Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2008

LSG NRW: versorgung, körperliche unversehrtheit, rechtliches gehör, örtliche zuständigkeit, unrichtige auskunft, firma, zusammenarbeit, entziehung, akteneinsicht, lvg

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 16/08
Datum:
28.05.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 16/08
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 19 KA 3/05
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 59/08 B
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg
vom 20.11.2007 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten
des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur
vertragszahnärztlichen Versorgung.
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Der 1953 geborene Kläger, der 1988 die deutsche Approbation als Zahnarzt erhielt,
wurde 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Seitdem ist er unter
dem Praxissitz G Straße 00 in E als Vertragszahnarzt - von Juli 2002 bis November
2003 in Gemeinschaftspraxis - tätig.
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Unter dem 28.11.2002 erklärte er auf Befragen der Beigeladenen zu 7), dass er in der
Zeit von April 1999 bis November 2002 Zahnersatz von der Firma H GmbH (H)
bezogen, aber im Zuge der Geschäftsverbindungen von dieser keine Rabatte oder
andere Vergünstigungen erhalten habe. Hintergrund der Anfrage war die
zwischenzeitlich gewonnene Kenntnis über ein von H entwickeltes Rabattsystem bei
der Lieferung von Zahnersatz u.a. an deutsche Vertragszahnärzte. Die Firma ließ
Zahnersatz im Ausland - überwiegend in Asien - fertigen, in dem die Herstellungskosten
weit unter deutschem Niveau lagen. H stellte den Vertragszahnärzten die Leistungen
entsprechend den in Deutschland üblichen Preisen in Rechnung, die diese dann zu
diesen Preisen u.a. mit der Beigeladenen zu 7) abrechneten. Gleichzeitig erhielten die
am Rabattsystem partizipierenden Vertragszahnärzte von H entsprechend derer
Tarifbedingungen Rabattzahlungen, sog. "Kickback-Zahlungen", in Höhe von (i.H.v.) bis
zu 30%, die sich u.a. aus der Differenz zwischen tatsächlichen Herstellungskosten und
abgerechneten Kosten berechneten. Die Rückerstattungen an die Vertragszahnärzte,
die diese für sich einbehielten, erfolgten in der Regel per Post oder in Form von
persönlicher Barzahlung durch Mitarbeiter von H.
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Im Rahmen der gegen H geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
(Staatsanwaltschaft X - Az. 000 -) wurde u.a. eine Datenbank sichergestellt, nach der
auch der Kläger Rabattzahlungen von H erhalten hatte. Dies wurde von dem
Geschäftsführer von H, P N, bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Essen (Az. 44 Gs
1867/03) am 22.10.2003 bestätigt. N gab an, dass an den Kläger bis April 2002 Rabatte
i.H.v. 191.535 Euro ausgezahlt worden seien. Nach der von ihm überreichten
Aufstellung wurden an den Kläger in der Zeit von Juni 1999 bis April 2002
durchschnittlich ca. 5.500 Euro je Monat gezahlt.
5
Der Kläger erklärte bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Wuppertal am 23.09.03
- Az. 8 (A) Gs 737/03 - u.a.:
6
"Ich habe bis September 2001 Kick-Back-Zahlungen von der Firma H angenommen.
Diese beliefen sich zuletzt auf 19 % der Rechnungssumme ohne Materialanteil
monatlich. Da ich die Rechnungen der Firma H in der Regel drei Monate später
beglichen habe, wurden mir von dort pro Monat jeweils 2 % von den ursprünglichen 25
% abgezogen."
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Zu den Geschäftsbeziehungen zu H und deren Ausdienstmitarbeiter L gab er bei der
Vernehmung vor der Kreispolizeibehörde F vom 29.10.2003 an:
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"Irgendwann Ende 1997 hat Herr L1 mich aufgesucht und gefragt, ob Ich zufrieden sei.
Er wollte mich als dauerhaften Kunden. Er bot dabei von sich aus an, dass eine
Rückvergütung in Höhe von 10% der Rechnungssumme gewährt werden. Dabei war
schon die Rede von der Nettoleistungssumme, die als Berechnungsgrundlage dienen
sollte. Ich habe gefragt, ob das nicht Probleme mit sich zieht. Er erklärte, dass dies
versteuertes Geld von seiner Provision sei, es gäbe damit kein Problem. Das sollte bar
von ihm ausgezahlt werden. Es sollte erst die Monatsrechnung bezahlt werden, danach
wollte er mir bar das Geld geben. Ich habe mich damals wohl nicht kritisch genug damit
auseinander gesetzt. Ich wollte seinerzeit den Patienten eine qualitativ gute Arbeit
sichern. Diese wurde mir so von der Fa. P Dental geliefert. Ich habe dann den Vorteil
der Rückvergütung angenommen. Im Juni 1999 erklärte Herr L dass die Firma sich
umformierte in die Fa. H / O GmbH. Ich hatte schon im April oder Mai 1999 Rechnungen
über diesen Kopf erhalten. Er erklärte, dass er jetzt die Möglichkeit hätte, 25 % der
Nettoleistung als Rückvergütung anzubieten. Dieses Angebot habe ich auch im
weiteren Verlauf genutzt. Wenige Monate später reduzierte er dies auf 20 %. Es wurde
dann eine Laborverrechnungsstelle genutzt, mit maximal dreimonatiger Verspätung der
Rechnungszahlung. Die Kickback würden dann monatlich um 2 % reduziert. Da ich
regelmäßig erst nach drei Monaten erstattete, erhielt ich statt 20 lediglich 14 % der
Nettoleistung.
