Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 03.09.2009

LSG NRW (gkg, planwidrige unvollständigkeit, streitwert, zpo, vorschrift, beschwerde, berechnung, württemberg, ausdrücklich, baden)

Landessozialgericht NRW, L 8 B 12/09 R
Datum:
03.09.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 8 B 12/09 R
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 11 (18) R 36/07
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2009 wird zurückgewiesen. Die
Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens
werden nicht erstattet.
Gründe:
1
I.
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Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die Beklagte vom Kläger die Zahlung von
2.622,03 EUR (Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie
Säumniszuschläge in Höhe von 360,00 EUR) verlangen kann (Bescheid v. 01.02.2007
in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 11.09.2007). Mit Beschluss v. 17.02.2009 hat
das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Streitwert endgültig auf 2.622,03 EUR, also unter
Einbeziehung der Säumniszuschläge festgesetzt.
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Mit der Beschwerde begehrt die Beklagte die Festsetzung des Streitwertes auf 2.262,03
EUR, also unter Außerachtlassung der Säumniszuschläge. Sie beruft sich auf den
Beschluss des 5. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen v. 19.09.2006
(Az.: L 5 B 1/06 ER).
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Der Bevollmächtigte des Klägers meint, dass das SG den Streitwert richtig berechnet
habe.
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Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Nichtabhilfeentscheidung v. 10.06.2009).
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II.
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Der Senat entscheidet über die Beschwerde gegen den Beschluss des SG mit drei
Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1
Halbsatz 2 GKG, wonach der Berichterstatter allein entscheidet, wenn die angefochtene
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Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist, ist im sozialgerichtlichen
Verfahren nicht anzuwenden, weil der Kammervorsitzende des SG kein "Einzelrichter"
in diesem Sinne ist (wie hier: Senat, Beschluss v. 31.08.2009, L 8 B 11/09 R; LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 30.04.2008, L 16 B 5/07 R; LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss v. 14.05.2009, L 24 KR 33/09 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v.
27.04.2009, L 5 B 451/08 KA; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.04.2009,
L 10 B 42/08 P; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.12.2008, L 10 R 5747/08 W-
B; Sächsisches LSG, Beschluss v. 09.06.2008, L 1 B 351/07 KR; jeweils juris).
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Streitwert zutreffend
festgesetzt und dabei insbesondere zu Recht die von der Beklagten geforderten
Säumniszuschläge eingerechnet.
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Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der
Streitwert aufgrund richterlichen Ermessens nach der Bedeutung zu bestimmen, die die
Sache für den Kläger seinem Antrag nach hat, soweit nichts anderes geregelt ist. Eine in
diesem Sinne abweichende Vorschrift enthält § 52 Abs. 3 GKG. Betrifft der Antrag des
Klägers einen Verwaltungsakt, der auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist, so ist
deren Höhe maßgebend. Als Ausnahme von § 52 Abs. 3 GKG regelt § 43 Abs. 1 GKG,
dass der Wert von Früchten, Nutzungen, Zinsen oder Kosten nicht berücksichtigt wird,
wenn sie außer dem Hauptanspruch als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
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Säumniszuschläge gemäß § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehören nicht
zu den in § 43 Abs. 1 GKG genannten Nebenforderungen. Wie der Senat bereits
entschieden hat (Beschluss v. 31.08.2009, L 8 B 11/09 R), kann die Vorschrift auch nicht
entsprechend auf sie angewandt werden (im Ergebnis wie hier: BSG, Urteil v.
21.01.2009, B 12 AL 2/07 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG, Urteil v.
27.05.2008, B 2 U 19/07 R, SozR 4-2700 § 150 Nr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
v. 23.10.2008, L 9 AL 28/08; BayLSG, Beschluss v. 14.04.2009, L 5 B 573/08 R; LSG
Baden-Württemberg, Urteil v. 27.03.2009, L 4 KR 1833/07; LSG Baden-Württemberg,
Beschluss v. 26.01.2009, L 10 R 5795/08 W-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v.
27.09.2007, L 9 B 374/07 KR ER, jeweils juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil v.
28.11.2007, L 5 KR 33/07, EzAÜG SGB IV Nr 40; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss v. 17.10.2006, L 11 (8) R 57/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v.
09.03.2009, L 16 (11) B 4/07 R ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.09.2006,
L 5 B 1/06 R ER; Sächsisches LSG, Beschluss v. 05.03.2009, L 1 B 605/07 KR;
Thüringer LSG, Urteil v. 29.01.2007, L 6 RJ 1024/03; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v.
03.11.2005, L 5 B 192/05 KR, jeweils juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil v.
