Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2006

LSG NRW: versorgung, belastung, sachleistung, dienstverhältnis, beratung, akte, verwaltungsakt, eng, wiederholung, verfahrensmangel

Landessozialgericht NRW, L 16 B 62/06 KR NZB
Datum:
20.11.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 62/06 KR NZB
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 19 KR 58/06
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des
Sozialgerichts Köln vom 7. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu
erstatten.
Gründe:
1
I.
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Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht
(SG) Köln.
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von den Kosten, die durch die
Eingliederung eines Zahnersatzes in Form einer Interimsprothese für den Unterkiefer
entstanden sind, gänzlich freizustellen ist. Ausgehend von dem ihr im Januar 2006
übersandten Behandlungsplan und Kostenvoranschlag des Zahnarztes Dr. G aus X
setzte die Beklagte einen Festzuschuss in Höhe von 153,80 EUR bei Gesamtkosten in
Höhe von 376,57 EUR fest. Der Kläger berief sich daraufhin mit Schriftsatz vom
11.02.2006 auf das Vorliegen einer unzumutbaren Belastung im Sinne von § 55 Abs. 2
S.1 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Im Hinblick auf seine
krankheitsbedingten Mehraufwendungen für Ernährung und Arzneimittel sowie auf das
im Dezember 2005 eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren verblieben ihm von seinem
Bruttoeinkommen von ca. 1.980 EUR lediglich noch ca. 433 EUR für seinen
Lebensunterhalt. Er sei nicht in der Lage, den Differenzbetrag zwischen Festzuschuss
und tatsächlichen Kosten der Versorgung mit Zahnersatz zu tragen.
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Mit Bescheid vom 14.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
30.03.2006 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines den Festzuschuss
übersteigenden Betrages ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen unstreitig nicht
vor. Eine individuelle Härtefallprüfung aber sei gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 und 3 SGB V
nicht vorgesehen. Es komme nach höchstrichterlicher Entscheidung
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(Bundessozialgericht -BSG- Sozialrecht -SozR- 3-2500 § 61 Nr. 8) nicht darauf an, ob
die Einnahmen tatsächlich für den Lebensunterhalt zur Verfügung stünden oder - wie im
Fall des Kläger - wegen der Verbraucherinsolvenz einem anderen Zweck zugeführt
würden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07.08.2006 abgewiesen und die Berufung nicht
zugelassen. Im Wesentlichen hat es sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen
Bescheid bezogen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass der Kläger bei
entsprechender Rücklagenbildung von monatlich 26 EUR, die auch vom
pfändungsfreien Teil seines Einkommens möglich sei, den Differenzbetrag hätte
ansparen können.
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Gegen das ihm am 28.08.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.09.2006
Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er macht ergänzend geltend, dass ihm das
Insolvenzverfahren die Bildung von Rücklagen nicht erlaube. Auch sei die zahnärztliche
Versorgung wegen seiner gesundheitlichen Situation zwingend erforderlich. Er werde
auch nicht in der Lage sein, den Eigenanteil bei den endgültigen Versorgung zu tragen.
Dies benachteilige ihn unangemessen im Verhältnis zu dem in § 55 Abs. 2 S. 3 Nr. 2
SGB V genannten Personenkreis. Er sehe in der fehlenden Berücksichtigung der
Verbraucherinsolvenz sowie der gesundheitlichen Situation eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache, die die Zulassung der Berufung rechtfertige.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der
Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozess- und Verwaltungsakten sowie die
beigezogene Akte des Amtsgerichts Köln, Az.: 75 IK 435/05, Bezug genommen, die
vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und
Entscheidung gewesen sind.
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
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Zwar bestehen im Hinblick auf das laufende Verbraucherinsolvenzverfahren, §§ 304 ff.
Insolvenzordnung (InsO), und den Antrag auf Restschuldbefreiung gemäß § 287 ff. InsO
keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde; insbesondere ist der Kläger
nicht gehindert, zweckgebundene Ansprüche auf Zahnersatz bzw. Kostenzuschuss im
eigenen Namen geltend zu machen (§§ 35, 80 InsO). Seine Abtretungserklärung gemäß
§ 287 Abs. 2 InsO beschränkt sich auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis bzw. an
deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dazu zählen die hier geltend gemachten
Ansprüche nicht.
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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
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Die Berufung bedarf, soweit sie nicht schon durch das SG zugelassen worden ist, der
Zulassung durch das Landessozialgericht (LSG), sofern der Wert des
Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen
hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Berufung ist u. a. zuzulassen, wenn die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) oder ein der Beurteilung des
Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt,
auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
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Die Berufung bedarf der Zulassung, da der Beschwerdewert weit unter 500 EUR liegt
und da das SG die Berufung nicht zugelassen hat.
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Die Streitsache hat im Gegensatz zur Auffassung des Klägers keine grundsätzliche
Bedeutung. Eine solche ist anzunehmen, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer
einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu
erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem
Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das kann der
Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf Wiederholung
ähnlicher Fälle erwünscht ist, wenn von der derzeitigen Unsicherheit eine nicht
unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist, aber auch, wenn tatsächliche, zum Beispiel
wirtschaftliche Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit eng berühren (Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 160 RdNr. 6b m. w. N.). Keine der
genannten Konstellationen liegt im Fall des Klägers vor. Vielmehr hat das BSG in
ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 4-2500 § 61 Nr. 1) daran festgehalten, dass
die vom Gesetzgeber im Rahmen von § 55 Abs. 2 S. 1 und 3 SGB V vorgenommene
pauschalierte Betrachtungsweise bei der Beurteilung einer unzumutbaren Belastung
auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
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Verfahrensrügen (§ 145 Abs. 2 Nr. 3 SGG) gegen diese Feststellung hat der Kläger nicht
erhoben und sind auch nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar, § 177 SGG.
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