9
Herr L erklärte, dass ab 1999 andere Konditionen möglich seien. Bei der bisherigen
Preisgestaltung würden bis zu fünf Jahre Garantie gewährt. Ich erhielt auch
Garantiepässe mit fünfjährigen Garantien, welche den Patienten von mir ausgehändigt
wurden. Auch war vereinbart, dass innerhalb der Garantien Reparaturen als komplett
neu zu fertigende Arbeiten erstellt werden. Soweit ich mich erinnern kann, wurden auch
bei der Fa. P Dental fünf Jahre Garantie gewährt.
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Wenn innerhalb der Garantiezeiten der Fa. H o. ä. Reparaturen anfielen, so habe ich die
von mir zu erbringenden Leistungen kostenlos erbracht und nicht erneut dem Patienten
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oder Klasse in Rechnung gestellt.
Generell hat Herr L mir das Geld gebracht, persönlich in die Praxis. Es kann sein, dass
ich ein oder zwei Mal das Geld per Post erhalten habe. Grundsätzlich bekam ich das
Geld in bar im Umschlag von Herrn L ausgehändigt. Dieses Geld habe ich vereinnahmt,
es aber nicht bei der Steuer, den Patienten oder Kassen angegeben. Es war mir
bekannt, dass ich dieses Geld auch als Einnahme hätte versteuern müssen. Dieses
habe ich aber unterlassen, der Steuerberater war zu keiner Zeit eingewiesen. Außer mir
und Herrn L war niemand eingewiesen.
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Aufgrund der Vielzahl der Arbeiten habe ich auch persönlich Arbeiten zur Fa. H in N
gebracht. Im Gespräch erfuhr ich davon, dass Arbeiten in China erstellt wurden. Ich
habe aber nie mit Verantwortlichen darüber gesprochen, wo Arbeiten erstellt worden
sind.
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...
14
Im August oder September 2001 habe ich die letzten Kickback-Zahlungen durch Herrn L
erhalten. Seitdem habe ich keine Rückvergütungen erhalten. Dies erfolgte daraus; dass
die Rechnungen gegenüber der LVG durch mich einen längeren Verzug hatten. Daher
wurden die Kickbackzahlungen eingestellt. Herr L teilte mir mit, dass aufgrund meines
Zahlungsverzugs die Rückvergütung nicht gezahlt wird."
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Im Januar 2004 beantragten die Beigeladenen beim Zulassungsausschuss für
Zahnärzte für den Bezirk Nordrhein (Zulassungsausschuss), dem Kläger die Zulassung
zu entziehen. Der Kläger habe seine vertragszahnärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
Er habe maßgeblich getragen von finanziellen Eigeninteressen vorsätzlich falsch
abgerechnet, in dem er die erhaltenen Rabatte verschwiegen und nicht an die Patienten
sowie die Krankenkassen weitergeleitet habe. Der Verstoß sei so schwerwiegend, dass
der Kläger zur weiteren Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung
ungeeignet sei. Im Übrigen habe der Kläger auch wahrheitswidrig gegenüber der
Beigeladenen zu 7) behauptet, im Zuge der Geschäftsbeziehung zu H von dieser keine
Rabatte oder andere Vergünstigungen erhalten zu haben. Das Vertrauensverhältnis zu
dem Kläger sei so nachhaltig und schwerwiegend gestört, dass eine weitere
Zusammenarbeit mit ihm unzumutbar sei.
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Mit Beschluss vom 15.03.2004 entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die
Zulassung: Der Kläger habe gegen die Verpflichtung verstoßen, Rückvergütungen,
Preisnachlässe, Rabatte, Skonti etc. von mehr als 3 %, die er erhalte habe, an die
Krankenkassen bzw. die Versicherten weiterzugeben. Hierin liege eine gröbliche
Pflichtverletzung. Der Kläger habe gegen die Grundpflicht einer peinlich genauen
Leistungsabrechnung verstoßen; er habe vorsätzlich falsch abgerechnet. Aufgrund der
Schwere der begangenen Pflichtverletzungen sei die Zulassungsentziehung auch
verhältnismäßig, da angesichts der Erheblichkeit der Pflichtverletzungen keine milderen
Maßnahmen zur Verfügung stünden.