30.08.2007, L 6 U 1140/06, UV-Recht Aktuell 2007, 1193).
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Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass Säumniszuschläge keine Früchte oder
Nutzungen (vgl. §§ 99, 100 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) im Sinne des § 43 Abs. 1
GKG sind. Sie sind aber auch keine Zinsen oder Kosten und können im Hinblick auf ihre
Funktion auch nicht solche angesehen werden. Säumniszuschläge haben eine
Doppelnatur (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil v. 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R, SozR 4-
2400 § 24 Nr. 12). Sie sollen dem Gläubiger, d.h. dem Sozialleistungsträger, einen
standardisierten Mindestausgleich verschaffen, darüber hinaus aber auch
Zahlungsdruck auf den Schuldner ausüben. Nur die erstgenannte Funktion entspricht
derjenigen von z.B. Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB. Ihre andere Aufgabe
kennzeichnet die Säumniszuschläge demgegenüber als eigenständiges Mittel zur
Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Forderungen und verhindert ihre Gleichstellung mit
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Zinsen. Erst recht sind sie den genannten Zwecken nach keine Kosten im Sinne des §
43 Abs. 1 GKG, weil sie nicht den finanziellen Aufwand zur Durchsetzung des
Hauptanspruchs ausgleichen sollen (vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 25.09.2007, VI ZB
22/07, NJW-RR 2008, 374). Säumniszuschläge lassen sich schließlich auch deshalb
nicht unter die Begriffe "Kosten" oder "Zinsen" fassen, weil der Gesetzgeber im Rahmen
des SGB IV die Begriffe "Zinsen" sowie "Kosten der Einziehung" verwendet und sie
dementsprechend sorgfältig von Säumniszuschlägen unterscheidet (vgl. §§ 28e Abs. 4,
28k Abs. 1 Satz 1, 28n Nr. 3, 28r Abs. 2 SGB IV zu Zinsen sowie § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 SGB IV zu Kosten der Einziehung). Ähnliche Differenzierungen, die einer
Gleichstellung der Begriffe im Rahmen des § 43 Abs. 1 GKG entgegenstehen, finden
sich zudem beispielsweise im Steuerrecht (vgl. nur §§ 3 Abs. 4, 156 Abs. 2, 261
Abgabenordnung).
Eine analoge Anwendung von § 43 Abs. 1 GKG auf Säumniszuschläge scheitert bereits
daran, dass es an der hierfür erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des
Gesetzes (sog. "Regelungslücke") fehlt. Zur Beurteilung, ob das Gesetz eine solche
enthält, ist der ihm zugrunde liegende Regelungsplan aus sich selbst heraus mit den
Mitteln der Gesetzesauslegung zu ermitteln (Larenz, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 373). Die Annahme einer planwidrigen
Unvollständigkeit des § 43 Abs. 1 GKG wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich als
Ergebnis dieser Auslegung herausstellen würde, dass der Gesetzgeber seinem
Regelungsplan nach mit dieser Vorschrift entweder alle vom Bestehen der
Hauptforderung abhängigen Nebenforderungen (und damit auch Säumniszuschläge)
oder jedenfalls zumindest die Säumniszuschläge als nicht Streitwert erhöhend erfassen
wollte. Ein solches Auslegungsergebnis lässt sich jedoch nicht begründen.
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Der Wortlaut des § 43 Abs. 1 GKG und die Systematik des Gesetzes sprechen dagegen,
dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift auf andere als die dort
ausdrücklich aufgeführten Nebenforderungen erstrecken wollte. Vielmehr deutet die
Gesetzesfassung ("Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen")
auf eine typisierende, abschließende Aufzählung hin, die nicht ausschließt, dass andere
Nebenforderungen bei der Berechnung des Streitwertes berücksichtigt werden. Diese
Beurteilung wird durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 52 Abs. 3 GKG und § 43
Abs. 1 GKG gestützt. Nach § 52 Abs. 3 GKG kommt es für die Festsetzung des
Streitwerts bei Anfechtungsklagen gegen Leistungsbescheide grundsätzlich nur auf die
Höhe der (Gesamt-)Forderung an, ohne dass eine Differenzierung nach einzelnen
Rechenposten stattfindet. Davon ausgenommen sind lediglich die in § 43 Abs. 1 GKG
im Sinne einer abschließenden Aufzählung genannten Nebenforderungen.
