelichen Kindern in einer
nicht geschiedenen Ehe, in der sich die Eheleute aus freien Stücken ohne Lösung der
ehelichen Bande für eine getrennte Lebensführung in verschiedenen Ländern
entschieden haben, überhaupt besteht. Denn jedenfalls bei Kosten, die die Grenzen des
der Allgemeinheit noch Zumutbaren sprengen, kommt auch in Fällen wie denen des
Antragstellers eine Übernahme aus Mitteln der Sozialhilfe von vornherein nicht in
Betracht.
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Sofern der Antragsteller jedenfalls 80,00 EUR für eine Reise bis London begehrt, kommt
eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin schon deshalb nicht in Betracht,
weil eine Reise nur bis nach London den Kontakt zu den Kindern von vornherein nicht
herstellen würde. Wollte der Antragsteller mit diesem eingeschränkten (hilfsweisen)
Begehren vortragen, die Kosten für die Weiterreise von London nach Kuba selbst tragen
zu wollen, so ließe dies entsprechende finanzielle Mittel bei ihm vermuten, die
erhebliche Zweifel an seiner grundsätzlichen Hilfsbedürftigkeit begründeten und nur in
einem Hauptsacheverfahren näher geklärt werden könnten.
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Daneben hat der Antragsteller im Übrigen nicht einmal ein Rechtsschutzbedürfnis für
die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht (also für ein
gerichtliches Eilverfahren) glaubhaft gemacht. Denn Voraussetzung für die Anrufung
des Sozialgerichts wäre zumindest gewesen, dass er sich vor der Anrufung des Gerichts
mit seinem Begehren bereits an die Antragsgegnerin gewandt hätte, um dieser
überhaupt die Möglichkeit zu geben, einen Anspruch zu prüfen. Dies hat er nicht getan;
die Antragsgegnerin ist erst durch die Einleitung des Hauptsacheverfahrens von sich
aus in eine Prüfung eingetreten.
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Sofern der Antragsteller eine Vielzahl von Kopien von Unterlagen aus seine Person
betreffenden Vorgängen beim Bundesverfassungsgericht, beim Verwaltungsgericht
Berlin, beim Amtsgericht Duisburg oder bei der Deutschen Bundeswehr vorlegt, so ist
ein Zusammenhang dieser Vorgänge mit dem vorliegenden Verfahren ebenso wenig
ersichtlich wie ein Zusammenhang zahlreicher vom Antragsteller collagenartig
zusammenkopierter verschiedener Presseausschnitte mit seinem Begehren hinsichtlich
der Kosten für die Aufrechterhaltung des Kontakts mit seinen Kindern.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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