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Mit seinem Widerspruch hat der Kläger u.a. vorgetragen, der Sachverhalt sei nicht
hinreichend aufgeklärt; so habe der Zulassungsausschuss nicht die komplette Strafakte
der Staatsanwaltschaft und auch keine weiteren Ermittlungsakten, die im
Zusammenhang mit H und beteiligten Personen stünden, beigezogen. Im Übrigen
werde ihm kein Abrechnungsbetrug im klassischen Sinne vorgeworfen, der ein aktives
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Tun voraussetze; er habe es unterlassen, an ihn gezahlte Rabatte weiterzuleiten. Es sei
fraglich, ob er zur Weiterleitung verpflichtet gewesen sei. Denn die einzige Norm, die
dazu verpflichte - § 3 Absatz 1 a des zwischen dem Verband der Ortskrankenkassen
Nordrhein, dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen und
dem Vorstand der Betriebskrankenkassen Nordrhein und Rheinland-Pfalz einerseits
und der Beigeladenen zu 7) andererseits abgeschlossenen Gesamtvertrages vom
23.12.1980 (RVO - Gesamtvertrag) - beziehe sich nur auf Preisnachlässe, die der
Vertragszahnarzt von einem Labor und eben nicht von einer Dentalhandelsgesellschaft
erhalte. Er habe auch deutlich - um bis zu 50% - geringere Rabatte erhalten. Dem
Sicherungsbedürfnis der Beigeladenen zu 7) habe er durch Hinterlegung von 191.000
Euro entsprochen. Gefahren für die körperliche Unversehrtheit seiner Patienten hätten
nicht bestanden, da der eingegliederte Zahnersatz qualitativ hochwertig gewesen sei.
Die Entziehung der Zulassung sei unverhältnismäßig, weil er über 50 Jahre alt sei und
es bisher nie Verfahren wegen Abrechnungsunregelmäßigkeiten gegeben habe. Es
bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, da er zwischenzeitlich ein eigenes Labor
betreibe.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 09.11.2004 zurück: Der Kläger
habe nach seinen Angaben in der Zeit von Juni 1999 bis September 2001 von H auf
Versicherte der Krankenkassen entfallende Barzahlungsrabatte i.H.v. ca. 80.000 Euro
erhalten und diese nicht an die Krankenkassen weitergegeben. Damit habe er gegen
den für ihn als Vertragszahnarzt gemäß § 95 Abs. 3 Satz 3 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) verbindlichen § 3 Abs. 1 a RVO - Gesamtvertrag Nordrhein
für den Bereich der Primärkassen bzw. § 11 Abs. 2a Ersatzkassenvertrag - Zahnärzte
verstoßen. Danach sei er verpflichtet gewesen, mit Ausnahmen von
Barzahlungsrabatten bis zu 3% Rückvergütungen, Preisnachlässe, Rabatte, Skonti etc.,
die er von einem Labor erhalte, auszuweisen und an die Krankenkassen bzw. die
Versicherten weiterzugeben. Zudem seien seine auf jeder Quartalsabrechnung
ausdrücklich zu erteilenden Bestätigungen, dass zahntechnische Leistungen
gewerblicher Zahntechniker nur in der Höhe in Rechnung gestellt werden, in der die
Kosten tatsächlich angefallen seien, wahrheitswidrig, da er mit Globudent die Zahlung
von Barrückvergütungen vereinbart habe. Irrelevant sei, dass es sich bei H um eine
Dentalhandelsgesellschaft gehandelt habe; denn die genannten Verträge würden auch
insoweit gelten. §§ 667, 675 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beanspruchten Geltung
unabhängig davon, ob der betreffende Zahnersatz von einem Fremdlabor oder über
eine Dentalhandelsgesellschaft bezogen worden sei. Damit habe der Kläger über mehr
als 2 Jahre vorsätzliche Falschabrechnungen in erheblichem Umfang vorgenommen; er
habe Aufwendungen abgerechnet, die er in dem geltend gemachten Umfang nicht
gehabt habe. Darin liege eine gröbliche Verletzung seiner vertragszahnärztlichen
Pflichten; der Verstoß sei so schwerwiegend, dass dadurch das in ihn gesetzte
Vertrauen tiefgreifend und nachhaltig erschüttert und die Ordnung des
Vertragszahnarztrechts schwer gestört sei. Die Funktionsfähigkeit des Systems der
vertragszahnärztlichen Versorgung sei in ihrem Kern betroffen; dies führe zur
Ungeeignetheit des Klägers zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Eine Zulassungsentziehung sei erforderlich, um das auf Vertrauen beruhende System
der vertragszahnärztlichen Versorgung zu schützen. Sie verstoße nicht gegen das
Übermaßverbot, weil auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers an der
Aufrechterhaltung der Zulassung im Hinblick auf die Bedeutung und Schwere seiner
Pflichtverletzung eine Disziplinarmaßnahme (§ 81 Abs. 5 SGB V) nicht als ausreichend
sei, um das zerstörte Vertrauensverhältnis wieder herzustellen. Nach § 42 Satz 1
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) griffen die gegen den Zulassungsausschuss
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erhobenen Verfahrensrügen schon deshalb nicht, weil eine andere Sachentscheidung
nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei die Amtsaufklärungspflicht auch nicht
verletzt, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt feststehe und von dem Kläger
auch eingestanden sei.