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Auch die historische Entwicklung der Vorschriften über die Streitwertberechnung,
insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 43 Abs. 1 GKG, steht der Annahme
einer planwidrigen Regelungslücke entgegen. Wie die Gesetzesmaterialien belegen
(BT-Drs. 15/1971, S. 155), übernimmt die mit Wirkung vom 01.07.2004 in der Fassung
von Art. 1 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz v 05.05.2004 (BGBl. I, S. 718) in Kraft
getretene Vorschrift des § 43 Abs. 1 GKG ungeachtet kleinerer redaktioneller
Anpassungen ihrem Inhalt nach unverändert die Vorgängerbestimmung des § 22 GKG
in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung (a.F.). Damit entspricht die jetzige
Gesetzesfassung im Wesentlichen der Regelung des § 20 Abs. 1 GKG i.d.F. von Art. 1
Nr. 20 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über
Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und
anderer Vorschriften v. 20.08.1975 (BGBl. I, S. 2189; im Folgenden: KostenÄndG 1975,
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zu § 22 GKG a.F. geworden aufgrund der Bekanntmachung der Neufassung des GKG v.
15.12.1975 [BGBl I., S. 3047]).
Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 1 GKG a.F. die
Berücksichtigung von Nebenforderungen bei der Streitwertberechnung vollständig
ausschließen wollte. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 7/2016, S. 73 zu Nr.
20) bestand der Hauptzweck der Neuregelung vielmehr darin, die bis dahin noch
vorgeschriebene "oft zeitraubende Berechnung der Nebenforderungen, insbesondere
der Zinsen" zu ersparen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine weitgehende
Übereinstimmung von § 22 Abs. 1 GKG mit § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO und § 18 Abs. 2
Kostenordnung (KostO) angestrebt.
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Die Absicht der Synchronisierung von § 22 Abs. 1 GKG mit § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO
spricht bereits gegen die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit des (heutigen)
§ 43 Abs. 1 GKG n.F. in Bezug auf anderweitige Nebenforderungen, in Sonderheit
Säumniszuschläge. § 4 ZPO regelt die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwertes und
bestimmt in Abs. 1 Halbsatz 2, dass Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten dabei
unberücksichtigt bleiben, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Die
einschlägige Literatur sieht diese Aufzählung übereinstimmend als abschließend an
und lehnt eine entsprechende Anwendung auf andere Nebenforderungen ab (Roth in
Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. [1992], § 4 Rdnr. 18 "Analogieverbot"; Hartmann in
Baumbach/Lauterbach, ZPO, 67. Aufl. [2009], § 4 Rdnr. 12; Schwerdtfeger in MüKo-
ZPO, 2. Aufl. [2000], § 4 Rdnr. 25). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) v.
27.06.1956 (V ZR 143/54, NJW 1956, 1562) steht dem nicht entgegen, weil der BGH die
dort vertretene Ansicht, Säumniszuschläge als "zinsähnliche Zuschläge" bei der
Streitwertberechnung im Rahmen des § 4 ZPO außer Betracht zu lassen, ausdrücklich
auf den Fall beschränkt hat, dass sie als Nebenforderungen bei Zivilklagen aus
abgetretenem Freistellungsanspruch geltend gemacht werden.
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Erst recht kommt das Hauptanliegen einer vereinfachten Streitwertberechnung bei
Klagen gegen öffentlich-rechtlich festgesetzte Säumniszuschläge nicht zum Tragen.