Der Kläger hat zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage ergänzend
vorgetragen: Er habe keine ihm obliegende vertragzahnärztliche Pflichten in gröblicher
Weise verletzt. Er habe keine falschen Abrechnungen bei den zuständigen Stellen
eingereicht. Streitig sei allein die rechtliche Wertung, dass ihm teilweise nachträgliche
Rabatte seitens H gewährt worden seien. Die Rabatte seien aber auch nicht von H,
sondern von den Globudentmanagern aus deren Privatvermögen gezahlt worden. Die
Zahlungen seien rechtlich als Schenkung zu qualifizieren, die bei den Abrechnungen
gegenüber der Beigeladenen zu 7) nicht anzuzeigen seien. Darüber hinaus habe er
seine Zahlungen aufgrund einer zwischen H und der Verrechnungsgesellschaft LVG
getroffenen Abtretungsvereinbarung in voller Höhe an die LVG erbringen müssen und
weder er noch die Beigeladene zu 7) bzw. die Krankenkassen seien berechtigt
gewesen, die Forderungen zu kürzen. Gegenüber der Beigeladenen zu 7) habe er keine
Auskunft zu Rabatten oder Vergünstigungen abgegeben; er habe die gestellten Fragen
nicht beantwortet. Dazu sei er auch nicht verpflichtet gewesen; denn die Nachfrage der
Beigeladenen zu 7) sei rechtlich nicht zulässig gewesen, da sie keine Belehrung
enthalten habe. Aus der Nichtbeantwortung könnten keine für ihn nachteiligen Schlüsse
gezogen werden. Die Entziehung der Zulassung sei unverhältnismäßig; sie bedeute für
ihn den wirtschaftlichen Zusammenbruch. Er stehe kurz vor Vollendung des 55.
Lebensjahres und werde im Hinblick auf § 25 Zulassungsverordnung für Zahnärzte
(Zahnärzte-ZV) keine neue Zulassung erhalten. Zumindest habe er zwischenzeitlich
seine Eignung als Vertragszahnarzt wiedererlangt. Die Zusammenarbeit mit H habe
bereits im September 2001 geendet; seitdem arbeite er beanstandungsfrei und habe
zwischenzeitlich auch ein eigenes zahntechnisches Labor eingerichtet. Die
Entscheidung des Beklagten beruhe außerdem auf einem Verstoß gegen die
Grundsätze des rechtlichen Gehörs. Ihm sei vor der Entscheidung des Beklagten trotz
Bitte um Akteneinsicht zumindest der Schriftsatz der Beigeladenen zu 7) vom
28.10.2004 nicht zugeleitet worden; er habe dazu keine Stellung nehmen können.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beschluss des Beklagten vom 09.11.2004 aufzuheben.
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Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und zu 7) haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat vorgetragen, ein Verfahrensfehler liege nicht vor; der Kläger habe
ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu
äußeren, und habe diese auch genutzt. Entscheidend sei allein, dass er nach eigenen
Angaben auf die Versicherten der Krankenkassen entfallende Barzahlungsrabatte i.H.v.
80.000 Euro erhalten und diese nicht weitergeleitet habe. Bei den Rückzahlungen, die
der Kläger erhalten habe, habe es sich nicht um Schenkungen gehandelt. Die Höhe der
Zahlungen sei nämlich von dem mit H erzielten Nettolaborumsatz abhängig gewesen.
Unerheblich sei, auf welchen Konten nach den Geschäftspraktiken von H der von der
chinesischen Firma zurückfließende Teil der Rechnungssumme verbucht worden sei.
Gleiches gelte hinsichtlich der Durchführung der Abrechnung über eine
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Abrechnungsgesellschaft. Die unrichtige Auskunft des Klägers auf dem Fragebogen der
Beigeladenen zu 7) verdeutliche, dass der Kläger die Rabattgewährung wissentlich und
willentlich verschwiegen habe. Auch folge aus dem Prozessverlauf, dass dem Kläger
nach wie vor Einsicht in das Unrecht seiner Handlungsweise fehle. Es könne nicht
davon ausgegangen werden, dass er durch sog. Wohlverhalten seine Eignung zur
Ausübung einer Kassenpraxis zwischenzeitlich wiedergewonnen habe.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 20.11.2007 abgewiesen:
Der Kläger sei Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu Recht entzogen
worden. Er habe nämlich seine vertragszahnärztlichen Pflichten in einem solchen Maße
verletzt, dass das für die Ausübung der Kassenpraxis erforderliche und vorausgesetzte
Vertrauensverhältnis bis auf weiteres so schwer erschüttert sei, dass selbst unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. Übermaßverbots der Beigeladenen
zu 7) und den gesetzlichen Krankenkassen eine weitere Zusammenarbeit mit dem
Kläger im System der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht mehr zuzumuten sei. Der
Kläger habe von 1999 bis April 2002 von H in China hergestellten Zahnersatz bezogen
und Rückzahlungen in Bar erhalten, die in innerem Zusammenhang mit den bei H
getätigten Bestellungen von Zahnersatz gestanden hätten. Mit 176.000 Euro, die der
Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, bzw. dem von dem
Beklagten zugrunde gelegten Betrag von 80.000 Euro gingen die Rückzahlungen
deutlich über die Höhe zulässiger Barzahlungsrabatte von bis zu 3 % hinaus, die nach §
11 Absatz 2 a GKV-Zahnärzte bzw. § 3 Absatz 1 a RVO-Gesamtvertrag Nordrhein bei
der zahnprotetischen Behandlung von Kassenpatienten nicht an die Patienten bzw.
deren Krankenkassen weiterzuleiten seien. Diese für den Kläger nach § 95 Absatz 3
SGB V verbindlichen Regelungen seien nach ihrem Sinn und Zweck auf die
vorliegende Geschäftsbeziehungen zumindest entsprechend anwendbar, wenn
Zahnersatz im Ausland zu Kosten hergestellt werde, die deutlich unter den
Höchstsätzen des Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis lägen, und der Zahnersatz
Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland über eine in Deutschland
registrierte Dentalhandelsgesellschaft zugänglich gemacht würde. Nach den ergänzend
heranzuziehenden §§ 667, 675 BGB dürfe ein Beauftragter Aufwendungen, die ihm im
Rahmen einer Geschäftsbesorgung für einen anderen entstanden seien, nur in dem
Umfang gegenüber dem Auftraggeber geltend machen, in dem diese Aufwendungen
dem Beauftragten tatsächlich entstanden seien. Der Kläger habe damit in den Jahren
1999 bis 2002 fortlaufend gegen die Grundpflicht des Vertragszahnsarztes zur peinlich
genauen Abrechnung verstoßen. Nicht entscheidend sei, dass die Gelder, die der
Kläger von H-Außendienstmitarbeitern bar erhalten habe, nicht aus dem H-Vermögen,
sondern aus dem Privatvermögen der H-Gesellschafter stammten. Der Kläger habe
zumindest erkennen müssen, dass diese Zuwendungen in innerem Zusammenhang mit
den von ihm bei H getätigten Prothetik-Bestellungen gestanden hätten. Die Höhe der
jeweiligen Zuwendungen habe nämlich einem bestimmten Prozentsatz des einige
Zeiten zuvor von dem Kläger mit H getätigten Nettolaborumsatz entsprochen.
Schwankungen des jeweiligen Prozentsatzes seien nur wegen der längeren
Zahlungsziele eingetreten. Die Zwischenschaltung der Abrechnungsgesellschaft LVG in
die zwischen dem Kläger und H bestehende Geschäftsbeziehung sei für die
vertragszahnarztrechtliche Beurteilung der Kickback-Zahlungen unerheblich. Der Kläger
habe seine Eignung als Vertragszahnarzt auch bis zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung noch nicht wiedererlangt.
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Gegen das am 07.01.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.02.2008 Berufung
eingelegt und vorgetragen, die Entscheidung des Beklagten sei unter Verstoß gegen
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das rechtliche Gehör zustande gekommen. Ein Verstoß gegen § 3 Absatz 1 a RVO-
Gesamtvertrag Nordrhein liege nicht vor. Ein möglicher Verstoß gegen §§ 667, 675 BGB
stelle keine gröbliche Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht dar. Bei H und der
Firma LVG handele es sich um unterschiedliche Firmen, so dass insbesondere die
Zahlungsflüsse weiter aufzuklären zu seien. Die Entziehung der Zulassung sei
unverhältnismäßig. Auch im Strafverfahren sei im Hinblick auf seine Persönlichkeit, zu
der u.a. die Berufsrichter der Strafkammer zu vernehmen seien, von einem Berufsverbot
abgesehen und die ausgesprochene Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden.
Die letzte zur Begründung der Entziehung herangezogene Handlung liege nun bereits
sechs Jahre zurück. Er habe seitdem seine Tätigkeit ohne Beanstandungen ausgeübt
und seine Eignung als Vertragszahnarzt wiedererlangt.
Der Kläger beantragt,
28
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 abzuändern und den Beschluss
des Beklagten vom 09.11.2004 aufzuheben.
29
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 3) und 7) beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
31
Sie halten das Urteil des SG für zutreffend. Zwischenzeitlich ist der Kläger wegen
gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 36 Fällen rechtskräftig zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Aussetzung der
Vollstreckung zur Bewährung verurteilt worden (Urteil des Bundesgerichtshofs vom
16.11.2006 - 3 StR 204/06 -).
32
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
33
Entscheidungsgründe:
34
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
35
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten vom
09.11.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht seine
Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung entzogen.
36
1. Das Entziehungsverfahren leidet an keinem Verfahrensfehler; insbesondere hat der
Beklagte den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, in dem er ihm
insoweit keine vollständige Akteneinsicht gewährt hat, als dass er ihm - wovon der
Senat ausgeht - das Schreiben der Beigeladenen zu 7) vom 28.10.2004 nicht übermittelt
hat.
37
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das
Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung
oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Verfahrensakten i. S. des
§ 25 SGB X sind alle Unterlagen, die den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens
betreffen, und zwar unabhängig davon, ob die Behörde sie zu den Verwaltungsakten im
38
engeren Sinn nimmt. Was zu den das Verwaltungsverfahren betreffenden Akten rechnet,
ist überdies objektiv zu beurteilen und nicht vom Willen der Behörde abhängig
(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.01.2004 - L 11 KA 179/02 -).
Die das Verfahren betreffenden Akten sind die Gesamtheit der Schriftstücke, die die
Behörde für das jeweilige konkrete Verfahren angefertigt oder beigezogen hat (von
Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Auflage, 2008, § 25 Rdn. 3; Krasney in Kasseler
Kommentar, SGB X, § 25 Rdn. 6). Dies gilt naturgemäß auch für Schriftstücke, die die
übrigen Verfahrensbeteiligten zu den Akten reichen. Danach steht für den Senat außer
Zweifel, dass das konkret als nicht übersandt beanstandete Schreiben der
Beigeladenen zu 7) vom 28.10.2004 unmittelbar das Verfahren betrifft.