Denn diese werden, wie der vorliegende Fall bestätigt, regelmäßig im angefochtenen
Bescheid betragsmäßig ausgeworfen, sodass ein gerichtlicher Mehraufwand gerade
nicht entsteht.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass (auch) für Klagen gegen Säumniszuschläge
im sozialgerichtlichen Verfahren bei Inkrafttreten des § 22 Abs. 1 GKG a.F. noch
Gerichtskostenfreiheit bestand, sodass kein Streitwert nach dem GKG zu berechnen
war. Denn dieser Umstand rechtfertigt nicht die Annahme, die planwidrige
Unvollständigkeit des Gesetzes habe sich erst durch die (teilweise) Beseitigung der
Gerichtskostenfreiheit durch § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.d.F. von Art 1 Nr. 68 6. SGG-
Änderungsgesetz v. 17.08.2001 (BGBl. I, S. 2144) mit Wirkung vom 02.01.2002
ergeben. Vielmehr stellte sich die Frage, ob Säumniszuschläge Nebenforderungen im
kostenrechtlichen Sinne waren, auch zuvor schon in einem eng verwandten
Zusammenhang, nämlich bei der Berechnung des Geschäftswerts der anwaltlichen
Tätigkeit: Zeitgleich mit Inkrafttreten des § 22 Abs. 1 GKG a.F. bestimmte der
Gesetzgeber in § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 der Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte (BRAGO) i.d.F. von Art 3 Nr. 61 KostenÄndG 1975, dass die Gebühren
in Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der
Bundesanstalt für Arbeit oder einer Berufsgenossenschaft nach dem Gegenstandswert
berechnet und hierfür sinngemäß die Vorschriften des Dritten Abschnitts der BRAGO
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gelten sollten. Zu diesen Streitigkeiten gehörten u.a. Verfahren über die Erhebung von
Säumniszuschlägen auf der Grundlage von § 751 Abs. 1 Satz 3
Reichsversicherungsordnung (RVO) i.d.F. von Art 1 Unfallversicherungs-
Neuregelungsgesetz v. 30.04.1963 (BGBl. I, S. 241; vgl. hierzu exemplarisch BSG,
Urteil v. 27.07.1972, 2 RU 146/70, BSGE 34, 244). Ob diese den Geschäftswert für die
anwaltliche Tätigkeit erhöhten, war gemäß § 8 Abs. 2 BRAGO nach § 18 Abs. 2 KostO
zu beantworten, mithin einer Vorschrift, die dieselben Nebenforderungen umfasste wie §
22 Abs. 1 GKG a.F., wobei der Gesetzgeber auf die Parallelität beider Bestimmungen,
wie erwähnt, in den Materialien ausdrücklich hingewiesen hatte. Sähe der Gesetzgeber
Regelungsbedarf in Bezug auf die kostenrechtliche Behandlung von
Säumniszuschlägen, so hätte dieser mithin auch schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
des § 22 Abs. 1 GKG a.F. bestanden.
Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der
Gesetzgeber die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BRAGO auf alle "Arbeitgeberstreitigkeiten" durch Art 1 Nr. 2 Gesetz zur Änderung der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte v. 20.08.1990 (BGBl. I, S. 1765) insoweit
ebenfalls nicht zu einer Klarstellung genutzt hat, obwohl danach auch in anderweitigen
beitragsrechtlichen Streitigkeiten, in denen Säumniszuschläge anfallen konnten (vgl. §
397a RVO i.d.F. von § 23 Gesetz zur Erhaltung leistungsfähiger Krankenkassen v.
27.03.1923 [RGBl. I, S. 225]; grundlegend geändert durch § 246 Abs. 1 Nr. 2
Arbeitsförderungsgesetz [AFG] v. 25.06.1969 [BGBl. I, S. 582]; gemäß § 246 Abs. 1 Nr.
3, Abs. 2 AFG mit entsprechenden Verweisungsvorschriften in §§ 1400 RVO, 122
Angestelltenversicherungsgesetz), der Gegenstandswert berechnet werden musste.
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Auch jenseits der in den Materialien ausdrücklich genannten Motive lässt sich § 43 Abs.
1 GKG kein gesetzlicher Regelungsplan entnehmen, dem die Nichteinbeziehung von
Säumniszuschlägen zuwiderliefe. So weisen die von § 43 Abs. 1 GKG genannten
Nebenforderungen keine übereinstimmenden, von den nicht erfassten Ansprüchen
abgrenzbaren Merkmale auf, die zudem gleichermaßen auf die Säumniszuschläge
zuträfen. Insbesondere lässt sich ihre Nichtberücksichtigung bei der Berechnung des
Streitwertes nicht mit einem gesteigerten Grad der Abhängigkeit von der Hauptforderung
begründen. Zwar erfasst § 43 Abs. 1 GKG auch streng akzessorische
Nebenforderungen wie Prozesszinsen (vgl. § 291 BGB), ebenso jedoch Verzugszinsen,
bei denen zusätzlich zum Bestehen der Hauptforderung eine Prüfung des Verschuldens
hinsichtlich der verspäteten Leistung erforderlich ist (vgl. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 4
BGB). Insofern ähneln diesen zwar die Säumniszuschläge, soweit sie für die
Vergangenheit erhoben werden (vgl. § 24 Abs. 2 SGB IV). Andererseits besteht, wie
bereits dargelegt, ein wesentlicher Unterschied zwischen Säumniszuschlägen und
Zinsen insoweit, als Säumniszuschläge zusätzlich die Funktion eines Druckmittels
erfüllen. Schließlich gibt es eine Vielzahl akzessorischer Forderungen (z.B. den
Anspruch auf Herausgabe von Zubehör oder den Anspruch auf Zahlung von
Umsatzsteuer auf die Hauptforderung), die nicht von § 43 Abs. 1 GKG erfasst werden
und daher den Streitwert erhöhen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten
werden (§ 177 SGG).
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