Der Rechtsanspruch auf Akteneinsicht (hierzu von Wulffen aaO § 25 Rdn. 4; Krasney
a.a.O. Rdn. 2) steht unter dem Vorbehalt, dass die Akteneinsicht zur Geltendmachung
oder Verteidigung der rechtlichen Interessen notwendig ist. Dies entscheidet sich nicht
nur nach der Rechtsauffassung der Behörde; maßgebend ist vielmehr, ob aufgrund
einer anderen Rechtsauffassung oder Würdigung der tatsächlichen Vorgänge die
Akteneinsicht für die Wahrung der rechtlichen Interessen dienlich sein kann (Krasney
a.a.O. Rdn. 8).
39
Diese Voraussetzung bejaht der Senat nicht. Das o.a. Schreiben der Beigeladenen zu
7) enthält letztlich nur eine Zusammenfassung des sich aus ihrer Sicht ergebenden
Sachverhalts, ihre rechtliche Würdigung und beinhaltet ausschließlich Unterlagen, die
teils bereits in den zur Verfügung gestellten Aktenauszügen vorhanden, insbesondere
dem Kläger aber aus dem Ermittlungsverfahren bekannt waren. Von weitergehender
Relevanz für die Wahrung der rechtlichen Interessen des Klägers sind diese Unterlagen
damit nicht.
40
Selbst aber wenn der Beklagte die Aktenseinsicht zu Unrecht nicht in vollem Umfang
gewährt haben sollte, ergibt sich nichts Anderes. Hieraus folgte ein Verfahrensfehler,
der den Beschluss zwar nicht nichtig (§ 40 SGB X), jedoch formell fehlerhaft machen
würde. Dieser Verfahrensfehler wäre angesichts des abschließenden Charakters des §
41 SGB X nicht heilbar. Da ein Verstoß gegen § 25 SGB X einem Verstoß gegen § 24
SGB X (Anhörung Beteiligter) nicht gleichzusetzen ist, kann die fehlerhafte Handlung
nicht bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens nachgeholt werden (hierzu § 41 Abs. 2 SGB X). Andererseits wäre der
Beschluss des Beklagten allein wegen dieses Verfahrensfehlers nicht aufhebbar.
41
Zwar bestimmt § 42 Satz 2 SGB X, dass Verwaltungsakte aufzuheben sind, wenn die
erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Hierauf kann
sich der Kläger indessen nicht berufen, denn § 42 Satz 2 SGB X betrifft nur
Anhörungsdefizite und ist als Ausnahmetatbestand einer ausdehnenden Auslegung
nicht zugänglich (vgl. Schütze in von Wulffen, § 42 Rdn. 10); er ist nicht auf eine
unterlassene Akteneinsicht nach § 25 SGB X anzuwenden.
42
Mithin gilt § 42 Satz 1 SGB X. Hiernach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes,
der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er
unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form und die örtliche
Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache
hätte getroffen werden können (sog. "faktische Alternativlosigkeit"). Soweit die
Auffassung vertreten wurde, dass diese Vorschrift für Ermessensentscheidungen nicht
gilt (BSG vom 03.12.1997 - 6 Rka 21/97 -), beruhte dies auf der bis zum 31.12.200
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geltenden Fassung des § 42 SGB X. Nunmehr gilt § 42 SGB X auch für auch
Ermessensentscheidungen; dies war das wesentliche Anliegen der Neuregelung des
Satze 1 letzter Halbsatz (Schütze in von Wulffen, § 42 Rdn. 9 unter Hinweis auf BT-
Drucks. 13/3995, S. 8). Damit ist ein Fehler bei Ermessens- und
Beurteilungsspielräumen dann unbeachtlich, wenn bei Hinwegdenken des Fehlers
offensichtlich dieselbe Sachentscheidung getroffen worden wäre (so auch Steinwedel in
Kasseler Kommentar, SGB X § 42 Rdn. 8). So liegt es hier.
Angesichts dessen ist nicht weiter darauf einzugehen, dass der anwaltlich vertretene
Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten vom 09.11.2004 hinreichend
Gelegenheit hatte, sich in vollem Umfang zur Sach- und Rechtslage zu äußern.
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2. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung des Beklagten auch in der
Sache rechtmäßig ist. Die Zulassung des Klägers zur vertragszahnärztlichen
Versorgung war zu entziehen, da der er seine vertragszahnärztlichen Pflichten gröblich
verletzt hat. Zur Begründung nimmt der Senat auf den Beschluss des Beklagten vom
09.11.2004 (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG) und das Urteil des SG vom
20.11.2007 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus: Bereits aufgrund der
rechtskräftigen Verurteilung des Klägers wegen gewerbs - und bandenmäßigen
Betruges ist das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den Krankenkassen sowie der
Beigeladenen zu 7) so nachhaltig gestört, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit
dem Kläger unmöglich ist.
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Dies wird durch das Gesamtergebnis des Verfahrens weiter bestätigt:
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Der Kläger hat in Zusammenarbeit mit H Kosten gegenüber den Krankenkassen und
seinen Patienten abgerechnet, die ihm im Ergebnis tatsächlich nicht entstanden sind.
Der Kläger hat in den Jahren 1999 bis 2001 für den von H bezogenen Zahnersatz von
ihm einbehaltene Barrückerstattungen i.H.v. ca. 176.000 bis 190.000 Euro erhalten (u.a.
Aussage des N vom 22.10.2003, Angaben des Klägers im Termin vor dem SG Duisburg
am 20.11.2007); davon entfielen nach weiteren Angaben des Klägers ca. 80.000 Euro
auf Zahnersatz für Versicherte der Krankenkassen.
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Außer Frage steht, dass dem Kläger wie jedem Vertragszahnarzt bewusst war, dass es
sich bei Aufwendungen für Zahnersatz gleichsam um einen für ihn durchlaufenden
Posten handelt, den er zunächst dem Hersteller, z.B. einem Dentallabor, bezahlen muss
und den er dann von den Krankenkassen und seinen Patienten erstattet erhält, ohne
dass dabei für ihn - abgesehen von einem Barzahlungsrabatt von 3 % - eine
Gewinnspanne - hier von durchschnittlich 5.500 Euro je Monat - besteht. Dies wird u.a.
auch durch die Abwicklungsweise, eine jeweils monatliche persönliche Übergabe
dieser erheblichen Geldbeträge, zusätzlich belegt.
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Der Beklagte weist in seinem Beschluss zutreffend darauf hin, dass für jedermann der
allgemeine Rechtsgrundsatz evident ist, dass als Aufwendungen geltend gemachte
Beträge tatsächlich entstanden sein müssen und Beträge, die man im Endergebnis nicht
zu tragen hat, auch nicht als Aufwendungsersatz erstattungsfähig sind. Dies ergibt sich
auch anhand der Regelungen u.a. des § 3 Absatz 1 a RVO-Gesamtvertrag Nordrhein
i.V.m. § 667 BGB. Das behauptete Verständnis des Klägers, § 3 Absatz 1 a RVO-
Gesamtvertrag Nordrhein beziehe sich nur auf unmittelbar von einem Labor gewährte
Rabatte u.ä., nicht aber auf Rabatte, die ein ggf. eingeschalteter Zwischenhändler
gewährt, erschließt sich dem Senat schon nach offenkundigem Sinn und Zweck der
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Regelung nicht. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den o.a. allgemeinen
Rechtsgrundsatz.
Dem Kläger oblag damit die Verpflichtung, die ggf. nachträglich erhaltenen
Rückerstattungen an Krankenkassen bzw. seine Patienten weiterzuleiten ungeachtet
dessen, dass es ihm auch oblegen hat, von Anfang die mit H bzw. deren
Außendienstmitarbeiter L getroffenen Rabattvereinbarungen (s. dazu die Angaben des
Klägers vor der Kreispolizeibehörde F vom 29.10.2003) zu offenbaren, anstatt auf
seinen Abrechnungen gegenüber der Beigeladenen zu 7) trotz Kenntnis der
Rabattvereinbarung und darauf beruhender nachträglicher Rückvergütungen zu
bestätigen, nur tatsächlich angefallene Kosten in Rechnung zu stellen.
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Die von dem Kläger vorrangig erst im Verlauf des Rechtsstreits erhobenen
Einwendungen, er habe seine Zahlungen für Zahnersatz in voller Höhe an die
Verrechnungsgesellschaft LVG erbringen müssen, bei den nachträglichen
Rabattzahlungen habe es sich um einen Anteil an der Provision des
Außendienstmitarbeiters L (so noch am 29.10.2003) bzw. um Schenkungen der
Globudentgesellschafter (so im Schriftsatz vom 16.09.2005) gehandelt und deshalb sei
der genaue Zahlungsfluss zu ermitteln, sind nicht nur irrelevant, sondern belegen auch -
worauf noch weiter eingegangen wird -, dass der Kläger, im Übrigen trotz rechtskräftiger
Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 36 Fällen, bislang
keineswegs Einsicht in das Unrecht seiner Handlungsweise gewonnen hat. Die
Rabattzahlungen standen nämlich, wie der Kläger schon am 29.10.2003 zugestanden
hat und dem Senat im Übrigen aufgrund vielfacher Beschäftigung mit gleichgelagerten
Rechtsstreiten auch bekannt ist, in unmittelbaren Zusammenhang mit dem mit H
erzielten Nettoumsatz. Danach berechnete sich entsprechend den getroffenen
Vereinbarungen der Rabatt. Damit kommt es letztlich nicht darauf an, auf welchem Weg
die Rabattzahlungen bewerkstelligt wurden. Allein entscheidend ist, dass der Kläger die
Zahlungen erhalten hat.
51
Der Senat teilt auch uneingeschränkt die Auffassung des Beklagten und des SG, dass
der Kläger durch seine Handlungsweise in einem so gravierenden Maße seine
vertragszahnärztlichen Verpflichtungen, zu denen u.a. die Pflicht zur peinlich genauen
Abrechnung zählt (s. dazu u.v.a. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20.10.2004 - B
6 KA 67/03 R -), verletzt hat, dass letztlich nur die Entziehung seiner Zulassung möglich
war. Gerade bei Abrechnungsmanipulationen, die sich wie hier über zwei Jahre
erstrecken und zu einem Schaden erheblichen Ausmaßes führen, kann auch nach der
Beurteilung des Senats wegen der Schwere der Pflichtverletzung lediglich eine
Disziplinarmaßnahme nicht ausreichen, selbst wenn diese möglicherweise geeignet
sein könnte, den Vertragsarzt z.B. in Verbindung mit strafrechtlichen Maßnahmen zur
Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Entscheidend ist nämlich, dass der Kläger durch
seine nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Abrechnungen das
Vertrauensverhältnis zu den Kostenträgern so massiv gestört hat, dass diesen
einschließlich der Beigeladenen zu 7) eine weitere Zusammenarbeit mit ihm
schlechterdings undenkbar ist.
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Bei dieser Wertung ist auch einzubeziehen, dass der Kläger seine unrechtmäßige
Verfahrensweise nicht etwa wegen Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit eingestellt,
also sich besonnen hat, sondern die Geschäftsbeziehungen zu H deshalb endeten, weil
er seinen Zahlungsverpflichtungen dieser gegenüber nicht nachgekommen ist (s.
Angaben des Klägers vor der Kreispolizeibehörde F vom 29.10.2003). In der Folgezeit
53
hat der Kläger zudem versucht, den Ermittlungen der Beigeladenen zu 7) aktiv
entgegenzuwirken. Dies ergibt sich daraus, dass er noch am 28.11.2002 auf Befragen
der Beigeladenen zu 7) erklärt hat, im Zuge der Geschäftsverbindungen mit H von
dieser keine Rabatte oder andere Vergünstigungen erhalten zu haben. Die Behauptung
des Klägers, er habe keine Angaben zu Rabatten oder Vergünstigungen gemacht
(Schriftsatz vom 11.11.2005), ist ausweislich des vom ihm unter dem 28.11.2002
unterzeichneten Fragebogens, in dem er zu der entsprechenden Frage die Antwort
"Nein" angekreuzt hat, unrichtig. Diese Umstände fördern das bereits aufgrund der
Abrechnungsmanipulation bestehende evidente Misstrauen gegenüber dem Kläger in
noch erheblichen, nahezu nicht mehr steigerungsfähigem Maß weiter.
Der Kläger hat die durch seine gröblichen Pflichtverletzungen verlorene Eignung zur
Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung auch nicht infolge eines
"Wohlverhaltens" (s. dazu u.v.a. BSG, Urteil vom 19.07.2006 - B 6 KA 1/06 R-)
wiedererlangt.
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Bei der Prüfung des "Wohlverhaltens" kann grundsätzlich nur auf die Zeit zwischen dem
Ergehen der Zulassungsentziehungsentscheidung des Beklagten - hier dem 09.11.2004
- und der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz im Rechtsstreit über
den Entziehungsbescheid - hier dem 28.05.2008 - abgestellt werden (BSG, Beschluss
vom 31.10.2006 - B 6 KA 40/06 B -). Damit ist die sog. Bewährungszeit mit einer Dauer
von üblicherweise fünf Jahren (s. hierzu BSG, Urteil vom 19.07.2006 a.a.O. unter
Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.10.1986 - 6 RKA 32/86 - in MedR 1987, 254) nicht
abgelaufen, so dass danach eine Wiedererlangung der Eignung derzeit nicht in Betracht
kommt. Selbst aber wenn trotz der Schwere des Verstoßes zu Gunsten des Klägers von
einer kürzeren "Bewährungszeit" ausgegangen würde, ergäbe sich kein anderes
Ergebnis. Selbstverständlich ist zunächst, dass sich der Vertrags(zahn) während der
Dauer des Streits über die Zulassungsentziehung wohlverhält, indem er seinen
vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommt. Andernfalls wäre der
Prüfung eines "Wohlverhaltens" bereits von Anfang an jegliche Grundlage entzogen.
Der Senat hat indes allerdings bereits (s.o.) aufgezeigt, dass der Kläger trotz
rechtskräftiger Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 36 Fällen
bislang keine Einsicht in das Unrecht seiner Handlungsweise gewonnen hat. Auch
seine jeder Lebenserfahrung widersprechende und zudem widerlegte Behauptung einer
Schenkung belegt die Tendenz des Klägers, seine Vergehen zu bagatellisieren. Diese
Einstellung schließt eine dem Kläger positive Zukunftsprognose aus; seine
Grundeinstellung hat bisher keine Änderung erfahren.
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Ob - wie der Kläger behauptet - im Strafverfahren im Hinblick auf seine Persönlichkeit
von einem Berufsverbot abgesehen wurde, ist unerheblich. Unabhängig davon, dass
der Kläger auch im Strafverfahren trotz seiner Persönlichkeit wegen gewerbs- und
bandenmäßigen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten (auf "Bewährung")
verurteilt worden ist, kommt es vorliegend darauf an, ob das Verhältnis zu den
Kostenträgern der gesetzlichen Krankenversicherung - einschließlich der Beigeladenen
zu 7) - weiterhin so gestört ist, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem
Kläger nicht möglich ist. Dies ist - wie bereits ausgeführt - zu bejahen; abzustellen ist
dabei ausschließlich auf die Beurteilung der Zulassungsgremien bzw. der zu dieser
Entscheidung berufenen Richter.
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Schließlich geht auch der Hinweis des Klägers auf § 25 Zahnärzte-ZV fehl; die dort
ursprünglich normierte Altersgrenze ist mit Wirkung zum 01.01.2007 entfallen (Gesetz
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zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze - VÄndG - vom 22.12.2006,
BGBl I 2006, 3439).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154
Verwaltungsgerichtsordnung.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2
SGG).
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